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Man höre und staune
Seine Riesenohren braucht der Elefant hauptsächlich zur Abkühlung.
Hört, hört!
Manche Tiere nehmen sehr hohe Töne wahr, andere extrem tiefe. Der Mensch befindet sich irgendwo dazwischen. Wer wie gut hört – und womit.
Text: Susanne Schmid Lopardo
Grundsätzlich funktioniert das Gehör bei allen Säugetieren in etwa gleich wie beim Menschen», sagt Neurobiologieprofessor Stephan Neuhauss vom Institut für Molekulare Biologie der Universität Zürich. Das heisst: Sie nehmen die Schallwellen wahr, die über die Luft ins Mittelohr und über das Trommelfell ins Innenohr gelangen. Bei Meeressäugern wird der Schall über Vibrationen im Wasser ins Ohr übertragen.
Menschen rangieren im Mittelfeld «Wenn man untersucht, wie leise ein Ton ist, den man gerade noch wahrnehmen kann, ist das Gehör der Menschen gut», so der Professor. Betrachtet man jedoch den Frequenzbereich, also wie tief oder wie hoch die Töne sind, die wir noch hören können, bewegen wir uns im Mittelfeld. Der Mensch hört in einem Bereich von 40 (sehr tief) bis zu 20 000 Hertz (hoch). Der Schall wird in Hertz, also Schwingungen pro Sekunde, gemessen. Zum Vergleich: Fledermäuse hören Frequenzen bis zu 300 000 Hertz. Kommt hinzu, dass die obere Hörgrenze beim Menschen im Alter sinkt. In der Regel geht sie mit jedem Jahrzehnt um rund 2000 Hertz zurück.
Elefanten hören gut – haben aber nicht nur deshalb riesige Ohren Grosse Ohrmuscheln helfen, den Schall besser aufzufangen. Deshalb können viele Tiere mit grossen Ohren auch sehr gut hören, zum Beispiel Elefanten (6 bis 12 000 Hertz). Sie benutzen ihre riesigen Ohren jedoch vor allem für die Abkühlung. Interessant ist gemäss Neuhauss die spezielle Form der Ohrmuscheln mit ihren Grübchen und Erhebungen. «Indem sich der Schall an den Grübchen bricht, wird der Höreindruck beeinflusst. Fledermäuse etwa haben ganz bizarr geformte Ohrmuscheln. So können sie mehr Informationen aus dem Schall herauslesen.»
Hunde oder Katzen – wer hört besser? Auch Hunde verfügen über ein sehr gutes Gehör (15 bis 50 000 Hertz). Sie können nicht nur ein Kaninchen im Gras rascheln hören, sondern auch schon von Weitem die Schritte ihres Menschen auf dem Nachhausweg wahrnehmen.
Das gilt auch für Katzen. Wie Hunde waren auch sie Jäger, bevor sie domestiziert wurden. Katzen verfügen über einen grossen Hörbereich zwischen 45 und 64000 Hertz. Sie können ihre Ohren auch viel effektiver drehen als Hunde, sodass sie Geräusche aus allen Richtungen um sich herum aufnehmen.
Pferde – die Ohrenverdreher Ein sehr gutes Gehör haben Pferde (bis 38000 Hertz). Zudem sind sie Meister im
Ausrichten ihrer Ohren, die sie in mehrere Richtungen drehen können – was ihnen dabei hilft, besser zu orten, woher Geräusche kommen. Bei frei lebenden Pferden verlässt sich die ganze Herde auf das Gehör des Wachpferds, das nach Gefahren «Ausschau» hält.
Heuschrecken hören mit den Knien Insekten haben Hörorgane, die durchaus mit denen der Menschen vergleichbar sind. So haben auch sie ein Trommelfell. Allerdings bezeichnet man die Hörorgane bei Insekten nicht als Ohren, sondern als Tympanalorgane. «Diese sitzen jedoch meist nicht rechts und links am Kopf, sondern am Körper», so Neuhauss. «Bei Heuschrecken etwa an den Kniegelenken, bei anderen Insekten auf den Fühlern.» Denn: Je weiter die Hörorgane auseinanderliegen, desto besser können die Schallquellen lokalisiert werden.
Viele Insekten hören sehr hohe Töne, was sie vor dem Gefressenwerden schützt – zum Beispiel von Fledermäusen. Motten etwa können Frequenzen von bis zu 300000 Hertz wahrnehmen. «Es gibt sogar Insekten, die ihre Flügel zusammenklappen und sich zu Boden fallen lassen, sobald sie einen bestimmten Ton hören», sagt Neuhauss.

Delfine – die Ortungschampions Ihr EcholotOrtungssystem ist dem der Fledermäuse ähnlich, funktioniert aber noch besser: Delfine können gleichzeitig zwei Ultraschallklicks mit unterschiedlicher Frequenz aussenden, und das in verschiedene Richtungen. Das sogenannte DelfinDoppelsonar ist das vielleicht am höchsten entwickelte Navigations und Ortungssystem der Natur. Die Meeres säuger können damit nicht nur organische Körper scannen, sondern auch durch Sand am Meeresboden eingegrabene Fische aufspüren. Delfine nehmen Frequenzen zwischen 100 und 200 000 Hertz wahr.
Buckelwale können sich über eine Entfernung von 2000 Kilometern verständigen.
Wale – Partnersuche über grosse Distanzen Die Brunftgesänge von Walen haben eine so tiefe Frequenz, dass sie selbst noch in 2000 Kilometern Entfernung von einem anderen Wal gehört werden. Das entspricht einer Entfernung von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Wale schwimmen lange Distanzen. Ohne diese Fähigkeit könnten sie nur schwer einen Partner finden. Die Verständigung der Blauwale spielt sich in einem Frequenzbereich von 10 bis 40 Hertz ab.
Fledermäuse kommunizieren im Ultraschallbereich Fledermäuse hören sehr gut, sehen aber fast gar nichts. Sie können sehr hohe Töne wahrnehmen (bis zu 300 000 Hertz) und benutzen ihr Gehör zur Orientierung im Raum, zur sogenannten Echolokalisation. Fledermäuse stossen Laute im Ultraschallbereich aus. Trifft die Schallwelle auf ein Objekt wie einen Baum oder eine Beute, wird sie reflektiert. Das Ohr der Fledermaus fängt diese Reflexion auf. Anhand der Zeit, die es braucht, bis der Ton zu ihr zurückkehrt, kann die Fledermaus «ausrechnen», wie weit das Objekt entfernt ist, in welche Richtung es sich bewegt und mit welcher Geschwindigkeit es unterwegs ist.
Terrier und Schlangen – die Schwerhörer «Tendenziell ist es so, dass Tiere, die gut sehen, eher schlecht hören», sagt Neuhauss. Schwerhörer sind auch Tiere, die unter degenerativen Krankheiten leiden. Bei manchen Hunderassen, Terriern zum Beispiel, können erblich bedingte Hörschädigungen gar zur vollständigen Taubheit führen.
Auch Schlangen hören schlecht, denn sie haben keine Aussenohren. «Früher dachte man deshalb, dass sie gar nichts hören. Das stimmt nicht», so der Neurobiologe. Allerdings nehmen Schlangen Vibrationen im Boden nicht über die Ohren, sondern mit dem ganzen Körper wahr.
Tintenfische – die Tauben «Die Wahrnehmung von Tintenfischen funktioniert rein visuell», sagt Stephan Neuhauss. Denn Tintenfische haben gar kein Gehörorgan. Oktopusse etwa sehen sowohl mit den Augen als auch über ihre lichtempfind liche Haut. Zwar kann die Haut keine Informationen direkt ans Gehirn weiterleiten, aber sie ermöglicht es den Tintenfischen, ihre Tarnung in Rekordgeschwindigkeit an Struktur und Farbe der Umgebung anzupassen. MM
Prof. Dr. Stephan Neuhauss ist Neurobiologieprofesssor am Institut für Molekulare Biologie und Prodekan der Mathematisch Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich.