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Revival des Vinyls
Frisch gepresst
Schallplatten erleben ein Revival, nicht nur bei Nostalgikern. Die Nachfrage ist so gross, dass die Aargauer Tonträgerproduzentin Adon damit beginnt, Vinylscheiben zu pressen. Damit hat die Schweiz nach über 20 Jahren wieder eine eigene LP-Produktion.
Text: Benita Vogel Bild: Nik Hunger
Andreas Krüsi präsentiert in Neuenhof das neue Album von Philipp Fankhauser – die erste Vinylscheibe, die in der aktuell einzigen Plattenpressmaschine der Schweiz hergestellt wurde.
Es knackte und knisterte jeweils in der kleinen Stube, wenn Grossmutter die Nadel auf die Schallplatte setzte. Ein Grundrauschen begleitete Elvis Presley, wenn er «Love Me Tender» in den Raum hauchte.
Die Erinnerung an solche Musiknachmittage sind schon beinahe in Vergessenheit geraten. Fast so wie die gute alte Langspielplatte. Nachdem in den 80er-Jahren CDs und digitale Tonträger aufkamen, waren es nur noch DJs, Freaks und Nostalgiker, die Musik von der schwarzen Scheibe abspielten. Der hiesige LP-Markt schrumpfte von mehr als 100 Millionen Franken Umsatz pro Jahr auf noch knapp eine halbe Million im Jahr 2005. Die letzte Schweizer Plattenpresse hatte bereits in den 90er-Jahren dichtgemacht. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Heute ist Vinyl wieder gefragt. So sehr, dass die Firma Adon Production AG in Neuenhof AG die Platten jetzt selbst presst.
Unverwechselbarer Ton «Ich bin immer ein Fan von Vinylplatten geblieben», sagt AdonChef Andreas Krüsi. «Der Ton, der Geruch, die Haptik – das ist etwas ganz Besonderes.» Mit seiner Firma und 22 Angestellten bietet er für Musikerinnen und Musiker alles an, was mit Tonträgern, Qualität und Design zu tun hat. Er produziert und vertreibt Kassetten, Schallplatten mit den dazugehörigen Cover, CDs und Merchandise-Artikeln.
Dass aus der Liebhaberei auch ein Geschäft werden kann, habe sich in den vergangenen

fünf Jahren abgezeichnet. «Seither hat sich der Markt deutlich nach oben entwickelt», weiss Krüsi. Längst gibt es auch wieder Vinylcharts. Inzwischen werden hierzulande jährlich Vinylplatten im Wert von vier Millionen Franken verkauft. Die Nachfrage ist zwei- bis dreimal so hoch wie die weltweiten Produktionskapazitäten. «Musikerinnen und Musiker müssen bis zu einem Jahr warten, bis sie ihre bestellten Platten erhalten, oft sind sie dann schon an ihrem nächsten Projekt.»
Das Revival der LP führt Krüsi unter anderem auf den Wunsch nach Individualisierung zurück. «Die Künstlerinnen und Künstler wollen ihre Fans mit etwas Speziellem bedienen, und diese wiederum schätzen es, wenn sie beispielsweise eine limitierte, signierte LP kaufen können.» Auch die Labels haben Interesse daran. Vor einigen Jahren haben auch Major-Labels wieder mit der Plattenproduktion begonnen – ein willkommenes Mittel, um den Hitparadenplatz ihrer Acts zu verbessern.
Andreas Krüsi Chef Adon Production AG
70 Jahre alte Technik In der Produktionshalle von Adon, wo Krüsi bis vor sieben Jahren Musik- und SoftwareCDs für Unternehmen sowie DVDs produzierte, steht die einzige Plattenpressmaschine der Schweiz. Der Anblick ist eher unspektakulär: ein Trichter für das Vinylgranulat, das durch ein Rohr zu einem Glaskasten transportiert, dort erhitzt und zu einem Puk geformt wird. Im Glaskasten befindet sich die Presse, in der aus der kleinen, dicken Kunststoffscheibe eine grössere, dünne mit Rillen wird, indem eine Matrize mit der Musik daraufgepresst wird. Für eine gute Qualität sind Raumtemperatur und -klima sehr wichtig. «Damit die Scheiben so flach und eben bleiben», erklärt Krüsi.
Die Technologie hat sich in den vergangenen 70 Jahren kaum verändert. Die einzelnen Schritte sind automatisiert worden, der überflüssige Rand der Platte wird maschinell abgeschnitten und die überschüssigen Teile recycelt. Auch das PVC, das in den Trichter fliesst, ist heute zum Teil Recyclingware. «Die Nachhaltigkeit hat auch bei Schallplatten Einzug gehalten», so Krüsi. Obwohl er sich kein nachhaltigeres Produkt als die LP vorstellen kann. «Richtig gepflegt, ist sie jahrzehntelang im Einsatz.»
Lieferengpässe bei Rohstoffen Die erste Platte, die in Neuenhof von der Presse geht, ist das Album «Watching From the Safe Side» des Schweizer Bluesmusikers und Songwriters Philipp Fankhauser. «Das habe ich ihm seit Langem versprochen», sagt Krüsi, der nach Feierabend in der Produktion oft an Konzerten anzutreffen ist, um bestehende Geschäftsbeziehungen zu pflegen und neue aufzubauen. Auch jeder Albumrelease wird persönlich gefeiert.
Künftig will Krüsi mit vier Pressen rund 8000 Schallplatten am Tag produzieren. Bis dahin dürfte es zwar noch etwas dauern. Die Lieferfristen der Maschinen haben sich wegen Produktions- und Logistikengpässen stark verzögert. Und auch PVC und Verpackungsmaterialien für die Hüllen sind Mangelware.
Dennoch: Geht es nach Krüsi, wird es in Schweizer Stuben schon bald wieder so klingen wie zu Grossmutters Zeiten. MM