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36 | 30.5.2022 | BIODIVERSITÄT

Von einem Wald kann noch keine Rede sein. Aber Joëlle Martinoya strahlt, als sie vorsichtig ein paar Schritte den steilen Hang hin­ untergeht. Denn die ersten Blät­ter ihrer Schützlinge spriessen. Die junge Frau streckt ihre Hand nach einer Traubeneiche aus. Sie zeigt dem Journalisten eine Eibe. Und sie kontrolliert, ob die Vogelbeere gesund ausschaut. Noch reichen ihr die Bäumchen bloss bis zum Oberschenkel. «Aber in einem Jahr sind sie so hoch», sagt Martinoya und hält ihre Hand weit über den Kopf. Das abschüssige Terrain un­ mittelbar über einer stark be­ fahrenen Kreuzung in der Genfer Innenstadt ist eine Besonderheit. Joëlle Martinoya ist die Projekt­ leiterin von zwei der ersten Tiny Forests, die in der Schweiz heran­ wachsen. Die ­Fläche dieses Mini­ wäldchens beträgt nur 220 Qua­ dratmeter, das ist ein Drittel ­eines Tennisplatzes. Und doch, so hofft Martinoya, wird er für das städtische Klima und die ­hiesige Tierwelt ein Segen sein. Eine Methode aus Japan

Denn Tiny Forests werden auf eine spezielle Art konzipiert und gepflanzt. Die Methode geht auf den japanischen Biologen Akira Miyawaki zurück. Er tüftelte in den 70er-Jahren an einer Mög­ lichkeit, um brachliegende Flä­ chen rasch wieder aufzu­forsten. Eine wichtige Voraussetzung, so fand er, ist der B ­ oden. Er muss ein gutes Baumwachstum er­

Kleiner Wald, grosse Wirkung?

Tiny Forest heisst der Trend, der von Japan aus nach Europa schwappt. Auch in Schweizer Städten werden die ersten dieser Miniwäldchen gepflanzt. Sind sie eine Geheimwaffe gegen den Klimawandel und für die Biodiversität? Text: Simon Koechlin

Bilder: Guillaume Megevand


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