Migros-Magazin-20-2012-d-OS

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SAISONKÜCHE 46 |

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FRANCO SUPINO

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Klein, aber Literatur

Solothurn liegt am Meer! Wie? Klar, immer im Mai. Dann, wenn sich die Schriftsteller zu den Literaturtagen treffen und poetisch alles möglich wird. In ihren Küchen bleibt es aber sachlich. Zum Beispiel mit einem Ofenpoulet bei Autor Franco Supino.

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eden gibt Durst, Zuhören auch. Gelöscht wird er an den Solothurner Literaturtagen in den Beizen, zu Ende gehen die Nächte der Dichter und Denker in privaten Küchen bei Pasta & Co. Dann, wenn bei Familienvater und Schriftsteller Franco Supino der Tag beginnt. «Ich glaube nicht, dass ich hätte schreiben müssen, wenn es die Literaturtage nicht gegeben hätte», begrüsst Franco Supino (46) «Saisonküche»Köchin Annina Ciocco. «Ohne einen Ort, wo die Literatur physisch spürbar war, hätte mir das Lesen gereicht. Es ist, wie wenn Sie das Kochen nur vom Fernsehen her kennen. Wer keine Küche betritt, wird nie Koch. Es braucht den Geruch, und es braucht eine Tradition.» Schreiben ist Handwerk, Kochen auch. Bücher und Rezepte wachsen nicht wie Pilze im Wald. Es sind Menschen, die dahinter stehen. Zum Beispiel Autoren,

die schlechte Zuhörer und mässige Vorleser sind, und Köche, die kochen, wie Heino singt. Na ja, das sind Ausnahmen. Jedenfalls haben die Protagonisten dieser Geschichte ihr Handwerk im Griff. Für den Moment steht das Kulinarische im Mittelpunkt – und Franco Supino am Rüstbrett. Kochen kann er, der Familienvater, Schriftsteller und Dozent für Sprache an der Pädagogischen Fachhochschule Nordwestschweiz. Während er den Cima di rapa in feine Stücke schneidet, erzählt er von seinem neuen Roman, der vom «Solothurner Stadtmist», von der sanierungsbedürftigen drittgrössten Abfalldeponie der Schweiz, handeln wird. Wie verhalten sich Menschen angesichts von Bedrohungen? Wie reagieren sie auf Veränderungen? Supinos Romanfiguren sollen eine Antwort geben. Die Antwort in der Küche liefert Annina Ciocco: «Rüsten, vierteln, längs

Bilder von links: ! Viele Zutaten benötigt es nicht, um mit dem Poulet glücklich zu sein: Knoblauch, Zwiebeln, Zitrone, Peperoncini. ! Frühkartoffeln duften wie Sommertrüffel, nur sind sie günstiger. Die Peperoncini verleihen dem Gericht Pfiff. ! Der Cima di rapa wird in mundgerechte Stücke geschnitten ... ! ... und blanchiert – fertig.

NR. 20, 14. MAI 2012 | MIGROS-MAGAZIN |

Kochen mit der «Saisonküche» Das Album in Schwarz-Weiss, die Sprache farbig. Franco Supino und «Saisonküche»Köchin Annina Ciocco teilen Vergangenes (Hochzeitsbilder) und Aktuelles (Rüsten).


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