Migros Magazin 18 2008 d ZH

Page 102

102 Mein ganzer Stolz

Migros-Magazin 18, 28. April 2008

Die Hauptstadt der Figaros ist Wetzikon Gold, Silber, Bronze! Drei Coiffeure aus Wetzikon ZH dominierten die Schweizer Meisterschaft. Sie alle arbeiten im gleichen Salon. Einer von ihnen, der 20-jährige Roberto Vitto, ist sogar Weltmeister.

W

ow! Model Kristina bewundert ihnen trainieren sollen. Aber natürlich freue die Frisur, die ihr Roberto Vitto in ich mich, dass sie hinter mir Silber und Bronze minutenschnelle verpasst hat. Sie gewonnen haben. Ein vollständiger SMfühlte sich wohl bei der Frisiere- Medaillensatz – kein Wunder, platzt unser rei: «Roberto rupft nicht an den Haaren, son- Chef vor Stolz!», schmunzelt Roberto. Zeit für eine Beziehung oder Sport bleibt dern behandelt sie mit Feingefühl», lobt sie. Kein Wunder, dass sie sich freut, schliesslich dem Haarartisten nicht. «Mittwoch bis Samshat sich nicht irgendwer an ihren Haaren tag arbeite ich, sonntags bis dienstags trainiere zu schaffen gemacht, sondern der Coiffeur- ich», sagt er. Die Sieben-Tage-Woche macht weltmeister. An der WM der Jungcoiffeure bis ihm nichts aus, denn Haare sind für den Zür25 in Chicago hat der 20-Jährige mit zwei Teamkolleginnen für die Schweiz den Titel gewonnen. Frisuren, die Roberto an Wettbewerben kreiert, sind weniger alltagstauglich als Kristinas neue Look. Oft sind sie bunt und haben ausgefallene Schnitte oder Accessoires wie Pilze, Blumenketten oder Federn. Dass dies den Jurys gefällt, beweisen die Medaillen und Pokale, die Vittos stolzer Chef Piero Crudo beim Tresen vor dem Eingang seines Salons Linea Piero ausstellt. Der junge Italiener ist erblich vorbelastet. Seine Mama arbeitete als Coiffeuse, bis ihr erster Sohn, Roberto, auf die Welt kam. An einer alten Übungspuppe seiner Mutter entdeckte der Ragazzo Mit dieser Frisur wurde die Schweiz Weltmeister: Roberto Vittos Team verpasste der Puppe einen aufregenden Look. seine grosse Leidenschaft, die Haare.

Die drei Besten kommen aus Wetzikon Eben ist Roberto Vitto Schweizer Meister geworden. Drei Mal hat er bereits an der SM der Coiffure Suisse teilgenommen und jedes Jahr ist er auf dem Podest ein Treppchen höher gestiegen: 3,2,1. Den Titel im Damenfach hat er sich verdient in den Disziplinen Haarschnitt, Farbe und Hochsteckfrisur. Offensichtlich ist Robertos Talent ansteckend. Dieses Jahr hat er mit den Lehrtöchtern aus «seinem» Salon trainiert, die zum ersten Mal am Junior Swiss Cup, der Schweizer U25-Meisterschaft, teilnahmen. «Beinahe hätten mich Isabelle und Rosalba geschlagen. Vielleicht hätte ich doch nicht so intensiv mit

cher Oberländer mehr als sein Beruf. Will er trotzdem einmal abschalten, geht er mit Freunden tanzen. Electro-Partys mag er besonders. Ab und zu wird Vittos Coiffeurstuhl zum Beichtstuhl: «Manchmal breiten Kundinnen ihr Privatleben vor mir aus – von Ferienflirts über Seitensprünge bis zu Familienproblemen. Doch wenn es allzu persönlich wird, höre ich weg und konzentriere mich auf meine Arbeit, denn derart Intimes ist mir peinlich und geht mich nichts an», erklärt Roberto. Es stimme auch nicht, dass Coiffeure immer mit den Kunden reden müssten. «Viele lesen lieber. Ich finde das angenehm, denn ich bin eher schüchtern.» Trotz seiner Schüchternheit experimen-

tiert er gerne. Kaum hatte er die Stifti begonnen, gehörten seine braunen Locken der Vergangenheit an. Seither hat er schon alles ausprobiert, von Grün über Blau zu Violett und Blond. Selbst eine Haarverlängerung bis Mitte Rücken. Zurzeit trägt Vitto seine Locken schwarz und machomässig – ein Italo, wie er im Buche steht. Überhaupt liebt der Secondo lange Haare. «Es tut mir weh, sie abzuschneiden. Die härtesten Fälle überlasse ich gern meinem Chef.»

Kunden vor Schaden bewahren Was liegt im Trend, Maestro? «Lange, gewellte Haare, wie sie Eva Longoria aus ‹Desperate Housewives› trägt. Schlimm finde ich eigentlich die Frisur von Micheline Calmy-Rey, aber als Markenzeichen ist sie schon kult – und sogar trendy», sagt Roberto. Schliesslich sei der Bubikopf in, besonders für Männer. Er selbst mochte die Pilzfrisur nie, «wohl weil alle sie hatten und auch meine Mutter sie mir als Kind verpasst hat. Rund geschnitten, mit einem Schwänzchen im Nacken, das ist ein Trauma von mir.» Trends hin oder her, die Frisur muss zum Typ passen. «Einmal wollte ein Kunde eine Kurzhaarfrisur wie David Beckham. Doch er hatte so gigantische Segelohren, dass ich ihn davon abbringen musste.» Erstaunlich: Roberto Vitto hat nicht den Wunsch, einen eigenen Salon zu eröffnen. Er ist zufrieden als Angestellter. Und bald möchte er noch den Beruf des Visagisten erlernen. Roberto ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Er lebte immer in Wetzikon. Den roten Pass hat er aber noch nicht, obwohl er sich darum bemüht. «Vielleicht beschleunigt der Weltmeistertitel, den unser Team für die Schweiz geholt hat, ja das Prozedere, und ich werde schneller vom Latino zum Schweizer», sagt er – und lacht sein schelmisches Italo-Lächeln. Text Donika Gjeloshi und Beat A. Stephan Bilder Esther Michel


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Migros Magazin 18 2008 d ZH by Migros-Genossenschafts-Bund - Issuu