Migros magazin 16 2018 d aa

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DOSSIER ALTER | MM16, 16.4.2018  11

Expertenstimmen

Ist Japan ein Vorbild für die Schweiz? «Bessere Vorbilder wären die Niederlande und Skandinavien» «Da die demografische Alterung in der Schweiz weniger markant ist, ist der Problemdruck ge­ ringer als in Japan. Dazu kommen die Kleinräumig­ keit des Landes und das gute öffent­liche Verkehrs­ netz. In unseren Städten wird möglichst hindernis­ frei gebaut, wovon auch alte Menschen profitieren. Vieles, was in Toyama entsteht, wird auch in der Schweiz genutzt, allerdings primär durch

private Initiativen. Posi­ tiv ist, dass Japan eine Pflegeversicherung nach deutschem Vorbild eingeführt hat. Auch im Umgang mit Pflegero­ botik könnte die Schweiz von Japan profitieren. An­ sonsten sind für uns eher die Niederlande, Schwe­ den oder Dänemark Vor­ bilder im Umgang mit der gesellschaftlichen Alte­ rung, gerade auch bezüg­ lich flexibler Formen der Pensionierung. Grund­

sätzlich hängt die gute Bewältigung der demo­ grafischen Entwicklung von drei zentralen gesell­ schaftlichen Ver­ände­ rungen ab: a) bessere Gesund­ heitsförderung und gute Prävention b) Förderung des ­lebenslangen Lernens c) flexible Formen der Pensionierung, gezielte Nutzung der Kompeten­ zen und Ressourcen älterer Menschen»

Links

Das gibt es in der Schweiz schon Integration älterer Menschen Tischgemeinschaften «Tavolata» (unterstützt durch das Migros-­ Kulturprozent): www.tavolata.ch

Wohn- und Betreuungsangebote fürs Älter­ werden: www.age-stiftung.ch

François Höpf­ linger (70), emeritierter Soziologieprofessor der ­Universität Zürich

Barrierefreie Hotels und Hotel-Spitex-Angebote: www.claireundgeorge.ch

Gestaltung von alters­ gerechten Grünräumen und Parkanlagen: www.alter-gruen-raum.ch

«Das grosse Marktpotenzial der Senioren nutzen»

Peter Gross (76), emeritierter Soziologieprofessor der Universität St. Gallen

«Japan geht das Thema Alter ganz anders an als die westlichen Industrie­ länder. Bei uns betrachtet man die Alterung der Ge­ sellschaft noch immer als Apokalypse, die es zu fürchten gilt. In Japan sieht man das gelassener und versucht, diese Ent­ wicklung innovativ anzu­ gehen – unter anderem indem man Senioren bes­ ser in den Arbeitsmarkt integriert. Die ältere Generation ist ein zuneh­

mend attraktiver Markt, und wer wäre besser geeignet, ­Produkte und Dienstleistungen für Senioren zu entwickeln, als diese selbst? Auch in der Schweiz liegt hier enormes Marktpotenzial brach, und es wäre schön, wenn hiesige Firmen Äl­ tere nicht nur aus Mitleid länger beschäftigen wür­ den, sondern weil sie die grossen Chancen darin erkennen. Es würde sich lohnen, auch mal über

die Vorteile einer letzt­ lich schrumpfenden Be­ völkerung bei steigender Lebenserwartung nach­ zudenken. Einerseits ­leben heute mehr Genera­ tionen gleichzeitig als früher, Kinder lernen nicht nur ihre Gross-, sondern oft auch ihre Urgrosseltern kennen, da­ von profitieren beide Sei­ ten. Andererseits kommt es unserer Umwelt ­zu­gute, wenn es wieder ­weniger Menschen gibt.»

Quartiers Solidaires der Pro Senectute Waadt zur Integration älterer Menschen ins Quartierleben: www.quartiers-solidaires.ch

Altersgerechte mediale Gestaltung durch Medien­fachfrauen: www.zeitgeistkollektiv.org

Aktivitäten im Alter Netzwerk für neue Aktivi­täten: www.innovage.ch

Netzwerke zur Arbeit 50plus: www.silberfuchs-netz.ch www.avantage.ch

Bilder: Frederic Meyer, zVg (2)

«Betreuung älterer Menschen völlig neu denken» «Riehen bei Basel hat eine mit Toyama ver­ gleichbare Altersstruk­ tur. Die Gemeinde setzt auf Ruftaxis, die ältere Leute abends und am Wochenende gratis zur nächsten ÖV-Haltestelle chauffieren, man baut ­Alterswohnungen und unterstützt betreuende Angehörige. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Es bewegt sich einiges in der Schweiz. Auch hier hat man erkannt, dass es

mehr braucht als eine ­altersgerechte Wohnung mit Lift. Die Umgebung ist mindestens so wichtig wie die Wohnung selbst. Hausarzt, Post und ein Lebensmittel­ geschäft müssen er­ reichbar sein, und die Mobilität ist wichtig. Japan hat eine Vor­ reiterrolle in der Digitali­ sierung und Robotik. Wir finden jedoch wichtig, dass solche Innovationen vor dem Hintergrund der

Schweizer Realität neu gedacht werden. Wenn der Alltag beschwerlicher wird, braucht jeder von uns Unterstützung. Das ­eigene soziale Netz stösst jedoch an Grenzen, wenn der Anteil der zu unter­ stützenden Personen zu gross wird. Wir werden nicht darum herum­ kommen, die Betreuung älterer Menschen völlig neu zu denken und zu finanzieren.»

www.visberg.ch

Netzwerk zu Geschäftsideen 55plus: www.neustarter.com

Pensionierte über­ nehmen Arbeiten: www.rentarentner.ch

Lukas Loher (35), Leiter Fach­ bereiche bei Pro Senectute Schweiz

Ältere als Mentoren: www.munterwegs.eu

Netzwerk für emanzipierte ältere Frauen: www.grossmuetter.ch


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