Migros Magazin 10 2011 d ZH

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INTERVIEW LUISE F. PUSCH

Migros-Magazin 10, 7. März 2011

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«Gleichberechtigung ist auch im Interesse der Männer. Das haben erst wenige begriffen.» nen so mühsam erkämpft haben. Dass viele Frauen auf feministische Sprachkritik negativ reagieren, wundert mich daher gar nicht – das ist einfach pragmatisches Verhalten. Wie nehmen Sie die heutigen jungen Frauen wahr? Ist Emanzipation für sie noch ein Thema?

Ich nehme an, dass alle Frauen im Grunde für Gleichberechtigung sind. Das zeigen auch Befragungen: Da sind immer alle für Lohngleichheit und faire Aufteilung der Hausarbeit. Es kommt aber oft nicht gut an, wenn diese Haltung feministisch genannt wird, obwohl: Für Gleichberechtigung zu sein und feministisch zu sein ist dasselbe. Aber diese Kampagne der Männer, die Verteufelung der Feministinnen, war so erfolgreich, dass die Frauen – obwohl sie feministisches Bewusstsein haben – nicht so genannt werden wollen. Langfristig ist Gleichberechtigung aber natürlich auch im Interesse der Männer, aber das haben erst wenige begriffen. Inwiefern?

Wenn wir davon ausgehen, dass das Leben insgesamt erfreulicher ist, wenn es auch den anderen gut geht, dann führt Gleichberechtigung zu guter Stimmung und zu weniger sozialen Aufwallungen. Und auch der Mensch selbst fühlt sich besser, wenn er gerechte Zustände befürwortet. Und wie wird es mit der deutschen Sprache nun weitergehen?

Durch die fortschreitende Globalisierung wird es so weit kommen, dass wir im Alltag Englisch oder Chinesisch sprechen werden – als Zweitsprache neben unserer Muttersprache. Als Linguistin und Feministin begrüsse ich das, denn im Englischen ebenso wie im Chinesischen wäre gewährleistet, dass in der Grammatik nicht mehr dieser Sexismus vorherrscht. Wenngleich auch in diesen Sprachen aufgeräumt werden müsste, aber es wäre etwas einfacher als im Deutschen. Stellen Sie Unterschiede in den deutschsprachigen Ländern fest?

Ja. Die Schweiz war schon früh sehr empfänglich für das Thema, viel mehr als Deutschland. Ich nehme an, das liegt an der Viersprachigkeit; daran, dass man ein besseres Gespür für Sprachen hat. Dann kam Deutschland ziemlich heftig hinterher, und jetzt, ganz zum Schluss, wurde Österreich auch noch wach. Wien ist heute führend in allen möglichen Initiativen der Behörden, das geht dort inzwischen bis zu den Verkehrsschildern. Sind behördliche Verordnungen entscheidend?

Ja. Frauen kommen nicht nur in der Sprache nicht vor, sie kommen überhaupt in der gesamten Kultur nicht vor. Wenn es zum Beispiel darum geht, eine Strasse zu benennen, muss es nicht immer der Name eines berühmten Mannes sein. Es gibt genug berühmte Frauen, nur weiss das kaum jemand. Als ich 1989 die erste Ausgabe des

Luise F. Pusch: «Die Schweiz war schon früh empfänglich für das Thema Sexismus in der Sprache, viel mehr als Deutschland.»

Kalenders «Berühmte Frauen» zusammenstellte, meinten die Leute, es sei doch gar nicht möglich, für jeden Tag eine Frau zu finden, die Jubliläum hat. Es gebe sowieso nur drei berühmte Frauen: Maria Callas, Queen Elisabeth und Marilyn Monroe. Der Kalender erscheint inzwischen im 23. Jahrgang. Ich denke, dass Initiativen wie dieser Kalender solche Vorstellungen völlig ad absurdum geführt haben. Werden die Veränderungen, die Sie angesprochen haben, in 50 oder in 500 Jahren Realität sein?

Ich bin einmal optimistisch und sage eher in 50 Jahren. Es gibt schliesslich immer wieder Überraschungen. Wir hätten in Deutschland auch nicht unbedingt mit einer Kanzlerin gerechnet.

Interview Iwon Blum Bilder Christoph Goedan/laif

www.migrosmagazin.ch Eine geschlechtsneutrale Sprache? Der Test und die Diskussion dazu.

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