Migros Magazin 10 2010 d LU

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MENSCHEN SAMMLER

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Gutes tun. Sie entdeckte auf einem Markt einen Nachttopf, ein schönes Ding. «Das Nachttopffieber packte mich», erinnert sie sich. «Dass es so ausarten würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.» Als Ida Lobsiger den «Thronsaal» der Altersresidenz Rotondo in Jegenstorf BE aufsperrt und den Lichtschalter betätigt, schaltet sich auch der Schalter ihrer Nachttopfleidenschaft an. Hastig hüpft sie zwischen den Vitrinen umher, hält einen Nachttopf in die Höhe und sagt: «Fantastisch, wie schön!», um gleich nach dem nächsten zu greifen und ein euphorisches «I gheie dürä!» von sich zu geben.

Nachttöpfe als Familienersatz

Ida Lobsiger (66), Fraubrunnen BE ➔ sammelt Nachttöpfe aus den letzten drei Jahrhunderten ➔ rund 750 Stück ➔ sammelt seit 1987 ➔ Trouvaille: ein Nachthafen aus China mit eingebauter Musikdose.

Die obsessive Nachttopfjägerin

«Meine Kinder mussten auf Ferien verzichten, weil ich den Nachttopf kaufen wollte.» Ida Lobsiger geht ihre Nachttopfsammlung über alles.

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ie Frau weiss, was sie will: Ihre Nachttopfsammlung soll auch nach ihrer irdischen Zeit zusammenbleiben. Und sie weiss, was sie nicht will: dass nach ihrem Ableben die Sammlung in Geld umgewandelt wird. 1978, in der Berner Innenstadt, ist Ida Lobsiger auf der Suche nach etwas Schönem. Unterwegs mit ihren drei Kindern wollte sie sich etwas

Wenig begeistert sind Ida Lobsigers Kinder ob der Sammelwut ihrer Mutter. Sie gesteht, dass die heute erwachsenen Kinder auch mal auf die Ferien verzichten mussten, weil sie einen Nachttopf kaufen wollte. Bis heute verzichtet sie immer wieder auf Dinge, um das Geld in einen neuen Nachttopf zu stecken. Vor lauter Sammelleidenschaft auf der Strecke geblieben sind dabei einige Freundschaften. Ihre Töpfe seien schon eine Art von Familienersatz, ihre Liebe gehöre ihnen. Dass sie mit ihrer Art Kopfschütteln provoziert, weiss sie: «Ich bin schon speziell.» Unlängst sagte ihr Bruder, dass ihre Sammlung doch nicht ganz normal sei. «Mit solch einem Urteil kann ich gut umgehen.» Zurzeit hat sie rund 750 Nachttöpfe, 1000 Stück sollen es noch werden. Manchmal spricht Ida Lobsiger mit ihren Töpfen, so wie andere mit Pflanzen reden. Dann überlege sie sich, was der Topf ihr für eine Geschichte zu erzählen habe. «Es ist eine Art von Liebesbeziehung, die ich zu ihnen pflege.» lobi.i@bluewin.ch

www.migrosmagazin.ch Warum sammeln Menschen? Die verschiedenen Typen. Und: Welcher Sammlertyp Sie sind?


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