Migros Magazin 09 2011 d LU

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MENSCHEN 50 JAHRE «CEREBRAL»

Migros-Magazin 9, 28. Februar 2011

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SOLIDARITÄT

SERIE

Fast schon eine Familie

Conny Gianesi schwört auf Freiwilligenarbeit. Zehn Wochen pro Jahr betreut sie Behinderte. So auch Lars. Er freut sich jedes Mal, wenn die Zürcherin kommt, denn die beiden sind schon seit zwölf Jahren ein gutes Team.

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onny Gianesi (42) spielt zusammen mit Lars (34) «Brändi-Dog». Sie treten bei diesem Brettspiel, bei dem die gezogenen Karten über die möglichen Spielzüge bestimmen, gegen drei weitere Teams an. Lars leidet an einer cerebralen Bewegungsstörung und sitzt im Rollstuhl. Sprechen kann er nicht, sich verständigen aber sehr wohl: Conny Gianesi tippt auf eine Karte, die sie für Lars in den Händen hält. Er nickt, wenn er damit einverstanden ist, dass sie die Karte spielt.

Entlastungswochenenden und Disco-Nachmittage

Um 12 Uhr essen zwölf Betreuer und zehn Behinderte an der Schule für Körper- und Mehrfachbehinderte (SKB) in Zürich selbst gemachte Pizzas. Conny Gianesi schneidet für Lars mundgerechte Portionen und wischt ihm immer wieder Essensresten oder Speichel vom Mund. Der junge Mann dankt es ihr mit einem Lächeln. Die beiden kennen sich schon seit zwölf Jahren. Damals hat sie sich nach einem Aufruf im Radio spontan bei Vereinigung Cerebral Zürich gemeldet. «Erst am Schluss des Gesprächs stellte ich fest, dass ich mich soeben zur Betreuung von Behinderten verpflichtet hatte.» Praktisch ohne Vorkenntnisse packte sie an.

Seither geht Conny Gianesi sieben Wochen pro Jahr in Behindertenlager, leitet monatlich das DiscoProgramm Insieme, bei dem sich geistig Behinderte in Oerlikon treffen, und immer wieder auch Entlastungswochenenden für die Eltern von celebral gelähmten Kindern. So kommen jährlich rund zehn Wochen Einsatz für Behinderte zusammen. Cerebral Zürich zahlt Gianesi für ihren Einsatz 100 Franken pro Tag. Die Betreuer nennen ihre Schützlinge bewusst Gäste. Ein solcher Gast ist auch Lars, denn er verbringt in den SKB-Räumlichkeiten ein ganzes Wochenende fernab von seinem Elternhaus. Die Infrastruktur der Schule, etwa die Waschräume, vereinfacht die Arbeit der Betreuer. «Für die Angehörigen ist unsere Arbeit tatsächlich eine Entlastung, werden unsere Gäste doch rund um die Uhr betreut», sagt Conny Gianesi. Oft nimmt die alleinerziehende Mutter ihre Tochter Selina (9) in Lager und Wochenenden mit – seit Selina eineinhalb Jahre alt ist. «Dann bin ich für Lars da und nebenbei Mami. Selina kennt nichts anderes.» Am Nachmittag hilft Conny Lars beim Anziehen, um ihn auf den Besuch in einem Einkaufszentrum vorzubereiten, während sich Selina im Gemeinschaftssaal mit der

«Für die Angehörigen ist unsere Arbeit eine Entlastung», sagt Conny Gianesi. Lars ist gerne mit ihr unterwegs.


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