MENSCHEN FRAUENSTIMMRECHT
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Eine Frau geht für das Stimmrecht bis vor Gericht
Erst seit 1990 besitzt Appenzell Innerrhoden das Frauenstimmrecht. Erwirkt hat es Theresia Rohner: Um wählen zu können, musste die Innerrhoderin bis vor Bundesgericht.
Nachdem Theresia Rohner den Innerrhoderinnen das Stimmrecht erkämpft hatte, wurde sie wegen anonymen Drohungen unter Polizeischutz gestellt.
Stefanie Mani (24), Bern, KV-Angestellte «Emanzipation bedeutet, eine starke Frau zu sein. Meine Mutter, war für mich da und half mir, eine eigene Wohnung zu finden. Nicht einfach als Rollstuhlgängerin.»
Carmela Ledezma (19), Hinterkappelen BE, Maturandin «Das Thema Frauenstimmrecht war Unterrichtsstoff an der Schule, und eine Freundin hat gerade ihre Maturaarbeit darüber geschrieben. Es ist etwas Spezielles.»
Am 27. November 1990 fuhr Theresia Rohner (57) im Zug von Appenzell nach Lausanne. Im April hatte die Landsgemeinde das Frauenstimmrecht erneut abgeschmettert, worauf Rohner mit rund 100 Innerrhoderinnen und Innerrhodern beim Bundesgericht zum zweiten Mal eine staatsrechtliche Beschwerde einreichte: «Der erneute negative Entscheid war für mich wie eine Ohrfeige, und ich sagte mir, jetzt ist das Fass übergelaufen!» Das Bundesgericht gab Rohner am Verhandlungstag recht und verordnete ihrem Wohnkanton mit sofortiger Wirkung das Stimm- und Wahlrecht für Frauen auf kantonaler und kommunaler Ebene. «Ich war sehr beeindruckt von diesem Entscheid.» Als sie 1991 zum ersten Mal an der Landsgemeinde abstimmte, hatte sie weiche Knie. «Es war ein sehr emotionaler Moment. Ich wusste nicht, ob alles friedlich ablaufen würde. Doch dem war zum Glück so. Die Wogen hatten sich geglättet.» Rohner hatte nach dem Urteil viele Drohbriefe
und anonyme Telefone erhalten; sie und ihre Familie erhielten darauf Polizeischutz. «Ich hatte eigentlich vor allem um meine Töchter Angst. Die aber beruhigten mich immer und sagten: Mami, mach dir keine Sorgen, wir können uns schon wehren.» Bereits im Vorfeld kamen einige Männer zu ihr und meinten jeweils: «Du bist doch keine Emanze, warum tust du so etwas, du bist doch eine Umgängliche.» In der Tat hatte sie keine Probleme mit den Männern, sondern mit der Rechtslage, die ihr als Frau das Stimm- und Wahlrecht verwehrte. «Ich habe damals etwas fürs Leben gelernt: dass es Situationen gibt, wo man hinstehen und sich wehren muss.»
Carole Odermatt (18), Bern, Schülerin «Gleichberechtigung ist noch lange nicht für jeden normal. Die Familie meines Vaters macht Sprüche à la: Männer sind die besten, Frauen gehören an den Herd. Oje!»
Clara Wyss (18), Bern, Schülerin «Wir können in der Schweiz über Lohnfragen diskutieren, während Frauen in anderen Kulturen mit ganz anderen, grösseren Problemen konfrontiert werden.»
www.migrosmagazin.ch 40 Jahre Frauenstimmrecht: Der lange Weg und die heutige Situation in der Schweizer Politik.