Migros Magazin 06 2011 d BL Kopie

Page 14

14 | Migros-Magazin 6, 7. Februar 2011

«In meinem Garten lag eine gebrauchte Binde»

Aline Auer kämpfte in Ausserrhoden für das Stimmrecht. Die Juristin über Männer, die halfen, und solche, die feindselig reagierten.

V

or genau 40 Jahren, am 7. Februar 1971, hat die Schweiz als eines der letzten Länder Europas das Frauenstimmrecht eingeführt. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden mussten sich die Frauen jedoch fast 20 weitere Jahre gedulden. Aline Auer (61), Vorkämpferin in Appenzell Ausserrhoden, sagt, dass ihr Gerechtigkeitssinn sie damals zu Taten anspornte. Sie wünscht sich, die jungen Frauen wären kämpferischer. Aline Auer, an der Landsgemeinde 1989 sagten die Ausserrhoder Männer endlich Ja zum Frauenstimmrecht. Was fühlten Sie im Moment der Annahme?

Eine riesige Freude. Nach dem Ja fielen wir Frauen uns in die Arme. Damals verfolgte ich die Landsgemeinde von einem Fensterplatz aus. Und als ich die vielen Hände sah, die nach oben gingen, dachte ich nur: Jetzt muss der Landam-

mann Ja sagen, er muss, es reicht! Nach dem Entscheid warfen wenige Männer aus Protest ihren Degen, ihren Stimmrechtsausweis, weg. Dem Ja ging ein jahrelanges Ringen voraus. Sie verteilten Blumen und Kuchen, um die Männer umzustimmen, gründeten die Interessengemeinschaft für politische Gleichberechtigung der Frauen und reichten eine Petition ein, veranstalteten eine alternative Landsgemeinde für Frauen. Trotzdem bissen Sie immer wieder auf Granit. Waren Sie einfach zu brav?

Ja, wir haben uns stets recht moderat verhalten, waren quasi die braven Weiber, die Blumen und Kuchen verteilten. Die alternative Frauen-Landsgemeinde ist mir in bester Erinnerung geblieben. Während die Männer in Hundwil ihre politischen Geschäfte abwickelten, veranstalteten rund

150 Frauen eine Gegenlandsgemeinde in Trogen. Jede Frau, die etwas zu sagen hatte, stand auf einen gewöhnlichen Stuhl, der den Landsgemeindestuhl imitieren sollte. Die Polizei beobachtete unser Tun mit Argwohn und schoss mit übergrossem Objektiv Bilder aus dem Fenster des Polizeigebäudes. Gerne hätte ich diese Fotos angeschaut, bestimmt hätte man jeden Pickel darauf gesehen. Doch es gab auch weniger Erfreuliches: Eines Tages lag in meinem Garten eine gebrauchte Frauenbinde mit einem Zettel, auf den ein anonymer Schreiber geschrieben hatte: Soll das euer Stimmrechtsausweis sein? Anlässlich der Landsgemeinde, an der die Männer nicht einmal der Vorfrage zustimmten, ob sie ihr Einverständnis für eine einmalige Urnenabstimmung über das Frauenstimmrecht gäben, wurde dann das Kuchenbüffet verwüstet. Bei der Behandlung der Petition im Ständerat verteidigte der

Aline Auer (61) ist Juristin, Mutter von zwei erwachsenen Töchtern und mittlerweile dreifache Grossmutter. Sie hat in ihrem Wohnkanton Appenzell Ausserrhoden aktiv für das Frauenstimmrecht gekämpft.

40 Jahre Frauenstimmrecht — 40 junge Frauen sagen ihre Meinung

Fiona Orner (23), Basel, Studentin Sozial- und Wirtschaftswissenschaften «Starke Frauen sind für mich starke Menschen. Sie beeinflussen ihr Umfeld, wo immer sie sich bewegen.»

Désirée Siess (24), Liestal BL, Schneiderin «Abstimmen zu können, ist für mich Alltag. Die Gleichberechtigungsfrage interessiert mich beim Thema Arbeit, gerade was Lösungen für Alleinerziehende betrifft.»

Saskia Kühner (18), Reinach BL, Lernende KV «Das Recht abzustimmen ist auch das Recht, seine Meinung sagen zu können. Das muss für Männer und Frauen gelten. Wie sonst können wir alte Muster aufbrechen?»

Aline Nussbaumer (19), Goldau SZ, Studentin Jura «Was Emanzipation und Gleichberechtigung anbelangt, sind wir in der Schweiz ziemlich fortschrittlich. Ich persönlich fühle mich nirgends benachteiligt.»


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Migros Magazin 06 2011 d BL Kopie by Migros-Genossenschafts-Bund - Issuu