Migros-Magazin-04-2012-d-LU

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Aktuell

| migros-magazin | Nr. 4, 23. JaNuar 2012 |

neues aus der migros | 37 Amerikanern eher als den Europäern zu, die Schuldenfrage in den Griff zu bekommen. Das schafft Vertrauen, und deshalb ist der Dollar momentan etwas besser positioniert. Soll man in Fremdwährungen investieren?

Aus Anlagesicht ist eine Investition in Devisen nicht zu empfehlen. Das ist etwas für Unternehmen, die ihr Fremdwährungsrisiko absichern wollen, oder für Spekulanten, die auf kurzfristige Devisengewinne hoffen. Sind Investitionen in Aktien besser, weil sie auch einen Inflationsschutz bieten?

Jede Investition in Realwerte bietet einen gewissen Inflationsschutz. Eine Aktie ist ein Teilwert eines Unternehmens, und wenn im Zuge der Inflation das Unternehmen höher bewertet wird, dann steigt auch der Aktienwert. Wichtig ist und bleibt eine vernünftige Verteilung von Risiken. In den letzten zehn Jahren musste man als Aktionär eine sehr magere Performance hinnehmen. Wie sieht das künftig aus?

Ein Investor benötigt eine relativ hohe Risikofähigkeit und einen langen Zeithorizont. Einem jungen Menschen sage ich, dass Aktien mit einer hohen Dividendenrendite keine schlechte Anlage sind. Die Märkte werden nicht für immer schwach bleiben. Und der Einstiegszeitpunkt war auch schon schlechter.

Harald nedwed

üblichen Bewertungsmethoden zu bestimmen. Die Zinsen sind heute so tief wie noch nie, was die Wohneigentümer freut. Wie geht es nun weiter?

Aufgrund mangelnder Anlagealternativen suchen vermehrt auch professionelle Investoren wie etwa Pensionskassen nach Immobilien. Hier sind die Renditen zum heutigen Zeitpunkt höher als beispielsweise bei Schweizer Bundesobligationen. Das treibt die Preise weiter nach oben. Die Suche nach Anlagealternativen treibt auch andere Märkte in die Höhe: Der kunstund der Diamantenmarkt etwa boomen. Sollte man da einsteigen?

Viele unter uns haben sich in den letzten zehn bis 20 Jahren daran gewöhnt, dass

man ohne Arbeit, ohne spezifisches Know-how und ohne grosse Risiken jedes Jahr ein bisschen reicher werden kann. Es wäre grotesk, wenn das Bruttosozialprodukt vieler Länder um lediglich ein bis zwei Prozent im Jahr steigt und gleichzeitig der Gewinn der Anleger ohne ein persönliches Zutun jedes Jahr zehn Prozent beträgt. Wir kehren in eine Welt zurück, in der sich das Geld nicht einfach vermehrt, ohne dass der Besitzer sich regelmässig darum kümmert. Die Zeiten einer automatisch hohen Kapitalverzinsung sind vorbei. Der euro könnte tendenziell sinken, der Dollar hat sich eher wieder gefangen. Wie sehen Sie hier die entwicklung?

Ob berechtigt oder nicht: Der Dollar bewahrt seine Funktion als internationale Reservewährung weiter. Man traut den

ist Präsident der Geschäftsleitung der Migros Bank. Er bezieht trotz ausgezeichnetem Ergebnis seiner Bank keinen Bonus und plädiert für einen vernünftigen Umgang mit Risiken. Der 52-Jährige studierte Volksund Betriebswirtschaft. Seit 1998 arbeitet er bei der Migros Bank und leitet diese seit 2003.

Wir lesen jeden tag, wie dramatisch die Wirtschaftslage sei, aber die kaufstimmung ist ungebrochen. Begreifen wir den ernst der lage nicht?

Wir sollten uns nicht zu sehr auf kurzfristige Wirtschaftszahlen fixieren. Wenn wir in der Vergangenheit regelmässig etwa zwei bis drei Prozent jährliches Wachstum hatten und dann in einem Jahr zwei Prozent Minuswachstum, dann geht es uns etwa so gut wie im Vorvorjahr. Und damals ging es uns auch nicht wirklich schlecht. Was prognostizieren Sie für unsere Wirtschaft in den nächsten 12 bis 15 Monaten?

Ich rechne mit einer Stagnation oder sogar einem leichten Rückgang des Bruttoinlandprodukts. Die Verunsicherung in vielen Nachbarländern sowie die gedämpften Aussichten für die Schweizer Exportindustrie und den Tourismus zeigen bereits jetzt ihre Auswirkungen. 2012 wird kein Wachstumsjahr sein. Interview: Hans Schneeberger und Daniel Sidler Bild: Siggi Bucher


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