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Teil 1: Künstliche Befruchtung
Der zerstörerische Wunsch nach einem zweiten Kind
Sandra und Markus Iseli wünschten sich eine Tochter. Mit ärztlicher Hilfe erfüllte sich der Wunsch einmal. Doch ein Geschwisterchen will nicht mehr gelingen. Deshalb hängt der Haussegen schief.
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Rahel Elisabeth Iseli kam 2005 zur Welt. Sie wünscht sich ein Geschwisterchen. Wie ihre Mutter.
Also gingen die beiden zum Arzt. Im Unterschied zu den Kressibuchers fanden die Ärzte den Grund, wieso Ania auch nach einem Dreivierteljahr Sex ohne Verhütung nicht schwanger wurde: Die Samenleiter von Dimitrios waren nicht ausgebildet. Das war ein schwerer Schlag für das Paar. Aber immerhin stellten die Ärzte fest, dass Spermien vorhanden seien und sie diese gewinnen könnten. Also stand einer Schwangerschaft theoretisch nichts im Weg. Doch so ein-
icht immer kann die Medizin Paaren bei ihrem Kinderwunsch helfen. Das mussten auch Sandra (35) und Markus Iseli (39) aus Hettiswil BE erfahren – zumindest teilweise. «Wenn du Kinder willst, bin ich der falsche», schenkte Markus Sandra von Anfang an reinen Wein ein. Er hat Antikörper gegen die eigenen Spermien, was ihn quasi unfruchtbar macht. Das hielt Sandra nicht davon ab, ihrem Kusi 2004 das Jawort zu geben. Bereits ab 2002 verhüteten die beiden nicht mehr, und ab 2004 starteten sie mit Hormonen und Sex auf Kommando, wie Markus sich ausdrückte. Eine Schwangerschaft stellte sich nicht ein, und Reproduktionsmediziner machten klar: Es geht nicht ohne ärztliche Hilfe. Eine Insemination sollte es richten. Und tatsächlich klappte es wider erwarten beim ersten Versuch: «Das war wie ein Lotto-Sechser», sagt Sandra, und Markus fügt an,
«ein Wunder auf Erden». Rahel Elisabeth kam am 20. November 2005 zur Welt, und Besuchern im 200 Jahre alten Emmentaler Bauernhaus erzählt sie heute zuerst von den Zwillingen, die nicht mehr sind und dass sie gerne Geschwister hätte. Und genau da liegt das Problem: «Ich will ein zweites Kind!», sagt Sandra, und bei dem Gedanken daran werden ihre Augen feucht. «Da hilft es nichts, wenn man mir sagt, ich solle mich über meine hübsche kleine Tochter freuen.» Der rational nicht erklärbare unerfüllte Kinderwunsch überdeckt alles und bestimmt seit Jahren ihr Leben.
fach war diese Entscheidung dann doch nicht, wie Ania und Dimitrios erfahren mussten. Sie benötigten ein halbes Jahr, um sich mit dem Gedanken anzufreunden, ihr Kind im Reagenzglas zu zeugen – denn eine andere Möglichkeit gab es nicht, eigene Kinder zu bekommen. «Es gab Momente, in denen ich mich ernsthaft fragte, ob ich den falschen Mann geheiratet hatte», gesteht Ania Diamantis. In dieser Beziehung war sich Ewa Kressibucher immer sicher. Deshalb entschlossen sie sich zu
einer Insemination (siehe Box Seite 13). Schon nach dem ersten Versuch war der Schwangerschaftstest positiv. «Ich musste ihn dreimal machen, bevor ich es wirklich glaubte», erzählt Ewa lachend. Danach verlief alles wie bei jeder anderen Schwangerschaft auch. Ihr war drei Monate übel, und «die Krönung war die Geburt am 10. Januar 2006», meint sie ironisch. «56 Stunden Wehen, das war die Hölle.» Zusätzlich entpuppte sich Wunschkind Remo als Schreikind. Doch obwohl sie mehr
Medizinische Möglichkeiten sind ausgeschöpft
In den letzten vier Jahren liessen die Iseli nichts unversucht, um für Rahel ein Geschwisterchen zu bekommen. Drei erfolglosen Inseminationen, bei denen Sandra «nicht einmal mehr schwan-
ger wurde», wie sie konsterniert betont, folgten drei ICSI. Kostenpunkt rund 20 000 Franken. «Ich fühlte mich als Nichts», sagt Sandra. Die sechs Fehlgeburten gingen ihr so nahe, dass sie gar von Selbstmord sprach. «Ich bringe ja nichts zustande.» Mit psychologischer Hilfe hat sie es geschafft, das alles durchzustehen. Zwar wird Sandra nach dem letzten Versuch im Mai 2010 tatsächlich schwanger – mit Zwillingen. Sieben Wochen lang schwebt sie in den Wolken und befindet sich in einem euphorischen Höhenflug. Dann verliert sie einen der Föten, nach zwei Wochen Bettruhe Ende Juni auch den zweiten. Sandra Iselis Welt bricht zusammen. Auch wenn Markus glaubt: «Sandra tröstet sich noch immer mit später», begruben die Iselis mit dem Verlust der beiden Föten faktisch auch ihren Kinderwunsch – die medizinischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft.
als drei Jahre nachts kaum ein Auge zumachen konnten, kam weder Ewa noch Thomas Kressibucher je der Gedanke, dass sie einen Fehler gemacht hätten. Im Gegenteil: Schon kurz nach Remos Geburt machten sie weiter. «Diesmal klappte es auf natürlichem Weg praktisch auf Anhieb.» Etwas, was den Diamantis verwehrt bleibt. «Für uns kam lediglich ICSI in Frage», erklärte Ania. Da der Samen ihres Mannes in einer Operation unter Vollnarkose gewonnen werden