Die Bahn kommt - LVZ-EXTRA zum Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8

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Donnerstag, 13. november 2014

Naturschutz der tierischen Art: Im Unstruttal werden die Orchideenwiesen von Schafen gepflegt.

Bauen so schonend wie möglich – bereits durch die Wahl des bestmöglichen Trassenverlaufs konnten viele Eingriffe in die Natur vermieden werden. Doch auch bei den Bauarbeiten selbst: Die Saale-Elster-Brücke ist zum Teil in Vorkopfbauweise errichtet worden. Die Pfeiler wurden aus der Luft, von einem schwebenden Gerüst aus, in die Erde gesetzt. Außerdem ruhten für mehrere Monate die Arbeiten, um in der Aue seltene Vögel nicht beim Brüten zu stören. Maßnahmen, die den Eingriff in das Ökosystem mindern.

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Ein Herz für den Mutterboden

as Unstruttal bei Karsdorf, vier Kilometer von Nebra entfernt. Hier hat er Verstecken gespielt, hier ging er zur Schule, hier steht sein Elternhaus. Und genau hier veränderte Iven Jede die Landschaft. Er arbeitet als Projektingenieur für Umweltschutz bei der Deutschen Bahn und achtet darauf, dass bei Großprojekten wie der Bahnlinie auf dem Abschnitt von Erfurt nach Leipzig die Umwelt nicht in Mitleiden-

nichts wieder zusetzen“, betont Jede. „Die Berechnung der möglichen Strömungen ist schon sehr aufwändig.“ Ein ganz besonderes Pilotprojekt begleitete Jede beim Bau der Elstertalbrücke. Um die empfindliche Aue nicht mit Baustraßen zu belasten, wurde die Brücke gewissermaßen schwebend errichtet. „Dabei wurde nichts planiert. Mit einem Vorschubgerüst wuchs der Bau Schritt für Schritt nach vorn, ohne dass

Baustelle besteht, desto schlechter ist es für die Umwelt.“ Zu lösen war weiterhin das Lärmproblem. Wo nötig, kamen dafür Schallschutzwände oder direkt in Wohnhäusern auch Schallschutzfenster zum Einsatz. Nicht alles sei jedoch machbar. „Ideal wäre natürlich eine komplette Einhausung der Strecke. Doch so etwas könnte nun mal niemand bezahlen.“ Ziel sei hier immer eine für Naturschutz

Die Trasse über dem Naturraum Unstruttal: Viele Gewässer wurden renaturiert, Tausende Bäume und Sträucher sind angepflanzt worden.

Nistkästen für Wanderfalken an der Ilmtalbrücke Langewiesen.

Magerwiesen bei Erlangen: Sie wurden umgesiedelt und werden heute von Wildpferden gepflegt.

schaft gezogen wird. Denn wo der Mensch in die Landschaft eingreift, sollen Tier- und Pflanzenwelt nicht auf der Strecke bleiben. Und so hatte Jede gewissermaßen eine Doppelrolle: Zum einen musste er sozusagen von Berufs wegen darauf achten, dass bei den Bauarbeiten der Naturschutz nicht zu kurz kommt, zum anderen war er schon aus Heimatverbundenheit immer hinterher, dass seine Heimat bei dem gigantischen Bauprojekt geschont wird.

ein Bagger oder Kran durch die Aue fuhr.“ Ein noch ganz junges Verfahren, das in diesem Umfang noch nie in Deutschland angewandt wurde. Für alle Beteiligten sei das eine große Herausforderung gewesen, doch der Aufwand habe sich gelohnt. „Es ging ja immerhin darum, Verdichtungen des Auenbodens zu vermeiden. Denn er soll ja weiterhin Wasser durchlassen, ein Plattwalzen wäre verheerend gewesen.“

und Steuerzahler optimale Lösung. Das Thema Naturschutz sei oft ein Streitobjekt. „Bei Diskussionen vor Ort muss man manchmal ein dickes Fell haben und geduldig immer wieder alles erklären“, berichtet Jede. Ein Beispiel: Mancher Bauer mäht die Randstreifen der Felder aus Angst vor Unkraut öfter

Impressum

Mit dem Kran durch die Aue

Verlagsbeilage der Leipziger Volkszeitung

Sein Fazit: Die Fachleute haben bei den nicht vermeidbaren Eingriffen in die Naturräume mit großer Sorgfalt gearbeitet. Der Aufwand dafür war groß. „Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit dem Mutterboden. Der kann nicht einfach so rausgebaggert und auf einen Haufen geschüttet werden. Denn was oben war soll später auch wieder oben landen“, erklärt Jede. Die Lösung sind

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sogenannte Erdmieten, die nach exaktem Plan aufgeschüttet und genau beschriftet werden. Schließlich ist Mutterboden ein kostbares Gut, das nicht einfach so verbuddelt werden darf. Auch kleine Achtsamkeiten können viel bewirken: So achtete der Diplomingenieur für Naturschutz und Landschaftsplanung darauf, dass die Betankungsstellen der Baufahrzeuge immer außerhalb von Trinkwasserschutzgebieten lagen.

Der Bau der neuen Bahnstrecke war nicht nur ein Einschnitt in die Landschaft, er bot auch die Chance, in einen oft monotonen Naturraum buchstäblich Struktur zu bringen. „Hier gab es meist keine Feldraine mehr, schließlich wurde über Jahrzehnte alles der Landwirtschaft untergeordnet. Sachsen-Anhalt galt ja als Kornkammer der DDR, das war stellenweise eine richtige Agrarsteppe“, so Jede. Mit den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen konnten nun beispielsweise Hecken und Alleebäume gepflanzt und Biotope angelegt werden. Besonders knifflig wurde es immer da, wo in typischen Auenlandschaften gearbeitet werden musste. Alles was umgestaltet wird, sollte unter Beachtung des Hochwasserschutzes geschehen. So bei der Gestaltung von Retentionsbecken – Areale, die bei Überflutungen viel Wasser aufnehmen sollen. „Hier mussten Zu- und Abflüsse genauestens berechnet werden, denn es darf sich ja

Grün ist Trumpf Nicht ganz ohne war zudem ein Baustopp an der Brücke, der vom 1. März bis zum 15. Juli galt. Der Grund: Während der Brutzeit sollten zahlreiche Vogelarten möglichst nicht gestört werden. „Doch genau diese Zeitspanne ist ja eigentlich ideal zum Bauen“, sagt Jede. Zusätzliche Verzögerungen brachte das Hochwasser mit sich. „Der entstandene Zeitverzug musste wieder aufgeholt werden, denn je länger eine

Bei Diskussionen vor Ort muss man manchmal ein dickes Fell haben. Iven Jede, Projektingenieur für Umweltschutz bei der DB

als nötig. „Dabei leben dort viele Nutzinsekten, die für die Kulturpflanzen der Landwirte unverzichtbar sind.“ Naturschutz ist für Iven Jede mehr als ein Beruf, er ist auch Hobby. und Idealismus pur. Seit vielen Jahren arbeitet er beim Naturschutzbund Nabu mit und engagierte sich schon als Jugendlicher im Leipziger Auwald für die Pflege von Bächen und im heimischen Unstruttal für die Pflege von Streuobst-

wiesen. „Die Biologie-Schiene ist in meiner Familie ganz stark vertreten. Meine Schwester ist zum Beispiel BioLehrerin und mein Cousin Landschaftsbauer.“ Mit Grün beschäftigt sich Jede übrigens auch bei einem weiteren Hobby: Er ist Präsident seines heimatlichen Sportvereins SG Zementwerk Karsdorf. Doch bei den Fußballern dort ist der Rasen natürlich etwas kürzer geschnitten als auf seinen sonstigen „Betreuungsobjekten“. Ein weiteres Steckenpferd ist für Jede die praktische Beschäftigung mit Geschichte: Als Mitglied der „Corpitz‘schen Croathen 1628 Leipzig“ schlüpft er regelmäßig in die Rolle eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg. Doch das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.

Die Dampfmacher von Halle Im DB-Museum in Halle stehen 20 historische Schienenfahrzeuge Für Fans der Eisenbahn und ihrer Geschichte ist der Besuch des DB-Museums in Halle ein Muss. Für alle anderen eine interessante Bereicherung. Nicht umsonst hat sich das große DB-Museum Nürnberg entschlossen, den kleinen Bruder als einen Standort, den einzigen in Ostdeutschland übrigens, im Jahr 2003 zu integrieren. Schließlich widmet

Von Dampf bis Strom: Das DB-Museum in Halle bewahrt wichtige Sachzeugen der Eisenbahngeschichte.

man sich in Nürnberg umfassend der Geschichte der Eisenbahn, verbunden mit zahlreichen Ausstellungsstücken. Hinzu kamen dann also jene 20 historischen Schienenfahrzeuge, die in Halle zu sehen sind. Zuletzt wabernde Gerüchte von einem Aus an der Saale sind vom Tisch, das Museum wird 300 Meter weiter östlich jenseits der Berliner Brücke im heutigen Bahnbetriebswerk 3 seinen neuen Standort finden. Das jetzige Ausstellungsgelände gehörte früher zum Bahnbetriebswerk Halle P. 1951 wurde es von der Lokversuchsanstalt übernommen. Neue Lokomotivtechnik wurde dort getestet; Reisezug- und Güterzugwagen, Fahrzeuge für den Im- und Export wurden hier projektiert und geprüft. Sämtliche neu entwickelte Baureihen wurden in der Anstalt im Zuge des Neubauprogramms der Deutschen Reichsbahn der DDR gründlich erprobt. Für Schnellfahrten bis 160 Kilometer pro Stunde wurde damals die als einzige dafür zugelassene Strecke Mockrehna–Torgau genutzt. Der Lokschuppen, in dem das Museum (noch) untergebracht ist, stammt schon aus dem Jahr 1895. Damals besaß er neun Unterstände. Acht zusätzliche Stände mit Gleisen und Arbeitsgruben wurden im Jahr 1908 angebaut, so-

dass auch große Lokomotiven eingestellt werden konnten. Vor dem Rund befindet sich eine große Drehscheibe mit Strahlengleisen, die den Fahrzeugen die Ein- und Ausfahrt ermöglicht. Viele heute berühmte Lokomotiven standen schon in Halle. Auch die 18201, die erst im April in Leipzig für Aufsehen sorgte. Sie ist die schnellste betriebsfähige Dampflok, die einst auf der Strecke Berlin–Bitterfeld–Berlin eingesetzt war und heute immer noch fährt. Im Museum steht sie nun nicht mehr; sie wurde 2006 an einen privaten Besitzer verkauft. Aber in Halle wird immer noch etwas geboten. Die schnellste Dampflok, die nun dort zu finden ist, fährt immerhin noch stolze 140 Kilometer pro Stunde. Die 031010 ist es, die das Herz der Bahnfreunde höher schlagen lässt. Und auch die Elektrolok E 18047 hat es in sich: Als eine der schnellsten E-Loks der DDR erreichte sie in der Spitze 150 Kilometer pro Stunde. Und auch sie kann, wie alle Fahrzeuge, ausführlich besichtigt werden. „Die Loks sind geöffnet, die Besucher können durchlaufen“, sagt Standortleiter Matthias Koch. Mitglieder der „Traditionsgemeinschaft im Bw Halle P“ seien zu den Öffnungszeiten anwesend und

würden für Auskünfte bereitstehen. Zu Sonderveranstaltungen, die mehrfach jährlich stattfinden, öffnet der Lokschuppen seine Türen weit. Die Fahrzeuge verlassen dann, wenigstens einige von ihnen, ihre Unterstände und rollen nach draußen. Und dann kommt auch die schon erwähnte Drehscheibe zum Einsatz, auf der die Loks Richtung Gleis fahren können. Mit Gästen, wenn das gewünscht ist. Es bestehe die Möglichkeit, sagt Matthias Koch, dass Besucher zu diesen Terminen auf dem Führerstand mitfahren könnten. Und nicht nur das. Der Schuppen kann für Veranstaltungen gemietet werden. Ganz begeisterte Fans können so-

Eine Spritztour mit der Dampflok? Bei uns ist das möglich. Matthias Koch, Standortleiter Halle

gar eine Lok mieten vom Traditionsverein. Damit, und vielleicht noch in einem zusätzlich angehängten Wagen, sind längere Spritztouren möglich. Dieser Spaß ist zwar nicht ganz preiswert, aber doch sehr besonders. Der „Traditionsgemeinschaft im Bw Halle P“ gehören rund 100 Mitglieder an. Nicht alle sind Bahner, aber alle eint die Liebe zur Bahn. Hervorgegangen ist der Verein 1998 aus einer Vielzahl von Initiativen, die sich rund um das alte Bahnbetriebswerk gebildet hatten. Gerade der Erhalt und die Pflege der noch betriebsfähigen Dampflokomotiven sind besonders einigen wenigen Personen zu danken. 1990 war es sogar kurzzeitig so weit, dass die Zukunft dieser Zugpferde infrage stand. Immerhin wurden seit dem Ende des Dampflokbetriebes keine entsprechenden Lokführer mehr ausgebildet. Also wurden Anfang der 1990er-Jahre Nachwuchskräfte geschult. Für Dampflokfahrten wie zu Großvaters Zeiten. ist jeden Samstag von ➦ Das10 Museum bis 16 Uhr geöffnet. Führungen sind auch außerhalb dieser Zeit möglich. Es empfiehlt sich die Anreise mit der S-Bahn. www.dbmuseum.de


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