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links: Chunzi in ihrem Atelier. rechts: Die Ausstellungsräume von Liu Baomin. Tongzhou District, Peking. Fotos: Katharina Hohenstein

Gleich daneben: Die Wohnung. Hier hängen ältere Arbeiten von Chunzi, Bilder, die Tian zusammentrug und gut platzierte Fotografien von Freunden. In ihrem Hof, der einen direkten Blick auf die Straße bietet, wo sich Backsteinhaus an Backsteinhaus reiht, baut sie Tomaten und Chilischoten an. Einen ersten Durchbruch erreichte sie 2011. Seit letztem Jahr kann sie von ihrer Kunst gut leben.

Karriere-Künstler wie in der Renaissance. Nur anders.

Li Chunzi, Fuse City, oil on canvas. 200 cm x 230 cm, 2012

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Nicht ganz so gut, wie viele ihrer Kollegen. Im Atelier von Lu Shun – seine eiserne Plastik der Schweine die das letzte Abendmahl zelebrieren sei als Kleinformat vom Direktor des MOMA privat gekauft worden, hört man – ist der Unterschied spürbar. Havannas gehen um. Im Hintergrund sind die Goldberg-Variationen von Bach zu hören. Künstlerkollegen füllen nach und nach den Raum, Zeit spielt keine Rolle. Zumindest kommt dieses Gefühl auf, was letztlich daran liegt, dass alle hier, ob Bewohner, Besucher oder Freunde wahnsinnig gut organisiert sind. Draußen vor Lu Shuns großräumigem Atelier parkt einer seinen Porsche Panamera. Der sieht aus, als sei er aus Gummi und als hätte ihn jemand mit einem Blasebalg noch ein bisschen dicker aufgeblasen. Von Pekings Straßen nicht mehr weg zu denken. Undenkbar, dort mit einem klapprigen 93er Toyota herumzufahren, genauso undenkbar, wie billige Zigaretten zu kaufen. China übertrifft sich selbst, was das Angebot angeht, vor allem im Preis: Zwischen 50 Cent und 18 Euro ist für ein Päckchen Zigaretten alles drin. Die ganz billigen raucht man einfach nicht. Ein Künstler, der gut verkauft, erst recht nicht: „Gestern habe ich ein Bild für 1,3 Millionen verkauft“, erzählt der 32-jährige Panamera-Fahrer.

Keine Münchner Galerie würde das ausstellen, murmelt es im Hintergrund. Unbestritten jedoch ist das Handwerk der chinesischen Künstler. Auf jeder Leinwand ist das handwerkliche Können zu sehen. Viele der Gemälde würden wahrscheinlich viele Münchner Galerien sehr, sehr glücklich machen. Nach dem Handwerk kommt die Linie. Wiedererkennbar, wiederholbar, eigen. Bei Pengye Zang sind es Fahrräder, die an Mao vorbei in den Himmel radeln. Oder Liu Baomin, der seine Figuren, ärgerliche Demonstranten oder verzweifelte Gesichter, in zerrissene Partien einteilt. Während die Havannas von einem zum anderen herumgehen und die Männer mit Rauchen beschäftigt sind, ist auch Chunzi anwesend. Sie unterhält sich, schaut, ob es den europäischen Gästen gut geht und beobachtet genau, was um sie herum geschieht. Das Weltgeschehen im Allgemeinen, den chinesischen Kunstmarkt und, ja, auch die leere Teeschale eines Bekannten. Ihr Blick ist nicht verzerrt, sie ist sichtbar. Sie ist nicht hinter Glas, sondern glasklar. Chunzi eben. Ebenso klar ist die Feststellung, dass ihre Freiheitsstatue auf Liberty Island nicht vom Hurrikan bedrängt ist. Es sei denn, sie wäre hellsehend. Ihre Idee dazu kam schon lange bevor Sandy die Küste New Yorks verwüstete und geisterte ein knappes Jahr als Möglichkeit im Kopf herum. „Die Verbindung von Stadtlandschaften und Natur“, meint sie „das ist es“. Mehr sagt sie nicht. Sie drückt ihre Zigarette aus. Dann steht sie auf und serviert eine zweite Runde grünen Tee. Der in München wohnhafte chinesische Künstler Yongbo Zhao (vissidarte 7/ 2011) initiierte Südtiroler Verbindungen zu dem UNESCO-Weltkulturerbe Sanqingshan. Reinhard Auer, Armin Joos und Katharina Hohenstein stellten im Juni 2012 in Mt. Sanqingshan erste Kontakte zu dem UNESCO-Welterbe Dolomiten und der Gemeinde Mals her.

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