Clara 42 Das magazin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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Frank Schwarz

Mietrebell Kalle Gerigk auf dem Balkon seiner neuen Wohnung

Nach »Alle für Kalle« kämpft er nun für alle

Kölner Mietrebell Kalle Gerigk ist für ein Recht auf Stadt unterwegs. Kalle senkt den Kopf, umfasst mit beiden Händen das Mikrofon und singt seinen Protestsong eines Mieters. »Wohnen in der Stadt, Konto platt. Dispo weg. So ein Dreck. Die Reichen wohnen, wo sie wollen. Die Armen nur noch, wo sie sollen. Schluss damit. Protest muss her! Wohnen ist Menschenrecht doch bitte sehr!« An der Melodie wird gefeilt, der Text ist seit längerer Zeit klar. Karl-Heinz Gerigk wird von allen nur Kalle genannt und ist in Köln vielen Menschen bekannt. Alles begann vor zwei Jahren, als Kalle seine Wohnung in der Fasanenstraße wegen Eigenbedarfs des Besitzers räumen musste. »In so einer Situation fühlst du dich allein und verlassen, kannst nicht schlafen und versuchst zu kämpfen«, erzählt Kalle. Doch die Nachbarn, Freunde und viele ihm unbekannte Menschen kamen und halfen. Aus Solidarität für Kalle gingen die Menschen auf die Straße. An den Straßenschildern im Viertel prangten überall Aufkleber mit »Alle Seite 16 / Nr. 42

für Kalle«. Die Medien wurden aufmerksam, der Widerstand wuchs. Am Tag der Zwangsräumung standen über 300 Menschen vor dem Mietshaus von Kalle. Bei diesem Fall war vielen klar: Die Reichen wohnen, wo sie wollen, die Armen, wo sie sollen. Fernsehsender schickten Korrespondenten, von ZDF bis BBC, von Kölner Express über Süddeutsche Zeitung bis taz wurde über Kalle Gerigk aus Köln berichtet. Der Termin für die Zwangsräumung konnte mehrfach verschoben werden, aber am Ende half alles nichts, Kalle musste raus. Ein Fall von vielen in Deutschland. In den vergangenen 20 Jahren sank die Zahl der Sozialwohnungen von vier Millionen auf gut eine Million. »Der Bund ist einer der größten Spekulanten, wenn es um Wohnungen geht. Der Verkauf von kommunalen Wohnungen muss konsequent beendet werden«, sagt Caren Lay, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN. im Bundestag und Sprecherin für Mieten und Wohnungspolitik.

Kalle verlor seine Wohnung, gewann aber viele Freunde. Diejenigen, die Kalle in Köln schon vorher kannten, standen ihm ohnehin bei. Sie hatten nicht vergessen, dass der Kölner Jung schon seit Jahrzehnten Schwächeren nach Kräften half. In der Obdachlosenhilfe in der Alten Feuerwache zum Beispiel. »Kalle ist absolut verlässlich und spricht vielen Mut zu. Seine Energie bekommt uns gut«, sagt Laura, die in der Alten Feuerwache einmal in der Woche Essen an Obdachlose und andere sozial Bedürftige ausgibt. Kalle sehe mit dem Herzen gut und habe den Blick für die anderen. Nach der bitteren Erfahrung mit der Zwangsräumung wuchs bei Kalle der Widerstand gegen Mietwucher, Spekulanten und verantwortungslose Besitzer von Mietshäusern. »Mir haben so viele Menschen geholfen, das hat mein Leben verändert. Seitdem weiß ich die Solidarität richtig zu schätzen und gebe nun etwas

clara.


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