celluloid Film Magazin ROMY SCHNEIDER

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das Ende

Der Mai 1982

I

n den letzten Monaten ihres Lebens liest Romy Schneider ein Buch, die Autobiographie der Schauspiel-Diva Eleonora Duse. Darin unterstreicht sie einen Satz, den die Duse zitiert, es ist ein Satz des italienischen Dichters Gabriele D´Annunzio: „Ich weiß, was der Ruhm bedeutet und was das Nahen der Nacht.“ Und beides, das kennt auch Romy Schneider nur allzu gut, diesen unermesslichen Ruhm, und, ja, das Nahen der Nacht… Anfang Mai reist Romy mit ihrem Lebensgefährten Laurent Pétin in die Schweiz, nach Zürich, und sucht dort ihren Vermögensverwalter, Rechtsanwalt Dr. Jürg Henrik Kaestlin auf. Romy hat finanzielle Probleme, und sie will das alte Haus in Boissy-sans-Avoir doch kaufen. In der Nacht des 10. Mai 1982 setzt sie handschriftlich urplötzlich ihr Testament auf. Es ist, als nähme sie das bevorstehende Nahen der Nacht vorweg, als ahne sie ihr eigenes nahendes Ende. Von den noch lebenden Verwandten – Tochter Sarah Biasini, Ex-Ehemann Daniel Biasini, Bruder Wolf-Dieter Albach – tritt kurz darauf keiner das Erbe Romy Schneiders an, da vom Vermögen, an dem sich so manche aus ihrem Umfeld so ungehemmt bedienten, nichts mehr geblieben ist außer

Die Bilder unserer Fotostrecke stammen aus dem Film „Die Hölle von Henri-Georges Clouzot“, der die Geschichte von Romy Schneiders unvollendet gebliebenem Spielfilm „Die Hölle“ (1964) nachzeichnet und bei StudioCanal/Arthaus auf DVD erschienen ist.

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Schulden, französischen Steuerschulden vor allem, die Angaben variieren verschiedentlich zwischen drei Summen: sieben, neun und elf Millionen Francs. Am 28. Mai, es ist ein Freitag, da gehen Romy Schneider und Laurent Pétin zu Laurents Bruder Jérôme und dessen Frau Claude, sie essen alle gemeinsam in deren Wohnung, trinken, reden. Etwa über das im März neu gefundene Haus in dem Dorf Boissy-sansAvoir, knapp 50 Kilometer westlich von Paris, dort, wo sie sich noch richtig einrichten müssen, den Sommer verbringen wollen, nur sie beide und Töchterchen Sarah. An Pfingsten, am bevorstehenden Wochenende, da sind sie schon mit Jean-Claude Brialy verabredet, auch zum Abendessen. Romy und Jean-Claude, sie kennen sich seit den fünfziger Jahren, schon seit damals, als sie mit Alain zusammen in Christine spielten. Das ist fast 25 Jahre her. Eine Freundschaft über ein Vierteljahrhundert. Er kennt sie mit am besten. Und doch merkt auch er nicht, dass der Tod um seine Freundin Romy herum strich, wie er es später einmal formuliert. Zu dem Treffen mit diesem, einem ihrer ältesten Freunde überhaupt, soll es nicht mehr kommen. Und keiner scheint zu spüren, dass es das Nahen der Nacht ist… Am frühen Morgen des 29. Mai wacht Laurent Pétin allein im Bett in der im siebten Arrondissement unweit des Invalidendoms gelegenen Wohnung in der Rue Barbet de Jouy auf. Romy liegt nicht neben ihm. Es ist etwa sieben Uhr. Tochter Sarah schläft noch. Er geht durch die Wohnung und findet Romy im Salon, am Schreibtisch sitzend, kopfüber. Inmitten eines handschriftlichen Briefes an eine französische Zeitschrift bricht sie ab. Er spricht sie an, doch sie reagiert nicht. Romy Schneiders Herz, es hat gegen fünf Uhr in der Nacht einfach zu schlagen aufgehört. Herzversagen lautet die offizielle Todesursache. Sie konnte nicht mehr. Oder, wollte sie nicht mehr? Sie ist 43 Jahre alt. Romy Schneiders Begräbnis findet am Vormittag des 2. Juni 1982 in Boissy-

sans-Avoir statt. Dort, wo sie eigentlich leben wollte, dort wird sie nun beerdigt. Hubschrauber kreisen über dem kleinen Friedhof mit der mittelalterlichen Dorfkirche Sankt Sebastian, Fotografen sitzen in den Hubschraubern, die als erste das beste Foto schießen und meistbietend an die Weltpresse verkaufen wollen. Das Foto vom Sarg und der Bestattung eines Weltstars. Zeitweise ist die Grabrede von Regisseur Jacques Rouffio nicht zu hören, die Motorenund Propellergeräusche in der Luft sind zu laut. Eine geradezu pervertierte Situation. ALAIN DELON FEHLTE  Viele sind gekommen an diesem Tag. Neben Romy Schneiders Familie, Bruder Wolf-Dietrich mit Frau Alba und Tochter, Laurent Pétin sowie dem geschiedenen Ehemann Daniel Biasini, nehmen auch langjährige Wegbegleiter wie ihr Kollege Michel Piccoli oder Jean-Claude Brialy von ihr Abschied. Mutter Magda Schneider bleibt nach ihrem erlittenen Herzinfarkt in Deutschland. Nur einer fehlt sonst auf der Beerdigung. Er kommt später, an einem anderen Tag, als die gierige Meute weg ist und aller Rummel vorbei. Still und leise nimmt Alain Delon allein von seiner Romy, von seinem „Puppele“ Abschied. Und so ist denn auch jener umstrittene öffentliche Brief, der in Frankreich in Paris Match, in Deutschland zeitgleich auf Deutsch in der Quick erscheint, „Adieu ma Puppele“ überschrieben (Paris Match, 11. Juni 1982). Umstritten, da Delon ihn nicht allein aufsetzt, umstritten, da er bei aller von ihm stets betonten Diskretion seinen Abschied öffentlich macht. Ist das notwendig, fragen sich viele. Es war Romys Großmutter Rosa AlbachRetty, von der der viel zitierte und die Dinge so ambivalent antizipierende Satz stammt, den sie zu beider Lebzeiten äußerte: „Wer sich wie sie so hemmungslos von seinen Emotionen, Leidenschaften und Begierden treiben lässt, denkt sicher nicht daran, dass eine Kerze, die man an beiden Seiten anzündet, auch schneller abbrennt..." Auch am 29. Mai 2012, an Romy Schneiders 30. Todestag, wird dieses leicht zu übersehende unauffällige Grab wieder vollgestellt sein, werden es die Menschen, die es wirklich finden wollen, auch finden: Diesen Ort, der so ganz eigen ist in seiner Atmosphäre und Stimmung. Der so abgelegen ist von allem, so weit weg. Der wie der Welt abhanden gekommen scheint. Diesen Ort, an dem Romy Schneider begraben ist.  Thilo Wydra


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