Powision Issue #15 "Homo Futura"

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Laut Gremler muss der Film gerade in seiner Ambivalenz betrachtet werden, in der feministische und antifeministische Lesarten möglich sind, aber für sich jeweils keine alleinige Gültigkeit beanspruchen können. Ein zentrales Argument für antifeministische Tendenzen des Films liefert sein Ende: Bobbie, Sympathieträgerin, und Joanna als Identifikationsfigur des Films werden beide letztlich Opfer der patriarchalen Verschwörung und können weder ihre Ermordung noch das Fortbestehen der finsteren Machenschaften verhindern – in der Schlussszene des Films wird dem Zuschauer bereits beiläufig das nächste neue zugezogene Paar vorgestellt. Auch die künstlichen Ehefrauen selbst torpedieren nicht die durch den Männerclub gewaltsam herbeigeführten Verhältnisse und stehen damit im Widerspruch zu den Narrativen über den Topos der künstlichen Menschen: Die Hybris des männlichen Schöpfers, der sich »skrupel- und bedenkenlos über die göttliche Instanz hinwegsetzt und der Frau ihre natürliche Rolle als Gebärende streitig macht« (Gremler 2006: 221) stürzt ihn gewöhnlich selbst ins Unheil17. In Stepford wendet sich die künstliche Kreatur nicht gegen ihren Schöpfer, »es kommt zu keinem Aufstand der Androiden, lediglich zu einigen leicht kontrollierbaren Fehlfunktionen, die offenbar so einfach zu reparieren sind wie ein technisch weniger anspruchsvolles kaputtes Haushaltsgerät«18 (Gremler 2006: 221). Die Unterwerfung der Frau, und in diesem Fall gar ihre völlige Vernichtung, vollzieht sich hier durch die traditionell mit dem Männlichen assoziierte Technik. Es ist ein von Dale Coba gezielt eingesetztes Tonbandgerät, das Joanna endgültig in die tödliche Falle lockt, indem es die aufgezeichneten Rufe ihrer Kinder abspielt19; es ist ihre künstliche Kopie, die in (im wahrsten Sinne des Wortes) blindem Gehorsam ihr Original tötet. Die Beherrschung der Maschine durch ihren männlichen Schöpfer, die patriarchalisch-technische Dominanz und die männliche Komplizenschaft mit der Technik realisieren hier das Schreckensszenario, das laut Haraway viele Feministinnen fürchten: »[D] as Cyborg-Universum [könnte] dem Planeten ein endgültiges Koordinatensystem der Kontrolle aufzwingen, […] die restlose Aneignung der Körper der Frauen in einer männlichen Orgie des Kriegs« (Haraway 1995: 40). Haraway hingegen setzt auf das Potential der Cyborgs, Abgrenzung, Einengung und kulturelle Unterdrückung zu überwinden:

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Im Genre der Science Fiction lässt sich dieses Motiv der Bestrafung männlichen Hochmuts von einem der frühesten Werke, Mary Shelleys Frankenstein, bis hin zum modernen Science Fiction-Film nachweisen, z.B. in der Terminator-Filmreihe, die von einer dystopischen, postapokalyptischen Zukunft ausgeht, in der die Maschinen und das intelligente Netzwerk Skynet sich über die Menschen erheben und sie in einem erbitterten Krieg zu vernichten drohen. In ›Die Frauen von Stepford‹ bleibt die Hybris der männlichen Schöpfer unbeschadet wirksam. So entgegnet Dale Coba auf Joannas Frage nach dem Warum: »Weil wir es können.« (01:42‘05‘‘)

»Cyborgs sind Geschöpfe in einer Post-GenderWelt. […] Die Cyborg ist eine überzeugte AnhängerIn von Partialität, Ironie, Intimität und Perversität. Sie ist oppositionell, utopisch und ohne jede Unschuld. […] Die Verhältnisse, auf denen die Integration von Teilen in ein Ganzes beruht, einschließlich solcher der Polarität und hierarchischen Herrschaft, sind im Cyborguniversum in Frage gestellt« (Haraway 1995: 35f.). Seit der Erstverfilmung der ›Frauen von Stepford‹, 1975, bevölkern auch weiterhin stetig neue Cyborgs, Maschinenmenschen und Androiden die gegenwärtige filmische Science Fiction. In der Fiktion hat sich der Traum vom künstlichen Menschen schon lange erfüllt. Die Aufgabe der genderorientierten Science Fiction-Forschung ist es, den Topos des künstlichen Menschen in seinen aktuellen Inszenierungen zu erfassen und die vorgestellten Genderkonzepte zwischen den Polen von Reproduktion herkömmlicher, binärer Vorstellungen von Geschlecht und subversiven Gendernormen neu zu verorten20. In der nahen Zukunft ist auf weitere künstliche Menschen und Intelligenzen im Film zu hoffen, die widerständig, vieldeutig und facettenreich den Horizont unserer Genderkonzepte erweitern.

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Vgl. hierzu: Adam 2013 / 14 [erscheint in Kürze].

18 Vgl. z.B. die bereits zuvor geschilderte Szene auf dem Gartenfest oder der Kurzschluss, den die künstliche Bobbie nach Joannas Messerattacke erleidet, der aber offensichtlich schnell behoben werden konnte: In der Schlussszene gleitet auch der Bobbie-Roboter wieder durch die Gänge des Supermarkts. 19

01:41‘08‘‘

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