Leibniz-Journal 2/2015

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LEIBNIZ | ERNÄHRUNG

Wagyu-Rind in der japanischen Präfektur Hyōgo

3/2015

nichts, mit dem sich ein öffentlich finanzierter Agrarforscher beschäftigen würde, wenn er nicht kritische Fragen zur Verwendung von Steuergeldern für kulinarische Dekadenz riskieren wollte. Und dennoch: Steffen Maak vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie forscht auch an Wagyu-Rindern, denn dass, was ihr Fleisch so besonders macht – die hohe Fetteinlagerung im Muskelgewebe – hat sehr wohl Bedeutung für die Landwirtschaft und sogar für die Gesundheitsforschung. „Wir interessieren uns für Wagyu-Rinder als Modell für eine extrem hohe Fetteinlagerung“, erläutert Steffen Maak. Japanische Wagyu erreichen bis zu 40 Prozent Fettanteil im Rückenmuskel. Bei deutschen Rindern sind es in der Regel gerade mal fünf Prozent. Das liegt zunächst an einer unterschiedlichen Zuchtgeschichte. Während in Deutschland über Jahrzehnte auf möglichst fettarmes Fleisch gezüchtet wurde, war das in Japan beim Wagyu nicht der Fall. Die Dummerstorfer Forscher stellten sich zunächst die Frage, wie groß die genetischen Unterschiede zwischen europäischen und japanischen Rindern sind. Erstaunlich gering, stellten sie jetzt fest. Eine genetische Besonderheit zeichnet WagyuFleisch aber aus: Es hat einen hohen Anteil ungesättigter

Fettsäuren und wird deshalb auch als besonders „gesund“ vermarktet. In Deutschland gezüchtete Wagyu bringen es eher auf einen Fettanteil von zehn bis 15 Prozent. „Da Fett Geschmacksträger ist und dem Wagyu dadurch einen besonders intensiven Rindfleischgeschmack verleiht, könnte das für den Delikatessen-Markt durchaus interessant sein“, sagt Steffen Maak. Aber: „Fleisch mit 40 Prozent Fett entspricht einfach nicht unserem europäischen Geschmacksempfinden“, sagt der Agrarwissenschaftler.

Bis zu 40 Prozent Fettanteil

Seit einigen Jahren kooperieren die Wissenschaftler aus Mecklenburg mit dem noch jungen Wagyu-Zuchtverband. Die Wissenschaftler bekommen von den Züchtern Proben und Daten und beraten die Landwirte im Gegenzug unter anderem in Fragen der Genetik. Denn eine professionelle Zucht steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen – auch quantitativ. Während in Deutschland jährlich etwa 3,5 Millionen Rinder geschlachtet werden, beläuft sich diese Zahl bei den Wagyu auf wenige hundert, schätzt Steffen Maak. Das Interesse an den Rindern aus Fernost beschränkt sich aber nicht nur auf ihre­

Rolle als Nahrungsmittel. In einem gemeinsamen Projekt mit Medizinern sind Wagyu ein Beispielorganismus für die Erforschung von extremem Übergewicht (Adipositas), die sich unter anderem als Auslöser von Diabetes zu einem zunehmenden Problem entwickelt. Deshalb koordiniert Steffen Maak auch ein über den Leibniz-Wettbewerb gefördertes Projekt, das die Rolle von Hormonen und anderen Botenstoffen bei der Fetteinlagerung ins Muskelgewebe untersucht. Forscher, die zu Muskeln von Nutztieren, Nagetieren und Menschen arbeiten, wollen speziesübergreifend besser verstehen, wie die Wechselwirkungen zwischen Muskel und Fett ablaufen. Dadurch – so hoffen sie – könnten sich Impulse sowohl für die Verbesserung der Fleischqualität beim Nutztier als auch für die Ansatzpunkte bei der Therapie von Adipositas und Diabetes ergeben. Besseres Fleisch ohne gesundheitliche Bedenken essen; wie oft steht denn dann Wagyu bei Steffen Maak auf dem Speiseplan? Probiert habe er es natürlich schon mal, sagt er, und es schmecke auch sehr gut. ­Allerdings: „Bei den aufgerufenen Preisen wird Wagyu-Fleisch doch wohl eher ein Luxusgut als ein regelmäßiger Ernährungsbestandteil bleiben.“ CHRISTOPH HERBORT-VON LOEPER

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