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Lege artis

Lege artis

Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung Februar 2011 • Seite 1–72 • 1. Jahrgang

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1 · 2011

Heft 1 • Februar  2011  1. Jahrgang  Seite 1–72

TITELTHEMA

Akutes Abdomen: Das Einmaleins der Erstversorgung Seite 24

SELBSTMANAGEMENT

Berufshaftpflicht – versichert für den Fall der Fälle Seite 20

SCHRITT FÜR SCHRITT

Diagnose und Therapie bei akuter Atemnot Seite 46

SCHLÜSSELERLEBNIS

Der erste Notarzt-Dienst: Einsatz am Kuhstall Seite 60


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Editorial

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Premiere

Liebe Leserin, lieber Leser, eine interdisziplinäre Fachzeitschrift für Weiterbildungsassistenten? „Gibt es nicht“, werden Sie sagen. Wir antworten Ihnen: Doch, jetzt schon. Sie halten die erste Ausgabe in Ihren Händen. Lege artis – Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung will Sie auf dem Weg zum Facharzt-Status begleiten: Mit anschaulich strukturierten Beiträgen, einem breiten Themenspek trum und mit vielen Tipps und Tricks für den ärztlichen Alltag. Das Herzstück unserer neuen Zeitschrift sind medizinische Fachwissenbeiträge mit hohem Praxisbezug. Experten fassen ihr Wissen für Sie zusammen und geben dabei konkrete Handlungsanweisungen. Ob Übersichtsbeitrag, Kasuistik, Schritt-für-Schritt-Anleitung oder Quiz: Immer sind die Themen von interdisziplinärer Relevanz. Für unsere Abonnenten halten wir zusätzliche Fachbeiträge in unserer Online-Ausgabe bereit. Auch jenseits von Therapie und Diagnostik ist der Blick über den Tellerrand bei Lege artis Programm. Wie lassen sich schlechte Nachrichten überbringen? Wie versichert man sich gegen Behandlungsfehler? Wie klärt man jugendliche Patienten auf? Diese und weitere Fragen beantworten unsere Rubriken „Recht“, „Kommunikation“ und „Selbstmanagement“.

Wie es Ihren Kollegen ergeht, lesen Sie in der Rubrik „Schlüsselerlebnisse“. Hier berichten Weiterbildungsassistenten über einschneidende Erfahrungen, die sie im Dienst gemacht haben. Am Ende steht immer der Kommentar eines erfahrenen Kollegen. Dort erhalten Sie Tipps, wie Sie sich in ähnlichen Situationen verhalten können – profitieren Sie einfach von den Erfahrungen Ihrer Kollegen! Den Arztberuf können Sie nur in der Praxis erlernen – wir wollen Sie dabei unterstützen. Deshalb arbeiten bei Lege artis die Herausgeber, ein Experten-Panel, ein Leserbeirat und die Redaktion besonders eng zusammen. Passgenaue Themenwahl, fachlich optimale Bearbeitungstiefe und Klarheit der Darstellung – das sind unsere Hauptziele. Wir wollen, dass die Artikel nicht nur qualitativ gehoben, sondern „lege artis“ sind. Liebe Leserin, lieber Leser, wir wünschen Ihnen eine gewinnbringende Lektüre. Und wir freuen uns über Ihre Anmerkungen: Schicken Sie Kritik und Lob an legeartis @ thieme.de! Mit herzlichen Grüßen Ihre Herausgeber und Ihre Redaktion

Herausgeber P. R. Galle, Mainz G. Geldner, Ludwigsburg A. Königsrainer, Tübingen F.- G. B. Pajonk, Liebenburg Experten-Panel P. Berlit, Essen S. Bleich, Hannover J. Bossenmayer, Stuttgart H.- P. Bruch, Lübeck M. Christ, Nürnberg B. Debong, Karlsruhe T. Hemmerling, Montreal D. F. Hollo, Celle J. F. Riemann, Ludwigshafen Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover Redaktion Dr. Daniela Erhard Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart E-Mail: legeartis @ thieme.de


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Bildnachweis: Hannes Schramm/Universitätsklinikum Tübingen

Bildnachweis: Basil Ringewaldt/Thieme Verlagsgruppe

Titelthema

Bildnachweis: PhotoDisc

Sie haben Nachtdienst in der Notaufnahme. Ein Patient mit akuten, heftigen Bauchschmerzen wird hereingebracht. Was tun Sie zuerst? Welche Diagnosen kommen infrage? Wann ist eine Notfalloperation indiziert? Im ersten Beitrag unseres Titelthemas geben Ines Gockel und Kollegen einen Überblick über die Erstversorgung des akuten Abdomens – untergliedert in 5 verschiedene Kategorien. Ihre Empfehlung dabei: Gehen Sie bis zum Beweis des Gegenteils von einer schweren und potenziell letalen Erkrankung des Patienten aus. Eine Operation ist allerdings nicht immer indiziert. Wie Sie schnell zu einer ersten Diagnose kommen, beschreibt das AutorenTeam um Carl Christoph Schimanski im zweiten TitelthemaBeitrag. Im Mittelpunkt steht hier, was Sie fragen, tasten und abhören sollten, welche Laborwerte Sie erheben sollten und welche Bildgebung wann sinnvoll ist. Dabei empfehlen die Autoren in jedem Fall eine Sonografie – und nur falls diese keine Diagnose liefert eine CT. Zum besseren Verständnis stellen sie für Cholezystitis, Pankreatitis und einige andere Diagnosen die typischen Ultraschallbefunde vor. q Seite 24

Bildnachweis: Bettina Rakowitz/Thieme Verlagsgruppe

q Titelbild: Karl-Heinz Krauskopf

Akutes Abdomen

Richtig versichert: Berufshaftpflicht Bereits in der Weiterbildung ist die Berufshaftpflichtversicherung ein Muss. Lesen Sie in unserem Beitrag, wann die Berufshaftpflicht einspringt, wo ihre Grenzen sind und worauf Sie bei einem Abschluss achten sollten. q Seite 20 Minimalinvasive Chirurgie: Immer sinnvoll? Ob Cholezystektomie oder Appendektomie: Bei vielen Operationen ist die sogenannte „Schlüssellochchirurgie“ inzwischen Standard. So vorteilhaft sie für die Patienten ist, so viel Übung und Aufmerksamkeit fordert sie vom Chirurgen. q Seite 38 Ärztliches Handeln bei akuter Luftnot Rasselnder Atem, blaue Lippen, Luftnot: Tim Wörth gibt Tipps, wie Sie mit Patienten umgehen, die das Gefühl haben, zu ersticken. Wichtig ist, dass Sie Sofortmaßnahmen und Diagnostik verbinden. Eine Checkliste gibt schnelle Orientierung. q Seite 46 Einsatz am Kuhstall: Der erste Notarzt-Dienst „Wie im Film“ fühlte sich Imke Vennel bei ihrem Einsatz auf einem einsamen Bauernhof. In Dunkelheit und Schneematsch reanimierte sie hier eine adipöse Frau. Doch wie kam die Patientin zu ihrer seltsamen Kopfwunde? q Seite 60


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Inhalt

1 · 2011

Februar 2011 • Seite 1–72 • 1. Jahrgang

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Die Herausgeber der Lege artis

Forschung 6

Nachrichten aus der internationalen Fachliteratur

Schlüsselerlebnis

Recht 10

Patientenaufklärung bei Jugendlichen

Kommunikation 14

Ärztliche Gesprächsführung: So gelingt sie lege artis

Selbstmanagement 20

Kaleidoskop online: 54 q  Ungeziefer im Krankenhaus – nicht nur lästig, sondern auch gefährlich! q  Zwangsspektrum­erkrankungen q  Kinderonkologische Intensiv­medizin q  Frühe postoperative Wundinfektion

Richtig versichert: Berufshaftpflicht

Fachwissen TITELTHEMA  Akutes Abdomen 24

Erstversorgung

32

Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co.

38

Übersicht: Minimalinvasive Chirurgie Immer sinnvoll?

46

Schritt für Schritt: Management bei Luftnot Akutmaßnahmen

51

Quiz: Welche Diagnose stellen Sie?

60

Einsatz am Kuhstall

Info 64 67 69 72

Kurznachrichten Für Sie gelesen Veranstaltungskalender Ausblick und Impressum


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Die Herausgeber der Lege artis Prof. Dr. med. Peter R. Galle

ist seit 1998 Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-­Universität Mainz. Von 2005–2008 war er darüber hinaus auch Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums. Peter R. Galle studierte Medizin von 1978–1985 in Berlin, Marburg, Mannheim und Heidelberg – mit Auslandsaufenthalten in London und Houston. Danach arbeitete er zunächst am Zentrum für Moleku­ lare Biologie Heidelberg und anschließend an der Universitätsklinik Heidelberg in der Abteilung Gastro­ enterologie. Dort schloss er seine Facharztausbildung in Innerer Medizin mit Schwerpunkt Gastro­ enterologie ab und habilitierte 1993 zur Replikation von Hepatitis-B-Viren in vitro. Prof. Galles Schwerpunkte sind Leber- und Tumorerkrankungen. Er ist Mitglied mehrerer Fachgesellschaften und u. a. Co-Editor des Journal of Hepatology.

Prof. Dr. med. Götz Geldner

ist seit 2005 Direktor der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin am Klinikum Ludwigsburg.

Götz Geldner studierte von 1985–1991 Medizin in Heidelberg und Erlangen. In Erlangen absolvierte er 1996 seine Facharztausbildung zum Anästhesiologen. Danach arbeitete er bis 2001 als Oberarzt an der Universitätsklinik für Anästhesiologie in Ulm, wo er habilitiert wurde. Von 2001–2005 war er Leitender Oberarzt und Stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie in Marburg. 2003 schloss er das Fernstudium „Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen“ (Universität ­Kaiserslautern) ab. Die Universität Marburg ernannte ihn 2005 zum außerplanmäßigen Professor. Zu Prof. Geldners Interessen zählen Notfall- und Intensivmedizin, Muskelrelaxanzien sowie Anästhesie und Ökonomie. Er ist Vizepräsident des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA).

Prof. Dr. med. Alfred K ­ önigsrainer

ist Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie in Tübingen. Er amtiert zudem als Sprecher des dortigen Zentrums für Gastrointestinale Onkologie und ist Vorstands­ mitglied des Südwestdeutschen Tumorzentrums/Comprehensive Cancer Center (CCC) Tübingen. Nach dem Studium in Innsbruck und der italienischen Approbation in Bologna absolvierte Alfred Königsrainer seine Facharztausbildung in Innsbruck und habilitierte dort auch. Mailand, Hamburg, Brüssel und London waren weitere Stationen. Er war stellvertretender Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Univer­ sitätsklinik in Innsbruck, bevor er 2004 Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen wurde. Prof. Königsrainers Schwerpunkt liegt auf der chirurgischen Behandlung von Tumoren und auf der Transplantationschirurgie aller Bauchorgane inkl. Mehrorgantransplantationen. Mit der Sommerschule der Theodor-Billroth-Akademie fördert Prof. Königsrainer den chirurgischen Nachwuchs bereits im Studium.

Prof. Dr. med. Frank-­Gerald B. Pajonk

ist seit 2007 Chefarzt der Privat-Nerven-Klinik Dr. Kurt Fontheim in Liebenburg (Harz).

Frank-Gerald B. Pajonk studierte von 1986–1993 in Essen und München. Nach kurzer Zeit in der Chirurgie absolvierte er seine Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an den Unikliniken in München und Hamburg. Es folgten Auslandsaufenthalte (Israel, USA) sowie eine Zwischenstation in der pharmazeutischen Industrie. 2002 habilitierte er an der Universität Hamburg, anschließend war er Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes. 2007 wechselte er an die Privat-Nerven-Klinik Dr. Kurt Fontheim in Liebenburg (Harz). Zu Prof. Pajonks wissenschaftlichen und klinischen Schwerpunkten zählen psychiatrische Notfälle sowie die Ätiopathogenese und Therapie von Schizophrenien und Demenzen. Er ist Leiter des Referats Notfallpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN).

Die Herausgeber der Lege artis. Lege artis 2011; 1: 4


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Forschung

Nachrichten aus der internationalen Fachliteratur

Was bringt die Analyse eines gesamten Genoms?

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Ashley EA et al. Clinical assessment incorporating a personal genome. Lancet 2010; 375: 1525–1535 Durch technische Fortschritte haben sich die Kosten von Genanalysen reduziert. Wie sich jedoch Risikoabschätzungen für geläufige Genvarianten klinisch übersetzen lassen, ist bisher unklar. Wissenschaftler um Euan A. Ashley haben nun eine integrierte Analyse eines kompletten Humangenoms in einem klinischen Kontext durchgeführt. Die Untersuchung erfolgte bei einem 40-jährigen, herzgesunden Mann, in dessen Familie kardiovaskuläre Erkrankungen und Fälle eines plötzlichen Herztodes vorkamen. Die Autoren sequenzierten das komplette Genom des Mannes und schätzten anhand der Ergebnisse das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ab. Sie konzentrierten sich dabei auf 4 Bereiche: ▶▶Genvarianten, die mit Mendelschen Erkrankungen assoziiert sind, ▶▶ Neumutationen, ▶▶Genvarianten, die das Ansprechen auf Medikamente beeinflussen, und ▶▶ Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs), die mit komplexen Erkrankungen korrelieren. Um nach bekannten Assoziationen mit Erkrankungen und dem Ansprechen auf Medikamente zu suchen, nutzten die Autoren verschiedene Gendatenbanken.

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Die Analyse von 2,6 Mio. SNPs und 752 Genkopiezahlvarianten zeigte ein erhöhtes genetisches Risiko für ▶▶ Myokardinfarkte, ▶▶Typ-2-Diabetes, ▶▶Adipositas und ▶▶einige Krebsarten. Die Autoren fanden 3 seltene Genvarianten, die mit Fällen eines plötzlichen Herztodes assoziiert sind, nämlich TMEM43, DSP und MYBPC3. Außerdem zeigten sich ▶▶ 63 klinisch relevante pharmakogenomische Varianten und ▶▶ 6 neue SNPs in Genen, die für das Ansprechen auf Medikamente wichtig sind. Speziell hatte der Patient eine heterogene Nullmutation im Gen für CYP2C19, die eine potenzielle Resistenz für Clopidogrel nahelegt, sowie zahlreiche Genvarianten, die mit einem positiven Ansprechen auf eine lipidsenkende Therapie einhergehen. Varianten in den Genen für CYP4F2 und VKORC1 sprachen dafür, dass der Patient bei einer Warfaringabe nur niedrige Anfangsdosen benötigt. Darüber hinaus hatte er eine Genvariante von LPA, die bei ihm mit einem sehr hohen Spiegel von Lipoprotein A einherging und im Einklang mit der familiären Vorgeschichte von koronaren Herzerkrankungen stand. Ferner fanden sich zahlreiche Genvarianten mit unsicherer klinischer Bedeutung.

Fazit Analysen des Gesamtgenoms können für den Einzelpatienten nützliche und klinisch relevante Informationen erbringen. ◀

Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

Intensive Betreuung bei Raucherentwöhnung effektiv

Bildnachweis: creativ collection

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Abb.  Auch für den einzelnen Patienten kann die Analyse seines Gesamtgenoms klinisch relevante Informationen erbringen.

Hoogendoorn M et al. Long-term effectiveness and cost-effectiveness of smoking cessation interventions in patients with COPD. Thorax 2010; 65: 711–718 Hoogendoorn et al. von der ErasmusUniversität in Rotterdam haben eine Metaanalyse von Studien vorgelegt, die die medizinische sowie die ökonomische Effekti-

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Nachrichten aus der internationalen Fachliteratur. Lege artis 2011; 1: 6–9

vität verschiedener Ansätze zur Raucher­ entwöhnung thematisierten. Von 39 Studien zu diesem Thema entsprachen 9 den Qualitätskriterien der Autoren, zu denen Randomisierung und Kontrolle gehörten. Messgrößen waren ▶▶die Erfolgsrate kontinuierlicher Abstinenz über 12 Monate und ▶▶die Kosteneffektivität hochgerechnet auf 25 Jahre. Hinsichtlich dieser Messgrößen verglichen die Wissenschaftler die Varianten ▶▶ Kurzintervention (<  90 min), ▶▶ intensive Beratung (>  90 min) und ▶▶ intensive Beratung in Verbindung mit Pharmakotherapie (Nikotinersatztherapie oder Bupropion oder Nortriptylin). Es wurden die Kosten pro QALY („Quality Adjusted Life Year“) zugrunde gelegt und die Ausgaben für die Intervention verrechnet mit den Einsparungen – bedingt durch den besseren Gesundheitszustand im Langzeitverlauf. Die 12-Monats-Raten für kontinuierliche Abstinenz betrugen ▶▶ohne Intervention 1,4 %, ▶▶ bei Kurzintervention 2,6 %, ▶▶ bei intensiver Beratung 6,0 % sowie ▶▶ bei intensiver Beratung mit Pharmakotherapie 12,3 %. Die Kosten pro QALY beliefen sich auf ▶▶16 900 € für Kurzintervention, ▶▶ 8200 € für intensive Beratung und ▶▶2400 € für intensive Beratung mit Pharmakotherapie. Die Autoren weisen aber darauf hin, dass das Ergebnis der Berechnungen stark variiert – je nachdem, wie man die weitere Abstinenz­ rate und das Ausmaß der dadurch gesparten Gesundheitsausgaben ansetzt.

Fazit Intensive Beratung und Betreuung

zur Nikotinabstinenz, verbunden mit Pharmakotherapie, ist von allen ­bekannten Interventionen nicht nur medizinisch am effektivsten, sondern weist auch die höchste Kosteneffek­ tivität auf. ◀

Dr. med. Peter Pommer, Oberammergau


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Forschung

Fazit Verschiedene Organisationen be­

fürworten den Einsatz von niedrig ­ osierter Azetylsalizylsäure in der d Primärprävention kardiovaskulärer Krankheiten bei Patienten mit Typ-2Diabetes und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Die Ergebnisse der hier vorgestellten Studie unterstützen diese Empfehlung. ◀

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Ong G et al. Aspirin is associated with reduced cardiovascular and all-cause mortality in type 2 diabetes in a primary prevention setting: The Fremantle Diabetes Study. Diabetes Care 2010; 33: 317–321 Die regelmäßige Gabe von niedrig dosierter Azetylsalizylsäure führt zu einer Verringerung der Gesamtmortalität und der Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen bei Typ-2-Diabetikern. Dies haben Greg Ong und Kollegen in einer Studie festgestellt. Die Gesamtmortalität sank am deutlichsten bei Männern und bei Patienten, die 65 Jahre oder älter waren. Von 1276 Typ-2-Diabetikern der australischen „Fremantle Diabetes Study“ lagen zu Beginn (1993–1996) Daten über die Nutzung von Azetylsalizylsäure und über den kardiovaskulären Status vor. 651 Patienten wiesen zu diesem Zeitpunkt keine vorangegangenen kardiovaskulären Erkrankungen auf. Diese wurden bis zu ihrem Tod bzw. bis Ende Juni 2007 beobachtet, was insgesamt 7537 Patientenjahren entsprach. 50 Probanden (7,7 %) nahmen regelmäßig Azetylsalizylsäure ein (≥  75 mg/Tag). Eine Kaplan-­ Meier-Analyse diente zur Erfassung ▶▶der Gesamtmortalität und ▶▶der Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen im Hinblick auf die Nutzung von Azetylsalizylsäure. Mithilfe des „Cox-Proportional-­ Hazards-Model“ ermittelten die Autoren zudem unabhängige Prädiktoren für die Sterblichkeit. Während des Untersuchungszeitraums starben 160 der Studienteilnehmer (24,6 %), bei 70 von ihnen (43,8 %) waren kardiovaskuläre Krankheiten die Ursache. ▶▶ Die Kaplan-Meier-Analyse erbrachte keine Unterschiede bezüglich kardiovaskulär bedingter Mortalität bzw. Gesamtmortalität zwischen Nutzern und Nichtnutzern von Azetylsalizylsäure (p = 0,52 bzw. 0,94). Nach Adjustierung für signifikante Variablen innerhalb des Cox-Modells zeigte sich eine unabhängige Assoziation zwischen regelmäßiger Einnahme und reduzierter kardiovaskulärer Mortalität und Gesamtmortalität (Hazard Ratio [HR] 0,30, 95 % Konfidenzintervall [KI] 0,09–0,95 und HR 0,53, 95 % KI 0,28–0,98; p  ≤  0,044). Eine Analyse der Subgruppen hatte folgendes Ergebnis: ▶▶ Die Einnahme von Azetylsalizylsäure war bei Männern und bei Patienten mit einem Mindestalter von 65 Jahren (unabhängig voneinander) assoziiert mit einer verringerten Gesamtmortalität.

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waren 13 % der Patienten von einer Hypox­ ämie betroffen. Lediglich 647 Patienten (44 %) wurden hinsichtlich einer Dysphagie untersucht.

Fazit Patienten nach einem Schlaganfall

sind vor allem durch die Hypoxämie und das hohe Thromboembolierisiko gefährdet. Zudem erhöhen Schluckstörungen das Risiko einer Aspiration mit möglicher Todesfolge. Da nicht alle Kliniken über ein standardisiertes Behandlungsschema verfügen, empfehlen die Autoren, die genannten Gesichtspunkte als Qualitätsmerkmal für eine qualifizierte Schlaganfall-­ Versorgung zu definieren. ◀

Dr. rer. nat. Frank Lichert, Weilburg

Welche Faktoren verbessern den Schlaganfall-Verlauf?

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Bravata DM et al. Processes of care associated with acute stroke outcomes. Arch Intern Med 2010; 170: 804–810 Die Behandlung des Schlaganfalls besteht aus vielen einzelnen Bausteinen. Eine Arbeitsgruppe um Dawn M. Bravata ist der Frage nachgegangen, welche Faktoren der Betreuung den Verlauf der Erkrankung besonders positiv beeinflussen. Das Ergebnis ­ihrer retrospektiven Kohortenstudie: Schlaganfall-Patienten profitierten besonders von der Therapie mit HypoxämieEpisoden und einer effektiven Thromboseprophylaxe. Auch die Evaluation von Schluckstörungen war mit einem günstigen Verlauf assoziiert. Die Autoren werteten die Daten von 1487 Patienten aus, die aufgrund eines manifesten Schlaganfalls oder einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) von zu Hause in ein Krankenhaus eingeliefert wurden. Im Rahmen der Analyse berücksichtigten die Forscher insgesamt 7 Parameter: ▶▶ Fieber ▶▶ Hypoxämie ▶▶ Blutdruck ▶▶ neurologischer Status ▶▶ Dysphagie ▶▶Thromboseprophylaxe ▶▶ Mobilisation Die Auswertung ergab, dass folgende Behandlungen die Prognose der Patienten nachhaltig beeinflussten: ▶▶ Hypoxämie-Behandlung (Odds Ratio [OR] 0,26; 95 % Konfidenzintervall [KI] 0,09– 0,73) ▶▶ konsequente Thromboembolieprophylaxe (OR 0,60; 95 % KI 0,37–0,96) ▶▶ Evaluation von Schluckstörungen (OR 0,64; 95 % KI 0,43–0,94) Eine Thromboembolieprophylaxe wurde bei 1291 Patienten (87 %) durchgeführt. Jedoch stellten die Autoren fest, dass nur bei etwa 75 % der Patienten überhaupt die Sauerstoffsättigung gemessen wurde. Insgesamt

Uwe Glatz, Eppingen

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Vielen Patienten fehlt Verständnis für Wahrscheinlichkeiten

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Galesic M, Garcia-Retamero R. Statistical Numeracy for Health – A Cross-cultural Comparison With Probabilistic National Samples. Arch ­Intern Med 2010; 170: 462–468 Um Gesundheitsrisiken zu verstehen und Wahrscheinlichkeiten korrekt in gesundheitsbezogene Entscheidungen einzubeziehen, benötigt man statistisches Verständnis und Rechenfähigkeit. Das sollte man bei Patienten allerdings nicht unbedingt voraussetzen, wie Mirta Galesic et al. jetzt gezeigt haben. ▶▶ Nur etwa zwei Drittel von zufällig befragten Personen in Deutschland und den USA sind in der Lage, einfache Aufgaben zur Wahrscheinlichkeit zu lösen oder absolute Zahlen in Prozente umzurechnen. Je etwa 1000 Personen einer zufällig ausgewählten Bevölkerungsstichprobe pro Land wurden gebeten, 9 einfache Aufgaben der

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Bildnachweis: creativ collection

Typ-2-Diabetes: Azetylsalizylsäure senkt Mortalitätsrisiko

Abb.  Vielen Patienten fällt es schwer, einfache Aufgaben aus der Statistik zu lösen oder absolute Zahlen in Prozente umzurechnen.

Nachrichten aus der internationalen Fachliteratur. Lege artis 2011; 1: 6–9


Forschung Statistischen Rechenskala nach Schwartz und Lipkus zu lösen. Ein Beispiel: Wie viel Prozent beträgt das Krankheitsrisiko, wenn 20 von 100 erkranken? Gemittelt konnten 68,5 % der Deutschen und 64,5 % der USAmerikaner die Fragen richtig beantworten. Dieser Unterschied blieb auch bei Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen bestehen. ▶▶ In beiden Ländern erreichten Männer ­höhere Werte als Frauen, und die Werte nahmen mit dem Alter ab. Auch der positive Einfluss von Bildung und Einkommen war in beiden Ländern gleichermaßen festzustellen. Der Unterschied in der statistischen Rechenleistung der schlechtesten und besten Teilnehmer war allerdings in den USA bedeutend größer als in Deutschland. Eine Subgruppenbefragung zur persönlichen Einschätzung der eigenen Rechenleistung zeigte eine gute Übereinstimmung mit den tatsächlichen Ergebnissen. ▶▶ Daher ist es eventuell sinnvoll, Patienten selbst danach zu fragen, ob sie mit Wahrscheinlichkeiten und Risikoangaben umgehen können oder bildliche Darstellungen, Vergleiche und Beispiele bevorzugen.

Fazit Nicht bei allen Patienten kann man

genug statistisches Verständnis voraussetzen, um Entscheidungen anhand von Prozentangaben zu treffen. Hilfsmittel können ein Vergleich oder eine bildliche Darstellung sein. ◀

Friederike Klein, München

▶▶einer Herzfrequenz unter 50 / min bzw. ▶▶einer Herzfrequenz über 140 / min. Um eine zu häufige falsche Alarmierung zu verhindern, wurde der Alarm jeweils mit einer Verzögerung von 30 s ausgelöst. Zudem konnten Pflegekräfte und Ärzte die Alarmgrenzen individuell anpassen. Neben dem Stationspersonal standen Notfallteams zur Verfügung, falls sich der Patientenzustand verschlechterte. ▶▶ Lediglich 1,8 % der Patienten weigerten sich, die Messgeräte zu tragen. Die Autoren untersuchten 11 Monate vor und 10 Monate nach Einführung des Systems, ▶▶ wie häufig die Notfallteams alarmiert und ▶▶ wie häufig Patienten auf die Intensivstation verlegt werden mussten. Zum Vergleich erhoben sie die Daten von 2 weiteren chirurgischen Stationen ohne Überwachung. Durchschnittlich verzeichneten die Autoren 4 Alarme ihres Überwachungssystems pro Tag. ▶▶ Notfallteams kamen nur noch bei 1,2 statt 3,4 von 1000 entlassenen Patienten zum Einsatz (p = 0,01), wohingegen keine signifikanten Änderungen auf den beiden Vergleichsstationen zu verzeichnen waren. ▶▶Auch die Intensivverlegungen sanken von 5,6 auf 2,9 von 1000 Patiententage (p = 0,02), ohne dass es wesentliche Änderungen auf den beiden anderen Stationen gab.

Fazit Die Forscher stellen fest, dass eine

kontinuierliche pulsoxymetrische Überwachung von frisch operierten Patienten einer orthopädischen Station ihre Sicherheit erhöhen kann: eine Station mit 36 Betten konnte 135 Aufenthaltstage auf der Intensiv­ station einsparen. ◀

Postoperative Pulsoxymetrie dient der Patientensicherheit

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Taenzer AH et al. Impact of Pulse Oximetry Surveillance on Rescue Events and Intensive Care Unit Transfers. Anesthesiology 2010; 112: 282–287 Ein pulsoxymetrisches Überwachungssystem verringert die Notfallbehandlungen von operierten Patienten und die Zuweisungen auf die Intensivstation. Zu diesem Schluss kommen Taenzer und Kollegen von der Dartmouth Medical School in Lebanon (New Hampshire, USA). Sie führten im Dartmouth Medical Center ein System ein, welches die Sauerstoffsättigung und den Puls von frisch operierten Patienten einer orthopädischen Station mit 36 Betten kontinuierlich überwachte. Bei Überschreiten von voreingestellten Grenzen wurde eine Pflegekraft mittels Pager alarmiert. Dies geschah bei ▶▶einer Sauerstoffsättigung unter 80 %,

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mit geschultem, nicht ärztlichem Personal fest und füllten Fragebögen aus. Sie benannten eine Bezugsperson, die in den Prozess eingebunden wurde. 155 Patienten bildeten die Kontrollgruppe. Weitere Erhebungen fanden nach 3 und 6 Monaten und nach dem Tod des Patienten statt. 108 Patienten entwickelten mündlich oder schriftlich einen Plan für die medizinische Versorgung in der letzten Lebensphase. 82 % äußerten sich zu Wiederbelebungsmaßnahmen und 75 % bestimmten über die Durchführung lebensverlängernder medizinischer Eingriffe. Die übrigen Patienten überließen die Entscheidung ihrer Bezugsperson. ▶▶ Patienten, die am Programm teilgenommen hatten, waren nach der Entlassung aus der Klinik zufriedener als die Übrigen. ▶▶ Die Familien hatten ebenfalls seltener Ängste, Depressionen oder Stress (Hospital Anxiety and Depression Scale). ▶▶ In den 6 Folgemonaten starben 54 Patienten. In 25 von 29 Fällen mit Verfügung kannten und respektierten die Ärzte die Wünsche der Patienten (86 %). In der Kontrollgruppe geschah dies nur bei 8 von 27 Patienten (30 %; p < 0,001). ▶▶ Die Angehörigen der Patienten mit festgelegten Wünschen waren deutlich zufriedener mit dem Ablauf der Sterbephase. Dies galt für sie persönlich (83 % vs. 48 %; p = 0,02) sowie aus der angenommenen Perspektive der Patienten (86 % vs. 37 %; p  <  0,001).

Fazit Sind Verfügungen über die letzte

Lebensphase festgelegt, werden diese überwiegend respektiert und umgesetzt. Dies führt bereits zum Zeitpunkt der Erhebung zu einer größeren Zufriedenheit bei Patienten und Angehörigen. Im Todesfall sind die Familien emotional entlastet. ◀

Dr. med. Marc-Michael Ventzke, Ulm Dr. med. Susanne Krome, Melle

Patientenverfügung: Mehr als ein Schutz der Autonomie?

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Detering KM et al. The impact of advance care planning on end of life care in elderly patients: randomised controlled trial. BMJ 2010; 340: 1345–1354 Ob Patientenverfügungen auch die Versorgungsqualität der Patienten verbessern, haben Karen M. Detering et al. untersucht. An der Studie konnten alle Patienten eines Universitätskrankenhauses teilnehmen, die über 80 Jahre alt waren. 154 Patienten legten ihre Wünsche und Vorstellungen in 1–3 Gesprächen (durchschnittlich 60 min)

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Nachrichten aus der internationalen Fachliteratur. Lege artis 2011; 1: 6–9

Bildnachweis: Ramona Heim/ Fotolia

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Abb.  Patientenverfügungen erhöhen oft die Zufriedenheit bei Patienten und Angehörigen.


Forschung

Erhebliche Zusatzkosten durch nosokomiale Infektionen

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Eber MR et al. Clinical and economic outcomes attributable to health care-associated sepsis and pneumonia. Arch Intern Med 2010; 170: 347–353 In den USA können im Krankenhaus erworbene Pneumonien oder Sepsis-­ Episoden die Einzeltherapiekosten um bis zu 89 000 US$ erhöhen. Sie sind zudem mit einer erheblichen Mortalitätsbelastung verknüpft. Die Ergebnisse der US-amerikanischen Studie von Michael R. Eber und Kollegen sind auch für Deutschland interessant. Nosokomiale Infektionen werden oftmals primär als hygienisches Problem gesehen. Doch zunehmend zeigt sich, dass diese Komplikation eines Krankenhausaufenthalts auch unter ökonomischen Aspekten an Relevanz gewinnt. Die induzierten Zusatzkosten durch eine Infektionskomplikation im Krankenhaus summieren sich auch zu volkswirtschaftlich relevanten Belastungen. Die Problem- und Risikoanalyse der Autoren versucht, die Brisanz der Problematik transparent zu machen. Dafür erfassten sie retrospektiv zwischen 1998 und 2006 die Daten von 69 Mio. ­Behandlungsfällen aus den ganzen USA. Das Datenmaterial wurde im Rahmen einer FallKontroll-Studie statistisch so aufbereitet, dass alle Patienten mit wahrscheinlichen ­nosokomialen Pneumonien oder Sepsis-­ Episoden identifiziert wurden. ▶▶Anhand der Versicherungsdaten war es möglich, die zusätzlichen Behandlungskosten durch diese Komplikationen zu quantifizieren. Die Analyse bezog außerdem die Krankenhausmortalität und die Behandlungsintensität mit ein. Bei 0,8 % aller Behandlungen ohne invasive Komponente und 1,2 % aller invasiven Behandlungen trat eine nosokomi-

Bildnachweis: Janice Haney Carr/ Centers for Disease Control and Prevention

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Abb.  Pseudomonas aeruginosa ist ein häufiger Erreger nosokomialer Infektionen.

ale Sepsis-Episode auf. Besonders belastet waren Thorax- und Kardiochirurgie. ▶▶ Hier erhöhte eine solche Komplikation die Behandlungskosten um bis zu 66 800 US$ ▶▶und war mit einer Mortalitätssteigerung um bis zu 32 % verbunden. Pneumonien traten ohne invasive Behandlung in 0,1 % der Behandlungsfälle nosokomial auf. Bei invasiver Behandlung lag diese Rate bei 0,3 %. Auch hier waren die invasiven Fachgebiete Thorax- und Kardiochirurgie besonders belastet. ▶▶ Eine nosokomiale Pneumonie konnte die Behandlungskosten um bis zu 88 900 US$ steigern ▶▶und die Krankenhausmortalität um bis zu 19 % erhöhen.

Fazit Nosokomiale Pneumonie- und Sepsiskomplikationen erweisen sich als ex­trem kostenrelevant. Obwohl die Daten in den USA erhoben wurden, kann man aufgrund der gleichen Behandlungs- und Therapiestandards davon ausgehen, dass auch in Deutschland solche erheblichen ­Zusatzkosten entstehen. Die Daten belegen zudem die Dringlichkeit entsprechender Interventionsstrategien zur Infektionskontrolle. ◀

Dr. med. Horst Gross, Berlin

Akupunktur setzt analgetisch wirkendes Adenosin frei

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Goldman N et al. Adenosine A1 receptors mediate local anti-nociceptive effects of acupuncture. Nature Neuroscience 2010; 113: 883–888 Akupunktur setzt analgetisch wirksames Adenosin aus umliegenden Zellen frei. Dies haben Neurowissenschaftler der University of Rochester, New York, nachgewiesen. Der Neuromodulator Adenosin reduzierte im Mäusemodell über seinen A1Rezeptor die Schmerzwahrnehmung deutlich. Durch verschiedene Versuche an Mäusen lieferten die Wissenschaftler um Nanna Goldman Hinweise auf den Wirkmechanismus der Akupunktur. ▶▶Zunächst wiesen sie nach, dass das 30-­minütige Nadeln eines typischen Akupunktur-Punkts nahe dem Knie (ZusanliPunkt) lokal vermehrt Adenosintriphosphat (ATP) freisetzt. Das ATP wird dann extrazellulär zu Adenosin abgebaut. Die einzelnen Zwischenstufen, Adenosindiphosphat und -monophosphat (ADP und AMP), wiesen die Forscher ebenfalls in erhöhter Konzentration nach. Ihren

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Angaben zufolge haben frühere Studien bereits gezeigt, dass die Tiefenstimulation des Gehirns mit elektrischen Reizen ebenfalls mit einer Ausschüttung von ATP assoziiert ist. ▶▶ Im Mäusemodell der Studie stieg die extrazelluläre Adenosinkonzentration durch die Akupunktur am Knie von 10,6 auf 253,5 mmol / l. Mäuse, bei denen man eine Entzündung in der Pfote induzierte, reagierten nach der Akupunktur deutlich schwächer auf mechanische Reize als ohne Akupunktur. Auch bei Mäusen, die unter neuropathischem Schmerz litten, reduzierten die Nadeln die Sensitivität sowohl für mechanische als auch für thermische Reize um etwa 75 %. ▶▶ In Versuchen an Knock-out-Mäusen, die den Adenosin-A1-Rezeptor nicht besaßen, hatte die Akupunktur keine Wirkung. Die gleichen Ergebnisse zeigten sich bei der Injektion des selektiven A1-Rezeptor-Antagonisten CCPA (Chlorocyclopentyl-Adenosine) in den Akupunktur-Punkt. Dass sowohl Akupunktur als auch CCPA denselben Effekt auf die aufsteigenden Nervenbahnen haben, ergab die Aufzeichnung der Gehirnaktivität: Der anteriore cinguläre Kortex, der für die Wahrnehmung des Schmerzes wichtig ist, war bei Schmerzreizen sowohl nach der Akupunktur als auch nach der CCPA-Injektion deutlich weniger aktiv. Einen Tag nach der Akupunktur bzw. CCPAAdministration lag die Schmerzsensitivität wieder auf dem ursprünglichen Niveau. ▶▶ Der schmerzmindernde Effekt der Akupunktur ließ sich allerdings medikamentös verlängern: Die Gabe des Leukämie-Medikaments ­Deoxycoformycin (Pentostatin) bewirkte die Akkumulation von Adenosin und verlängerte den schmerzstillenden Effekt bei Mäusen von 1–1,5 h auf 3–3,5 h. Die Autoren vermuten, dass das Hemmen des Adenosinabbaus als adjuvante Therapie bei der Akupunktur von klinischem Nutzen sein könnte.

Fazit Die Akupunktur am Knie über 30 min setzte im Mausmodell den Neuromodulator Adenosin frei und reduzierte die Schmerzwahrnehmung deutlich. Gelingt es, die erhöhte Adenosin­ konzentration pharmakologisch über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, könnte das den Effekt der Akupunktur verstärken. ◀

Anna Hecker, Stuttgart

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Patientenaufklärung bei Jugendlichen

Bildnachweis: Daniela Erhard / Thieme Verlagsgruppe (Symbolbild)

Darf man Minderjährige ohne Einwilligung der Eltern behandeln? Wen muss man aufklären – die Eltern oder das Kind? Und: Wie steht es um die ärztliche Schweigepflicht bei Minderjährigen? Die gesetzlichen Regelungen sind nicht immer eindeutig. Doch es gibt Eckpunkte, an denen sich der behandelnde Arzt orientieren kann. Lesen Sie am Beispiel eines konkreten Falles, worauf Sie achten sollten.


Recht

A

ls Barbara Windfuhr* an jenem Nachmittag den Behandlungsraum betritt, erwartet sie ein nicht ganz alltäglicher Fall: Ronny, ein 15-jähriger Teenager, sein linker Arm ist rot-violett und dick geschwollen. „Ein Schlangenbiss“, kommt der Junge den Fragen der Ärztin zuvor. Die Kollegen der chirurgischen Notfall-Aufnahme haben ihn bereits erstversorgt, dann aber zu ihr in die Innere Abteilung geschickt.

gische Reaktionen bis hin zum Schock, die in einzelnen Fällen protrahiert auftreten können [1]. Praxistipp  Nummern für den Giftnotruf sind zum Beispiel: ▶▶ Berlin: 030/19240 ▶▶ Bonn: 0228/19240 ▶▶ Freiburg: 0761/19240 ▶▶ Göttingen: 0551/19240 ▶▶ München: 089/19240 Die Internet-Seiten der Informations­zen­ tralen finden Sie unter www.klinitox.de

Falldarstellung

▼▼ Schlangenbiss  Aus

der Aufnahme bringt Ronny folgende Informationen mit: ▶▶Zustand nach Schlangenbiss am linken Unterarm ▶▶Zustand nach venöser Staubinde über 3 h ▶▶medikamentöse Schmerzbehandlung ▶▶zunächst keine weitere Lokaltherapie indiziert ▶▶Gefahr eines Kompartment-Syndroms, daher den Arm stündlich kontrollieren ▶▶ Bitte mögliche systemische Giftwirkungen abklären! Halb trotzig, halb verunsichert berichtet Ronny über den Unfall: Er lasse seine Giftschlange nachmittags immer frei in seinem Zimmer kriechen. Diesmal habe sie ihn beim Einfangen in den Arm gebissen, woraufhin er den Arm sofort abgebunden habe – das müsse man schließlich machen nach Schlangenbissen, er kenne sich da aus. Ins Krankenhaus sei er erst gegangen, als sich sein ganzer Arm verfärbt habe, stark angeschwollen sei und die Schmerzen nicht nachließen. Auch sei ihm etwas übel und schwindelig.

Giftnotruf  Ein Schlangenbiss verlangt rasches Handeln. Um die Gefahr besser einschätzen zu können, ruft die Internistin einen Giftnotruf an. Gut, dass Ronny sein Haustier beim Namen kennt: Aspisviper. So kann die Giftzentrale sehr gezielt informieren: ▶▶ Die Aspisviper gibt zur Abwehr oft nur wenig Gift ab. ▶▶ Meist beschränken sich die Symptome auf Bissmarken und lokale Ödeme. ▶▶ Durch die Staubinde verblieb das Gift jedoch deutlich länger im Arm und ▶▶führte vermutlich daher zu der starken Lokalwirkung. Die gastrointestinalen Beschwerden und der Schwindel gehören bereits zu einer mittelschweren Vergiftung mit systemischer Wirkung. Selten gibt es auch aller­

Therapie  Die Giftzentrale empfiehlt vor allem eine symptomatische Behandlung durch ▶▶ Hochlagern und Ruhigstellen des Armes sowie ▶▶ Fortführen der Schmerzbehandlung. Sollte die Schwellung jedoch auf den Rumpf übergehen oder sich der Allgemeinzustand verschlechtern, so sei ▶▶unbedingt ein modernes Antiserum zu bestellen, ▶▶dieses so schnell als möglich liefern zu lassen und ▶▶bei gegebener Klinik in jedem Falle zu verabreichen. Noch ist Ronnys Zustand stabil, und die Schwellung ist auf den Arm begrenzt. Um aber für einen progressiven Verlauf gewappnet zu sein, wendet sich die Ärztin in Absprache mit dem Oberarzt an das nächstgelegene Depot für Antiseren – es liegt gute 200 km entfernt. Für einen schnellen Transport organisiert Dr. Windfuhr die Feuerwehr und lässt das Anti­ serum mit Blaulicht bringen. Ankunft der Mutter  Die chirurgische Notaufnahme hatte Ronnys Eltern bereits über die Verletzung ihres Sohnes informiert – nun erscheint die Mutter im Krankenhaus. Sie wirkt zugleich besorgt und verärgert. Ronny scheint wenig begeistert über ihr Erscheinen. Erst jetzt wird Barbara Windfuhr bewusst, dass der 15-Jährige ganz allein in die ­Klinik gekommen ist. In der Eile hatte sie Ronny gar nicht nach seinen Eltern gefragt – zumal er ihr durchaus verständig genug erschien, um das ärztliche Prozedere mit ihm allein zu besprechen. Illegale Schlangenhaltung  Die Wartezeit auf das Antiserum nutzt die Ärztin, um ihren Patienten auf eine weitere interessante Information der Giftzentrale anzusprechen: ▶▶ Die Aspisviper gehört zu den besonders

geschützten Tierarten in Deutschland. Sie darf nur in Einzelfällen gehalten werden [2]. Ronny wendet sich zur Wand, seine Mutter nestelt an ihrer Handtasche herum. Im Flüsterton lässt Ronny vernehmen, dass bloß niemand auf die Idee kommen solle, ihm die Schlange wegzunehmen. Er will sich plötzlich nichts mehr sagen lassen und drängt nach Hause: „Es geht schon wieder, ich geh jetzt heim!“ Für Ronny steht augenscheinlich fest: Die Schlange, nicht er, bedarf jetzt großer Sorge.

Widerstand  Dr. Windfuhr versucht, sich auf den jugendlichen Patienten einzulassen. Ruhig aber deutlich macht sie ihm die Sachlage noch einmal klar: ▶▶ Ronny wurde vor wenigen Stunden von einer Giftschlange gebissen. ▶▶ Der ganze Arm ist stark ödematös und bedarf dringend der Überwachung. ▶▶ Die Schmerzen sind nur durch das ­Analgetikum reduziert. ▶▶ Die systemischen Giftwirkungen nehmen möglicherweise noch zu. Auch eine verspätete anaphylaktische ­Reaktion ist nicht auszuschließen [1]. Die Ärztin empfiehlt daher dringend eine Überwachung über mindestens weitere 6 h. Doch Ronny gibt sich unbeeindruckt: „Hey, ich bin 15! Ich weiß was ich tue und kann das selbst entscheiden!“ Selbstentlassung  Ronnys Mutter ist klar auf ärztlicher Seite. Sie versucht ebenfalls, ihren Sohn zum Bleiben zu überreden – ohne Erfolg: Er packt bereits seine Sachen. Barbara Windfuhr entscheidet sich, den Patienten gehen zu lassen. Sie klärt Ronny und seine Mutter noch einmal über die möglichen Gefahren und Konsequenzen seines Handelns auf. Ihr dringender Rat: ▶▶ Falls sich der Gesundheitszustand in den nächsten Stunden verschlechtert, soll Ronny unbedingt sofort das Krankenhaus aufsuchen. Sowohl Ronny als auch seine Mutter ­unterschreiben eine Erklärung, dass er ­gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat das Krankenhaus verlässt – dann gehen sie. Eine Stunde später ist das Antiserum da.

Juristischer Hintergrund

▼▼ Kind? Jugendlich? Minderjährig?  Im

vorliegenden Fall ist der Patient noch nicht erwachsen – doch wie nennt man einen Nicht-Erwachsenen? Strafrecht und Jugendschutzrecht unterscheiden

*Alle Namen in diesem Beitrag geändert Rakowitz B, Bossenmayer J. Patientenaufklärung bei Jugendlichen. Lege artis 2011; 1: 10–13

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Recht ▶▶ Kinder (0 –13 Jahre), ▶▶Jugendliche (14 –17 Jahre) und ▶▶ Heranwachsende (18–20 Jahre) [3, 4]. Das Bürgerliche Gesetzbuch hingegen verwendet den Begriff ▶▶ Minderjähriger. Dieser umfasst alle Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ronny ist daher sowohl jugendlich als auch minderjährig – je nach Rechtsgebiet.

Einwilligungsfähigkeit  Damit der Eingriff in die körperliche Integrität eines ­Patienten gerechtfertigt ist, muss dieser grundsätzlich in die Behandlung einwilligen. Denn ohne eine wirksame Einwilligung gilt auch ein indizierter ärztlicher Eingriff generell als Körperverletzung und ist somit strafbar – selbst bei fehlerfreier Behandlung [5 –10]. Ronny war zunächst mit der ärztlichen Behandlung einverstanden – er nahm ein Schmerzmittel ein und war auch zu einer Behandlung mit Antiserum bereit. Aber: ▶▶ Kann ein Minderjähriger eigenständig rechtsgültig in die Behandlung einwilligen? ▶▶ Kann er den Schweregrad seiner Erkrankung sowie die empfohlene Therapie mit ihren Chancen und Risiken selbst bewerten? Es gibt diesbezüglich keine eindeutige ­Regelung. Für die Einwilligungsfähigkeit Minder­ jähriger sind keine gesetzlich definierten Altersgrenzen vorgegeben.

Die Internistin musste also Ronnys Einwilligungsfähigkeit selbst einschätzen. In diesem Fall schien ihr der Patient verständig genug, um das Geschehen aus Schlangenbiss, möglichen Folgen und therapeutischen Optionen einordnen zu können.

Beurteilung durch den Arzt  Maßgebend für die Einwilligungsfähigkeit sind Einsicht und Urteilsvermögen des Minderjährigen: Durch Einsichtsfähigkeit ist es möglich, Zusammenhänge zu verstehen und in sinnvoll oder sinnlos, nötig oder unnötig einteilen zu können. Je komplexer die Zusammenhänge, desto größer das erforderliche Abstraktionsvermögen. Daher braucht es Jahre an Entwicklung, bis eine Person tatsächlich eigenständig verstehen und urteilen kann. Leider ist diese Fähigkeit nicht messbar [11, 12]. ▶▶Als Richtgröße kann das 15. Lebensjahr gelten. Das 14. Lebensjahr sollte nicht unterschritten werden. ▶▶ Die sehr individuelle persönliche Entwicklung lässt eine exakte Altersangabe jedoch nicht zu [13]. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es allgemein darauf an, ob der Jugendliche die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs ermessen kann [14, 15]. Die Einwilligungsfähigkeit des jungen ­Patienten ist also stets im Einzelfall zu ermitteln.

Aufklärung  Mit der Einwilligungsfähigkeit ist auch die Frage verbunden, an wen der Arzt das Aufklärungsgespräch richten muss. ▶▶ Liegt keine Einwilligungsfähigkeit vor, so sind auf jeden Fall die gesetzlichen Vertreter die Ansprechpartner (q Kasten S. 12). ▶▶Gleiches gilt bei nur zweifelhafter Einwilligungsfähigkeit. ▶▶ Ist der Minderjährige einwilligungs­ fähig, ist die Rechtslage umstritten. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt im Allgemeinen die Aufklärung und Einwilligung der Eltern.

Allerdings steht dem Minderjährigen in Einzelfällen ein Vetorecht zu – zum Beispiel, wenn der Eingriff erhebliche Folgen für seine künftige Lebensgestaltung haben kann [16]. Dieses Veto kann einen aufschiebbaren medizinischen Eingriff verzögern, bis der Minderjährige die nötige Entscheidungskompetenz erlangt [17]. Damit der Minderjährige von diesem Vetorecht Gebrauch machen kann, sollte der Arzt auch ihn aufklären [16].

Je dringlicher und unaufschiebbarer die Behandlung ist, desto weniger Zeit darf durch die Information der Eltern versäumt werden. ▶▶ In Eil- und Notfällen reicht in aller Regel die Einwilligung des Minderjährigen. ▶▶Auch kann der Arzt die indizierte Behandlung unter dem Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung oder des Notstands durchführen [18, 19].

Ablehnung der Behandlung  Dr. Windfuhr hielt Ronny für einwilligungsfähig. Die Entscheidung für oder gegen die Therapie lag daher auch bei ihm. Dieses Recht hat Ronny dann auch umgesetzt, als er sich, nach ordnungsgemäßer Aufklärung, gegen die Antidot-Behandlung und gegen einen weiteren Krankenhausaufenthalt aussprach. Die Ärztin versuchte richtigerweise, ihren minderjährigen Patienten umzustimmen – was ihr jedoch nicht gelang. Im vorliegenden Fall war die Dringlichkeit zur Gabe des Antidots noch nicht derart groß, dass unmittelbar Handlungsbedarf bestand. Die Entscheidung, Ronny gegen dringenden ärztlichen Rat und mit konkreten Verhaltensanweisungen nach Hause gehen zu lassen, erscheint daher riskant, aber vertretbar.

Zustimmung der gesetzlichen Vertreter Gesetzliche Vertreter sind in der Regel beide Eltern [23, 25]. Für den Fall, dass nur ein Elternteil anwesend ist, hat der Bundesgerichtshof eine „Dreistufentheorie“ entwickelt [24]. Danach hängt das korrekte Vorgehen des Arztes von der Tragweite der Entscheidung ab:

Anders kann das bei dringendem Handlungsbedarf aussehen (q Kasten S. 13).

1.  Allgemeiner Routinefall: Fehlen gegenteilige Informationen, kann der Arzt von der Einwilligung des nicht erschienenen Elternteils ausgehen.

Schweigepflicht  Grundsätzlich gilt die ärztliche Schweigepflicht auch bei Minderjährigen [13]. Das umfasst bereits die Tatsache, dass jemand in Behandlung ist. ▶▶Gegen den Willen eines voll einsichtsund urteilsfähigen Minderjährigen darf der Arzt die Eltern im Regelfall also nicht informieren. ▶▶Allerdings kann ein einwilligungsfähiger Minderjähriger den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden.

2.  Eingriffe schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken: Der Arzt muss der Frage ­nachgehen, ob und wieweit der fehlende Elternteil den erschienenen zur Zustimmung ermächtigt hat. Er kann sich aber trotzdem auf die positive Antwort des erschienenen Elternteils verlassen. 3.­  Schwierige und weitreichende Entscheidungen mit erheblichen Risiken für das Kind: Hier hat sich der Arzt Gewissheit über die Zustimmung beider Eltern zu verschaffen. Besteht für das Wohl des nicht einwilligungsfähigen Kindes „Gefahr im Verzug“, kann die Einwilligung notfalls von nur einem Elternteil erklärt werden [25].

Rakowitz B, Bossenmayer J. Patientenaufklärung bei Jugendlichen. Lege artis 2011; 1: 10–13


Recht

Nur das unbefugte Offenbaren von Patientengeheimnissen ist strafbar [20, 21].

Eine kurze Frage hätte also die Unsicherheit beseitigen können: „Ich würde jetzt mal deine Eltern anrufen – ist das in Ordnung für dich?“ Vielleicht wäre Ronny mit der Kontaktaufnahme zu seiner Mutter ohnehin einverstanden gewesen. ▶▶ Die Entbindung von der Schweigepflicht muss der Arzt vorab einholen; eine nachträgliche Zustimmung gibt es im Strafrecht nicht. Ronny hatte nicht widersprochen, als die Ärztin seine Mutter in das Aufklärungs­ gespräch einbezog. Insofern hat er die Ärztin zumindest konkludent von der Schweigepflicht entbunden.

Dokumentation  Barbara Windfuhr entließ ihren Patienten gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat – und notierte die Non-Compliance sowie die eingehende Beratung ausführlich in der Patientenakte. Ein wichtiger Schritt, denn neben der ▶▶ berufsrechtlichen Pflicht zur Dokumen­ tation [22] ▶▶schützt eine exakte Aufzeichnung vor späteren rechtlichen Unklarheiten. Es gilt allerdings: Der Patient kann nicht gezwungen werden, sein Handeln gegen ärztlichen Rat mit seiner Unterschrift zu bestätigen. Ein Formular wie im Fallbeispiel ist daher nicht obligat.

Eine detaillierte Dokumentation des gesamten Behandlungsablaufs schafft für alle Beteiligten die Sicherheit, die einzelnen Schritte auch im Nachhinein verfolgen zu können. Notieren Sie daher nicht nur, ▶▶dass Sie bestimmte Entscheidungen getroffen haben, sondern auch, ▶▶warum Sie sich für diesen Weg entschieden haben. Schreiben Sie dabei leserlich!

Wiedersehen  Ronny erscheint am nächsten Tag erneut im Krankenhaus. Die Schmerzen haben wieder zugenommen, kombiniert mit Schwindelgefühl und Übelkeit. Er akzeptiert die Gabe des Antiserums. Nach vorsorglicher weiterer Überwachung über wenige Stunden können die Ärzte ihn ohne weitere Nachwirkungen des Giftes oder des Antiserums nach Hause entlassen.

Fazit Auch wenn Sie im Notfall schnell ent-

scheiden müssen: Bei der medizinischen Behandlung Minderjähriger sind stets rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Handeln Sie diesbezüglich nicht sorglos – eine ärzt­liche Behandlung kann sonst leicht ▶▶ zivilrechtliche, ▶▶ berufsrechtliche oder sogar ▶▶ strafrechtliche Folgen haben. ◀

Bettina Rakowitz, Jörg Bossenmayer

Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu ­diesem Beitrag finden Sie im Internet: Abonnenten und Nicht­abonnenten können unter „www.thieme-connect.de/ejournals“ die Seite der Lege artis aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Ergänzendes Material“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich. Abonnenten können alternativ über ihren persönlichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http://www.thieme-­ connect.de/ejournals/help#SoRegistrieren

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0031-1272348

Kernaussagen

▶▶ Patienten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind minderjährig. Das heißt jedoch nicht, dass in jedem Fall nur der gesetzliche Vertreter für den Patienten sprechen darf – dem Minderjährigen steht eventuell zumindest ein Vetorecht zu. ▶▶ Ein Minderjähriger kann unter Umständen durchaus eigenständig in eine ärztliche Behandlung einwilligen. Ob das der Fall ist, müssen Sie als Arzt beurteilen: Wenn Sie Ihrem minderjährigen Patienten zutrauen, die Situation umfassend zu verstehen, dann können Sie ihm auch die Fähigkeit zur Einwilligung zutrauen. ▶▶ Ob einwilligungsfähig oder nicht: Binden Sie den Minderjährigen in das Aufklärungsgespräch ein und berücksichtigen Sie dessen Argumente. ▶▶ Die ärztliche Schweigepflicht gilt grundsätzlich auch gegenüber den Eltern des Minderjährigen! Fragen Sie deshalb nach: Ist der Minderjährige mit der Benachrichtigung der Eltern einverstanden? Dann sind Sorgen wegen einer möglichen Verletzung der Schweigepflicht unbegründet. ▶▶ Dokumentieren Sie den gesamten Ablauf inklusive aller Entscheidungen – einschließlich der zugrunde liegenden Überlegungen.

Was tun bei unmittelbarem Handlungsbedarf? Grundsätzlich darf der Arzt den Willen eines einwilligungsfähigen Jugendlichen nicht übergehen – eine ordnungsgemäße Aufklärung vorausgesetzt. Andererseits ist der Arzt als so­ genannter Garant grundsätzlich zur Hilfe verpflichtet. Bei unmittelbarem Handlungsbedarf sollte der Arzt daher folgendermaßen vorgehen: ▶▶ Lehnt der einwilligungsfähige Jugendliche die dringend notwendige Behandlung ab, die anwesenden Eltern(teile) stimmen der Behandlung aber zu, muss der Arzt versuchen, den Jugendlichen umzustimmen. Gelingt dies nicht, geht nach herrschender Ansicht das elterliche Sorgerecht vor [14, 16]. Die Behandlung sollte vorgenommen werden – notfalls mit Hilfe des Fami­liengerichts. ▶▶ Lehnen sowohl die Eltern als auch der Jugendliche oder nur die Eltern die dringend notwendige Behandlung ab, muss der Arzt versuchen, die Eltern und ggf. den Jugendlichen umzustimmen. Gelingt dies nicht, muss der Arzt das Familiengericht einschalten. Das Familiengericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts. In jedem Amtsgericht ist ein Richter im Bereitschaftsdienst erreichbar – auch nachts und am Wochenende. Schildern Sie diesem den Fall; er entscheidet über das weitere Vorgehen. ▶▶ Erkundigen Sie sich, welches Amtsgericht für Ihr Krankenhaus zuständig ist. Notieren Sie sich Namen und Telefonnummern und verwahren Sie sie griffbereit für den Notfall.

Rakowitz B, Bossenmayer J. Patientenaufklärung bei Jugendlichen. Lege artis 2011; 1: 10–13

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Die meisten Deutschen sind zufrieden mit ihren Ärzten – zumindest, wenn es um das Fachliche geht. Aber in einem Punkt mangelt es immer noch: an der Kommunikation mit den Patienten. Hier zu investieren, nutzt nicht nur dem Patienten, sondern auch dem Arzt.

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Ärztliche Gesprächsführung: So gelingt sie lege artis


Kommunikation

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venja ist sauer. Den ganzen Vormittag hat sie beim Orthopäden verbracht. „Verschwendet“, wie die 24-jährige Studentin selbst sagt. Morgens unter der Dusche war ihr der Schmerz zwischen zwei Brustwirbel gefahren, danach taten jede Bewegung und jeder Atemzug weh. Statt in die Uni ging die junge Frau zum Orthopäden. Dort passierte erst einmal – nichts. „Nach anderthalb Stunden im Wartezimmer ging es zum Röntgen. Den Arzt hatte ich bis dahin immer noch nicht gesehen“, sagt die Studentin. Als sie nach weiteren Minuten des Wartens endlich ins Sprechzimmer kommt, traut sie ihren Ohren kaum: „Sie haben einen Rundrücken und eine leichte Skoliose“, lautet lapidar die Diagnose des Arztes, „brauchen Sie Schmerztabletten?“ Svenja verneint. Worauf der Arzt sagt: „Ich schreibe Ihnen trotzdem mal welche auf“. Auch die Frage der Studentin nach Krankengymnastik läuft ins Leere. Die könne er nicht verschreiben. Stattdessen drückt er der Frau die Kopie eines Buchdeckels in die Hand. „Hier, in diesem Buch stehen vorbeugende Übungen gegen Bandscheibenvorfälle drin.“ Bestellbar über jede Buchhandlung. Gute Besserung. Der Nächste, bitte!

Kein Einzelfall  Auch wenn der Fall fast 10 Jahre alt ist – an Aktualität hat er nichts eingebüßt. „Solche Situationen erlebt man leider täglich in deutschen Arzt­ praxen“, sagt Dr. Carsten Schwarz. Der 40-jährige Internist und Palliativmediziner aus Berlin hat bereits als Student auf mehr Kommunikationstraining im Studium gedrängt. In seiner Weiterbildungszeit hat er genügend Beispiele schlechter Gesprächsführung miterlebt. Inzwischen ist er nicht nur als Internist und Pneumologe tätig, sondern schult auch Kollegen für das Gespräch mit den Patienten. Schwarz ist überzeugt: Fälle wie der von Svenja müssen nicht sein. Patienten kommen kaum zu Wort  Charakteristisch für einen durchweg „arztzentrierten“, vertikalen Kommunikationsstil ist seine Einseitigkeit. Hier redet fast ausschließlich der Arzt, bedingt durch ▶▶das rasche Unterbrechen der Patientenerzählung, ▶▶das Stellen geschlossener Fragen (nur „ ja“, „nein“ oder kurze Antwortmöglichkeit) bzw. ▶▶das Einengen des Patienten durch Suggestivfragen („Sie möchten doch schnell wieder gesund werden?“),

▶▶das gezielte Testen vorschneller Hypothesen, ▶▶das Ignorieren von Emotionen und ▶▶die Bevormundung des Patienten. Bei den Patienten kommt das schlecht an.

Konsequenzen mangelnder Kommunikation  Wer seinen Patienten von oben herab behandelt oder „verhört“, kassiert Minuspunkte. Im schlimmsten Fall kommt der Patient nicht wieder und  /oder beendet die Therapie eigenmächtig – so wie Svenja. Das Rezept über eine Packung Diclofenac wanderte ebenso in die Altpapiertonne wie die Kopie des Buchumschlags. Zu dem Orthopäden ging sie nie wieder.

„Durch gute Kommunikation kann man die KrankenhausAufenthaltsdauer senken.“ Dr. Carsten Schwarz, Berlin, Internist und Kommunikationstrainer

Worauf legt der Patient Wert?  Das Selbstverständnis der Patienten hat sich gewandelt. Viele wollen von ihrem Arzt als gleichberechtigter Partner ernst genommen werden. Erst kürzlich hat das eine Studie der Techniker Krankenkasse belegt [1]. Wieder einmal – denn das Ergebnis ist nicht wirklich neu. Die Befragung aus dem Jahr 2010 förderte drei Hauptpunkte für die Zufriedenheit der Patienten zutage, die sich allesamt gut vom Arzt beeinflussen lassen: 1. Interaktion, d. h. Menschlichkeit, Verständnis, Empathie, Zeit für den Patienten, Ernstnehmen, Geduld etc. 2. Einbinden in Entscheidungen 3. fachliche Kompetenz, soweit der Patient diese beurteilen kann Status quo  Während die Teilnehmer der Studie mit der fachlichen Qualität ihrer Behandlung überwiegend zufrieden waren, stellten sie den Medizinern im Hinblick auf die anderen beiden Punkte ein schlechteres Zeugnis aus. ▶▶22 % gaben an, selten oder nie danach gefragt zu werden, welche Therapie sie bevorzugen. ▶▶14 % werden nach eigenen Angaben selten oder nie in Entscheidungsprozesse eingebunden.

Theorie und Praxis  Die meisten Ärzte wissen: Es lohnt sich, den Patienten in das Gespräch einzubeziehen. Arzt-PatientenBeziehung und Therapie profitieren, denn ▶▶die Patienten identifizieren sich mit der Therapieentscheidung, ▶▶die Compliance steigt, ▶▶die Patienten fühlen sich wohler und sind gesünder. Das Paradoxe daran: Nur schätzungsweise 5 % der Ärzte interessieren sich tatsächlich für das, was der Patient denkt [2]. Kommunikation wird kaum gelernt Woran liegt es, dass der vertikale Gesprächsstil unter Ärzten immer noch so weit verbreitet ist? „Ganz einfach“, sagt Schwarz. „Sie haben es nicht gelernt.“ Das gern vorgebrachte Argument, für Gespräche fehle im Alltag die Zeit, lässt der Kommunikationsexperte nicht gelten. „Wenn ich schon wenig Zeit habe, dann kann ich die ja immerhin gut nutzen.“ Die gute Nachricht: Die Erkenntnis, dass Kommunikation bereits im Studium gelernt werden sollte, setzt sich zunehmend durch. Immer mehr Universitäten bieten entsprechende Veranstaltungen an, bereits ausgebildete Ärzte können sich in speziellen Kursen fortbilden (q Kasten S. 17). Trotzdem sind Verbesserungen nötig. Prof. Karl Köhle lehrt und forscht seit über 30 Jahren über die Arzt-PatientenKommunikation. Das Urteil des Kölner Psychotherapeuten zur aktuellen Ausbildungssituation fällt vorsichtig aus: „Insgesamt sind die Fortbildungen zur Kommunikation noch unterdosiert und die Qualität schwankt stark.“ Kommunikation wird kaum honoriert Nach Ansicht beider Experten verschlechtert die Honorierung im Gesundheitswesen die Kommunikationskultur zusätzlich: „Solange ein Arzt mehr für Ultraschall oder Röntgen bekommt als für das Gespräch, wird er auch weiter schallen und röntgen“, so Schwarz. Tatsächlich gibt es für eine eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung, auch mittels Fernsprecher (GOÄ, Leistung Nr. 3) nur 150 Punkte, also umgerechnet 8,74 Euro. Dafür muss der Arzt mindestens 10 Minuten mit seinem Patienten reden. Das Röntgen der Brust- oder Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen (GOÄ, Nr. 5105) dotiert die GOÄ dagegen mit 400 Punkten bzw. 23,31 Euro. Wären also ­Gespräche besser honoriert, sagt Schwarz, würden die Fachärzte sie auch führen.

Erhard D. Ärztliche Gesprächsführung: So gelingt sie lege artis. Lege artis 2011; 1: 14–18

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Bildnachweis: Alexander Fischer/Thieme Verlagsgruppe (Symbolbild)

Kommunikation

Bildnachweis: Andreas Keudel/Shotshop

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Abb. 1  Ein freundlicher Gruß mit Blickkontakt und Händedruck beginnt und beendet das Gespräch.

Abb. 2  Der Patient darf seine Beschwerden und seine Sorgen schildern. Der Arzt signalisiert ihm das und hört aufmerksam zu.

Auch der Arzt profitiert von guter Kommunikation  Ein wesentlicher Aspekt gerät in der Diskussion um Honorierung und Ansehen der Gesprächskultur leicht in Vergessenheit: der Arzt selbst.

1. Begrüßung (erste Beziehung aufbauen) 2. Anliegen anhören (Erzählung des Patienten) 3. Emotionen zulassen 4. empathisch reagieren 5. Details explorieren 6. Vorgehen abstimmen 7. Resümee und Verabschiedung Dabei können sich die Punkte 2–6 wiederholen und abwechseln, bevor es zum Gesprächsabschluss kommt (mod. nach [6]).

Eine gute Arzt-Patienten-Beziehung durch bewusste Kommunikation bewirkt auch, dass es dem Arzt besser geht.

Ärzte mit ungenügender kommunikativer Kompetenz sind häufiger ausgebrannt [3]. Ein Übermaß an Idealismus und Perfektionismus sowie der Anspruch, alles selbst bestimmen zu wollen, sind die besten Voraussetzungen für ein Burn-out-Syndrom. Schätzungsweise 20–25 % der Ärzte in Deutschland leiden daran [4], die Suizidalität in dieser Berufsgruppe ist > 3-mal höher als in der Gesamtbevölkerung [5]. Als Trainer will Schwarz den Ärzten Werkzeuge an die Hand geben, damit es ihnen besser geht. „Dann geht es auch dem Patienten besser“.

Grundlagen der Arzt-PatientenKommunikation Inhalte des Gesprächs

▼▼ Der idealtypische Gesprächsablauf  Am

Anfang einen guten Kontakt herstellen – das ist der Schlüssel zum Erfolg. Das Gespräch mit dem Patienten legt den Grundstein für die weitere Beziehung zwischen den beiden Partnern. Je nach Wesensart des Patienten kann die Gesprächsführung variieren. Wichtig: Gehen Sie flexibel und unvoreingenommen auf den Patienten zu, reagieren Sie auf seine Bedürfnisse. Als Grundregel kann der folgende Gesprächsaufbau dienen:

1. Die Begrüßung  Auch wenn es banal klingt: Begrüßen Sie Ihren Patienten! Schon zu Beginn entscheidet sich, ob man seinen Gesprächspartner sympathisch oder unsympathisch findet. Mit der richtigen Begrüßung (q Abb. 1) lässt sich also viel gewinnen. ▶▶Geben Sie dem Patienten die Hand und ▶▶sprechen Sie ihn mit seinem Namen an. ▶▶ Falls Sie diesen gerade nicht parat haben, fragen Sie Ihren Patienten freundlich danach. ▶▶Stellen Sie sich beim Erstkontakt auch selbst vor – gerade in der Klinik oder in einer Gemeinschaftspraxis weiß der Patient nicht unbedingt, wen er vor sich hat. ▶▶Tragen Sie ein Namensschild. Praxistipp  In der Begrüßungsphase ­sollten Sie Ihrem Patienten außerdem die Ziele des Gesprächs erläutern, und Sie können ihm den Zeitrahmen mitteilen. Das gibt dem Patienten Orientierung und schützt Sie vor ausufernder Inanspruchnahme.

2. Lassen Sie den Patienten erzählen Direkt nach der Begrüßung können Sie auf den Anlass der Konsultation überleiten.

Erhard D. Ärztliche Gesprächsführung: So gelingt sie lege artis. Lege artis 2011; 1: 14–18

Fragen Sie dazu den Patienten direkt, ­ arum er gekommen ist. Gängige Formuw lierungen sind z. B. ▶▶ „Herr X., was führt Sie zu mir?“ ▶▶ „Frau Y., was steht an?“ ▶▶ „Wie kann ich Ihnen helfen?“ ▶▶ „Wie geht es Ihnen heute?“ (typisch bei Visiten) Allen diesen Fragen ist gemeinsam, dass sie offen formuliert sind. Der Patient erhält dadurch die Gelegenheit, seine Beschwerden zu schildern. Wenn Sie eine offene Frage stellen, dann lassen Sie Ihren Patienten auch ausreden und hören Sie ihm zu.

3. Emotionen haben Vorrang  Ärzte unterbrechen ihre Patienten durchschnittlich nach 11–24 Sekunden, obwohl diese auch von alleine schon nach rund anderthalb Minuten aufhören zu reden [7]. Das klingt zunächst nach einem großen Unterschied, aber: Auch wenn Sie Ihren Patienten unterbrechen, bleibt die GesamtKonsultationszeit fast gleich [7]. ▶▶Wer seine Patienten unterbricht, spart kaum Zeit, bringt sich aber um wertvolle Informationen. „Über die Hälfte seiner Gefühle und Emotionen wird der Patient nicht los, wenn man ihn unterbricht“, bemerkt Schwarz. Und genau sie verraten einiges über das Umfeld des Patienten und die möglichen Ursachen einer Erkrankung. Wenn etwa der Grund für Schmerzen oder Magenprobleme in psychisch belastenden Lebensumständen liegt, hat Unterbrechen hier auch zur Folge, dass der Patient mitunter nicht an die Diagnose des Arztes glaubt, so die Einschätzung von Schwarz. ▶▶ Dann lässt der Patient nicht locker, ▶▶verlängert durch wiederholtes Nachfragen das Gespräch und/oder ▶▶wechselt zu einem Kollegen. Der beabsichtigte Zeitgewinn durch das Unterbrechen ist damit schnell verpufft. Emotionen ergeben sich nur in speziellen Zusammenhängen und bei passender ­Gelegenheit. Sie haben daher immer Vorrang. Die Fakten, wie z. B. Art der Symptome oder Schmerzintensität, können Sie auch später noch abfragen.

4. Hören Sie Ihrem Patienten zu  Geben Sie Ihrem Patienten also die Chance zum Erzählen und ermutigen Sie ihn zum Weiterreden, auch wenn er bereits nach kurzer Zeit stockt. Oft benötigen Patienten


Kommunikation zunächst eine Orientierungsphase oder einen kleinen „Schubs“, um ihr Anliegen angemessen formulieren zu können. ▶▶ Durch aufmunternde Gesten, wie z. B. Kopfnicken, ▶▶durch Blickkontakt oder ▶▶ab und an ein „hm“ oder „ja“ signalisieren Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie ihm zuhören und Interesse an seiner Geschichte haben. Zeigen Sie darüber ­hinaus, dass Sie das Gesagte auch verarbeiten. Dieses sog. aktive Zuhören beinhaltet, dass Sie z. B. ▶▶Gesagtes noch einmal wörtlich wiederholen oder kurz zusammenfassen, ▶▶offen weiterfragen („Woran lag das?“, „Was passierte dann?“), ▶▶ bei unklarer Formulierung rückfragen („Wie meinen Sie das genau?“, „Sie denken also, dass ...?“) und ▶▶ Emotionen nicht ignorieren, sondern darauf empathisch eingehen.

5. Weitere Details erfragen  Wenn der Patient seine Erzählung beendet hat, können Sie nicht nur auf Emotionen noch einmal genauer eingehen, sondern auch die Anamnese erheben. Dabei müssen Sie zwangsläufig geschlossene Fragen stellen, beispielsweise zur ▶▶ Lokalisierung von Beschwerden („Wo tut es weh?“) ▶▶Qualität („Ist es eher ein Pochen?“) ▶▶ Intensität („Wie stark sind die Schmerzen?“) ▶▶ Kondition („Treten die Beschwerden auch in Ruhe auf?“) oder zur ▶▶Zeit („Seit wann haben Sie das?“) Vor dem Wechsel auf einen solchen krankheitszentrierten Frageansatz empfiehlt es sich, den Patienten darauf vorzubereiten. Dies geschieht, indem man ihm den Grund dafür erläutert: ▶▶ „Herr X., um Ihre Schmerzen genau einordnen zu können, muss ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen.“ Auf dieselbe Art kann man auch auf heikle und intime Fragen im Rahmen der Anamnese und auf die körperliche Untersuchung überleiten.

Praxistipp  Zur Anamnese gehört auch die ­Frage, ob der Patient Medikamente einnimmt. Oft verneint er dies. Fragen Sie aber trotzdem noch einmal explizit nach Insulin oder Tabletten gegen Bluthochdruck. „Zucker“ und Bluthochdruck werden von Vielen kaum noch als Krankheit wahrgenommen. Auch orale Kontrazep­ tiva werden nicht unbedingt als Medikamente angesehen.

„Patienten verkraften sehr viel, wenn sie merken, dass es Interesse und Verständnis für ihre Perspektive gibt.“ Prof. Karl Köhle, Köln, ehemaliger Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Uniklinik Köln

6. Das Vorgehen abstimmen  Inhalte des nächsten Gesprächsabschnitts sind ▶▶das Mitteilen der Diagnose und ▶▶die Planung des weiteren Vorgehens, d.h. der ggf. zusätzlich notwendigen Diagnostik und der Therapie. ▶▶ Dabei ist es essenziell, den Patienten ehrlich zu informieren und seine Gefühle zu berücksichtigen. Nach Ansicht von Dr. Carsten Schwarz neigen Ärzte dazu, Prognosen zu beschönigen. Der Patient denkt dann womöglich noch, dass er geheilt wird – und fällt später aus allen Wolken. Gerade bei infausten Prognosen muss der Betroffene jedoch die Chance erhalten, planen zu können und sich von seinen Angehörigen/Freunden verabschieden zu können. Praxistipp  Lassen Sie den Patienten ab und zu wiederholen, was er verstanden hat. Das hilft, Missverständnissen vorzubeugen, und Sie haben die Möglichkeit, das Wesentliche noch einmal richtig­ zustellen.

7. Der Gesprächsabschluss  So, wie die Begrüßung den Grundstein legt, benötigt das gute Gespräch einen Schlussstein. Er stabilisiert die aufgebaute Beziehung. In der Regel verläuft die Abschlussphase so: ▶▶ Bevor der Patient das Sprechzimmer verlässt, fassen Sie noch einmal die wichtigsten Inhalte und Vereinbarungen zusammen. ▶▶Vergewissern Sie sich, dass Ihr Patient keine offenen Fragen mehr hat. ▶▶ Falls weitere Gespräche oder Untersuchungen nötig sind, vergeben Sie einen Folgetermin. ▶▶Verabschieden Sie den Patienten bei Nennung seines Namens mit Händedruck.

Faktor Zeit

▼▼ Zeitbedarf  Gute Kommunikation muss

kein Zeitkiller sein und keine halbe Stunde dauern. Im Gegenteil – sogar bei Aufklärungsgesprächen reichen oft 10 Minuten. ▶▶Gerade nach Krebsdiagnosen mit infausten Prognosen sind die Betroffenen auch gar nicht mehr aufnahmefähig. „30 Minuten wären dann oft eine Qual“, gibt Schwarz zu bedenken. Und die Patienten kämen am nächsten Tag noch einmal mit denselben Fragen.

Einpassung in den täglichen Betrieb  Patientengespräche bedürfen vor allem eines guten Zeitmanagements. Laut Köhle dauert die Visite pro Patient 6–7 Minuten, einem niedergelassenen Arzt bleiben auch nur ca. 8 Minuten [8]. ▶▶Schwarz rät daher, z. B. Aufklärungsgespräche nicht in den laufenden Praxisbetrieb, sondern ans Ende der Sprechzeiten zu legen. ▶▶ Das ist aber kein Muss: manche Ärzte vergeben von Vornherein kurze oder lange Termine und blocken feste Zeitfenster für bestimmte Diagnosemitteilungen oder Aufklärungsgespräche.

Die Rahmenbedingungen

Wo finde ich spezielle Fortbildungsangebote? Wenn Sie Fortbildungen besuchen möchten, sollten diese auf ärztliche Gespräche zugeschnitten sein. Veranstalter sind u. a.: Kassenärztliche Vereinigungen, Landes- und Bezirksärztekammern; Infos in den jeweiligen Veranstaltungskalendern Nutzen Sie die Seminare, die Ihre Klinik anbietet. Die Arbeitsgemeinschaft KIM – Kommunikation und Interaktion in der Medizin bietet regelmäßig Schulungen an.  q www.kim-berlin.net/Fortbildungen.html

▼▼ Kommunikationsmittel  Worte machen

nur einen Bruchteil (ca. 7 %) der Wirkung von Kommunikation aus [9]. Mehr als die Hälfte entfällt dagegen auf nonverbale Kommunikation, wie ▶▶Gestik und Mimik, ▶▶ Blickkontakt, ▶▶ Körperhaltung und ▶▶Verhalten allgemein.

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Kommunikation Sprache  Trotzdem ist eine angemessene Wortwahl entscheidend. Wenn der Gesprächspartner schon an der Bedeutung der Wörter scheitert, bringt auch der beste Gesprächsaufbau nichts. Schneiden Sie daher die Information auf den Patienten zu. ▶▶ Reden Sie in der Sprache Ihres Patienten: Nutzen Sie sein Vokabular (keine Fachbegriffe). Das Gespür für die Sprache des Patienten bekommen Sie während seiner Erzählung. ▶▶ Bilden Sie kurze, einfache Sätze. ▶▶Sprechen Sie deutlich. ▶▶ Formulieren Sie Ihre Aussagen klar und so positiv wie möglich, aber ▶▶ bleiben Sie dabei glaubwürdig und vor allem ehrlich. Verneinungen negativer Begriffe („keine Panik“, „nicht schlecht“ usw.) wirken zuweilen anders, als sie gemeint waren: Sie beruhigen den Patienten nicht und provozieren daher Missverständnisse. Verhalten des Arztes  Vermitteln Sie dem Patienten, dass er im Mittelpunkt steht. Schon die Körperhaltung verrät viel über die Einstellung zum Gesprächspartner. ▶▶Aktives Zuhören signalisieren Sie über eine leicht vorgebeugte Sitzhaltung, Blickkontakt und Nicken bzw. Kopfschütteln (q Abb. 2). ▶▶Wer sich dagegen lässig im Stuhl zurück lehnt, permanent in Akten blättert oder auf die Uhr sieht, verunsichert seinen Patienten und strahlt Desinteresse aus. Gesprächsatmosphäre  Eine ungestörte und positive Umgebung schafft Vertrauen und erleichtert das Reden. Dies ist vor ­allem bei schwierigen Gesprächen wichtig. ▶▶ Bieten Sie Ihrem Patienten eine Sitzgelegenheit an und setzen Sie sich ebenfalls – am besten auf Augenhöhe des ­Patienten. ▶▶Achten Sie auf freie Sicht! Auf dem Schreibtisch sollten weder Akten noch andere Gegenstände den Blickkontakt zum Gegenüber stören. Verstecken Sie sich bei Visiten nicht hinter dem Visitenwagen oder hinter der Kurve. ▶▶Vermeiden Sie auch andere Störungen, z. B. durch ein entsprechendes Schild an der Sprechzimmertür. ▶▶ Natürlich gilt: Telefon bzw. Handy aus!

Besonderheiten bei der Visite

▼▼ Chance für den Patienten zur Informa­ tion  Auch bei der Visite in der Klinik

gilt: Reden Sie mit dem Patienten, nicht über ihn. Für den Patienten ist die Visite häufig die einzige Gelegenheit, sich einem Arzt mitzuteilen und Informationen zu seinem Krankheits- und Therapieverlauf zu erhalten. Die wenigen Minuten werden so zum Höhepunkt in seinem Klinik­alltag. Zusätzlich zu den bereits genannten Gesprächshinweisen sind bei der Visite zu beachten: ▶▶ Die fachliche Vorbereitung auf Befunde, Gesprächsinhalt etc. findet vor der Zimmertür statt. ▶▶ Das Gespräch mit dem Patienten leitet der visiteführende Arzt. ▶▶Setzen Sie sich beim Visitengespräch möglichst auf einen Stuhl neben den Patienten. Setzen Sie sich nicht auf das Bett. ▶▶Antworten Sie dem Patienten ehrlich auf seine Fragen und weichen Sie nicht aus. ▶▶Schwierige, potenziell lebensverändernde Mitteilungen nie im Mehrbettzimmer machen. Vereinbaren Sie dafür einen Extratermin und planen Sie mehr Zeit ein. ▶▶ Dasselbe gilt für Aufklärungsgespräche vor Operationen.

Rolle des Pflegepersonals  Häufig ist das Pflegepersonal bei den Visiten nicht anwesend. Ein Manko, findet Carsten Schwarz. Auch die Schwestern sollten über Befunde, Diagnosen und Therapien Bescheid wissen. „Wenn der Arzt den Raum verlassen hat, rufen die Patienten nämlich den Pfleger und fragen ihn nach seiner Einschätzung“, so die Erfahrung von Schwarz. Damit hier einheitliche Informationen weitergegeben und keine falschen Hoffnungen geweckt werden, dürfen keine Lücken entstehen.

Denken Sie auch an sich selbst!

▼▼ Empathie ist gut, Sympathie mitunter gefährlich  Sich auf den Patienten einzulassen, ist die eine Sache. Aber: „Es ist nicht damit getan, den Patienten ausreden zu lassen“, warnt der Kölner Psychotherapeut Prof. Karl Köhle. „Wenn Sie den Patienten reden lassen, werden Sie auch mit dessen Problemen belastet. Es kommt jetzt darauf an, ihn fachkompetent zu ­beraten und zu unterstützen.“ Den eigenen Kommunikationsstil im Hau-Ruck-

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Verfahren umzustellen, sei dabei der falsche Weg. ▶▶Wichtig sei stattdessen, zu versuchen, die Bewältigungsansätze der Patienten zu verstehen und ▶▶die eigenen Reaktionen zu reflektieren. ▶▶ Erst dann sollte eine Umstellung erfolgen.

Übung macht den Meister  Am besten gelingt das durch Üben in der Gruppe – mit Supervision. „Der Rahmen sollte schon mindestens 20 Stunden umfassen“, meint Köhle. „Für andere Kurse sind solche Zeiten normal, aber eben nicht für Kommunikation.“ Auch Carsten Schwarz rät, sich regelmäßig mit Kollegen auszutauschen und über seine Erfahrungen zu reden. „Oft merkt man erst spät, dass es einen selbst mitnimmt“. Das Gespräch hilft, ein professionelles Verhältnis zu den Problemen der Patienten aufzubauen und verhindert das Umschlagen von Empathie in Sympathie. „Das muss man lernen“, sagt der Berliner. „Und man kann es auch.“ Daniela Erhard

Mehr zum Thema Köhle K et al. Manual Ärztliche Gesprächs­führung und Mitteilung schwerwiegender Diagnosen. 5. Aufl. Köln: AG Medizindidaktik; 2010 Kitteltaschen-Leporello Schweickhardt A, Fritzsche K. Kursbuch ärztliche Kommunikation. 2. Aufl. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2009 Vermittelt Grundlagen anhand zahlreicher Fall­beispiele aus Klinik und Praxis. Mit Übungen.

Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu ­diesem Beitrag finden Sie im Internet: Abonnenten und Nicht­abonnenten können unter „www.thieme-connect.de/ejournals“ die Seite der Lege artis aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Ergänzendes Material“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich. Abonnenten können alternativ über ihren persönlichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http://www.thieme-­ connect.de/ejournals/help#SoRegistrieren

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0031-1272349


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Psychiatrische Kompetenz – sorgfältig, achtsam, zugewandt Die PRIVAT-NERVEN-KLINIK DR. MED. KURT FONTHEIM in Liebenburg erscheint nicht auf den Titelseiten der Hochglanzmagazine und dennoch: „Fontheim“ ist stolz auf seine mehr als 125-jährige Familientradition und Unabhängigkeit. Gleichzeitig stehen wir konzeptionell an der Spitze aktueller Entwicklungen in der Behandlung und Betreuung psychisch kranker Menschen. Dies ist schnell gesagt und doch steht so viel mehr dahinter. Es bedarf neben umfassendem fachlichen Wissen und guter Organisation vor allem Zuwendung, Takt und Fingerspitzengefühl.

Dr. med. Kurt Fontheim, Geschäftsführender Gesellschafter

Mit einem Versorgungsauftrag für die Regionen Salzgitter und Goslar und weit überregionalem Einzugsgebiet, 260 stationären, 60 tagesklini­ schen sowie 360 Heimplätzen, einem MVZ und einer Psychiatrischen Institutsambulanz sind wir das führende psychiatrisch-psychotherapeutische Zentrum der Region. Wir behandeln pro Jahr etwa 3500 Patienten aus allen Teilen Deutschlands. Liebenburg ist ein reizvoller Ort im nördlichen Harzvorland zwischen Goslar und Salzgitter. Sie können ihn aus den um­liegenden größeren Städten Hannover, Braunschweig, Hildesheim oder Göttingen schnell erreichen.

Wir behandeln alle psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Krankheitsbilder auf höchstem Niveau und können den Mitarbeitern das ganze Spektrum in diesen Fachgebieten sowie interessante Langzeitperspektiven bieten. Die Klinik verfügt über spezialisierte Teilbereiche (Akutpsychiatrie, Gerontopsychiatrisches Zentrum, Schwerpunktbereich Depression, Bereich für Psychotherapie und Psychosomatik, Psychosezentrum, Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen). Das psychiatrische Angebot ist mit einem internistischen Oberarzt und Fachdiabetologen qualitativ wertvoll ergänzt. Wir sind dabei, alle Bereiche konsequent prozessorientiert auszurichten und zu optimieren. Speziell ausgebildete Pflegekräfte übernehmen im klinischen Alltag als Casemanager eine wichtige Steuerungsfunktion. Die Prozesse laufen patientenorientierter und reibungsloser, die Ärzte können sich auf die wesentlichen ärztlichen Aufgaben konzentrieren. Es herrscht eine ausgesprochen freundliche Arbeitsatmosphäre zwischen allen Berufsgruppen und auch zu den Vorgesetzten. Die bauliche Infrastruktur ist auf einem sehr hohen Niveau. Seit 2007 ist die Chefarztposition mit Prof. Dr. Frank-Gerald B. Pajonk erstmals von extern besetzt. Dadurch erhält die Klinik einerseits kontinuierlich qualitativ hochwertige Impulse. Andererseits haben wir begonnen, den Bereich Forschung und Lehre systematisch auszubauen. Regelmäßig finden ansprechende Fortbildungen renommierter Referenten in unserem Hause statt. Die Anerkennung als Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Göttingen ist beantragt.

Mehr als ein Fachkrankenhaus Drei Tageskliniken in Goslar, Salzgitter-Bad und Salz­gitter-Thiede schließen die Lücke zwischen den niedergelassenen Ärzten und der vollstationären ­Krankenhausbehandlung. Die Psychiatrische Institutsambulanz in Liebenburg mit Zweigstellen in den drei Tageskliniken ist ausgerichtet auf Menschen mit langwierig und schwer verlaufenden psychischen Erkrankungen. Hauptziel ist die nachstationäre Stabilisierung, die Vermeidung von Rückfällen und die berufliche, familiäre und soziale Rehabilitation. Das Medizinische Versorgungszentrum mit den Schwerpunkten Gerontopsychiatrie, Neurologie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin ist für Patien­ ten, die die intensive Behandlung der Psychiatrischen Instituts­ambulanz nicht benötigen. Sie können vom Hausoder Facharzt direkt dorthin überwiesen werden oder aus der Klinik zur ambulanten Weiterbehandlung kommen. Pflege und Betreuung in unserem Heim für chronisch psychisch Kranke ist sinnvoll, wenn Menschen – ob 18 oder 92 Jahre alt – zeitweilig oder auf längere Sicht im gewohnten häuslichen Umfeld überfordert sind oder die Unterstützungsmöglichkeiten im sozialen Umfeld nicht mehr ausreichen. Insgesamt versteht sich die Klinik als der professionelle Anbieter für psychiatrisches Wissen in der Region. Gerne können Sie weiteres Info-Material anfordern und sich im Internet ein Bild machen: über die Klinik unter www.klinik-dr-fontheim.de und über unser Jobportal unter www.jobs-bei-fontheim.de PRIVAT-NERVEN-KLINIK DR. MED. KURT FONTHEIM

Lindenstraße 15 38704 Liebenburg Telefon: 05346 / 81- 0 • Fax: 05346 / 81-1334 eMail: info@klinik-dr-fontheim.de Schließlich stehen Ihnen unsere Tore für einen Besuch jederzeit offen. Ihr persönlicher Eindruck und Ihr Urteil sind ein wichtiges Maß für unsere Qualität.

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Selbstmanagement

Richtig versichert: Berufshaftpflicht

Wer im Beruf Verantwortung für andere übernimmt, sollte auch sich selbst absichern. Bereits in der Weiterbildung haften Ärzte für viele Tätigkeiten selbst. Für den Fall eines Behandlungsfehlers gilt daher: Die Haftpflichtversicherung ist ein Muss. Titel. Lege artis 2011; 1: 20–23

Bildnachweis: Karl-Heinz Krauskopf

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Selbstmanagement

Versicherungspflicht  Die Ärztekammern verpflichten ihre Mitglieder in § 21 der Musterberufsordnung auch ausdrücklich zur Versicherung: „Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern.“ Wird dem Arzt ein Behandlungsfehler vorgeworfen, prüft eine solche Versicherung die Forderungen, wehrt unberechtigte Ansprüche ab und leistet bei berechtigten Ansprüchen Schadenersatz.

Haftung in der Weiterbildung

▼▼ Unter Aufsicht  Für Ärzte in der Weiter-

Bildnachweis: Deutsche Ärzteversicherung

bildung gibt es Versicherungspakete, die alle dienstlichen und außerdienstlichen ärztlichen Tätigkeiten sowie die private Haftpflicht umfassen. Sie werden für 55– 100 € pro Jahr angeboten. Der Grund für dieses günstige Angebot: Wenn Ärzte in der Weiterbildung auf Anweisung oder unter Aufsicht von Ober- bzw. Chefarzt ­arbeiten, haften sie selten persönlich für Behandlungsfehler. Patrick Weidinger Deutsche Ärztever­sicherung „Wer Bauchtücher falsch zählt oder die Aufschriften von Blutkonserven verwechselt, haftet selbst. Auch als Weiterbildungs­ assistent.“

Eigene Verantwortung  Auf Ausnahmen weist aber Rechtsanwalt Patrick Weidinger hin, der den Bereich Arzthaftpflicht bei der Deutschen Ärzteversicherung leitet: „Für Dinge, die man seinem Ausbildungsstand nach beherrschen sollte, trägt man durchaus persönlich Verantwortung. Wer also z. B. Bauchtücher falsch zählt oder die Aufschriften von Blutkonserven verwechselt, haftet selbst.“ Ein Weiterbildungsassistent kann außerdem in die Haftung genommen werden, wenn er einen Arbeitsauftrag übernimmt, für den er noch nicht ausreichend ausgebildet ist. Hier spricht man von Übernahmeverschulden.

Praxistipp  Falls Sie regelmäßig etwas tun s­ ollen, wofür Sie noch nicht ausreichend ausgebildet sind: Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Vorgesetzten! Neben Ihnen selbst haben auch sie die Pflicht, Übernahmeverschulden zu vermeiden.

Betriebshaftpflicht

▼▼ Nicht immer vorhanden  Zwar sind an-

gestellte Ärzte für ihre Diensttätigkeit meist auch über die Betriebs-Haftpflichtversicherung ihres Krankenhausträgers versichert – doch wie so oft steckt die Tücke im Detail: Krankenhäuser sind nämlich nicht zum Abschluss einer solchen Versicherung verpflichtet, sie können das Risiko auch selbst tragen. In solchen Häusern, empfehlen Experten, sollten alle angestellten Ärzte auf jeden Fall eine private Versicherung abschließen für den Fall, dass die Klinik nicht zahlen kann [1].

Varianten der Betriebshaftpflicht  Und auch wenn die Klinik versichert ist, heißt das nicht automatisch, dass der Arzt unbeschadet davonkommt. Es gibt nämlich 3 Varianten: 1. Die Versicherung schließt alle dienstlichen ärztlichen Tätigkeiten des angestellten Personals ein, nimmt aber bei grober (und anteilig bei mittlerer) Fahrlässigkeit den Arzt in Regress, d. h. verlangt den geleisteten Schadenersatz von ihm zurück. 2. Die Versicherung umfasst alle dienstlichen ärztlichen Tätigkeiten des angestellten Personals, ohne Regressanspruch. 3. Die Versicherung erstreckt sich auf alle dienstlichen und sogar außerdienstlichen ärztlichen Tätigkeiten. Das Risiko für den Arzt, selbst haftbar gemacht zu werden, hängt also u. a. davon ab, welche Art von Betriebs-Haftpflichtversicherung sein Krankenhaus abgeschlossen hat. Kadir Yildirim, Wirtschaftsjurist beim Wirtschaftsberatungs- und Versicherungsvermittlungsdienst (WVD) des Marburger Bundes Baden-Württemberg, rät Assistenzärzten daher: „Sehen Sie vor Abschluss einer Versicherung zunächst im Arbeitsvertrag nach und fragen Sie in der Verwaltung, was die Versicherung des Krankenhauses abdeckt. Lassen Sie sich dies schriftlich bestätigen.“

Regressforderung  In einem Fall ging der Rechtsstreit um die Frage nach der zuständigen Versicherung bis vor das Bundesarbeitsgericht: Eine Weiterbildungsassistentin hatte den Bedside-Test vor einer Bluttransfusion falsch durchgeführt, die Patientin war an einer verwechselten Blutkonserve gestorben. Der Krankenhausträger zahlte zunächst an die Hinterbliebenen und an die beteiligte Krankenkasse, forderte dann aber Regress von der Ärztin wegen grober Fahrlässigkeit. Urteil  Das Bundesarbeitsgericht (Az. 8 AZR 288/96) bestätigte die Regressforderung. Begründung: „Die Beklagte hatte gleich mehrere Sicherheitsmaßnahmen miss­achtet, die ein Arzt bei einer Bluttransfusion zu beachten hat. […] Die Blutübertragung gehört nicht zu den spezifischen Aufgaben eines Anästhesiearztes, sondern muss von jedem Arzt ausgeführt werden können. Schließlich war die Beklagte mit den zur Narkoseführung erforderlichen Geräten vertraut und hatte bereits bei ähnlich schwierigen Operationen als Anästhesistin gearbeitet.“ Zum Glück war die Ärztin versichert: Ihre Berufshaftpflicht übernahm die Regressforderung von 110 418 DM (rund 56 500 €).

Bildnachweis: Jan Schlutze-Melling

B

edside-Test vergessen, Herzinfarkt nicht erkannt, Melanom übersehen: Vor solchen Fehlern graut es wohl jedem Arzt. Ärger von Patienten oder Angehörigen ist nur zu verständlich. Zumindest vor den finanziellen Folgen kann man sich aber schützen.

Kadir Yildirim WVD des Marburger Bundes „Die Haftpflichtversicherung hat selbst ein Interesse daran, unberechtigte ­Ansprüche abzuwehren. Daher übernimmt sie die Kosten von Zivilprozessen.“

Eigener Versicherungsbedarf

▼▼ Jenseits der Betriebshaftpflicht  Klar

ist: Als Weiterbildungsassistent ist man möglicherweise nicht versichert gegen Behandlungsfehler ▶▶ bei grober Fahrlässigkeit im Dienst, ▶▶außerhalb seiner dienstlichen Tätigkeit, z. B. bei ▷▷ Erste-Hilfe-Maßnahmen, ▷▷Auslandstätigkeit, ▷▷Gefälligkeitsbehandlungen von Verwandten und Freunden. Cave  Auch ein Arzt, der sich am Rande einer privaten Grillparty kurz das Kind eines Bekannten ansieht und eine Fehldiagnose trifft, haftet für diese Einschätzung!

Rojahn J. Richtig versichert: Berufshaftpflicht. Lege artis 2011; 1: 20–23

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Selbstmanagement Wo Fehler passieren  Nicht immer geht es allerdings gleich um Leben oder Tod, und nicht jeder Patient, bei dem die Behandlung nicht so gelingt wie erhofft, verklagt Arzt oder Krankenhaus. Die meisten Fehler passieren laut Statistik der Bundesärztekammer in der ▶▶Chirurgie, ▶▶Orthopädie und ▶▶ Inneren Medizin [2]. Spitzenreiter bei den Fehlerquellen sind Operationen, gefolgt von Fehldiagnosen [2]. Die oft zitierte Verwechslung bei Amputationen ist eine absolute Ausnahme. Praxistipp  Wenn ein Fehler passiert ist: Sprechen Sie ruhig mit dem Patienten ­darüber! Sie können auch Verständnis für seinen Ärger zeigen – vermeiden Sie aber Schuldeingeständnisse. Verweisen Sie ­dafür auf Ihre Versicherung.

Schadenersatzansprüche

▼▼ Gemeldete Vorwürfe  Eine bundeswei-

te Statistik zu Haftungsfällen fehlt bisher. Sowohl Patrick Weidinger (Deutsche Ärzteversicherung) als auch Christine Wohlers, Rechtsanwältin bei der Norddeutschen Schlichtungsstelle, gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 40 000 Behandlungsfehler gemeldet werden. In wie vielen Fällen davon sind die Vorwürfe berechtigt, d.h. liegen tatsächlich Behandlungsfehler vor? Für die Versicherung rechnet Weidinger mit 30–40 %. Bei den Fällen der Schlichtungsstelle liegt die Quote laut Wohlers bei ca. 35 %. Beruhigend: „Ganz offensichtliche Fehler wie den übersehenen Herzinfarkt im Notdienst regulieren die Versicherer häufig schnell und ohne Streitverfahren“, so Weidinger. Auch in den übrigen Fällen ­einigen sich Arzt- und Patientenvertreter meist außergerichtlich, v. a. mithilfe der

Internet Versicherungskonditionen für Mitglieder des Hartmannbundes: q www.hartmannbund.de/03_mitgliederservice/versicherung.php Finanz- und Versicherungsservice des Marburger Bundes: q www.marburger-bund.de/marburgerbund/bundesverband/unser_service/ versicherung.php Berufs-Haftpflichtversicherung für Weiterbildungsassistenten bei der Deutschen Ärzte­versicherung: q www.aerzteversicherung.de/servlet/PB/menu/1116082/index.html Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern: q www.norddeutsche-schlichtungsstelle.de

Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der deutschen Ärztekammern. Dabei erlebt auch Weidinger immer wieder, dass verschiedene Gutachter eine ärztliche Maßnahme unterschiedlich beurteilen und „dass es den einzig richtigen Behandlungsstandard offenbar gar nicht gibt“. Cave  In den meisten Fällen müssen die Kläger dem Arzt einen Fehler nachweisen. Wenn sie allerdings geltend machen, vor der Behandlung nicht oder nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein, kann das im Zivilprozess (nicht aber im Strafprozess!) ihre Beweislast erleichtern.

Schadensummen  Direkte Schadenersatzansprüche an Weiterbildungsassistenten sind zwar selten, können aber zum Ruin führen: Die oben erwähnte Regressforderung über 110  418 DM wurde 1988 zugesprochen. Mittlerweile haben sich die Summen teilweise vervielfacht (q Tab. 1). Am teuersten sind die seltenen, aber oft folgenreichen Behandlungsfehler in der Geburtshilfe: Bei Geburtsschäden mit bleibenden Behinderungen kann die Summe aus Schmerzensgeld, Kosten für Pflege, Lebens­haltung, Behandlungen etc. auf mehr als 3 Mio. € steigen [3].

Tab. 1

Schadenhöhen aus Fallbeispielen der Deutschen Ärzteversicherung Behandlungsfehler

Schadenersatz + Schmerzensgeld + Verfahrenskosten

Schwerer Geburtsschaden mit Regress der Krankenkasse

3 279 000 €

Schwerer Geburtsschaden

2 885 000 €

Nicht erkannter Herzinfarkt während eines KV-Notdienstes

564 900 €

Nicht erkannter Brustkrebs

549 000 €

Orthopädieschaden mit fehlender Aufklärung

450 000 €

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Versicherungsprämien

▼▼ Kosten  Kein Wunder, dass viele Versi-

cherer sich gar nicht auf das Geschäft mit der Arzthaftpflicht einlassen: Bei einer Internetrecherche findet man vergleichsweise wenig Anbieter. Besonders teuer ist die Versicherung für Gynäkologen, die auch Geburtshilfe leisten: „Ohne Geburtshilfe muss ein niedergelassener Gynäkologe bei der Deutschen Ärzteversicherung etwa 1800 € zahlen“, so Weidinger, „mit Geburtshilfe aber ein Vielfaches. Der Kunde erhält dann ein individuelles Angebot“. Während der Weiterbildung spielt die Fachrichtung dagegen keine Rolle, hier bleibt es bei den genannten 55–100 €.

Auswahl Versicherer  Für die individuelle Auswahl der Versicherung lohnt sich außerdem ein Blick auf die Internetseite der eigenen Ärztekammer, des Hartmannbundes, des Marburger Bundes oder der jeweiligen Fachgesellschaft: Die Verbände haben mit einigen Versicherern Gruppenverträge mit speziellen Konditionen für ihre Mitglieder ausgehandelt – auch für weitere Versicherungen wie gegen Berufsunfähigkeit. Allerdings: Wenn Sie später diesen Verband verlassen, ändern sich evtl. die Versicherungskonditionen. Praxistipp  Das Angebot für die Berufshaftpflicht beinhaltet oft auch eine private Haftpflichtversicherung – einschließlich für die eigene Familie.

Wahl der Deckungssumme  Als Deckungssumme empfehlen sowohl Yildirim als auch Weidinger ▶▶5 Mio. € für Personen- und Sachschäden sowie ▶▶1 Mio. € für Vermögensschäden. Dies sind in der Regel die höchsten Versicherungssummen, die ein Versicherer anbietet.


Selbstmanagement

Praxistipp  Die Kosten für die BerufsHaftpflicht­versicherung sind als Werbungskosten steuerlich absetzbar.

Strafrechtsschutz

▼▼ Verfahrenskosten  Spätestens beim Stu-

dieren der genauen Versicherungsleistungen stolpert man über ein letztes verwirrendes Detail: den „erweiterten Strafrechtsschutz“, den die meisten BerufsHaftpflichtversicherungen einschließen. Was verbirgt sich dahinter? Neben dem bisher dargestellten Zivilverfahren, in dem Schadenersatz und Schmerzensgeld verhandelt werden, kann es auch zu einem Strafprozess kommen: Zurückgehend auf ein Urteil von 1894, erfüllt jeder ärztliche Heileingriff den Tatbestand der Körperverletzung. Diese bleibt nur straflos, wenn der Eingriff medizinisch indiziert ist und der Patient eingewilligt hat [4]. Manche Patienten oder Angehörige erstatten daher strafrechtlich Anzeige gegen den Arzt wegen (fahrlässiger) Körperverletzung, Tötung oder unterlassener Hilfeleistung. Hier kommt der erweiterte Strafrechtsschutz zum Tragen, der als Zusatzleistung der Haftpflichtversicherung die Anwalts- und Verfahrens­ kosten eines Strafprozesses abdeckt. Praxistipp  Wählen Sie eine Haftpflichtversicherung mit erweitertem Strafrechtsschutz! Sonst werden nur die Kosten von Zivilprozessen übernommen, nicht aber von Strafprozessen.

Beim Zivilprozess kümmert sich die Berufs-Haftpflichtversicherung auch um entsprechende Anwälte und Gutachter, denn: „Die Versicherung hat ja ein Interesse daran, unberechtigte Ansprüche abzuwehren“, erklärt Yildirim vom WVD des Marburger Bundes.

Ziel des Strafprozesses  Anders als im Zivilverfahren zielen Vorwürfe im Strafverfahren eher auf die persönliche Schuld für gesetzlich verbotene Handlungen. Der Staatsanwalt ermittelt und erhebt ggf. Anklage. Im Fall einer Verurteilung im Strafprozess bekommt der Arzt eine Haft- oder Geldstrafe, evtl. auch Berufsverbot. Wie bei anderen Straftaten muss er die Strafen selbst ableisten bzw. bezahlen. Keine Versicherung kann ihn davor schützen. Weidinger meint dazu: „Nach meiner Erfah-

rung sind Strafverfahren im Verhältnis zu Zivilverfahren aber selten, und viele werden mit anwaltlicher Hilfe eingestellt.“

Grenzen der „gekauften Sicherheit“

▼▼ Umfang des Schutzes  Auch die beste

Berufs-Haftpflichtversicherung kommt an ihre Grenzen, zum Beispiel bei ▶▶vorsätzlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Tötung. Bei einigen speziellen Behandlungen sollten Sie ggf. bei Ihrer Versicherung nachfragen, ob oder inwieweit diese abgedeckt sind. Dazu zählen ▶▶rein kosmetische, nicht medizinisch indizierte „Schönheitsoperationen“ oder ▶▶im Heilwesen nicht anerkannte Methoden und Behandlungen wie der Offlabel-Use jenseits des geltenden Standards im Fachgebiet. Dazu Weidinger von der Deutschen Ärzteversicherung: „Für rein kosmetische Eingriffe sind Weiterbildungsassistenten bei uns nicht versichert. Das würde sich wohl ändern, wenn solche Eingriffe in der Weiterbildungsordnung vorgesehen wären.“ Off-label-Use, z. B. bei austherapierten Krebspatienten oder in der Kinder­ anästhesie, sei bei der Deutschen Ärzteversicherung im Rahmen des versicherten Risikos abgedeckt.

Anpassung notwendig  Zu guter Letzt wichtig zu wissen: Für den Arzt in der Weiterbildung wird eine Anpassung der Haftpflichtversicherung notwendig, sobald er ▶▶eine Facharztprüfung ablegt, ▶▶seine Tätigkeit ändert (z. B. kosmetische Operationen anbietet), ▶▶freiberuflich, nebenberuflich oder als Praxisvertretung arbeitet, ▶▶ länger im Ausland arbeitet oder ▶▶sich niederlässt.

Fazit Eine ausreichende Haftpflichtversi-

cherung ist vorgeschrieben, entweder betrieblich oder privat. Mit einer eigenen Berufs-Haftpflichtversicherung können Sie sich als Weiterbildungs­ assistent ausreichend und relativ günstig vor Schadenersatzforderungen schützen. Daher: Versichern Sie sich – und passen Sie den Schutz Ihrem Ausbildungsstand an. ◀

Kernaussagen

▶▶ Erkundigen Sie sich bei Ihrem Arbeit­ geber: ▷▷ Hat er eine Betriebs-Haftpflicht­versicherung? ▷▷ Was deckt diese genau ab? ▷▷ Ist ein Regress ausgeschlossen? ▷▷ Wie hoch ist die Deckungssumme? ▶▶ Prüfen Sie, ob sich eine Mitgliedschaft in einem der Ärzteverbände lohnt: Neben Beratung und Rechtsschutz für arbeitsrechtliche Prozesse bieten sie oft güns­ tige Konditionen bei verschiedenen Ver­ sicherungen. ▶▶ Schließen Sie eine Berufs-Haftpflichtver­ sicherung ab, die Folgendes einschließt (soweit nicht über den Krankenhaus­ träger versichert): ▷▷ dienstliche Tätigkeiten inkl. grober Fahrlässigkeit ▷▷ Bereitschafts- und Notdienste außerhalb der dienstlichen Tätigkeit ▷▷ Erste Hilfe ▷▷ Gefälligkeitsbehandlungen von Verwandten und Freunden ▷▷ Tätigkeit bei Veranstaltungen ▷▷ erweiterter Strafrechtsschutz ▷▷ ggf. Auslandstätigkeit ▷▷ Deckungssumme: 5 Mio. € für Personen- und Sachschäden, 1 Mio. € für Ver­mögensschäden.

Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu ­diesem Beitrag finden Sie im Internet:

Praxistipp  Falls Sie vorübergehend ­ eruflich aussetzen, z. B. für Kindererzieb hung: Führen Sie die Versicherung weiter, um Erste Hilfe oder Gefälligkeitsbehandlungen weiterhin abzu­decken.

Abonnenten und Nicht­abonnenten können unter „www.thieme-connect.de/ejournals“ die Seite der Lege artis aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Ergänzendes Material“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich.

Die von den Versicherern angebotene „Nachhaftungsversicherung“ richtet sich dagegen vor allem an Ruheständler, die evtl. noch nach Ende ihrer Tätigkeit von früheren Behandlungsfehlern „eingeholt“ werden. Julia Rojahn

Abonnenten können alternativ über ihren persönlichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http://www.thieme-­ connect.de/ejournals/help#SoRegistrieren

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0031-1272350

Rojahn J. Richtig versichert: Berufshaftpflicht. Lege artis 2011; 1: 20–23

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Fachwissen: Titelthema

Akutes Abdomen

Erstversorgung

Ines Gockel • Martin Schröder • Hauke Lang • Carl C. Schimanski

Abdominelle Schmerzen gehören zu den häufigsten Einweisungsdiagnosen in der Notaufnahme. Ob harmlos oder ernsthaft: Die Symptome ganz unterschiedlicher Erkrankungen sind oft ähnlich und un­spezifisch. Trotzdem muss der Arzt schnell entscheiden: Droht ­Lebensgefahr? Muss man operieren? Dieser Beitrag definiert das akute Abdomen und erläutert die wichtigsten Strate­ gien der Erstversorgung. Besonders relevant ist dabei eine interdisziplinäre ­Zusammenarbeit.

Aspekte der Erstversorgung Zeitnot

▼▼ Definition akutes Abdomen  Das akute Abdo-

men ist eine akute Manifestation von Erkrankungen im Bauchraum, die schnell diagnostiziert und therapiert werden müssen. Seltener sind die Ursachen auch extraabdominal oder systemisch. ▶▶ Es handelt sich um eine vorläufige Bezeichnung für eine abdominelle Erkrankung, die oftmals zunächst nicht exakt differenzierbar ist. Die häufigsten Leitsymptome sind ▶▶Schmerz, ▶▶Abwehrspannung, ▶▶ Übelkeit, ▶▶eingeschränkter Allgemeinzustand und ▶▶evtl. Störung der Kreislaufregulation ▶▶ bis zum Schock. Schwierig für den primär behandelnden Arzt: Das Zeitfenster für die Erstversorgung ist limitiert. Außerdem erfordert das akute Abdomen eine interdisziplinäre differenzialdiagnostische Abklärung und Therapieentscheidung.

Triage  Anhand der Symptome und des resultierenden diagnostischen Ductus bis zur primären Therapie kann das Geschehen bereits beim Erstkontakt mit dem Patienten eingeteilt werden in ▶▶subakut, ▶▶akut und ▶▶perakut. Daraus folgt eine Triage.

Gockel I, Schröder M, Lang H, Schimanski CC. Akutes Abdomen – Erstversorgung. Lege artis 2011; 1: 24–31

Perakutes Abdomen  Eine unmittelbare vitale Bedrohung des Patienten (z. B. rupturiertes Aortenaneurysma) lässt keine Zeit für eine differenzialdiagnostische Abklärung. ▶▶ Nach einer nur minimalen Basisdiagnostik steht die operative oder interventionelle Versorgung im Vordergrund. Dabei muss der Arzt ggf. eine gewisse „diagnostische Lücke“ in Kauf nehmen und die notwendige unmittelbare Erstversorgung veranlassen. Falsche oder verzögerte Entscheidungen können hier zum Tod führen. Akutes Abdomen  Beim akuten Abdomen im engeren Sinne handelt es sich um eine Gewebeverletzung – häufig begleitet von einer sympathiko-adrenergen Antwort. Anders als beim perakuten Abdomen ist hier noch eine basale, weitestgehend differenzierte Diagnostik möglich, z. B. ▶▶radiologisch (CT etc.) oder ▶▶analytisch (Urin, Labor). Priorität hat dabei nicht die definitive Diagnosefindung, sondern die Bestimmung der erforder­ lichen Therapie (konservativ vs. chirurgisch vs. interventionell). Doch auch hier entscheidet der Faktor Zeit: Die Letalität des Patienten wird wesentlich bestimmt durch die zeitliche Verzögerung vom Einsetzen der ersten Symptome und, damit verbunden, einem möglichen Multiorganversagen [1]. Subakutes Abdomen  Ein subakutes Abdomen ist oftmals verbunden mit ▶▶dem Verlust der sympathischen Akutreaktion, ▶▶aber erhöhter vegetativer Irritabilität mit kontinuierlichem, schubweisem oder chronischrezidivierendem Verlauf. Das akute Abdomen ist eine vorläufige Bezeich­ nung für eine noch unklare abdominelle Erkran­ kung. In der Erstversorgung unterscheidet man ▶▶ subakutes, ▶▶ akutes oder ▶▶ perakutes Geschehen.


Fachwissen: Titelthema Schock

▼▼ Erstversorgung  Das akute Abdomen ist häufig

mit einem Schock verbunden. Falls noch nicht durch den einweisenden Notarzt erfolgt, ist Folgendes erforderlich: ▶▶engmaschige Kreislaufkontrolle ▶▶rasches Legen eines dicklumigen peripheren i. v. Zugangs mit Volumensubstitution Die derzeitigen Sepsis-Leitlinien empfehlen für die Behandlung des septischen Schocks sowohl ▶▶ kristalloide als auch ▶▶ kolloidale Infusionslösungen. Zudem können ▶▶die Gabe von Katecholaminen und ▶▶eine O2-Substitution indiziert sein, seltener evtl. eine ▶▶sofortige Intubation mit Beatmung. Essenziell ist die ▶▶frühzeitige Gabe von i. v. Breitspektrum-Antibiotika, möglichst innerhalb der ersten Stunde. Eine rasch einsetzende Schocktherapie schafft Zeit für die spätere gezielte Diagnostik und vor ­allem die Sanierung des septischen Fokus.

Weitere Maßnahmen  Parallel kann man erste diagnostische und therapeutische Maßnahmen sinnvoll koordinieren, so z. B. zwischen ▶▶Schockraum, ▶▶CT, ▶▶ Endoskopie, ▶▶interventioneller Radiologie und ▶▶OP. Wie viel Zeit hierfür zur Verfügung steht, richtet sich wiederum nach der Schwere des Krankheitsbildes: In der Regel kann es bereits zu diesem Zeitpunkt einem der 3 oben genannten Schweregrade (subakutes, akutes und perakutes Abdomen) zugeordnet werden. Cave  Der septische Schock ist zudem durch eine Alteration der koagulatorischen / antikoagulato­ rischen Balance charakterisiert: Es liegt ein eher pro-koagulatorischer Phänotyp vor [2], was bei den folgenden interventionellen oder chirurgi­ schen Therapien berücksichtigt werden muss.

Schmerztherapie

▼▼ Analgetika  Die aktuelle Literatur hat klar herausgestellt, dass der primäre Einsatz von Anal­ getika – nach Erhebung und Dokumentation des Abdominalbefundes – effizient ist. Analgetika beeinflussen weder die weiteren klinischen Untersuchungen oder das diagnostische Prozedere, noch verzögern sie den chirurgischen Eingriff [3].

Therapieren Sie den akuten abdominellen Schmerz frühzeitig mit i. v. Analgetika.

Interdisziplinarität

▼▼ Beschleunigte Diagnostik  Die effiziente und

zeitgerechte Erstversorgung des akuten Abdomens erfordert die Zusammenarbeit von ▶▶ Notfallmedizin, ▶▶Anästhesie, ▶▶Chirurgie, ▶▶ Innerer Medizin, ▶▶ Radiologie, ▶▶ Urologie, ▶▶Gynäkologie, ▶▶ Neurologie und ▶▶Orthopädie. Ziel ist dabei, die Diagnostik zu beschleunigen und Risikopatienten schneller zu identifizieren.

Schockraum  Beim akuten Abdomen ist die ­Koordination des Schockraum-Managements zwischen den einzelnen Abteilungen nicht nur sinnvoll, sondern obligat. Idealerweise beurteilen die jeweils erforderlichen Fachrichtungen die ­Situation bereits bei Einlieferung des Patienten im Schockraum. So können die Ärzte ein gemeinsames therapeutisches Konzept eröffnen. Die effiziente und zeitgerechte Erstversorgung ­ rfordert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit e der verschiedenen Fachabteilungen.

Aufgrund der Zeitnot müssen die Ärzte oft simultan operativ oder operativ-interventionell vorgehen, z. B. ▶▶ bei der gemeinsamen Versorgung des akuten Trauma-Patienten durch Viszeral-, Thorax-, Unfall- und Neurochirurgie oder ▶▶ bei der interdisziplinären diagnostischen Laparoskopie durch Gynäkologie und Viszeralchirurgie (z. B. bei akuter Unterbauchperitonitis der Frau).

Benefit vs. Risiko  Interdisziplinarität bedeutet auch, Benefit und Risikopotenzierung für den ­Patienten abzuwägen. Gerade bei Trauma-Patienten gilt als fundamentales Prinzip die abgestufte Primärversorgung („Damage Control“) [4]. Die vollständige Definitivversorgung („Early total Care“) ist dagegen eher nicht anzustreben: Sie ist oft komplikationsträchtiger (siehe S. 30). Endoskopisch-radiologisch-interventionelle Behandlung  Auch bei den häufigsten endo­ skopisch-radiologisch-interven­tionellen Behandlungen des akuten Abdomens ist ein interdisziplinäres Management angesagt. Dazu zählen z. B.

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Fachwissen: Titelthema tur der A. gastroduodenalis, die oftmals die Blutung an der Bulbushinterwand speist. In Einzelfällen kann die Magenresektion (Billroth I oder II, Roux-Y-Rekonstruktion, etc.) als das sichere Verfahren erforderlich sein. Zur gastrointestinalen Blutung siehe auch S. 30.

Bildnachweis: Ines Gockel

Das „pseudoakute“ Abdomen

▼▼ Konservative Therapie  Obwohl dies der eigent-

Abb. 1  Einweisungsdiagnose vom Notarzt: „gedeckt ruptu­ riertes Aortenaneurysma“. Die Primärdiagnostik mittels Sono­ grafie zeigt einen akuten Harn­ verhalt. Nach Anlage eines trans­urethralen Blasenkatheters entleeren sich spontan 2000 ml Urin und der Patient ist be­ schwerdefrei – somit „pseudo­ akutes“ Abdomen.

▶▶spezielle Indikationen der akuten Mesenterial­ ischämie, ▶▶der akute Gallengangsverschluss, ▶▶intraabdominelle Abszesse [5] und ▶▶die endoskopische Primärversorgung akuter gastrointestinaler Blutungen. Ein Chirurg sollte einbezogen werden und bei den entsprechenden Prozeduren bereit stehen, um sofort eine Operation veranlassen zu können, falls die interventionellen Maßnahmen nicht erfolgreich sind.

Beispiel: Obere gastrointestinale Blutung  Bei einer akuten oberen gastrointestinalen Blutung ist eine Notfallgastroskopie indiziert. Gleichzeitig wird der Schockzustand durch Volumensubstitution therapiert. Wenn dann ▶▶eine endoskopische Blutstillung nicht erfolgreich ist und ▶▶der Patient mehr als 4–6 Blutkonserven pro 24 h zur Stabilisierung des Kreislaufs benötigt, so muss unverzüglich die Indikation zur Operation gestellt werden. Ziel ist die definitive, möglichst risikoarme Blutstillung im Sinne einer 4-Quadranten-Umstechung des blutenden Ulcus ventriculi – im Fall eines Ulcus duodeni mit LigaTab. 1  Modifiziert nach [6].

Nicht operationspflichtige Befunde bei akuten abdominellen Schmerzen ▶▶ akute Pankreatitis ▶▶ Pseudoperitonitis diabetica ▶▶ Non-Ulcer-Dyspepsie ▶▶ Reizdarmsyndrom ▶▶ unkomplizierte Magen- und Darmulzera ▶▶ akute Gastroenteritis ▶▶ virale Hepatitis ▶▶ chronisch-entzündliche Darmerkrankung ohne Komplikationen ▶▶ mesenteriale Lymphadenitis ▶▶ akute Pyelonephritis ▶▶ akute Porphyrie ▶▶ intestinale Pseudoobstruktion ▶▶ hämolytische Krisen ▶▶ Salpingitis ▶▶ kardiologische und pulmonologische Erkrankungen ▶▶ Fornixruptur

Gockel I, Schröder M, Lang H, Schimanski CC. Akutes Abdomen – Erstversorgung. Lege artis 2011; 1: 24–31

lichen Definition des akuten Abdomens widerspricht, ist in speziellen Situationen eine konservative Behandlung indiziert. Dies betrifft insbesondere das „pseudoakute“ Abdomen, das nicht operationspflichtig ist.

Beispiel: Harnverhalt  Die q  Abb. 1 zeigt die Sonografie bei einem 84-jährigen Patienten, der vom Notarzt unter der Verdachtsdiagnose „gedeckt rupturiertes Aortenaneurysma“ in die Notaufnahme eingewiesen wurde. Bei Erstversorgung in der Klinik zeigte der Patient stabile und normwertige Vitalparameter. Akute Schmerzen bestanden im Unter- und Mittelbauch, die ­Dynamik bezeichnete er als langsam-progredient. ▶▶ Die sofortige Ultraschall-Diagnostik des Abdomens zeigte eine massiv gefüllte Harnblase bei Harnverhalt. Die abdominale Aorta sowie die parenchymatösen Organe stellten sich unauffällig dar, freie intraabdominelle oder retroperitoneale Flüssigkeit lag nicht vor. Dem Patienten wurde unverzüglich ein transurethraler Harnblasenkatheter angelegt, es entleerten sich 2000 ml Urin. Die Beschwerden besserten sich sofort. Weitere Ursachen des „pseudoakuten“ Abdomens  Auch ▶▶extraperitoneale Erkrankungen (Retroperitoneum, Bauchwand), ▶▶extraabdominale Erkrankungen (Thorax, Skelett) und ▶▶systemische Erkrankungen (Stoffwechselerkrankungen, hämatologische und neurologische Erkrankungen, Intoxikationen) können ein „pseudoakutes“ Abdomen herbeiführen, das in seinen klinischen Ausprägungen primär nicht vom eigentlichen akuten Abdomen zu unterscheiden ist. Klassische Beispiele aus dem Gebiet der Inneren Medizin sind ▶▶die basale Pneumonie, ▶▶der Hinterwandinfarkt, ▶▶der Diabetes mellitus, ▶▶die Urämie und ▶▶die akute Leukämie. Sie sind häufige Ursachen der „Pseudoperitonitis“, die einer nicht-operativen Therapie bedürfen. Entsprechende Krankheitsbilder weiterer Disziplinen schließen den Kreis des „konservativen“ Therapiespektrums beim akuten Abdomen: ▶▶ Urologie (z. B. Zystitis)


Fachwissen: Titelthema ▶▶Gynäkologie (z. B. Adnexitis, rupturierte Ovarialzyste) ▶▶ Neurologie (z. B. Radikulitis, Herpes zoster) ▶▶Orthopädie (z. B. degenerative Arthritis, Osteomyelitis, Spondylodiszitis) Weitere Beispiele sind in q  Tab. 1 aufgeführt. Beim „pseudoakuten“ Abdomen ist eine konser­ vative Therapie indiziert. Eine rasche Identifikation dieser nicht operationspflichtigen Befunde erspart dem Patienten die Negativ-Laparotomie.

Erstversorgungsstrategien des akuten Abdomens 1.  Infektion, Perforation, Peritonitis

▼▼ Peritonitis  Infolge einer

▶▶ Infektion (z. B. akute Appendizitis, Cholezystitis) oder ▶▶ Hohlorganperforation (Ulcus ventriculi bzw. duodeni, Sigmaperforation) kommt es rasch zur lokalisierten und später generalisierten Peritonitis. Die gastrointestinale Perforation verursacht auch heute noch eine beträchtliche Mortalität und erfordert eine unverzügliche Notfalloperation [6]. Eindeutig ist der Befund im folgenden Beispielfall: ▶▶plötzlich beginnende akute Oberbauchschmerzen („Vernichtungsschmerz“) ▶▶bretthartes Abdomen ▶▶ Röntgenbild des Thorax im Stehen zeigt massiv freie Luft unter beiden Zwerchfellen (q  Abb. 2) Bei der sofortigen Notfalloperation sah man ein frei perforiertes Ulcus ventriculi ad pylorum. Es wurde exzidiert und übernäht, gleichzeitig wurde das Abdomen gespült und eine Drainage eingelegt. Da im Exzidat Helicobacter pylori nachzuweisen war, wurde unmittelbar postoperativ eine Triple-Therapie zur Eradikation durchgeführt.

Diagnostische Laparoskopie  Nicht immer ist die Diagnose „freie intraabdominelle Luft“ so eindeutig. Häufig ist sie nur diskret in der Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens in Linksseitenlage zu erkennen. Auch die Abdomensonografie ist in diesem Fall limitiert. Hier kommt bei entsprechender Klinik der weiterführenden CT-Diagnostik oder auch der diagnostischen Laparoskopie eine besondere Bedeutung zu. ▶▶ Die diagnostische Laparoskopie hat in den letzten Jahren eine feste Position im Management des akuten Abdomens eingenommen. Verglichen mit bildgebenden Verfahren oder wiederholten klinischen Untersuchungen erlaubt sie in den meisten Fällen eine definitive Diagnose [7, 8]. Somit ergeben sich ▶▶nicht nur diagnostische, ▶▶sondern gleichzeitig therapeutische Optionen, ▶▶und die Rate negativer Laparotomien kann gesenkt werden. Appendizitis  Bedingt durch die variable Lage der Appendix kann auch hier die diagnostische Laparoskopie hilfreich sein. Therapie der Wahl bei der akuten Appendizitis ist die minimalinvasive Appendektomie (q  Abb. 3). Cholezystitis  Die akute Cholezystitis wird frühelektiv (d. h. innerhalb von 72 h) und überwiegend minimalinvasiv behandelt. Der Arzt sollte in der Anamnese den exakten Beginn der rechtsseitigen Oberbauchschmerzen erfassen. Ein primär offenes Vorgehen bei der akuten Cholezystitis ist nur selten indiziert, z. B. ▶▶ bei Patienten mit bekannten anatomischen Varianten des Gallengangs oder der Gefäßversorgung, ▶▶nach mehrfachen Voroperationen oder ▶▶wenn eine starke Blutungsneigung aus dem ­Leberbett zu erwarten ist (z. B. bei hämatologischen Patienten mit Thrombopenie oder sonstigen Gerinnungsstörungen).

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Abb. 2 a, b  Massiv freie Luft unter beiden Zwerchfellen bei Ulcus-ventriculi-Perforation. Links Frontalansicht (a.- p.), rechts Seiten­ansicht.

Bildnachweis: Ines Gockel

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Bildnachweis: Ines Gockel

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Abb. 3 a, b  Therapie der Wahl bei der akuten Appendizitis: ­Minimalinvasive Appendekto­ mie.

Sigmaperforation  Wurde im CT mit rektaler Füllung die gedeckte Perforation einer Sigmadivertikulitis nachgewiesen (q  Abb. 4), kann zunächst eine konservative Therapie mit Nahrungskarenz und i.v. Antibiose gerechtfertigt sein. Der Vorteil dieses Vorgehens: Man kann später eine laparoskopisch assistierte Sigmaresektion im symptomfreien Intervall durchführen und eine Stomaanlage vermeiden. Im Zweifelsfall ist aber auch hier eine diagnostische Laparoskopie indiziert, etwa bei klinisch deutlicher Peritonitis trotz fehlendem Kontrastmittelaustritt in der CT-Diagnostik. Bei Verdacht auf eine akute intraabdominelle In­ fektion oder Perforation kann in unklaren Situatio­ nen die diagnostische Laparoskopie indiziert sein.

Die freie Sigmadivertikelperforation (q  Abb. 5) mit eitriger oder kotiger Peritonitis hingegen erfordert die sofortige Notfalloperation. In den meisten Fällen erfolgt dies konventionell, es wird eine primäre Anastomose angelegt oder eine Hartmann-Situation geschaffen [9].

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Abb. 4  Im CT mit rektaler ­Füllung zeigt sich eine gedeckt perforierte Sigmadivertikulitis. Hier kann zunächst eine konser­ vative Therapie indiziert sein, mit sekundärer laparoskopisch assistierter Sigmaresektion und primärer Anastomosierung im Intervall.

Gockel I, Schröder M, Lang H, Schimanski CC. Akutes Abdomen – Erstversorgung. Lege artis 2011; 1: 24–31

2.  Ileus: Bridenileus, Volvolus, ­Inkarze­ration

▼▼ Röntgendiagnostik bei Ileus  Nach Burkill et al.

[10] ist die radiologische Bildgebung nur beim ausgeprägten und fortgeschrittenen Ileus hoch sensitiv (94 %) und spezifisch (96 %). Hier müssen also weitere Kriterien zur Entscheidungsfindung beitragen – und das schnell, denn eine verzögerte Operation bei Ileus kann zu einer Strangulation des Darms mit konsekutiver Nekrose führen, abgesehen von der prolongierten Gefahr der Aspiration. Hilfreich sind die Anamnese und die Inspektion des Abdomens hinsichtlich Narben bzw. Voroperationen: ▶▶Gab es Voroperationen, liegt wahrscheinlich ein Bridenileus des Dünndarms vor. ▶▶ Bei der Differenzialdiagnostik der Obstruktion des Kolons handelt es sich oftmals um ein stenosierendes Karzinom.

Gastrographin umstritten  Bei unklarer Situation und Spiegelbildung in der Röntgen-Leeraufnahme ist die Durchführung einer Gastrographinpassage umstritten. Vorteile sind möglicherweise ▶▶eine Lokalisation der Obstruktion und ▶▶eine Differenzierung des Ileus-Grades. Unbestritten ist auch der therapeutische Effekt von wasserlöslichem Kontrastmittel beim inkompletten Dünndarmileus [11]. Nachteile sind jedoch ▶▶die Gefahr des Erbrechens mit Aspiration, ▶▶die lange Dauer der Untersuchung und ▶▶ häufig eine fehlende Klärung der Ursache. Zeigt sich 6 h nach Gastrographingabe noch kein Progress des Kontrastmittels im oberen Gastrointestinaltrakt bei dilatierten Dünndarmschlingen, ist die Laparotomie – bzw. bei nicht vorhandenen Voroperationen die Laparoskopie – indiziert. Volvolus  Ein episodenartiger, intermittierender und heftiger Schmerz kennzeichnet ▶▶einen Dünndarmvolvolus (bedingt z. B. durch eine innere Hernie mit intermittierender Dünndarm-Inkarzeration) oder


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▶▶einen Sigmavolvolus bei Sigma elongatum (q  Abb. 6). Erfolgt die Röntgendiagnostik im symptomfreien Intervall, bleibt sie möglicherweise negativ.

Inkarzeration  Die Inkarzeration durch äußere Hernien ist einfach zu diagnostizieren und bedarf nach erfolgreicher Reposition nicht immer einer sofortigen operativen Therapie. Cave  En-bloc-Reposition von Bruchsack und Bruchpforte mit persistierender Inkarzeration des Bruchsackinhalts.

Jedoch sollte man die Hernie dann früh-elektiv operieren, um eine rezidivierende Einklemmung zu vermeiden. Seltener sind Inkarzerationen durch innere Hernien, wie z. B. beim Enterothorax (q Abb. 7, 8).

3.  Trauma

▼▼

Der klinische Verlauf des Polytraumas wird maß­ geblich von der Behandlungsstrategie innerhalb der ersten 24 h nach dem Trauma beeinflusst [12].

Stumpfes Trauma  Nach stumpfem Abdominaltrauma ist eine Laparotomie – ggf. in unklarer Situation eine diagnostische Laparoskopie – indiziert, sofern ▶▶die Verletzung kontinuierlich blutet, ▶▶Substitutionsbedarf durch eine intraabdominelle Hämorrhagie besteht (Leber- oder Milzruptur, Mesenterialgefäßeinriss) und ▶▶der Patient hämodynamisch instabil ist. Als Grenzwert gilt neben dem klinischen Status (z. B. Schweregrad der Leberruptur nach Moore: Grad III) das Vorliegen entsprechender radiologischer Hinweise für eine ausgedehnte Organverletzung [12].

▶▶Ziel der operativen Maßnahmen ist die Kontrolle einer vital-bedrohlichen intraabdominellen Blutung und somit die Wiederherstellung und Sicherung des Kreislaufs.

Abb. 5 a, b  Intraoperativer Befund einer freien Sigma­ divertikel­perforation.

Cave  Kontrollieren Sie intraoperativ bei einem stumpfen Trauma mit Leber- oder Milzruptur ­immer auch alle anderen Organe und Strukturen! Oft ist ein Zweitbefund vorhanden, z. B. eine Zwerchfellruptur oder ein Mesenterialeinriss.

Polytrauma  Bei polytraumatisierten Patienten mit ▶▶schweren intraabdominellen Blutungen, ▶▶ konsekutiver Gerinnungsstörung und ▶▶prolongiertem Schock sollte die initiale chirurgische Therapie ausschließlich der Blutstillung dienen (z. B. intraabdominelles Packing der Leber mit Bauchtüchern). Die definitive Versorgung bzw. Rekonstruktion kann später erfolgen, nach einer Phase der Stabilisierung der Vitalparameter und der Gerinnung („Damage Control“) [13, 14]. Patienten mit früher vollständiger Definitivversorgung („Early total Care“) leiden dagegen oft unter Abb. 6  Sigmavolvolus bei ­Sigma elongatum. In der ­Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens im Stehen zeigt sich ein deutlicher Dickdarm­ ileus bei Sigmavolvolus.

Bildnachweis: Ines Gockel

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Bildnachweis: Ines Gockel

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Abb. 7 a, b  Beginnende Gang­ rän des Dünndarms bei Entero­ thorax und Zwerchfellhernie. Abb. 8, rechts  Innere Hernie mit ­Inkarzeration von Dünn­ darm bei Enterothorax und Zwerchfellhernie. Präoperativer CT-Befund.

▶▶Gerinnungsstörungen, ▶▶inflammatorischen Reaktionen und ▶▶ Hypothermie. Dadurch können gravierende Komplikationen entstehen: vom Multiorganversagen über das „Acute Respiratory Distress Syndrome“ (ARDS) bis zum Tod. Beim akuten Polytrauma ist die „Damage Control“ risikoärmer als die „Early total Care“.

4.  Vaskuläre Ursachen

▼▼ Hohe Mortalität  Die abdominellen vaskulären

Notfälle sind selten, jedoch mit einer hohen Letalität verbunden – trotz verbessertem Verständnis der Pathophysiologie dieser Erkrankungen. Die wichtigsten Faktoren für die hohe Mortalität sind Verzögerungen in Diagnostik und Erstversorgung [15].

Mesenteriale Ischämie  Die q  Abb. 9 zeigt den operativen Situs einer 42-jährigen Patientin mit mesenterialer Ischämie auf dem Boden einer Thrombophilie. Die zuvor angefertigte Röntgenuntersuchung des Abdomens ergab eine ausgeprägte Pneumatosis intestinalis (q  Abb. 10). Unter den Ursachen der akuten mesenterialen ­Ischämie findet sich

▶▶am häufigsten der arterielle Verschluss, ▶▶gefolgt von der nicht-okklusiven und venösen Genese ▶▶sowie der Aortendissektion. Ein Angio-CT kann die mesenteriale Ischämie zwar mit hoher Sicherheit ausschließen (negativer Vorhersagewert 95 %), aber auch hier ist bei klinischem Verdacht immer die diagnostische ­Laparoskopie, ggf. Laparotomie, indiziert. Bei thrombembolisch bedingter mesenterialer ­Ischämie nimmt die kathetergestützte thrombolytische Therapie als unterstützendes Verfahren an Bedeutung zu [16]. Die akute mesenteriale Ischämie ist durch das cha­ rakteristische symptomfreie Intervall schwierig zu diagnostizieren. Aufgrund des kurzen Zeitfensters und der hohen Mortalität ist bei klinischem Ver­ dacht immer die Notfalloperation indiziert.

5.  Gastrointestinale Blutung

▼▼ Endoskopische Blutstillung  Bei der oberen (ca.

80–90 % aller Fälle) und unteren gastrointestinalen Blutung ist immer zunächst als 1. Schritt eine endoskopische Blutstillung indiziert (z. B. Clipsetzung, Suprarenin-Unterspritzung). Auf diese Situation wurde bereits oben unter „Interdisziplinarität“ eingegangen.

Abb. 9, links  Operativer Situs einer 42-jährigen Patientin: Kolon­ischämie und Nekrose der distalen 50 cm des Ileums, toxisches Megakolon auf dem Boden einer Thrombophilie.

Bildnachweis: Ines Gockel

Abb. 10, rechts  Röntgenüber­ sichtsaufnahme des Abdomens mit ausgeprägter Pneumatosis intestinalis.

Gockel I, Schröder M, Lang H, Schimanski CC. Akutes Abdomen – Erstversorgung. Lege artis 2011; 1: 24–31

Bildnachweis: Ines Gockel

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Fachwissen: Titelthema Embolisation  Als Alternative zur Endoskopie kommt vor einer chirurgischen Therapie auch die radiologisch-interventionelle Embolisation zum Einsatz. Sie bietet sich an bei ▶▶arteriellen Blutungen aus dem Gastrointes­ tinaltrakt, aus der Leber, aus dem Darm (z. B. infolge eines Aneurysmas oder einer vaskulären Malformation) sowie bei ▶▶ blutenden intestinalen Anastomosen [16]. Auch hier ist immer eine engmaschige interdisziplinäre Absprache erforderlich, um zeitgerecht die Indikation zur chirurgischen Versorgung zu stellen, falls die interventionellen Maßnahmen erfolglos bleiben. Liegt ein massiver hämorrhagischer Schock vor, so hat die operative Notfallversorgung höchste Priorität. Die akute gastrointestinale Blutung wird interdiszi­ plinär versorgt. Man richtet sich dabei nach ▶▶ Ausmaß des Blutverlustes, ▶▶ Zahl der substituierten Konserven, ▶▶ Lebensalter des Patienten, ▶▶ Begleiterkrankungen sowie ▶▶ Schweregrad und Dauer des hämorrhagischen Schocks.

Interessenkonflikt  Die Autoren erklären, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen. PD Dr. med. Ines Gockel ist Ober­ ärztin an der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchir­ urgie der Johannes-Gutenberg-Uni­ versität Mainz. E-Mail: ines.gockel@unimedizin-mainz.de

Martin Schröder ist Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchirurgie der Jo­ hannes-Gutenberg-Universität Mainz. E-Mail: schroeder@ach.klinik.uni-mainz.de

Univ.-Prof. Dr. med. Hauke Lang ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchir­ urgie der Johannes-Gutenberg-Uni­ versität Mainz. E-Mail: lang@ach.klinik.uni-mainz.de

PD Dr. med. Carl Christoph ­Schimanski arbeitet als gastro­ enterologischer Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Univer­ sität Mainz. E-Mail: christoph.­ schimanski@unimedizin-mainz.de

Fazit Beim akuten Abdomen muss der Arzt poten­ziell lebensbedrohliche Situationen schnell erkennen und ggf. auf differenzierte Diagnostik verzichten. Die inter­ disziplinäre Zusammenarbeit ist für eine zeitnahe Diagnose und Therapie essen­ziell. Die diagnostische Laparoskopie hat in dieser Situation eine heraus­ ragende B ­ edeutung. ◀

Kernaussagen

▶▶ Richten Sie Ihr Vorgehen nach Ihrer Einschätzung beim Primärkontakt mit dem Patienten und der daraus folgenden Einteilung in ein ▷▷ akutes, ▷▷ perakutes oder ▷▷ subakutes Abdomen.

▶▶ Im Falle ▷▷ einer Infektion, ▷▷ einer Hohlorganperforation, ▷▷ einer lokalen oder einer generalisierten Peritonitis liegt der Schwerpunkt auf der raschen Sanierung des Fokus. Um ihn zu identifi­ zieren, ist ggf. eine diagnostische Laparoskopie notwendig. ▶▶ Liegt ein Ileus vor, gilt das primäre Augenmerk der Beseitigung des mechanischen Hindernisses. Auf den Bridenileus können abdominelle Voroperationen hinweisen. ▶▶ Beim polytraumatisierten Patienten ist oftmals die „Damage Control“ der frühen vollständigen Definitivversorgung („Early total Care“) vorzuziehen. ▶▶ Bei begründetem Verdacht auf eine mesenteriale Ischämie ist die unverzügliche Notfallopera­tion indiziert. ▶▶ Bei einer gastrointestinalen Blutung wird der Patient zunächst stabilisiert und die Blutung endoskopisch versorgt. Ist sie endoskopisch nicht kontrollierbar, wird sie chirurgisch behandelt.

Literatur   1 Torer N, Yorganci N, Elker D, Sayek I. Prognostic factors of the mortality of postoperative intraabdominal infections. Infection 2010; 38: 255–260   2 Russel JA. The current management of septic shock. Minerva Med 2008; 99: 431–458   3 Schreyer N, D’Ambrogio A, Demartines N. Acute abdominal pain: what about analgesia. Rev Med Suisse 2007; 3: 1647–1650   4 Kushimoto S, Miyauchi M, Yokota H, Kawai M. Damage control surgery and open abdominal approach: Recent advances and our approach. J Nippon Med Sch 2009; 76: 280–290   5 Trumm C, Hoffmann RT, Reiser MF. Radiological interventional procedures for the acute abdomen. Radiologe 2010; 50: 262–271   6 Langell JT, Mulvihill SJ. Gastrointestinal perforation and the acute abdomen. Med Clin North Am 2008; 92: 599–625   7 Keller R, Kleemann M, Hildebrand P, Roblick UJ, Bruch HP. Diagnostic laparoscopy in acute abdomen. Chirurg 2006; 77: 981–985   8 Stefanidis D, Richardson WS, Chang L, Earle DB, Fanelli RD. The role of diagnostic laparoscopy for acute abdominal conditions: an evidence-based review. Surg Endosc 2009; 23: 16–23   9 Germer C, Groß V. Diverticulitis: When to treat medically, when surgically? Dtsch Arztebl 2007; 104: A–3486 10 Burkill G, Bell J, Healy J. Small bowel obstruction: the role of computed tomography in its diagnosis and management with reference to other imaging modalities. Eur ­Radiol 2001; 11: 1405–1422 11 Graeb C, Reiser M, Jauch KW, Graser A. Acute abdomen. Clinical background and demands on imaging. Radiologe 2010; 50: 209–213

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/ s-0031-1272351 Literatur online Das vollständige Literatur­ verzeichnis zu diesem Bei­ trag finden Sie im Inter­ net: Abonnenten und Nicht­ abonnenten können un­ ter „www.thieme-con­ nect.de/ejournals“ die Seite der Lege artis aufru­ fen und beim jeweiligen Artikel auf „Ergänzendes Material“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich. Abonnenten können alter­ nativ über ihren persönli­ chen Zugang an das Lite­ raturverzeichnis gelan­ gen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http:// www.thieme-connect.de/ ejournals/ help#SoRegistrieren

Gockel I, Schröder M, Lang H, Schimanski CC. Akutes Abdomen – Erstversorgung. Lege artis 2011; 1: 24–31

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Fachwissen: Titelthema

Akutes Abdomen

Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co.

Carl C. Schimanski • Ana P. C. Barreiros • Hauke Lang • Peter R. Galle • Ines Gockel

Stellen Sie sich vor, Sie haben Notdienst, und vor Ihnen krümmt sich ein Patient vor starken Bauchschmerzen. Gar nicht so ­unwahrscheinlich: Immerhin ist fast jeder zehnte NotaufnahmePatient davon betroffen. Auch wenn sich die Ursache meist als akute Appendizitis, ein Gallenleiden oder ein Ileus entpuppt – die Liste an weiteren Möglichkeiten ist lang. In der Notsituation schnell die richtige Diagnose zu treffen, ist daher schwierig. Ein­ facher wird es, wenn Sie wissen, welche Untersuchungen nötig sind und wie Sie die Ergebnisse interpretieren müssen. Unsere ­Autoren fassen das Wichtigste für Sie zusammen. Inzidenz  Bis zu 50 % aller Erwachsenen leiden unter zum Teil seltenen, aber auch rezidivierenden akuten Bauchschmerzen [1, 2]. Abdominalschmerzen gehören daher auch zu den häufigsten Symptomen in der Notaufnahme: 5–10 % aller Patienten, die sich dort vorstellen, tun dies aufgrund akuter Bauchschmerzen [3]. Definition  Vom „akuten Abdomen“ spricht man bei einem schwerwiegenden Bauchbefund, der durch einen plötzlichen Beginn, Schmerz, Abwehrspannung und muskuläre Rigidität gekennzeichnet ist. Da ihm häufig eine Notopera­tion folgt, kann er auch als „chirurgisches Abdomen“ tituliert werden. Indikativ dafür sind ▶▶eine Schmerzanamnese von < 48 Stunden, gefolgt von ▶▶ Erbrechen, ▶▶Abwehrspannung und ▶▶ Loslass-Schmerz, ▶▶fortgeschrittenes Alter sowie ▶▶vorangegangene Operation [4]. Ursachen  Die Ursachen des akuten Bauchschmerzes bzw. des akuten Abdomens sind vielfältig und müssen nicht auf abdominelle Erkrankungen beschränkt sein (q Tab. 1). Meist handelt es sich bei dem Auslöser der Beschwerden aber um eine ▶▶akute Appendizitis (15,9–28,1 %), ▶▶akute Cholezystitis/Choledocholithiasis (2,9– 9,7 %) oder einen ▶▶ Ileus (4,1–8,6 %) [7–9]. Häufig sind auch

▶▶ Divertikulitis (8,2 %), ▶▶ Pankreatitis (3,3 %) oder ▶▶ Hohlorganperforationen (2,3 %) [9]. Trotz Anamnese, körperlicher Untersuchung und ausführlicher Diagnostik bleibt jedoch in bis zu 50 % der Fälle die Ätiologie des abdominellen Schmerzes unklar [7–10]. Besondere Aufmerksamkeit ist bei älteren (> 75 Jahren) und immunsupprimierten Patienten ge­ boten: Bei ihnen spiegelt die Symptomatik nicht ­unbedingt das Ausmaß der Schwere wider.

Schmerzen

▼▼ Klassifikation  Der Schmerz beim akuten Abdomen kann weiter differenziert werden bzgl. ▶▶seines Charakters (viszeral oder somatisch), ▶▶seiner Lokalisation (4 Quadranten) und ▶▶seiner Ursache (organisch vs. funktionell bzw. intra- vs. extraabdominell).

Oberflächen- und Tiefenschmerz  Somatische Schmerzen entstehen durch Reizung des Peritoneum parietale und des mesenterialen Absatzes. ▶▶Sie treten umschrieben (lokalisierbar) auf und ▶▶stellen sich als scharfer bis brennender Dauerschmerz oder als blitzschnell auftretender und verschwindender Akutschmerz dar. ▶▶ Erschütterungen wie Husten, Niesen oder Bewegung verschlimmern den Schmerz. Eingeweideschmerzen  Viszerale Schmerzen entstehen durch Akutschädigungen von abdominellen Hohlorganen. ▶▶Sie manifestieren sich krampfartig, dumpf bzw. kolikartig und ▶▶sind klassischerweise schlecht lokalisierbar. ▶▶ Bewegung bringt eine Schmerzerleichterung, Ruhe eine Verschlimmerung. Viszerale Schmerzen projizieren sich auf die zugehörigen Dermatome (Head-Zonen, q Tab. 2).

Schimanski CC, Barreiros APC, Lang H, Galle PR, Gockel I. Akutes Abdomen – Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co. Lege artis 2011; 1: 32–37


Fachwissen: Titelthema

Ein initial viszeraler Schmerz (wie etwa bei begin­ nender Appendizitis) kann sich zu einem soma­ tischen, klar fokussierbaren Schmerz weiterent­ wickeln (z. B. bei Übergriff der Appendizitis auf das lokale Peritoneum parietale).

Wo tut es weh?  Auch die Lage des Schmerzes lässt einen Rückschluss auf die Ätiologie zu. Wichtige Lokalisationen sind: ▶▶die 4 Quadranten (rechter Oberbauch, rechter Unterbauch, linker Oberbauch, linker Unterbauch), ▶▶die Mittellinie bzw. ▶▶die diffuse Lokalisation (q Abb. e1, online)

Anamnese und körperliche Untersuchung

▼▼ Danach müssen Sie den Patienten fragen  Die

Vorstellung eines Patienten mit einem akuten Abdomen in der Notaufnahme sollte verschiedene Vorgehensweisen auslösen. Zur Anamnese gehören zwingend die Fragen zu ▶▶Schmerzbeginn (wann), ▶▶ Dauer (wie lange), ▶▶ Lokalisation (wo), ▶▶Triggerereignissen (warum) und ▶▶ Begleitsymptomen, da sie relevante Informationen zur Ätiologie beitragen.

Auf den ersten Blick  Auch die Inspektion des Patienten kann Hinweise auf die Ursache geben: ▶▶ Eine starre Haltung ist typisch für eine Peritonitis. ▶▶Wälzt sich der Patient herum, spricht das für eine Kolik (z. B. biliär oder renal). ▶▶Abnorme Darmbewegungen oder -steifungen sind Zeichen für einen Ileus. ▶▶ Ein asymmetrisches Abdomen deutet auf einen mechanischen Ileus hin. ▶▶ Ein Sklerenikterus ist Symptom der Choledocholithiasis (Differenzialdiagnose: Cholestase). ▶▶Achten Sie auf OP-Narben und Bruchpforten (eingeklemmte Hernie). Abhören  Bei der Auskultation ist die Vitalität der Darmgeräusche entscheidend. ▶▶Verstärkte Darmgeräusche treten bei mechanischem Ileus und Gastroenteritis auf. ▶▶ Herabgesetzte oder fehlende Darmgeräusche charakterisieren einen paralytischen Ileus oder sind reflektorisch bedingt bei Peritonitis, Pankreatitis oder Koliken. Palpation  Bei der Palpation sollten Sie nicht nur auf den Tastbefund an sich achten, sondern auch auf die Reaktion des Patienten. ▶▶ Lokalisierter Schmerz grenzt die Erkrankung auf ein Organ ein.

Ursachen des akuten Bauchschmerzes abdominale Ursachen ▶▶ Peritonitis ▷▷ bakteriell, z. B. nach Hohlorganperforation ▷▷chemisch, z. B. durch akute Pankreatitis ▶▶ mechanische Obstruktion ▷▷ Darm: Dünn- / Dickdarmileus ▷▷ Ductus hepatocholedochus: Choledocholithiasis ▷▷ Ureter: Harnleiterstein extraabdominale Ursachen ▶▶ Erkrankungen des Thorax: u. a. ▷▷ Pleuritis bei Pneumonie ▷▷ Lungenembolie ▷▷ Hinterwandinfarkt ▶▶ Erkrankungen des Genitals: u. a. ▷▷ Hodentorsion vaskuläre Ursachen ▶▶ Embolie, Thrombose, Aneurysma dissecans ▶▶ Sichelzellanämie ▶▶ Bauchwandhämatom, intraabdominelle Blutung Stoffwechselstörungen (Beispiele) ▶▶ Urämie ▶▶ diabetische Ketoazidose ▶▶ akute intermittierende hepatische Porphyrie ▶▶ Addison-Krise ▶▶ hämolytische Krisen ▶▶ Mittelmeerfieber Tab. 1  modifiziert nach [5, 6]

Head-Zonen Organ

Segment

Dermatom

Zwerchfell

C 3–5

Hals bis Deltoidregion

Herz

C 5 – Th 6

Arm bis Xiphoid

Ösophagus

Th 1–6

kleiner Finger bis Xiphoid

Oberbauchorgane

Th 5–10

Xiphoid bis Epigastrium, untere Skapulagegend

Dünndarm und rechtes Kolon

Th 8 – L 1

Periumbilikalregion

linkes Kolon

Th 11–12

Unterbauch Tab. 2

▶▶Abwehrspannung und Loslass-Schmerz sind Zeichen einer frühen Peritonitis. ▶▶ Diffuser Schmerz tritt häufig bei Peritonitis auf. ▶▶ Der Bauch fühlt sich prall elastisch an bei Pankreatitis („Gummibauch“). ▶▶ Fehlende Abwehrspannung findet sich häufig bei Patienten mit Kolik. ▶▶ Resistenzen sind bei Tumoren und Ileus tastbar.

Perkussion  Zur Untersuchung des Abdomens gehört auch die Perkussion. Hier grenzt die Qualität des Klopfschalls die möglichen Ursachen ein. ▶▶Trommelartigen Schall (Tympanie) hört man über luftgefüllten Bereichen, z. B. bei aufgetriebenem Darm, Ileus oder Koprostase. ▶▶Tumoren und Aszites dämpfen den Schall.

Schimanski CC, Barreiros APC, Lang H, Galle PR, Gockel I. Akutes Abdomen – Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co. Lege artis 2011; 1: 32–37

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Fachwissen: Titelthema ▶▶ Fehlende Leberdämpfung entsteht durch ein Pneumoperitoneum oder die Perforation eines Hohlorgans. ▶▶ Meldet der Patient bereits bei vorsichtiger Perkussion Schmerzen, ist eine Peritonitis wahrscheinlich. Die körperliche Untersuchung geht zwar einer weiteren laborchemischen oder bildgebenden ­Diagnostik voraus, dennoch hat ihre Zuverlässig­ keit Grenzen: Bestes Beispiel sind die persistent hohen und v. a. negativen Appendektomieraten.

Beim älteren Patienten ist manches anders Ältere Patienten sind nicht nur hinsichtlich der Symptomatik besonders: Auch ihre Laborparameter sind mitunter wenig aussagekräftig. ▶▶ In rund einem Drittel aller Fälle mit akutem ­Abdomen können Leukozytenzahlen und Körpertemperatur unauffällig sein [13]. ▶▶ Ebenso können bei über 65-Jährigen trotz akuter Cholezystitis in 84 % der Fälle die typischen Oberbauchschmerzen und in 50 % der Fälle ­Fieber und Leukozytenerhöhung fehlen [14].

Bildgebung

Labor

▼▼ Diese Faktoren sollten Sie analysieren  Das Basislabor sollte bestimmte Parameter auf jeden Fall beinhalten: ▶▶Serumchemie: Elektrolyte, Kreatinin, Harnstoff, Blutzucker, Bilirubin, GOT/GPT, AP, gGT, Lipase, Amylase, C-reaktives Protein (CRP) ▶▶ Blutbild ▶▶Gerinnung: Quick, INR, PTT und Fibrinogen ▶▶ Laktat ▶▶ Urinsediment ▶▶Schwangerschaftstest bei Frauen im gebärfähigen Alter

Interpretation der Laborparameter  Einzelne Laborparameter sind allerdings nur von geringer diagnostischer Prädiktion [11]. ▶▶So erlaubt z. B. der CRP-Spiegel allein keine Aussage darüber, ob der Patient einer dringenden Operation bedarf oder nicht. ▶▶Sind jedoch ≥  2 Entzündungsparameter (Leu­ ko­zytenzahl, CRP, Granulozytenzahl) bei typischer Klinik erhöht, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine akute Appendizitis vor [12]. ▶▶ Im Gegensatz hierzu ist eine Appendizitis sehr unwahrscheinlich, wenn sich alle Parameter im Normbereich bewegen. Die besten Ergebnisse bieten Laborwerte nur in Kombination mit der körperlichen Untersuchung.

Folgende Marker können ätiologisch hilfreich sein: ▶▶ Bilirubin ist bei Cholestase (z. B. Choledocho­ lithiasis) erhöht. ▶▶ Bei Kreatinin-Erhöhung ist ein Harnstau wahrscheinlich. ▶▶ Bei GOT/GPT-Erhöhung sollten Sie an Hepatitis denken. ▶▶ Erhöhte Lipase-Werte deuten auf Pankreatitis hin. ▶▶CRP und Leukozyten sind mit Perforation und/ oder eitriger Infektion assoziiert. ▶▶ Über eine Laktat-Bestimmung lässt sich eine mesenteriale Ischämie aufdecken.

▼▼ Röntgen ist kein Muss  Nach Anamnese, körper-

licher Untersuchung und Labor stellt die Bildgebung einen wesentlichen Part der Diagnostik dar. Die klassische Röntgen-Abdomen-Übersichtsaufnahme wird inzwischen jedoch als optional angesehen und zunehmend durch die Sonografie bzw. Computertomografie (CT) abgelöst. ▶▶ Die Röntgen-Leeraufnahme ändert die klinische Diagnose nicht und ▶▶steigert weder Sensitivität noch Spezifität [15, 16]. Sinnvoll scheint das Röntgen weiterhin zum ­Nachweis von Spiegeln und freier Luft – also zum Ausschluss von Ileus und Hohlorganperforation.

Ultraschall stellt viele Befunde gut dar  Die Sonografie ist nicht invasiv und leicht wiederholbar, bedarf jedoch einer Basiserfahrung im Einsatz der Technik. Mehrere Studien zeigen, dass der sonografische Befund untersucherabhängig ist. Vor allem für die akute Appendizitis ist dies gut belegt. Die Sonografie eignet sich besonders bei: ▶▶Cholezystitis und Choledocholithiasis ▶▶ Leberabszessen ▶▶ Pankreatitis ▶▶Appendizitis ▶▶Gastroenteritis ▶▶Sigmadivertikulitis ▶▶chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ▶▶ Pleuritis mit Pleuraergüssen ▶▶mesenterialen Perfusionsstörungen (Doppler, Duplex) ▶▶ Milzabszessen, -infarkten und Milzruptur ▶▶ Harnstau, z. B. infolge eines Steinabgangs sowie ▶▶diversen gynäkologischen Ursachen. Cave  Bei Luftüberlagerung, v. a. im Bereich des Mittelbauchs, ist die Sonografie nur begrenzt ­aussagekräftig.

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Typische Ultraschallbefunde

▼▼ Cholezystitis  Für eine Entzündung der Gallenblase sind folgende Befunde charakteristisch: ▶▶Gallenblasenwand ≥  3 mm (q Abb. 1) ▶▶Gallenblasenwand geschichtet ▶▶echoarmer Saum im Gallenblasenbett (q Abb. 2) ▶▶umschriebener Schmerz bei der Gallenblasendarstellung (sonografisches Murphyzeichen) ▶▶ggf. echoarmer Gallenblaseninhalt (Gallenblasenempyem) Sind gleichzeitig Gallensteine (q Abb. 3) oder eine verdickte Gallenblasenwand mit lokalisiertem Druckschmerz nachweisbar, kann man die Diag­ nose „Cholezystitis“ mit großer Sicherheit stellen.

Cholestase/Choledocholithiasis ▶▶ Ein erweiterter Ductus hepatocholedochus (DHC) > 7–8 mm (> 10 mm nach Cholezystektomie) ist als primär pathologisch anzusiedeln (q Abb. 4, 5). ▶▶ Folglich lässt sich auch eine intrahepatische Cholestase mit der Ausbildung sogenannter Doppelflinten beobachten (q Abb. 6):

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Bildgebung der Wahl  Der übermäßige Einsatz der CT führt zu einer unnötigen Strahlenbelastung und einer Kostenexplosion. Es stellt sich also die Frage, wann die günstigere und einfachere ­Sonografie und wann die teure und aufwendige CT indiziert sind. Gemäß der Optima-Studie erscheint folgende Strategie am sinnvollsten [6]: ▶▶Jeder Patient wird sonografisch untersucht. ▶▶ Nur bei unklarem Ultraschallbefund folgt eine CT-Untersuchung (q Abb. e2, online). Dieses Vorgehen könnte die Zahl der CT-Anwendungen halbieren sowie die Sensitivität nach klinischer Diagnose von 88 auf 94 % und die Spezifität von 41 auf 68 % steigern [15, 16].

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Computertomografie  Aufgrund der Nachteile von Röntgen und Ultraschall diskutieren manche Autoren den Stellenwert der CT in der Diagnostik des akuten Abdomens. Vorteile sind u. a.: ▶▶rasche und überlagerungsfreie Diagnostik [6] ▶▶ca. 1 Tag kürzere Liegedauer ▶▶pathologische Abdominalbefunde werden eher erkannt ▶▶tendenziell geringere Mortalität [17] ▶▶das Spiral-CT kann als Maßnahme der Wahl bei Verdachtsdiagnosen angesehen werden, die einen sofortigen operativen Eingriff implizieren (z. B. Ischämien, Strangulationen oder Perforationen) [6] Allerdings reduziert die primäre CT-Diagnostik nicht die Anzahl negativer Appendektomien oder die Perforationsraten.

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Fachwissen: Titelthema

Abb. 1  Verdickte, drei­ geschichtete Gallenblasenwand (Wanddicke D1: 6,3 mm) als Zeichen einer akuten Chole­ zystitis.

Abb. 2  Akute Cholezystitis bei mit Sludge (S) gefüllter ­Gallenblase, umgebendem ­Flüssigkeitssaum (F) und drei­ geschichteter Gallenblasen­ wand.

Abb. 3  Akute Cholezystitis: grenzwertig verdickte Gallen­ blasenwand (innerhalb der ­Marker; D1: 3,3 mm, D2: 2,8 mm) mit Dreischichtung und Gallenblasenkonkremen­ ten.

▷▷ Pfortaderast und Gallengang nebeneinander oder übereinander nachweisbar bzw. ▷▷intrahepatische Gallengänge >  2 mm. Wie in der Gallenblase können sich Steine bzw. Sludge auch in den Gallengängen manifestieren. Achtung: Sonografisch indirekte Zeichen, wie der echostarke Reflex mit distalem Schallschatten, können weniger stark ausgeprägt sein bzw. ganz fehlen!

Appendizitis  Bei Verdacht auf Appendizitis empfiehlt sich der Einsatz einer hochfrequenten Schallsonde (mindestens 5 MHz). ▶▶ Die normale Appendix stellt sich im Querschnitt als kleine Kokarde aus einem echoarmen Ring und einem echodichten Zentrum dar. Im Längsschnitt bilden sich Wand und Lumen bandförmig ab. Eine Appendizitis wird angenommen, wenn bei entsprechenden Schmerzen einer nicht komprimierbaren Appendix folgende Bedingungen zutreffen: ▶▶mehr als 7 mm Gesamtdurchmesser ▶▶mehr als 3 mm Wandstärke

Schimanski CC, Barreiros APC, Lang H, Galle PR, Gockel I. Akutes Abdomen – Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co. Lege artis 2011; 1: 32–37

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Fachwissen: Titelthema

Abb. 6  Sonografisch darstell­ bare intrahepatische Chole­ stase mit Doppelflinten-­ Phänomen.

Abb. 7  Pankreaszyste im ­Bereich des Corpus (siehe ­Beschriftung, innerhalb der Marker; D1: 37,2 mm, D2: 37,9 mm) nach akuter Pankreatitis.

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Ileus  Der Darmverschluss ist im Ultraschall ▶▶durch flüssigkeits- bzw. stuhlgefüllte, erweiterte Darmschlingen erkennbar. ▶▶ Im Längsschnitt manifestieren sich im Bereich des Dickdarms Kerckring-Falten als Strickleitermuster. ▶▶ Bei mechanischem Darmverschluss besteht initial eine Mehrperistaltik, der Darminhalt pendelt im Ultraschall sichtbar hin und her (Pendelperistaltik). ▶▶ Bei paralytischem Ileus sind die Darmschlingen starr und bewegungslos.

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Abb. 5  Erweiterter Ductus ­hepatocholedochus (DHC, innerhalb der Marker; D1: 6,1 mm).

▶▶ Die sonografisch häufig gut darstellbare entzündliche Infiltration des mesenterialen Fettgewebes lässt indirekt den Verdacht auf eine Divertikulitis zu.

Akute Pankreatitis  Sonografisch findet sich bei einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse eine diffuse Schwellung des Organs mit einem peripankreatischen Flüssigkeitssaum. ▶▶Je nach Schweregrad können Abszesse, Zysten (q Abb. 7), „Flüssigkeitsstraßen“ oder ein Aszites nachweisbar sein. ▶▶ Eventuell ist das Organ aufgrund der ödematösen Tränkung des retroperitonealen Fettgewebes schwer abgrenzbar. Mit neueren Ultraschallsystemen kommt dies jedoch nur noch selten vor. ▶▶ Nekrosen manifestieren sich für gewöhnlich echoarm bis echofrei in der Pankreasloge. ▶▶ Nekrosestraßen im Retroperitoneum sind entlang des M. psoas darstellbar.

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Abb. 4  Erweiterter Ductus ­hepatocholedochus (DHC) mit sonografisch darstellbarem Konkrement (innerhalb der Marker; D1: 11,8 mm).

Nierenkolik  Die Dilatation des Nierenbeckens und des Ureters kann auf den Abgang eines Nierensteins hinweisen. Manchmal ist dieser noch im Verlauf des Ureters sichtbar (als steintypische Schallmanifestation mit echostarkem Reflex und distalem Schallschatten).

Bildnachweis: mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. med. Ana Paula Barreiros, I. Medizinische Klinik, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

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Andere Diagnosemöglichkeiten

▼▼ Magnetresonanztomografie  Die MRT scheint

indiziert für Frauen mit akutem Unterbauchschmerz, bei denen eine sonografische Abklärung nicht zielführend ist. Aus Gründen des Strahlenschutzes gilt dies insbesondere für Schwangere.

Verdächtig ist auch jede Appendix mit hellem ­Lumenreflex und Schallschatten entsprechend einem Koprolith.

Divertikulitis  Die Diagnose der Sigmadivertikulitis ist deutlich schwieriger. ▶▶ Die Wand des Sigmas erscheint verdickt. ▶▶ In der Umgebung des Sigmas sind z. T. helle Reflexe sichtbar – dies sind luftgefüllte Divertikel bzw. lufthaltige parasigmoidale Abszesse.

Laparoskopie  Die explorative Laparoskopie ist sinnvoll, wenn trotz vorangegangener Diagnostik die Ätiologie des akuten Bauchschmerzes unklar bleibt (Leitlinie der Society of American Gastrointestinal and Endoscopic Surgeons, SAGES) [18]. In einer Studie an 1320 prospektiven Patienten, die innerhalb von 48 Stunden nach Aufnahme bei akutem Bauchschmerz diagnostisch laparoskopiert wurden, änderte dies in 30 % die klinische Diagnose. Von ihnen wurden 83 % direkt im Anschluss laparoskopisch therapiert.

Schimanski CC, Barreiros APC, Lang H, Galle PR, Gockel I. Akutes Abdomen – Laborbefunde, Röntgen, Sono & Co. Lege artis 2011; 1: 32–37


Fachwissen: Titelthema Endoskopie  In der Diagnostik spielt die Endoskopie des oberen und unteren Gastrointestinaltrakts eine untergeordnete Rolle. Insbesondere bei starken epigastrischen Schmerzen oder bei Verdacht auf eine fulminante Kolitis kann sie ­diagnostisch hilfreich sein. Ansonsten ist ihr Stellenwert eher in der Therapie, wie z. B. in der Überbrückung von Stenosen mittels Stent, zu sehen.

PD Dr. med. Carl Christoph Schimanski arbeitet als gastroen­ terologischer Oberarzt an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Universi­ tät Mainz. E-Mail: christoph. schimanski@unimedizin-mainz.de

PD Dr. med. Ana Paula C. Barreiros ist Oberärztin und Leiterin der Sonografie an der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der ­Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. E-Mail: barreiros@1-med.­ klinik.uni-mainz.de

Zum Ausschluss eines Hinterwandinfarkts sollte beim akuten Abdomen immer ein EKG durch­ geführt werden. Klassischer Befund wären ST-­ Hebungen in den Ableitungen II, III und aVF.

Fazit Ein standardisiertes Vorgehen, das eine gute

körperliche Untersuchung, gezielte laborche­ mische Analysen und ein definiertes bild­ gebendes Prozedere im Sinne einer SOP ­be­inhaltet, sollte die Diagnostik des akuten Abdomens begleiten. ◀

Univ.-Prof. Dr. med. Hauke Lang ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchir­ urgie der Johannes-Gutenberg-Uni­ versität Mainz. E-Mail: lang@ach.klinik.uni-mainz.de

Kernaussagen

▶▶ Das akute Abdomen gehört zu den häufigsten Symptomen in der Notaufnahme.

Prof. Dr. med. Peter R. Galle ist Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik der Johannes-Guten­ berg-Universität Mainz. Er gehört zum Herausgebergremium von Lege artis. E-Mail: peter.galle@unimedizin-mainz.de

▶▶ Oft bleibt der Auslöser für den Bauchschmerz ­unklar. In den meisten geklärten Fällen lautet die Diagnose Appendizitis, Cholezystitis oder Ileus. ▶▶ Der erste Schritt zur Diagnosefindung besteht ­immer aus Anamnese und körperlicher Unter­ suchung.

PD Dr. med. Ines Gockel ist Ober­ ärztin an der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Abdominalchir­ urgie der Johannes-Gutenberg-Uni­ versität Mainz. E-Mail: ines.gockel@ unimedizin-mainz.de

▶▶ Laborparameter sind von unterschiedlichem Wert, erhöhen aber die Aussagekraft der körper­ lichen Untersuchung. ▶▶ Das Basislabor umfasst ▷▷ Blutanalysen mit Serumchemie, Blutbild, Gerinnung und Laktatwert sowie ▷▷ Urinanalysen mit Harnsediment und ggf. Schwangerschaftstest (bei Frauen im gebär­ fähigen Alter). ▶▶ Jeder Patient wird per Ultraschall untersucht. Nur wenn dies keine Diagnose liefert, folgt eine CT.

Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

▶▶ Röntgen scheint bei V. a. Ileus oder Hohlorgan­ perforation geeignet, bei anderen Erkrankungen bringt das Verfahren kaum Vorteile.

Literatur online

▶▶ Zum Ausschluss eines Hinterwandinfarkts sollte immer ein EKG abgeleitet werden.

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Fachwissen: Übersicht

Minimalinvasive Chirurgie

Immer sinnvoll?

Marty Zdichavsky • Andreas Kirschniak • Jörg Glatzle • Tobias Meile • Markus Küper • Hannes Gögele • Gregor Blank • Jonas Hoffmann • Dörte Wichmann • Alfred Königsrainer

Schlüssellochchirurgie, Knopfloch- oder laparoskopische Chirurgie – die minimalinvasive Chirurgie hat viele Namen. Sie alle zielen auf das wesentliche Merkmal des Verfahrens ab: das Operieren durch kleine Zugänge statt durch zentimeterlange Schnitte. Das bietet Vorteile, vor allem für den Patienten. Kein Wunder, dass die minimalinvasive Chirurgie in einigen Bereichen die offene OP schon als „Goldstandard“ abgelöst hat. Trotzdem: Nicht ­immer eignet sich die modernere Variante. Und der Erfolg hängt erheblich von der Erfahrung des Operateurs ab. Unsere Autoren geben einen Überblick über die minimalinvasive Technik.

Grundlagen der minimalinvasiven Chirurgie Anwendungsgebiete  Die minimalinvasive Chirurgie hat sich bereits in unterschiedlichen Fachbereichen etabliert. Beispiele hierfür sind thorakoskopische, gynäkologische, orthopädische oder unfallchirurgische Eingriffe. Auch in der Allgemein- und Viszeralchirurgie ist das Verfahren immer häufiger und mittlerweile etabliert bei folgenden Operationen: ▶▶ Diagnostische Laparoskopie ▷▷ Klärung unklarer Befunde ▷▷Staginguntersuchung bei Tumoren ▶▶Adhäsiolyse ▶▶ Biopsieentnahmen bei Tumorerkrankungen ▶▶Gallenblasenentfernung (Cholezystektomie) ▶▶ Blinddarmentfernung (Appendektomie) ▶▶ Darmteilentfernungen

Tab. 1

▷▷ Dünndarmteilresektion ▷▷ Ileozäkal-, Sigma- und Rektumresektion ▷▷ (Hemi-)Kolektomie ▷▷ Rektopexie ▶▶Stomaanlage ▶▶ Eingriffe am Magen ▷▷ Fundoplikation (Antirefluxoperation) ▷▷Gastrektomie ▷▷Gastroenterostomie ▷▷ Übernähung eines Ulcus ventriculi ▶▶Adipositaschirurgie ▷▷Gastric-banding (Magenband) ▷▷Gastric-sleeve-Resektion ▷▷ Roux-Y-Bypass ▶▶Splenektomie ▶▶Adrenalektomie ▶▶ Hernienchirurgie ▷▷ Leistenhernien (transabdominelle präperitoneale Patchplastik (TAPP), total extraperitoneale Patchplastik (TEP)) ▷▷ Narbenhernien (intraperitoneales onlay mesh (IPOM))

Vorbereitungen

▼▼ Spezialtraining nötig  Um die handwerklichen

Fertigkeiten und das Arbeiten über Sicht auf den Monitor zu erlernen, gibt es spezielle Trainingszentren. Das Absolvieren der Grund- und Aufbaukurse im hauseigenen Trainingszentrum ist an

Grundausstattung für die minimalinvasive Chirurgie Instrumente

Material

Geräte

▶▶ Veres-Kanüle ▶▶ Spül-Sauger ▶▶ Trokare mit Ø 6 und 11 mm ▶▶ 0°- Optik oder 30°- Optik ▶▶ Hakenelektrode ▶▶ Pinzette ▶▶ Fasszange ▶▶ Schere

▶▶ Gasschlauch ▶▶ Saug-Spül-Schläuche ▶▶ steriler Kamerabezug ▶▶ Elektrokabel ▶▶ Lichtkabel

▶▶ Gasinsufflator ▶▶ Spülapparat ▶▶ Kamera ▶▶ Monitor ▶▶ Lichtquelle ▶▶ Stromapparat bipolar/ monopolar

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unserem Klinikum Pflicht. Am Trainer können Operationen an einem Phantom mit Tierorganen realitätsnah durchgeführt werden (q Abb. 1). Dies dient einer optimalen Operationsvorbereitung.

Instrumentarium  Für den minimalinvasiven Eingriff im Abdomen ist eine Grundausstattung notwendig. Sie umfasst das Instrumentarium, Geräte und zusätzliches Material (q Tab. 1, Abb. 2).

Die richtige Lagerung

▼▼ Wichtig für den Zugang zu den Organen  Bevor

mit der eigentlichen Operation begonnen werden kann, muss der Patient korrekt gelagert werden. Die Lagerung ist besonders wichtig: Allein durch die Schwerkraft können Organe exponiert werden, ohne zusätzliche Haltevorrichtungen einbringen zu müssen.

Operationen im Oberbauch  Bei Eingriffen an Galle, Magen oder Leber muss der Patient ▶▶mit dem Oberkörper aufrecht gelagert werden. Hierzu sind Fußstützen notwendig (z. B. bei der Cholezystektomie). ▶▶ Bei der Fundoplikation sind die Arme in der ­Regel ausgelagert. Operationen im Mittelbauch  Die häufigsten Operationen im Mittelbauch betreffen Narbenhernien oder Darmeingriffe. ▶▶ Der Patient befindet sich in Rückenlagerung. ▶▶ Die Arme sind hierbei angelagert. Operationen im Unterbauch Die Lagerung bei Leistenhernien, Appendektomie, Rektum- und Sigmaresektion sowie gynäkologischen Eingriffen unterscheidet sich von den bisher genannten. ▶▶ Es sollten Schulterstützen angebracht werden, da der Patient häufig in Kopftieflage gebracht werden muss.

▶▶ Für die Operationen am Rektum, Sigma und bei den gynäkologischen Eingriffen ist die Steinschnittlagerung obligat. ▶▶Außerdem ist bei allen Operationen im Unterbauch ein Blasenkatheter sinnvoll, um eine gute Übersicht in den Douglas-Raum zu haben.

Besondere Lagerungen  Bei Nieren- und Milzeingriffen ist die Seitenlagerung erforderlich: ▶▶ Bei der transabdominellen rechtsseitigen Nebennierenentfernung wird der Patient in die Linksseitenlage gebracht. ▶▶ Bei der linksseitigen transabdominellen Nebennierenentfernung und der Milzentfernung erfolgt die Lagerung in Rechtsseitenlage.

Bildnachweis: Hannes Schramm/Universitätsklinikum Tübingen

Bildnachweis: Hannes Schramm/Universitätsklinikum Tübingen

Fachwissen: Übersicht

Abb. 1, links  Praktische Übungen am Tübinger Pelvi­ trainer. Unsere Autorin Marty Zdichavsky (vorne rechts) „operiert“ am Phantom, das mit Tierorganen bestückt ist. Die Assistenz wird von Liese­ lotte Mailänder durchgeführt, der Kursleiterin im Tübinger Trainingszentrum. Abb. 2, rechts  Turmaufbau für die laparoskopische Chirurgie. Der Wagen enthält die Geräte, die für das minimalinvasive Operieren benötigt werden: Monitore, Lichtquelle und Kamerakontrolleinheit sowie Insufflator und Saug-SpülPumpe (vgl. q Tab. 1).

Generelles Operationsprinzip

▼▼ Einbringen des ersten Trokars  Zunächst er-

zeugt man ein Pneumoperitoneum durch das ­Insufflieren von erwärmtem Kohlendioxid (CO2). ▶▶ Der erste Zugang zur Bauchhöhle erfolgt durch einen offenen kleinen Bauchschnitt und das ­offene Einbringen des ersten Trokars. ▶▶Alternativ kann man die Veres-Nadel (auch Veres-Kanüle genannt) blind einbringen und darüber das Pneumoperitoneum schaffen. ▶▶ Bei einem intraabdominellen Gasdruck von 15 mmHg wird die Veres-Nadel wieder zurückgezogen und der erste Trokar entweder blind eingebracht oder bevorzugt ein Optiktrokar verwendet. Vorteil des Optiktrokars (auch Sicherheitstrokar genannt): Er ist durchsichtig, und man kann mit der Kameraoptik unter Sicht – und nicht blind – sämtliche Bauchwandschichten durchstoßen. ▶▶ Der Gasschlauch wird an den ersten Trokar angeschlossen, um so ein konstantes Pneumoperitoneum aufrecht zu erhalten.

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Fachwissen: Übersicht Setzen der weiteren Trokare  Alle weiteren Trokare werden über kleine Hautschnitte jeweils unter Sicht durch die Bauchwand in das Abdomen eingebracht. Die Spitze der Trokare sollte hierbei stumpf sein, um Organverletzungen zu vermeiden. Die Optik und die Arbeitsinstrumente werden durch die Trokare in den Bauchraum eingeführt. Nach der OP  Nach Beendigung der Operation werden sämtliche Arbeitsinstrumente und die Trokare unter Sicht aus dem Abdomen entfernt. ▶▶Ab einem Trokardurchmesser von 10 mm sollte ein Faszienverschluss erfolgen, um Trokarhernien zu vermeiden. Bei kleineren Trokaren ist dies nicht notwendig. Prinzipiell gilt: Bei jeder Operation muss die Übersichtlichkeit gewahrt sein, um Begleitverletzungen zu vermeiden.

Vor- und Nachteile der minimalinvasiven Technik

▼▼ Vorteile für den Patienten  Die Hauptvorteile

der minimalinvasiven Chirurgie bestehen in der ▶▶ Minderung des Zugangstraumas zum Operationsgebiet und einem ▶▶reduzierten Operationstrauma. ▶▶ Das Schmerzempfinden ist deutlich verringert, ebenso der Schmerzmittelverbrauch. ▶▶ Die Mobilisation und der Kostaufbau können in der Regel rasch erfolgen. ▶▶ Hierdurch vermindern sich Gesamtmorbidität und Liegezeit des Patienten. ▶▶ Die Rekonvaleszenzzeit ist im Gegensatz zu den offenen Operationen deutlich verringert, und ▶▶der Patient wird schneller wieder arbeitsfähig.

Nachteile und Grenzen  Die Grenzen und Risiken der minimalinvasiven Chirurgie liegen zum Teil in der Konstitution des Patienten. ▶▶ Bei kardialen oder pulmonalen Risiken kann es durch das Anlegen des Pneumoperitoneums zu Herzrhythmusstörungen oder Beatmungspro-

Tab. 2

blemen kommen. Das kann die Operation in dieser Technik unmöglich machen. ▶▶Auch ein besonders adipöser intraabdomineller Situs, schwere entzündliche Befunde oder vorausgegangene offene Operationen können den Eingriff erheblich erschweren. ▶▶ In der Anfangsphase sind die Operationszeiten auch für Standardeingriffe in der Regel verlängert. ▶▶Optimal ist ein eingespieltes Team von Narkosearzt, Operationsschwester, Assistenz und Operateur. Besonders die gute Teamarbeit zwischen dem Operateur und dem kameraführenden Assistenten ist umso wichtiger, je komplexer der Eingriff ist. ▶▶ Hauptgefahr ist die akzidentielle Organverletzung durch Stromweiterleitung oder Instrumente, die außerhalb des Gesichtsfelds liegen. ▶▶ Der Kostenaufwand ist auch für relativ einfache Eingriffe höher als bei der offenen Chirurgie. Alle Vor- und Nachteile sind nochmals in q Tab. 2 zusammengefasst.

Nebenwirkungen  Bei der minimalinvasiven Chirurgie können durch das Pneumoperitoneum unangenehme Begleiterscheinungen auftreten, wie ▶▶Schulterschmerzen oder eine ▶▶ Reizung des Nervus phrenicus. ▶▶ In manchen Fällen kann eine Krepitation an der Haut festgestellt werden. Diese entsteht durch das Gas, das durch die Bauchwand entweicht.

Praktische Beispiele Laparoskopische Cholezystektomie

▼▼ Zum Standard avanciert  Die minimalinvasive

Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie, q Abb. 3) wird heutzutage in etwa 90 % der Fälle laparoskopisch durchgeführt und gilt als der „Goldstandard“. Erich Mühe entfernte 1985 als Erster eine Gallenblase laparoskopisch.

Indikation  Die häufigste Indikation sind symptomatische Gallensteine. Eingeklemmte Gallen-

Vor- und Nachteile der minimalinvasiven Chirurgie auf einen Blick Vorteile

Nachteile

▶▶ Minderung des Zugangstraumas ▶▶ Minimierung des Präparationstraumas ▶▶ kosmetische Vorteile ▶▶ weniger Flüssigkeitsverlust ▶▶ geringere Körperauskühlung ▶▶ Minderung der Gesamtbelastung ▶▶ reduzierter Schmerzmittelverbrauch ▶▶ raschere Genesung ▶▶ kürzere Arbeitsunfähigkeit

▶▶ Minderung des Gewebegefühls ▶▶ längere Operationszeit in der Lernphase ▶▶ Training und eingespieltes Team erforderlich ▶▶ höhere Materialkosten ▶▶ ungeeignet für Notfälle und schwere entzündliche Veränderungen ▶▶ Einschränkungen bei voroperierten Patienten ▶▶ problematisch bei kardiopulmonalen Erkrankungen

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Fachwissen: Übersicht steine im Ductus cysticus können akute kolikartige Schmerzen verursachen. Weiterhin können diese einen Gallenblasenhydrops mit einem Aufstau der Galle und folgend eine Entzündung der Gallenblase (Cholezystitis) hervorrufen.

Besonderheit Cholezystitis  Eine akute Cholezystitis bei einem Steinleiden behandelt man zunächst antibiotisch und führt den Patienten frühzeitig der Cholezystektomie zu. Die Operation kann auch elektiv nach 6 Wochen im entzündungsfreien Intervall durchgeführt werden. Sogar bei akuter Cholezystitis ist eine minimalinvasive Cholezystektomie möglich. Diese Eingriffe sind jedoch anspruchsvoller und häufiger mit Komplikationen verbunden. Sie sollten daher geübten laparoskopischen Chirurgen vorbehalten bleiben. Leitstrukturen der Gallenblase bei Cholezystektomie  Gute Kenntnisse der Anatomie von ▶▶Gallenblase, ▶▶ Ductus cysticus, ▶▶Arteria cystica und ▶▶ hepatobiliärem (Calot'schem) Dreieck sind unerlässlich, um Verletzungen zu vermeiden. Hierbei sind besonders die Normvarianten der A. cystica und des Ductus cysticus hervorzuheben. Calot'sches Dreieck  Das Calot'sche Dreieck wird nach medial vom Ductus hepaticus communis, nach lateral vom Ductus cysticus und nach kranial vom Leberunterrand gebildet. Die Arteria cystica verläuft normalerweise innerhalb des Calot'schen Dreiecks, wobei sie hier schräg einzieht und in 40–81 % der Fälle zwischen den Peritonealblättern etwas hinter dem Ductus cysticus gefunden wird [1, 2] (q Abb. 4). Arteria cystica  Die Arteria cystica entstammt überwiegend der rechten A. hepatica. Die A. cystica verläuft durch das Calot'sche Dreieck und verzweigt sich unmittelbar vor der Einmündung in die Gallenblase in 2 aufwärts ziehende Äste. ▶▶ Der vordere Ast verläuft an der linken Seite der Gallenblase, während ▶▶der hintere zwischen der dorsalen Gallenblase und der Leberloge verläuft. Variationen der A. cystica finden sich in etwa 50 % aller Patienten [1]. Neben dem normalen Verlauf tritt auch eine vordere, hintere, mehrfache oder kurze A. cystica auf [3]. Ductus cysticus  Der Ductus cysticus vereint sich mit dem Ductus hepaticus communis zum Ductus choledochus, der im Ligamentum hepatoduodenale verläuft und in den Zwölffingerdarm

Bildnachweis: Hannes Schramm/Universitätsklinikum Tübingen

Die laparoskopische Cholezystektomie wird zumeist elektiv durchgeführt. Die Gallenblasenwand ist zart und nicht entzündet. In aller Regel sind die anatomischen Strukturen gut zu erkennen.

mündet. Der Verlauf des Ductus cysticus ist, wie die Anatomie der A. cystica, sehr variabel [4]. Es gibt auch akzessorische oder doppelte Gallengänge, die bei einer Cholezystektomie ebenfalls versorgt werden müssen.

Abb. 3  Vom Pelvitrainer an den Patienten: Während Marty Zdichavsky (links) operiert, führt Assistenzärztin Jessica Lange bei der laparoskopischen Cholezystektomie die Kamera.

Zugangswege  Über einen 10 mm langen Hautschnitt innerhalb des Bauchnabels wird für den 10-mm-Trokar der erste Zugang zur Bauchhöhle geschaffen. Über diesen Trokar kann man die 30°-Optik in das Abdomen einbringen. Anschließend wird unter Sicht ein weiterer 10-mm-Trokar im Epigastrium platziert. Er dient als Arbeitstrokar sowohl für 5-mm- als auch für 10-mm-Ins­ trumente. Zwei weitere 5-mm-Arbeitstrokare werden rechts-lateral unterhalb des Rippen­ bogens gesetzt. Operationsprinzip  Der Patient befindet sich in Rückenlagerung mit ausgelagerten Armen und Fußstützen. 1. Nach dem Setzen des ersten Trokars wird der Operationstisch um 30° aufgerichtet und zur linken Seite gedreht. Durch die Schwerkraft fallen die Darmschlingen nach kaudal, und die Gallenblase kann optimal exponiert werden. 2. Über den rechts-lateralen Trokar wird eine Fasszange eingeführt, die den Fundus der Gallenblase greift und nach kranial über den Leberrand zieht. Damit wird die Leber automatisch nach oben gehalten. Prinzipiell erfolgt die gesamte Präparation so gallenblasennah wie möglich, um Verletzungen des Ductus hepatocholedochus zu vermeiden.

3. Das Peritoneum wird am Gallenblasenunterrand im Bereich des Calot'schen Dreiecks eröffnet.

Zdichavsky M et al. Minimalinvasive Chirurgie – Immer sinnvoll? Lege artis 2011; 1: 38–44


Abb. 4, links  Leitstrukturen der Gallenblase: Kurz unterhalb des Leberrandes vereinigen sich die beiden Hauptgallengänge zum Ductus hepaticus communis. Ca. 3–4 cm distal davon mündet die Gallenblase über den Ductus cysticus ein. Diese Strukturen bilden das CalotDreieck. Danach beginnt der Ductus choledochus. Die arterielle Versorgung erfolgt über die Arteria cystica, die meist der A. hepatica dextra entspringt. Sowohl die Einmündung des Ductus cysticus als auch der Ursprung der A. cystica kann variieren! Abb. 5, rechts  Laparoskopische Cholezystektomie: Clip des Ductus cysticus (Pfeile), Darstellung der A. cystica (✱).

Vesica biliaris A. cystica Ductus choledochus

A. hepatica propria

V. portae hepatis

Lig. hepatoduodenale

4. Es werden die A. cystica und der Ductus cysticus aufgesucht. Der Übergang des Infundibulums der Gallenblase in den Ductus cysticus muss unbedingt eindeutig dargestellt werden, um Verwechslungen mit dem Ductus choledochus zu vermeiden. Der eindeutige Übertritt der A. cystica zur Gallenblase ist obligat, um Verletzungen der A. hepatica dextra zu vermeiden. Erst nach eindeutiger Darstellung der Strukturen (q Abb. 5) dürfen diese geclippt und durchtrennt werden. Üblicherweise werden dazu Titanclips verwendet.

5. Die Gallenblase wird mittels Elektrokoagulation aus dem Leberbett präpariert und im Bergebeutel über einen der 10-mm-Trokare geborgen. Der Trokar wird zuvor entfernt und die Faszie gespreizt. 6. Schließlich wird das Operationsgebiet nochmals inspiziert, bevor die Trokare unter Sicht aus dem Abdomen entfernt werden. Bei den 10-mm-Zugängen erfolgt ein Faszienverschluss. Das Einbringen einer Zieldrainage ist bei einem Gallenblasenempyem oder in Fällen bei akuter oder gangränöser Cholezystitis empfehlenswert.

Risiken und Komplikationen  Selbst bei sorgfältigster Präparation kann es auch bei diesem Routineeingriff zu Komplikationen kommen. ▶▶ Eine gefürchtete Komplikation ist die Verletzung des Ductus hepatocholedochus. In den Anfangszeiten der Laparoskopie war die Verletzungsrate höher als bei der offenen Cholezystektomie. In den vergangenen Jahren ging sie jedoch immer weiter zurück und liegt seit dem Jahr 2006 niedriger (0,1 %) als bei der offenen Technik (0,2–0,3 %) [5–7].

Bildnachweis: Marty Zdichavsky

Fachwissen: Übersicht

Bildnachweis: M. Voll/Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Innere Organe. Stuttgart: Thieme; 2. Aufl. 2009

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Laparoskopische Appendektomie

▼▼ Vorteile überwiegen  Die Appendektomie wird

gewöhnlich bei einer akuten Entzündung des Wurmfortsatzes (Appendizitis) durchgeführt. Die weltweit erste laparoskopische Appendektomie erfolgte 1980 durch den Gynäkologen Kurt Semm an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel [8, 9]. ▶▶ Bei einer unkomplizierten Appendizitis bietet der minimalinvasive Zugang Vorteile gegenüber der offenen Operation [10–18]. Kirshtein et al. [19] zeigten auch für die komplizierte Appendizitis keine erhöhte Komplikationsrate. ▶▶ Neben der kosmetischen Überlegenheit kann bei der Laparoskopie zudem das gesamte Ab­ domen exploriert werden, einschließlich der weiblichen inneren Geschlechtsorgane. ▶▶ Die postoperative Morbidität ist deutlich geringer als bei der Laparotomie [20, 21].

Indikation  Die akute Appendizitis stellt die häufigste Indikation zur Appendektomie dar. Aber auch rezidivierende rechtsseitige Unterbauchschmerzen können nach Ausschluss anderer Erkrankungen (z. B. Salpingitis, Zystitis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen) zur ­Appendektomie führen. In 10–20 % aller Appendektomien lässt sich histologisch eine neurogene Appendizitis nachweisen [22, 23]. Daher sollte bei gegebener Indikationsstellung zur Laparoskopie auch eine makroskopisch unauffällige Appendix entfernt werden. Zugangswege  Der Zugang für die Optik liegt gewöhnlich im Nabel oder knapp darunter. Es wird ein 10 mm langer Hautschnitt für einen Trokar und eine 30°-Optik (beide 10 mm) angelegt. Ein 5-mm-Trokar im mittleren Unterbauch knapp oberhalb der Schambehaarung sowie ein weiterer 5- oder 10-mm-Trokar im linken Unterbauch dienen als Arbeitszugänge. Operationsprinzip  Der Patient befindet sich in Rückenlagerung mit angelagerten Armen und Schulterstützen. Die Appendix kann jede denk­ bare Lage einnehmen, besonders die retrozäkal

Zdichavsky M et al. Minimalinvasive Chirurgie – Immer sinnvoll? Lege artis 2011; 1: 38–44


Fachwissen: Übersicht

Abb. 6, links  Laparoskopischer Befund: phlegmonöse ­Appendizitis.

gelegene Appendix ist in manchen Fällen schwierig aufzufinden. Dann hilft es, den Patienten etwas kopftief zu lagern und den Operationstisch nach links zu drehen. 1. Die Mesoappendix und die darin verlaufende A. appendicularis werden entweder mittels Clips oder Elektrokoagulation durchtrennt. Hierbei ist die bipolare Elektrokoagulation empfehlenswert, um ungewollte thermische Schäden an naheliegenden Darmschlingen zu vermeiden. 2. Die Appendixbasis muss eindeutig dargestellt werden und kann basisnah mit zwei Röderschlingen unterbunden werden (q Abb. 6, 7). Um Stuhlaustritt aus der Appendix zu vermeiden, kann man eine dritte Röderschlinge oberhalb der vorgesehenen Absetzungsebene platzieren. Erst nach eindeutiger Darstellung und sicherer Versorgung der Appendixbasis wird der Eingriff fortgesetzt.

3. Die Appendix wird durchtrennt und im Bergebeutel geborgen. Reicht die Entzündung bis an die Appendixbasis heran, kann diese (oder sogar ein Teil des Zäkums) mittels Stapler durchtrennt werden. 4. Bei hochgradig entzündlichen Befunden empfiehlt sich die Anlage eine Zieldrainage.

Aufgepasst!  Besondere Aufmerksamkeit verdient die Mukozele der Appendix: Sie kommt mit einer Prävalenz von 0,2–0,3 % aller Appendektomien vor [24]. Es gibt 4 Ausprägungen der Appendixmukozele: ▶▶ Retentionszyste ▶▶ Mukosahyperplasie ▶▶muzinöses Zystadenom ▶▶muzinöses Zystadenokarzinom [25]

Bildnachweis: Marty Zdichavsky

Bildnachweis: Marty Zdichavsky

Abb. 7, rechts  Unterbinden der Appendixbasis mit zwei ­Röderschlingen.

Cave  Die intraoperative Perforation von Appendixmukozelen ist unbedingt zu vermeiden: Perforierte Mukozelen können sich zu einem Pseudomyxoma peritonei entwickeln und eine Peritonektomie mit hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie (HIPEC) nach sich ziehen.

Weitere Risiken und Komplikationen  Es können Verletzungen am Darm oder Harnleiter vorkommen. ▶▶ In etwa 20–30 % der Fälle einer akuten Appendizitis besteht bereits eine Perforation (sog. komplizierte Appendizitis) [26]. ▶▶ Es werden immer wieder erhöhte Abszessraten nach laparoskopischer Appendektomie bei komplizierter Appendizitis beschrieben [27, 28]. ▷▷ Die Benutzung eines Klammernahtapparates zum Absetzen der Appendixbasis minimiert diese Gefahr. ▷▷Abszesse können auch entstehen, wenn während des Eingriffs weiträumig gespült und dadurch die Umgebung kontaminiert wurde. Allerdings deckt sich die Beobachtung von Katsuno et al. [21] mit unserer Erfahrung, dass das Auftreten von intraabdominellen Abszessen nach laparoskopischer Appendektomie mit zunehmender Expertise der Operateure abnimmt. ▶▶ Ein Nachteil der minimalinvasiven Appendektomie ist, dass Ungeübte den Eingriff nicht einfach erweitern können, falls z. B. wegen des intraoperativen Befundes eine Ileozäkalresektion notwendig wird. Fazit Die minimalinvasive Chirurgie ist für verschie-

dene Operationen heute der „Goldstandard“. Lange Operationszeiten und erhöhte Komplikationsraten wurden mit zunehmender Erfahrung minimiert. Hervorzuheben sind die ­kosmetischen Vorteile, geringe Gesamt­morbi­dität und rasche Rekonvaleszenz. ◀

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Fachwissen: Übersicht

Kernaussagen

▶▶ Für das minimalinvasive Operieren ist ein spezielles Training in Trainingszentren erforderlich. ▶▶ Ein eingespieltes Operationsteam ist hilfreich. ▶▶ Das Verfahren bietet Vorteile für Gesamtmorbidität, Rekonvaleszenz und Kosmetik. Die Patienten sind früh wieder körperlich belastbar. ▶▶ Rezidivierende laparoskopische Eingriffe sind möglich, da wenig Verwachsungen auftreten.

▶▶ Hohe Materialkosten sind ein wesentlicher Nachteil der minimalinvasiven Chirurgie. ▶▶ Bei unübersichtlichen Verhältnissen sollte rechtzeitig die Konversion zur offenen OP erfolgen. ­Falscher Ehrgeiz ist lebensgefährlich für den ­Patienten! ▶▶ Bei der Cholezystektomie gilt grundsätzlich: Die Präparation erfolgt gallenblasennah und die Anatomie muss stets klar dargestellt sein, bevor eine Struktur geclippt oder durchtrennt werden darf. ▶▶ Bei der Appendektomie muss die Appendixbasis eindeutig dargestellt und versorgt sein, bevor die Appendix durchtrennt wird. Bei eventuell vorhandener Mukozele ist deren Perforation unbedingt zu vermeiden.

Literaturverzeichnis

Literatur online Das vollständige Literaturverzeichnis zu ­diesem ­Beitrag finden Sie im ­Internet: Abonnenten und Nicht­ abonnenten können ­unter „www.thieme-­ connect.de/ejournals“ die Seite der Lege artis aufrufen und beim jeweiligen Artikel auf „Ergänzendes Material“ klicken – hier ist die Literatur für alle frei zugänglich. Abonnenten können alternativ über ihren persön­ lichen Zugang an das Literaturverzeichnis gelangen. Wie das funktioniert, lesen Sie unter: http:// www.thieme-connect.de/ ejournals/ help#SoRegistrieren

1 Balija M, Huis M, Stulhofer M, Nikolic V. Contribution to the nomenclature of variations of the cystic artery. Chirurg 2001; 72: 154–158   2 Suzuki M, Akaishi S, Rikiyama T, Naitoh T, Rahman MM, Matsuno S. Laparoscopic cholecystectomy, Calot’s triangle, and variations in cystic arterial supply. Surg Endosc 2000; 14: 141–144   3 Kiss F. Über einige Varietäten der Arteria hepatica und Arteria cystica. Anat Embryol 1926; 81: 601–617   4 Lamah M, Karanjia ND, Dickson GH. Anatomical variations of the extrahepatic biliary tree: review of the world literature. Clin Anat 2001; 14: 167–172.   5 BQS 2006, Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH, Qualitätsindikator: Eingriffsspezifische Komplikationen (Cholezystektomie).   6 BQS 2007, Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH, Qualitätsindikator: Eingriffsspezifische Komplikationen (Cholezystektomie).   7 BQS 2008, Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH, Qualitätsindikator: Eingriffsspezifische Komplikationen (Cholezystektomie).   8 Semm K. Endoscopic appendectomy. Endoscopy 1983; 15: 59–64   9 Semm K. Technical surgical steps of endoscopic appendectomy. Langenbecks Arch Chir 1991; 376: 121–126 10 Chung RS, Rowland DY, Li P, Diaz J. A meta-analysis of randomized controlled trials of laparoscopic versus conventional appendectomy. Am J Surg 1999; 177: 250–256 11 Garbutt JM, Soper NJ, Shannon WD, Botero A, Littenberg B. Meta-analysis of randomized controlled trials comparing laparoscopic and open appendectomy. Surg Laparosc Endosc 1999; 9: 17–26 12 Golub R, Siddiqui F, Pohl D. Laparoscopic versus open appendectomy: a metaanalysis. J Am Coll Surg 1998; 186: 545–553

Zdichavsky M et al. Minimalinvasive Chirurgie – Immer sinnvoll? Lege artis 2011; 1: 38–44

Dr. med. Marty Zdichavsky ist Oberärztin an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. Sie leitet die dortige Arbeitsgruppe Minimal Invasive Chirurgie und hat 2009 das Zertifikat „Ausbildungscurriculum Minimal Invasive Chirurgie“ erhalten. E-Mail: marty.zdichavsky@med.unituebingen.de Dr. med. Andreas Kirschniak ist Facharzt an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: andreas.kirschniak@med.uni-tuebingen.de PD Dr. med. Jörg Glatzle ist Oberarzt an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: joerg.glatzle@med.uni-tuebingen.de Dr. med. Tobias Meile ist Facharzt an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-mail: tobias.meile@med.uni-tuebingen.de Dr. med. Markus Küper ist Assistenzarzt an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: markus.kueper@med.uni-tuebingen.de Dr. med. Hannes Gögele ist Assistenzarzt an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: hannes.goegele@med.uni-tuebingen.de Dr. med. Gregor Blank ist Assistenzarzt an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: gregor.blank@med.uni-tuebingen.de Dr. med. Jonas Hoffmann ist Assistenzarzt an der ­Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantations­ chirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: jonas.hoffmann@med.uni-tuebingen.de Dr. med. Dörte Wichmann ist Assistenzärztin an der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantations­ chirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. E-Mail: doerte.wichmann@med.uni-tuebingen.de Prof. Dr. med. Alfred Königsrainer ist Direktor der Klinik für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Tübingen. Er gehört zum Herausgebergremium von Lege artis. E-Mail: Alfred.Koenigsrainer@med. uni-tuebingen.de

Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/s-0031-1272353


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Fachwissen: Schritt für Schritt

Management bei Luftnot

Akutmaßnahmen

Tim Wörth

Patienten mit schwerer Atemnot empfinden diese als zutiefst ­bedrohlich. Neben dem reinen „Lufthunger“ quält sie vor allem die panische Angst davor, zu ersticken. Jetzt heißt es, die Situa­ tion rasch und korrekt zu erfassen, um schnell eine möglichst ­effektive Therapie einzuleiten. Gar nicht so einfach, denn: Dys­ pnoe ist therapeutisch oft schwerer angehbar als ein akutes Schmerz­ereignis. Die Überlagerung mit anderen Symptomen ­erschwert die Sache zusätzlich. Der folgende Artikel dient als ­kurzer klinischer Leitfaden. Er soll Orientierung in der angespann­ ten Akut­situation geben und helfen, die häufigsten und potenziell lebensbedrohlichen Krankheitsbilder zu erkennen. Der erste Eindruck

▼▼ Lehrbücher sind gut, die Realität ist anders

Eine lehrbuchartige, systematische Abhandlung verschiedener Differenzialdiagnosen und deren Symptomen geht an der Realität der Akutsituation oft vorbei. Wichtiger erscheinen da der erste Eindruck und der klinische Blick: Sie erlauben eine rasche Einschätzung der Situation und eröffnen die Möglichkeit, potenzielle Ursachen als ­unwahrscheinlich zu erkennen.

Worauf sollte man achten?  Leider treffen die typischen klinischen Bilder nicht immer zu. Insbesondere bei sehr alten Patienten ist die Bandbreite der Symptomatik groß. Als erstes sollte erfasst werden: ▶▶ Ist der Patient tachypnoisch? ▶▶ Bestehen eine Zyanose und/oder periphere Ödeme? ▶▶ Ist das Atemgeräusch normal, abgeschwächt oder aufgehoben? ▶▶ Besteht ein Nebengeräusch bei der Atmung? ▷▷ Inspiratorisch feuchte Rasselgeräusche oder ▷▷exspiratorisches Giemen/Pfeifen/Brummen (sog. trockene Rasselgeräusche)? Die Auskultation ist das schnellste und am leichtesten verfügbare Mittel der Diagnostik, das meist schon die Festlegung auf eine Ursache der Dyspnoe erlaubt.

Wörth T. Management bei Luftnot – Akutmaßnahmen. Lege artis 2011; 1: 46–49

Anamnese  Sofern der Patient noch antworten kann, sollten Sie in einer kurzen Anamnese erfragen, ▶▶wie rasch die Atemnot entstanden ist und ▶▶ob es einen Auslöser gab. ▶▶Auch Vorerkrankungen der Lunge oder des Herzens sollten kurz anamnestisch erfasst werden. Beruhigen Sie den Patienten!  An dieser Stelle kommt dem Arzt-Patienten-Kontakt besondere Bedeutung zu: ▶▶ Beruhigende Worte helfen manchmal Wunder, ▶▶ein dem Patienten zugewandtes und strukturiertes Auftreten lindert die Angst. ▶▶ Es ist wichtig, ein ruhiges Umfeld zu schaffen, ggf. auch besorgte Angehörige vor die Tür zu schicken. Der Patient erwartet vom Arzt in dieser Situation Hilfe. Diese müssen Sie nicht nur durch Taten, ­sondern auch verbal vermitteln.

Weitergehende Diagnostik

▼▼ Abhängig vom Schweregrad  Die weiteren

Schritte der Diagnostik müssen im Einzelfall der Ausprägung der Dyspnoe und dem Grad der vitalen Bedrohung des Patienten angepasst werden. Prinzipiell sollte, wenn immer möglich, ▶▶eine pulsoxymetrische Messung der Sauerstoffsättigung erfolgen und ▶▶der Patient mittels EKG- und Blutdruckmessung überwacht werden. ▶▶ Ferner ist ein 12-Kanal-EKG unerlässlich. Beides ist meist ohne Zeitverzögerung möglich. ▶▶Sehr aufschlussreich ist die arterielle Blutgasanalyse, um Kenntnis über das Ausmaß der ­etwaigen Hypoxie und Hyperkapnie zu erlangen. ▶▶ Letztendlich ist ein Röntgen-Thorax, im Stehen und in 2 Ebenen, eine wichtige diagnostische Maßnahme. Sie sollte, sofern möglich, unbedingt angestrebt werden.


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Fachwissen: Schritt für Schritt

Was tun? Ursache klassifizieren  Eine einfache Klassifikation zeigt q Abb. 1. Als „erster diagnostischer Angriff“ genügt es, den Patienten abzuhören: ▶▶ „Brodelt“ der Patient, besteht eine alveoläre ­Ansammlung von Flüssigkeit – es sind inspiratorisch feuchte Rasselgeräusche auskultierbar. ▶▶ „Giemt“ oder „pfeift“ der Patient beim Aus­ atmen, liegt eine bronchiale Obstruktion vor. ▶▶ Übrig bleibt das heterogene Feld anderer Ursachen. Cave  Die Therapiestrategien bei alveolär und bronchial verursachter Dyspnoe unterscheiden sich grundlegend! Gemeinsam ist ihnen nur die Gabe von Sauerstoff als wichtigste Erstmaßnahme. ▶▶ Diese sollte unbedingt über eine Mund-NasenMaske mit Reservoir erfolgen, da nur so hohe inspiratorische Sauerstoff-Fraktionen erreicht werden. ▶▶ Eine Nasensonde oder Sauerstoff-Brille ist in jedem Fall unzureichend.

Bei alveolärem Ödem: Venen weiten

▼▼ Morphin ist ideal  Der „brodelnde“ Patient pro-

fitiert von Volumenentlastung: Am schnellsten hilft das „venöse Pooling“ durch Erweiterung der herznahen Venen. Ideal ist hier Morphin, das zusätzlich noch eine sedative Wirkung hat und somit das Symptom der Luftnot effektiv lindert. ▶▶ Fraktioniert in 2-mg-Boli das Morphin unter Kontrolle von Blutdruck und Vigilanz langsam aufdosieren. ▶▶ Nach insgesamt 10 mg Morphin sollte zunächst abgewartet werden, da die volle Wirkung frühestens nach ca. 15 min zu erwarten ist. Die Angst vor der Atemdepression ist bei vorsichtiger und fraktionierter Dosierung meist unbegründet: Der nach Luft schnappende, agitierte ­Patient hat einen solch hohen sympathikotonen Antrieb, dass Morphin in normaler Dosierung keinen Atemstillstand verursacht.

Nitrate wirken schneller  Das venöse Pooling kann noch rascher durch die Gabe von Nitraten (als Spray s. l.) erreicht werden. Hierbei ist natürlich die Blutdruckkontrolle entscheidend, um bedrohliche Hypotonien zu verhindern. ▶▶Als Erstgabe empfehlen sich 1–2 Hub Nitro­ spray – abhängig von Blutdruck und Wirkung.

▶▶ Dabei die Wirksamkeit für einige Minuten beobachten. ▶▶Ggf. kann die Gabe wiederholt werden.

Mechanisches Absenken der Vorlast  Ebenfalls wirksam, aber in der Praxis selten angewendet, ist der „unblutige Aderlass“. Hierbei wird mittels Blutdruckmanschetten an allen 4 Extremitäten der venöse Rückstrom gedrosselt. Um die periphere Perfusion nicht zu stark zu limitieren, werden abwechselnd immer nur 3 Extremitäten für 10 min gestaut. Der Manschettendruck sollte nur eine venöse Stauung bewirken. Diuretika sind nur bedingt geeignet  Selbstverständlich kommen auch Diuretika, v. a. das Schleifendiuretikum Furosemid in einer Erstdosis von 40–80 mg i. v., zum Einsatz. Ihre Wirkung darf man aber nicht zu schnell erwarten: Insbeson­ dere Furosemid muss erst im Primärharn filtriert werden, bevor es von luminaler Seite in der Henle-Schleife wirken kann – das dauert einige Zeit. ▶▶ Bekanntermaßen niereninsuffiziente Patienten benötigen oft eine wesentlich höhere Dosis. ▶▶Zusätzlich ist in ihrem Fall oft die Pufferung zum Ausgleich einer metabolischen Azidose nötig, um überhaupt eine Diurese zu erreichen. ▶▶Vorsicht ist dann bei der Anwendung von Bikarbonat geboten: Das bei der Pufferung anfallende CO2 kann bei insuffizienter Atmung möglicherweise nicht mehr abgeatmet werden! Ist der Patient anurisch, sind Diuretika sinnlos. Der schnell wirksame therapeutische Mechanismus beim alveolären Ödem ist das venöse Pooling durch Morphin oder Nitrate.

Verwendung von Atemmasken  Eine apparative Option ist die nicht-invasive Maskenbeatmung mittels CPAP (continuous positive airway pressure). Der Patient muss hierfür allerdings bei ausreichender Vigilanz und kooperationsfähig sein. Die engsitzende Maske wird darüber hinaus leider oft als sehr beengend empfunden. ▶▶Wichtig: Klären Sie den Patienten über die Maßnahme auf und ▶▶setzen Sie die Maske zunächst mit der Hand auf das Gesicht des Patienten. ▶▶ Unter beruhigenden Worten lässt sich meist die Toleranz der Maske erreichen.

Abb. 1  Einfaches Schema zur Klassifizierung der Ursachen von Luftnot. Durch das Abhören des Patienten lassen sich die dafür nötigen Informationen gewinnen.

So lässt sich Luftnot klassifizieren akute Dyspnoe

„Brodeln“ alveoläres Ödem

„Giemen“ Bronchospasmus

anderes

Wörth T. Management bei Luftnot – Akutmaßnahmen. Lege artis 2011; 1: 46–49

Bildnachweis: Tim Wörth

Manchmal wird aufgrund des Allgemeinzustands des Patienten nur eine Aufnahme im Liegen möglich sein, manchmal wird man sie in der kritischen Notfallsituation erst nach der Intubation anfertigen können.


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Fachwissen: Schritt für Schritt ▶▶ Erst wenn dies funktioniert, sollte die Maske mit den Bändern am Kopf des Patienten befestigt werden.

Intubation  Ist die Vigilanz so stark eingeschränkt, dass der Patient nicht mehr kooperationsfähig ist, dann ist auch ein Masken-CPAP nicht mehr möglich. Hier bleibt nur die endotracheale Intubation. Die Entscheidung zur Intubation stellt oft eine Hemmschwelle dar, insbesondere für Nicht-Anästhesisten. „Soll man oder soll man nicht?“ ist dann die angstbesetzte Frage. Praxistipp  Meist ist die Indikation zur Intuba­ tion gegeben, sobald man daran denkt.

So wird die Intubation deutlich leichter: ▶▶ Die Narkose erst beginnen, wenn das Equipment vollständig und griffbereit ist. ▶▶ Kapnometrie und leistungsfähige Absaugung parat halten. ▶▶ Eine Larynxmaske und/oder einen Larynxtubus für den Fall des unerwartet schwierigen Atemweges bereit halten. ▶▶ Richtige Lagerung des Patienten (für RSI-Einleitung erhöhter Oberkörper). ▶▶ Richtige Lagerung des Kopfes in „SchnüffelStellung“ (d. h. ein Polster unter den Hinterkopf legen oder Intubationskissen verwenden). ▶▶Wenn irgend möglich, gute Präoxygenation mit 100 % Sauerstoff über die engsitzende Maske für einige Minuten. ▶▶Ausreichend tiefe Narkose. ▶▶ Im Zweifelsfall erfahrene Hilfe hinzuholen.

Bei Bronchospasmus: Bronchien weiten

▼▼ Ausatmen erleichtern per Inhalation  Der „gie-

mende“ Patient imponiert durch ein verlängertes Exspirium – verursacht durch die Engstellung der unteren Atemwege. Sein Problem ist das Ausatmen, was sich somit fundamental vom alveolären Ödem bei Pneumonie oder Lungenödem unterscheidet. Der therapeutische Ansatz ist die Bronchodilatation. ▶▶Schnell wirksam sind hierbei β2-Sympathomi­ metika, wie Reproterol oder Salbutamol. ▶▶Sofern möglich, sollte die Gabe inhalatorisch erfolgen (z. B. 5 Hübe Salbutamol als Erstgabe). Die Applikation der handelsüblichen Sprays ­gelingt in der Notfallsituation oft nur ineffektiv. ▶▶ Besser ist dann eine Inhalationsmaske, in deren Vernebler die Medikamente in flüssiger Form eingegeben werden und die über einen hohen Sauerstofffluss ein sehr feines Aerosol erzeugt.

Alternative Adrenalin  Nicht zu vergessen ist allerdings der stärkste Bronchodilatator – Adrenalin! Eine sehr gut wirksame Alternative ist somit die inhalative Gabe von Adrenalin

Wörth T. Management bei Luftnot – Akutmaßnahmen. Lege artis 2011; 1: 46–49

▶▶in einer Verdünnung von 1 mg Adrenalin auf 2–4 ml NaCl-Lösung 0,9 %. Zu beobachten sind in jedem Fall Herzfrequenz und Herzrhythmus, was ein lückenloses Monitoring des Patienten nötig macht.

Andere Applikationsformen  Reproterol und Salbutamol können auch intravenös, Terbutalin auch subkutan verabreicht werden. Hier sollte die Gabe fraktioniert unter o. g. Monitoring erfolgen. Kortikosteroide wirken langsam  Zuletzt kommen Glukokortikoide (Prednisolon oder Methylprednisolon) zum Einsatz. Ihre Wirkung tritt allerdings erst nach frühestens 15–30 min durch ein Abschwellen der Bronchialschleimhaut ein. Maskenbeatmung  Auch bei einem Bronchospasmus lässt sich das Masken-CPAP erfolgreich anwenden, einerseits zur Linderung des Symptoms „Dyspnoe“, andererseits, um wirkungsvoll einer Hyperkapnie zu begegnen. Die Inhalation von Bronchodilatatoren wirkt dem Bronchospasmus am schnellsten entgegen. Adrenalin verdünnt ist hier hervorragend wirksam.

Besonderheiten bei COPD  Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und daraus resultierender chronischer Hyperkapnie können auf die Sauerstoffgabe mit einem Verlust des Atemantriebs reagieren. Aufgrund des stets erhöhten arteriellen CO2-Partialdrucks erfolgt die Regulation des Atemantriebs über den chronisch erniedrigten O2-Partialdruck. Hier sind Vigilanz und Atemfrequenz das entscheidende klinische Merkmal. Mehrere Ursachen gleichzeitig  Vor allem bei multimorbiden und betagten Patienten kommt es oft zu Mischformen der beiden bisher genannten Krankheitsbilder „alveoläres Ödem“ und „Bronchospasmus“. Bei Mischformen orientiert man sich zunächst am führenden Symptom. Es kann im Zweifelsfall aber auch zweckdienlich sein, quasi zweigleisig beide Therapiestrategien zu verfolgen.

Bei anderen, potenziell lebensbedrohlichen Ursachen

▼▼ Lungenembolie  Die Verstopfung der Lungenarterien kann sich vielgestaltig äußern: Vom beschwerdefreien bis zum reanimationspflichtigen Patienten sind alle klinischen Bilder denkbar. Die häufigsten Symptome sind ▶▶ Dyspnoe, ▶▶Tachykardie und


Fachwissen: Schritt für Schritt ▶▶Thoraxschmerz. Entscheidend ist es (so banal es sich anhört), überhaupt an die Möglichkeit einer Lungenembolie zu denken und in einer kurzem Anamnese ­deren Risikofaktoren abzufragen. Dies sind z. B.: ▶▶ klinische Hinweise auf Thrombose ▶▶ kürzlich stattgehabte Operation ▶▶ Immobilisation durch Krankheit oder lange Flug- oder Busreise ▶▶ Exsikkose ▶▶Trauma ▶▶Thrombophilie Die definitive Diagnostik erfolgt mittels Echokardiografie und Thorax-CT mit Kontrastmittelgabe. ▶▶ Bei hochgradigem Verdacht auf eine Lungenembolie und Fehlen von Kontraindikationen gegen eine Antikoagulation können 10 000  IE unfraktioniertes Heparin i. v. gegeben werden. ▶▶Ansonsten erfolgt vor Diagnose-Sicherung zunächst nur die Sauerstoffgabe und die symptomatische Therapie. ▶▶ Bei hochgradigem Verdacht und Reanimation kann die Ultima-ratio-Lyse erfolgen.

Spontan-Pneumothorax  Das führende Symptom ist meist ein ▶▶stechender, plötzlich auftretender Thoraxschmerz, verbunden mit Dyspnoe. ▶▶ Das Atemgeräusch ist einseitig meist deutlich abgeschwächt oder gänzlich aufgehoben. Typischerweise wird der junge, asthenische Patient von einem Spontan-Pneumothorax ereilt. ▶▶ Die Erstmaßnahme ist immer die Sauerstoff­ gabe. ▶▶ Die Diagnosesicherung erfolgt mittels RöntgenThorax in 2 Ebenen, idealerweise in Exspiration! ▶▶Je nach Ausprägung kann die Therapie konservativ oder über eine Thoraxdrainage erfolgen. Spannungs-Pneumothorax  Gefürchtet ist der (seltene) Spannungs-Pneumothorax, der über ­einen Ventilmechanismus zu einer massiven Druckerhöhung im Pleuraspalt führt und die herznahen Venen komprimiert. Symptome sind neben den o. g. ▶▶zusätzlich Tachykardie, ▶▶ Hypotonie und zuletzt ▶▶Schock, wobei sich das klinische Bild des Patienten rasant verschlechtert. ▶▶ In diesem Fall ist die unmittelbare Punktion der Pleurahöhle nötig, um eine Druckentlastung zu erreichen. Aspiration  An die Aspiration muss vor allem bei Kindern und bei betagten Menschen gedacht werden. Eine (teilweise) Verlegung der Atemwege im Bereich des Kehlkopfes oder der Trachea führt zu einem inspiratorischen Stridor (nicht zu verwechseln mit dem exspiratorischen Giemen beim Bronchospasmus).

▶▶ Bei milder Symptomatik sollte der Versuch des Absaugens oral oder – meist einfacher – nasal erfolgen, wobei man während eines Hustenstoßes den Absaugkatheter oft bis in die Trachea vorschieben kann. ▶▶ Bei bedrohlichem Zustand bleiben nur Narkose und Intubation. Hier kann laryngoskopisch die Stimmritze inspiziert und ggf. ein Fremdkörper mittels Magill-Zange entfernt werden. Anschließend sind die Bronchoskopie und ein Röntgen-Thorax unumgänglich.

Fazit Die akute Dyspnoe muss rasch und wirkungs-

voll behandelt werden. Eine schnelle (Verdachts-)Diagnose ist essenziell. Die Erstmaßnahme ist immer die Sauerstoffgabe, bevorzugt via Gesichtsmaske. Eine erste Festlegung mittels Auskultation ermöglicht die Differenzierung zwischen alveolärem Ödem und Bronchospasmus oder anderen Ursachen. Die ­Therapie zielt im ersten Fall auf eine Senkung der Vorlast und Reduktion des Flüssigkeits­ volumens. Im zweiten Fall setzt die Therapie bei Bronchodilatation und Abschwellen der Bronchialschleimhaut an. Die anderen (und selteneren) Ursachen erfordern eine differenziertere Diagnostik und Therapie. ◀

Dr. med. Tim Wörth ist Facharzt für Innere Medizin an der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin am Klinikum Ludwigsburg. E-Mail: Tim.Woerth@kliniken-lb.de

Interessenkonflikt Der Autor erklärt, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.

Checkliste ▶▶ Gib dem Patienten Sauerstoff über eine Mund-­ Nasen-Maske mit Reservoir. ▶▶ Differenziere die Ursache rasch mittels kurzer Anamnese und Auskultation. ▶▶ Sorge durch ein adäquates Monitoring für Sicherheit des Patienten. ▶▶ Strebe 12-Kanal-EKG, arterielle Blutgasanalyse und Röntgen-Thorax an. ▶▶ Der schnelle Mechanismus beim alveolären Ödem ist das venöse Pooling durch Nitrate und Morphin. ▶▶ Der schnelle Mechanismus beim Bronchospasmus ist die inhalatorische Therapie, ggf. mit Adrenalin. ▶▶ Denke an seltenere, aber gefährliche Ursachen wie Pneumothorax, Lungenembolie oder Aspira­ tion. ▶▶ Denke an die Möglichkeit der nicht-invasiven ­Maskenbeatmung. ▶▶ Zögere nicht mit der Intubation, wenn Du sie als indiziert ansiehst.

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi. org/10.1055/s-s-0031-1272354

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Fachwissen: Forum Quiz

Quiz

Welche Diagnose stellen Sie?

Aufgrund der Klinik und des radiologischen Nachweises deutlicher ­bilateraler Infiltrate wird eine antibiotische Therapie mit Cefuroxim eingeleitet. Bei akuter respiratorischer Verschlechterung (SpO2 78 % unter 8 l Sauerstoff) muss die Patientin noch am Aufnahmetag notfallmäßig in Intubationsnarkose sektioniert werden. Postoperativ erfolgt die Aufnahme der beatmeten Patientin auf die Intensiv­ station, wo sie innerhalb der ersten 6 h extubiert werden kann.

Zwei Tage später kommt es erneut zu respiratorischer Erschöpfung mit Intubationspflichtigkeit bei deutlicher Progredienz der Infiltrate im Röntgen-Thorax anterior-posterior. Befunde nach 2. Reintubation: ▶▶ Kreislaufinsuffizienz mit Katecholaminpflichtigkeit ▶▶ deutlich eingeschränkter Gasaustausch: (PaO2/FiO2 initial <  150 mmHg) ▶▶ bilaterale Infiltrate (q Abb. 1 und 2), kein eitriges Trachealsekret ▶▶ im stationären Aufenthalt bis zur Reintubation unauffällige Infektparameter (Pro-Calcitonin 0,2 μg/l; Leukozyten 6,7 G/l, kein Fieber) ▶▶ Echokardiografie (TEE): Ejektionsfraktion 15 %

Bildnachweis: Tobias Schürholz

Im weiteren Verlauf kommt es zu einer erneuten respiratorischen Verschlechterung. Nach wenigen Stunden erfolgt die Reintubation.

Am Folgetag kann die Patientin erneut extubiert werden, bedarf ­jedoch einer intensiven Atemtherapie mittels intermittierender nicht invasiver Ventilation.

Abb. 1  Thoraxaufnahme kurz vor der 2. Reintubation.

Bildnachweis: Tobias Schürholz

Fallbeschreibung  Eine 35-jährige Patientin wird bei beginnender Wehentätigkeit bei bereits überschrittenem Geburtstermin im Kreißsaal aufgenommen. Bei Aufnahme imponiert eine periphere Sättigung von 90 % unter 4 l Sauerstoff-Insufflation. Die Patientin gibt an, seit ca. 3 Wochen an einem pulmonalen Infekt zu leiden, seit 2 Tagen habe sie produktiven Husten mit putridem Sekret.

Abb. 2  CT nach der 2. Reintubation.

Die Auflösung finden Sie auf der nächsten Seite  

q  q  q  q  q

Wie lautet der pathologische Befund? Erlaubt dieser Befund eine Diagnose? Wenn ja, welche? Sind Differenzialdiagnosen möglich? Wenn ja, welche?

Info Dieses Quiz wurde erstmals publiziert in: Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2010; 45: 475–476

Quiz – Welche Diagnose stellen Sie? Lege artis 2011; 1: 51–52


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Forum Fachwissen: Quiz

Quiz

Welche Diagnose stellen Sie?

Bildnachweis: Tobias Schürholz

LVAD, apikale Kanülierungsstelle

Abb. 3  Nach LVAD-Implantation deutliche Regredienz der Infiltrate.

Auflösung Befunde q  Röntgen-Thorax anterior-posterior: massive, bilaterale Infiltrate q  CT: Pleuraerguss rechts, deutlich dilatierter linker Ventrikel

Diagnose q  peripartale Kardiomyopathie mit beginnendem kardiogenem Schock

Differenzialdiagnose q  ARDS/Pneumonie

Dr. med. Frederick Stadermann PD Dr. med. Tobias Schürholz Fachübergreifende Klinik für Operative Intensivmedizin Erwachsene Universitätsklinikum der RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen E-Mail: tschuerholz@ukaachen.de

Quiz – Welche Diagnose stellen Sie? Lege artis 2011; 1: 51–52

Weiterer Verlauf  Bei der Verdachts­­dia­ gnose peripartale Kardiomyopathie wird bei hochgradig eingeschränkter linksventrikulärer Funktion (LVF) mit einer Ejektionsfraktion von 15 % und beginnendem kardiogenem Schock ▶▶eine intraaortale Ballonpumpe angelegt und ▶▶eine Therapie mit Levosimendan begonnen. Es gelingt eine Rekompensation der Patientin; die radiologisch nachweisbaren massiven Infiltrate sind deutlich regredient. Nach Beendigung der Levosimendantherapie erfolgt eine Kontroll-TEE, welche eine weiterhin hochgradig reduzierte LVF (17 %) zeigt. Im interdisziplinären Konsens mit der Kardiochirurgie wird die Entscheidung zur frühzeitigen Implantation eines linksventrikulären Unterstützungssystems als „Bridge-toRecovery“-Therapie gefällt: Am 6. Tag nach der Sectio erhält die Patientin ein LVAD („left ventricular assist device“). Postoperativ wird sie katecholaminfrei auf der Intensivstation übernommen. Die radiologischen Infiltrate sind deutlich regredient (q Abb. 3).

Rückblick  In Zusammenschau der erhobenen Befunde stellt sich der Krankheits­ verlauf retrospektiv als typisch für eine peripartale Kardiomyopathie dar. Die deut­ lichen Infiltrate, die initial als Pneumonie fehlgedeutet wurden, sind als kardial ­bedingtes Lungenödem zu interpretieren. Der Ausschluss der Differenzialdiagnose pneumoniebedingtes ARDS gelang letztendlich nur durch die TEE. Alle anderen ­ Parameter wie ▶▶akutes Auftreten, ▶▶ PaO2/FiO2  <  200 mmHg, ▶▶ PCWP  <  18 (Pulmonary Capillary Wedge Pressure) und ▶▶ bilaterale Infiltrate sind mit der Diagnose ARDS vereinbar gewesen. Empfehlung  Bei unklarer hämodynamischer und respiratorischer Verschlechterung eines ansonsten gesunden Patienten sollte, insbesondere bei progredientem Verlauf, zum Ausschluss einer kardialen Ursache nach Möglichkeit eine Echokardiografie durchgeführt werden.


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im Arbeitsalltag


Fachwissen: Kaleidoskop online

Kaleidoskop online Im „Kaleidoskop online“ stellen wir Ihnen Übersichtsartikel aus weiteren Thieme-Zeitschriften vor. Alle Artikel wurden von Experten geschrieben und sind von interdisziplinärem Interesse. Die folgenden Texte enthalten Passagen der Originalartikel und reißen das Thema in Kurzform an. Der unveränderte Artikel steht in der Online-Ausgabe von Lege artis – für Abonnenten natürlich kostenlos.

Hygiene

Ungeziefer im Krankenhaus – nicht nur lästig, sondern auch gefährlich! Parasiten und Hygieneschädlinge sind in Krankenanstalten und Pflege­ heimen eine besondere Bedrohung für Patienten und Personal. Wäh­rend Patienten lediglich der „Schädlingsfauna” ihres Zimmers bzw. ihres Körpers ausgesetzt sind, begegnen Pfleger und Ärzte den Erregern der gesamten Anstalt. Sie können diese auch in ihre Wohnung einschlep­ pen und so Familienangehörige gefährden. Daher ist es für den entspre­ chenden Personenkreis wichtig, nicht nur an der Arbeitsstätte auf Parasi­ ten und Schädlinge zu achten, sondern gerade den Import von derartigen Organismen ins eigene Heim zu unterbinden. Schädlinge und Parasiten  Die Krankenanstalten, das Pflegepersonal und die Pati­ enten werden von einer Reihe von Schädlingen und Parasiten bedroht, die wegen der vorgegebenen Bedingungen günstige Entwicklungsmöglichkeiten vorfinden. So ist es in Krankenhäusern oft relativ warm und feucht, zudem sind die Zimmer oft auch durch Lüftungskanäle verbunden. Die Zimmer werden häufig in kurzen Abständen von verschiedenen Personen (Pflegepersonal, Besucher, neue Kranke etc.) betreten. Das Pflegepersonal kommt täglich mehrfach in viele Zimmer und kann dabei leicht Erreger und Schädlinge verbreiten. Große Mengen an Nahrung – zum Teil aus fernen Ländern – werden täglich angeliefert und auch gelagert. Die Nahrungsaufnahme im Bett bedingt zwangsläufig das Anfallen von Essensresten im Bett, auf dem Boden oder in Ritzen. All das kann bei geöffneten Fenstern auch den Zuflug entsprechender Nahrungsverwerter von draußen bewirken. Da diese Gruppe von Insekten, Milben und Zecken auch Bakterien und Viren mechanisch verbreiten oder sogar aktiv als Vektor übertragen kann, muss ihr Auftreten beobachtet und ggf. sofort mit geeigneten Maßnahmen unterbunden werden.

Kaleidoskop online. Lege artis 2011; 1: 54–59

Definitionen

▼▼ Einteilung  Grob lassen sich 2 Gruppen

unterscheiden, wobei es zu Überschneidungen kommen kann: ▶▶Schädlinge ▶▶ Parasiten

Parasiten  Als Parasiten (von griech. parasitos = Vorkoster) werden Tiere bezeichnet, die ihre Nahrung ausschließlich auf Kosten anderer Organismen gewinnen, diese aber nicht ganz „auffressen”. Sie sind naturgemäß viel kleiner als ihre Wirte, häufig sogar mikroskopisch klein (z. B. die einzelligen Malaria-Erreger). Parasiten finden sich auf der Haut (Ektoparasiten) oder in inneren Organen (Endoparasiten). Sie bleiben dauerhaft (stationär, z. B. Krätzmilben, Läuse) oder temporär (z. B. Mücken) auf ihren Wirten. Bei Befall innerer Systeme können sie in Geweben, Zellen, im Blut oder im Darminhalt auftreten und dann bei Kontakt mit diesen Medien auf andere Personen übertragen werden. Blutsauger können zudem beim Saugakt noch Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten übertragen und so als Vektoren dienen.

Bildnachweis: PhotoDisc

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Abb. 1  Lichtmikroskopische Aufnahme eines Flohs. Die Blutsauger können auch im Krankenhaus zur Plage werden.

Schädlinge  Die Schädlinge umfassen 4 Untergruppen: ▶▶ Hygieneschädlinge. Von ihnen geht auf irgendeine Weise (als Verschlepper von Erregern oder als echter Parasit) eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen aus. In diese Gruppe gehören z. B. Milben, Läuse, Wanzen, Mücken, Zecken oder Flöhe (q Abb. 1). ▶▶Vorratsschädlinge. Sie befallen Nahrungsvorräte des Menschen, können diese aber auch so stark verkoten, dass davon wieder Gesundheitsgefahren ausgehen. Hierhin gehören z. B. Lebensmittelmotten, Brotkäfer etc. ▶▶ Materialschädlinge. Die Vertreter dieser Gruppe (z. B. Kleidermotte, Speckkäfer) befallen Materialien, die tierischen oder pflanzlichen Ursprungs sind. ▶▶ Lästlinge. Diese Tiere werden überwiegend nur als „lästig”, evtl. als „ekelerregend” empfunden, sind aber häufig Anzeiger anderer Mängel. So deutet starker Befall mit den „wuseligen” Staubläusen evtl. auf Pilzbefall von Wänden oder anderen Flächen hin.


Fachwissen: Kaleidoskop online

Parasiten und Schädlinge können als Vektoren Krankheitserreger übertragen und so das Problem ihrer Ansiedlung an sich noch zusätzlich verschärfen.

Im Folgenden sollen einige dieser ungemütlichen Zeitgenossen vorgestellt, ihre besondere Bedeutung für Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen hervorgehoben und aufgezeigt werden, wie sich ein Befall vermeiden bzw. bekämpfen lässt. Naturgemäß ist das nur ein kleiner Ausschnitt aus dem „Reich der Krabbeltiere” [1–6]. Diese 6- bzw. 8-beinige Armada lauert vielerorts in mannigfaltiger Ausprägung – manchmal mit geringen, manchmal mit explosionsartigen Vermehrungsraten.

Krätzmilben

▼▼

Die Krätzmilben des Menschen bzw. die Räudemilben der Haustiere stellen Rassen der Art Sarcoptes scabiei dar. Die Mil-

ben sind Verwandte der Spinnentiere und weisen daher mit Ausnahme des 6-beinigen Larvenstadiums 8 Beine am allerdings ungegliederten Körper auf. Die Krätzmilben gehören zu den sog. Grabemilben, die etwa 1 cm lange Gänge in der Epidermis fressen (Krankheit: Scabies). Sie dringen nie tiefer ein, aber durch bakterielle Superinfektionen können dennoch massive Krankheitserscheinungen auftreten [4, 7, 8]. Da die Infektion häufig nur von einem begatteten Weibchen ausgeht und zunächst nur geringgradige Symptome auftreten, bleibt ein Befall relativ lange unbemerkt. Der Betroffene kann so andere infizieren – die Rückverfolgung der Herkunft einer ­Infektion ist meist aussichtslos.

Gefährdete Hautpartien  Die Ansiedlung der Milben erfolgt nach der Übertragung meist in besonderen Bereichen, sog. Prädilektionsstellen mit weicher, besonders warmer Haut. Bei Ärzten und Pflege-

Psychiatrie und Psychotherapie

Zwangsspektrumerkrankungen Forschung und klinische Beobachtung zeigen zunehmend, dass die Zwangsstörung viele Gemeinsamkeiten mit anderen psychischen und neurologischen Störungen hat. Diese Störungen werden von einigen Experten als „Zwangsspektrumerkrankungen“ bezeichnet. Die Symp tome dieser Erkrankungen gleichen nicht nur Zwangsgedanken und -handlungen, sie zeigen auch viele weitere Gemeinsamkeiten. Charakteristika der Zwangsstörung Die Zwangsstörung ist durch wiederkehrende und anhaltende (Zwangs-)Gedanken und / oder Handlungen charakterisiert. Die Zwangshandlungen (z. B. Reinigungsrituale) werden wiederholt ausgeführt, um Anspannung und Ängste zu mindern, die aus den Zwangsgedanken (z. B. „Ich werde mich mit einer ansteckenden Krankheit kontaminieren.”) ­resultieren. Zwangsgedanken sind normalerweise ich-dyston, d. h. der Betroffene sieht diese Gedanken – zumindest zu irgendeinem Zeitpunkt im Verlauf der Störung – als übertrieben oder unbegründet an. Die Zwangsgedanken oder -handlungen führen zu einer erheblichen Belastung, sind zeitaufwendig oder beein-

trächtigen deutlich die soziale oder berufliche Funktionsfähigkeit des Patienten. Zu den Zwangsspektrumerkrankungen werden verschiedene Störungen gezählt, die durch repetitive Gedanken und Handlungen gekennzeichnet sind.

Die Zwangsstörung als Angststörung In der aktuellen DSM-IV-TR-Klassifikation (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wird die Zwangsstörung gemeinsam mit der Agoraphobie, der Panikstörung, der generalisierten Angststörung und der posttraumatischen Belastungsstörung als Angststörung kategorisiert. Für die neue Auflage des Diagno-

personal sind dies die Bereiche an der Basis der Finger (wegen des Handkontakts bei der Pflege bzw. Untersuchung). [...] Originalbeitrag erschienen in: Krankenhaushygiene up2date 2010; 5: 9–22, Titel: Ungeziefer im Krankenhaus und Pflegeheim – Nicht nur lästig, sondern auch gefährlich! Autor: Heinz Mehlhorn Sie wollen den ganzen Beitrag lesen? Kein Problem! Den ungekürzten Artikel finden Sie auf www.thieme-connect.de/ ejournals/toc/legeartis. Als Abonnent melden Sie sich dort einfach mit Ihrem Benutzernamen und Ihrem Passwort an. Viel Spaß beim Lesen!

Beitrag online zu finden unter http://dx. doi.org/10.1055/s-0029-1244003

semanuals DSM-V wird diskutiert, die Zwangsstörung und verwandte Erkrankungen, die durch repetitive Gedanken und Handlungen gekennzeichnet sind, zur Gruppe der „Zwangsspektrumerkrankungen” zusammenzufassen. In diesem Zusammenhang untersucht man Gemeinsamkeiten in Phänomenologie, Komorbidität, Epidemiologie, Genetik, Neurobiologie und Ansprechen auf Therapie.

Zwangsspektrumerkrankungen  Das Interesse an der Zwangsstörung hat Wissenschaftler dazu geführt, einerseits Subtypen der Störung zu definieren, andererseits andere psychiatrische und neurologische Erkrankungen auf mögliche klinische und / oder ätiopathologische Gemeinsamkeiten zu untersuchen. ▶▶Störungen, die aufgrund von Gemeinsamkeiten in verschiedenen Bereichen mit der Zwangsstörung eng verknüpft zu sein scheinen, werden „Zwangsspektrumerkrankungen” genannt. Beispiele für Zwangsstörungen  In dieser Arbeit soll zunächst ein kurzer Überblick über Subtypen der Zwangsstörung gegeben werden, da ein Verständnis der Heterogenität der Zwangsstörung die Konzeptualisierung des Zwangsspektrums verdeutlicht. Daraufhin werden 4

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Fachwissen: Kaleidoskop online dem Spektrum zugeordnete Erkrankungen exemplarisch genauer betrachtet, um anschließend das Konzept der Zwangsspektrumerkrankungen kontrovers zu diskutieren. Diese Störungen sind: ▶▶die körperdysmorphe Störung, welche sich als eine der Zwangsstörung am nächsten stehende Störung herausstellen könnte ▶▶die Hypochondrie, die sehr heterogen erscheint, einschließlich eines Subtyps, der wahrscheinlich mit der Zwangsstörung im Zusammenhang steht, und anderen Subtypen, die eher mit Störungen außerhalb des Zwangsspektrums in Zusammenhang zu stehen scheinen ▶▶die Trichotillomanie, eine Impulskon­ trollstörung, zu der es widersprüchliche Daten zu einer Beziehung zur Zwangsstörung gibt ▶▶die Tic-Störung bzw. das TouretteSyndrom Die Zwangsstörung ist keine einheitliche Störung. Sie lässt sich aufgrund klinischer Symptome, aber auch aufgrund von Behandlungsoptionen oder der Ätiologie in Subtypen unterteilen.

Abb. 2  Patienten mit körperdysmorpher Störung sind oft mit ritualisierten Handlungen beschäftigt, um die innere Anspannung zu verringern. So folgt z. B. die Pflege des Äußeren einer bestimmten Reihenfolge und muss wiederholt werden, wenn sie unterbrochen wird.

Subtypisierung der Zwangs­störung Unterteilung nach Symptomen

▼▼ 4-Faktoren-Modell  Es hat viele Versuche gegeben, die Zwangsstörung in Sub­ typen zu unterteilen – meistens aufgrund der unterschiedlichen klinischen Symptome. Neuere Studien zu Zwangsgedanken und -handlungen bevorzugen ein 4-Faktoren-Modell [1]: ▶▶aggressive, sexuelle und religiöse Zwangsgedanken und Kontrollzwänge ▶▶Symmetrie- und Ordnungszwänge ▶▶ Kontaminations-Zwangsgedanken und Reinigungszwänge ▶▶Sammelzwänge

Behandlungsoptionen  Auf klinischer Symptomatik basierende Subtypisierungen sind nicht nur von akademischem Interesse, da sie auch Auswirkungen auf die Behandlungsoptionen haben können. ▶▶So zeigen sich z. B. bei Reinigungs- und Kontrollzwängen gute Erfolge durch Expositionstraining, während dies bei Patienten, die keine offenen Rituale haben, sondern z. B. an Gedankenritualen oder zwanghafter Langsamkeit leiden, weniger erfolgreich angewandt wird. ▶▶Gleichzeitig sind Sammelzwänge sowohl durch Psychotherapie als auch durch Psychopharmaka schlechter zu beeinflussen. ▶▶ Patienten mit einer Tic-Störung scheinen neben einer Therapie mit selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmern von einer zusätzlichen Therapie mit Antipsychotika zu profitieren.

Ätiologische Unterteilung

▼▼ Neurobiologie  Die Beschreibung von

Zwangsstörungen, die sich nach einer Encephalitis lethargica oder einer Hirnverletzung entwickelt haben, unterstreichen neben Befunden moderner Bildgebungsstudien die Wichtigkeit der Neurobiologie im Rahmen der Zwangsstörung, welche früher als „neurotische” Störung bezeichnet wurde. Neben dem Interesse an Entstehungsmechanismen steigt auch das Interesse für neue Therapieoptionen – so z. B. durch die Beschreibung von Kindern, die nach einer Streptokokkeninfektion einen Zwangsstörungssubtyp namens PANDAS (Pediatric Autoimmune Neuropsychiatric Disorders Associated with Streptococcus Infections) entwickelten. Bildnachweis: Daniela Erhard/Thieme Verlagsgruppe (nachgestellte Situation)

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„Early-Onset” Einige Autoren haben von epidemiologischen und neurobiologischen Studien abgeleitet, dass eine „EarlyOnset”-Form der Zwangsstörung existiert. Darunter wird eine Erkrankung verstanden, die v. a. männliche Jugendliche betrifft und oftmals mit motorischen Tics und leichten neurologischen Symptomen (neurological soft signs) einhergeht. Heterogenität  So wird die Zwangsstörung zunehmend als heterogener Zustand angesehen. Dies sollte beim Versuch, das Konzept der Zwangsstörung auf ein breiteres Störungsspektrum anzuwenden, nicht außer Acht gelassen werden. Alternativ zu der beschriebenen Subtypisierung kann die Zwangsstörung konzeptuell auch als eine Form in einem breiten Spektrum von affektiven Störungen oder aber auch als eine Gruppe von Störungen, die zwischen den affektiven Störungen und den Suchterkrankungen steht, gesehen werden.

Subtypisierung des Zwangs­spektrums Die Zwangsspektrumerkrankungen lassen sich in 3 Gruppen unterteilen: ▶▶ Störungen, die die ständige Sorge um den eigenen Körper oder das eigene Aussehen beinhalten (q Abb. 2), ▶▶ neurologische Störungen und ▶▶ Impulskontrollstörungen.

Unterteilung nach Hollander ­Störungen wurden aufgrund von Gemeinsamkeiten mit der Zwangsstörung dem Zwangsspektrum zugeordnet. Die klinische Symptomatik ist gewöhnlich der Ausgangspunkt für die Entscheidung, ob eine Störung ein Kandidat für das Zwangsspektrum sein könnte. [...] Originalbeitrag erschienen in: Psychiatrie und Psychotherapie up2date 2010; 4: 161–176, Autoren: Matthias Anlauf, Andreas Kordon Sie wollen den ganzen Beitrag lesen? Kein Problem! Den ungekürzten Artikel finden Sie auf www.thieme-connect.de/ ejournals/toc/legeartis. Als Abonnent melden Sie sich dort einfach mit Ihrem Benutzernamen und Ihrem Passwort an. Viel Spaß beim Lesen!

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Fachwissen: Kaleidoskop online Rückenmarkkompression

Pädiatrische Intensivmedizin

Kinderonkologische Intensivmedizin Kinder mit Krebserkrankung haben häufig eine gute bis exzellente Pro­ gnose. Umso wichtiger ist es, kinderonkologische Notfälle korrekt und erfolgreich zu versorgen. Infektionsbedingtes respiratorisches Versagen oder eine volumenrefraktäre Hypotonie nach septischem Schock sind die Hauptgründe, warum junge Krebspatienten auf die Intensivstation kommen. Ein primär kardiales Versagen ist zwar seltener, kann jedoch insbesondere bei einem malignen Perikarderguss (cave: Burkitt-Lym­ phom) oder nach hoher kumulativer Anthrazyklindosis ebenfalls auftre­ ten. Die Ursache kann dabei in der Grunderkrankung selbst oder in den Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie liegen (q Abb. 3).

Erkrankungsassoziierte Notfallsituationen Thymus- bzw. Mediastinaltumor

▼▼ Respirationsstörungen

häufig  T-ZellNeoplasien zeichnen sich durch eine hohe intrinsische Proliferationsrate aus. Kinder mit ▶▶T-Zell-Leukämie, ▶▶T-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom, ▶▶seltener auch Keimzelltumor oder ▶▶ Neuroblastom können deshalb rasch eine mechanisch bedingte respiratorische Insuffizienz durch einen Thymustumor entwickeln. Kinder mit Mediastinaltumor leiden oft schon unter einer erheblichen kompres­ sionsbedingten Lumenminderung der Atemwege, wenn deutliche klinische ­Zeichen auf die drohende schwere Respirationsstörung noch fehlen.

Biopsie – ja oder nein?  Ein Dilemma ergibt sich häufig daraus, dass für die weitere Therapie der Grunderkrankung die genaue morphologische, zyto- und molekulargenetische Charakteristik der Raumforderung im vorderen oberen Media­ stinum entscheidend ist. Das macht eine ­Biopsie notwendig. Andererseits drohen aber selbst bei kleineren invasiven Eingriffen, also auch bei einer Biopsie, schwere Narkosekomplikationen im Sinne eines „mediastinal mass syndrome”. ▶▶Wenn das Blutbild in Verbindung mit erhöhten LDH- und Harnsäurewerten Hinweise auf eine Leukämie bietet, ist daher eine Knochenmarkpunktion in Lokalanästhesie und milder Sedierung einer Biopsie bei Weitem vorzuziehen.

▶▶ Einen begleitenden Pleura- oder Perikarderguss punktiert man vorab, da bereits das Zytozentrifugenpräparat oft eine definitive Diagnose erlaubt und sich außerdem durch die Punktion die Symptomatik rasch bessern kann. Differenzialdiagnostisch können media­ stinale Keimzelltumoren aufgrund oft exorbitant erhöhter Tumormarker (β-HCG, α-1-Fetoprotein) und mediastinale Neuroblastome anhand der Katecholaminabbauprodukte (Homovanillinmandelsäure, Vanillinmandelsäure) abgegrenzt werden. Die Metaboliten eines in ca. 80 % katechol­ aminproduzierenden Neuroblastoms führen intermittierend oft zu stark hyper­ tonen Blutdruckwerten. Wenn die primäre invasive Diagnostik ­ ines großen Mediastinaltumors wegen e eines lebensbedrohlichen Zustandsbilds unmöglich ist, ist eine empirische zytoreduktive Therapie mit Prednison (0,5– 1 mg/kg KG) notwendig. Bei ausbleibendem Therapieerfolg (Zeichen der Tumorlyse im Blut? Abnahme der Raumforderung?) ist die Therapie schon nach 24– 48 h mit Cyclophosphamid (100–200 mg/ m2 Körper­oberfläche) zu erweitern.

▼▼ Vielfältige Ursachen  Die onkologischen

Ursachen einer Rückenmarkkompression im Kindesalter sind zahlreich: ▶▶ Ewing-Sarkom ▶▶Osteosarkom ▶▶Weichteilsarkome ▶▶ Neuroblastome ▶▶ Lymphome ▶▶ZNS-Tumoren (Ependymome) ▶▶ Blutungen Die Symptomatik beginnt oft unspezifisch mit Kopf- oder Rückenschmerzen. Bei Kindern mit maligner Erkrankung und Kreuzschmerzen besteht solange der Verdacht auf eine Rückenmarkkompression, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Therapie schnell einleiten  Bei Non-­ Hodgkin-Lymphomen ist das Rückenmark in der Regel nicht der einzige Befallsort. Die Wahrscheinlichkeit einer irreversiblen neurologischen Schädigung hängt ab vom Ausmaß, v. a. aber auch von der Dauer der Rückenmarkkompression. ▶▶ Eine Myelonkompression erfordert daher rasches Handeln. Das Intervall zwischen ersten neurologischen Symptomen und einem kompletten QuerAbb. 3  Chemotherapeutika in der Kinderonko­ logie bergen auch Risiken für Komplikationen, wie z. B. Thrombosen oder Intoxikationen. Der Umgang mit solchen Nebenwirkungen sollte daher nicht nur theoretisch beherrscht werden.

Nach 48–72 h und in der Regel rasch schrumpfender Raumforderung kann man die Biopsieentnahme meist gefahrlos durchführen. Wegen der oft hohen Chemotherapie-Sensitivität von Non-Hodgkin-Lymphomen, Leukämien und Keimzelltumoren sollte man allerdings keine ungezielte, empirische Therapie mehr einsetzen, da sonst möglicherweise eine genaue histologische Befunderstellung unmöglich wird.

Bildnachweis: Stefan Mugrauer/Thieme Verlagsgruppe (Symbolbild)

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Fachwissen: Kaleidoskop online schnitt ist oft sehr kurz (bei NonHodgkin-Lymphomen in der Regel weniger als 1 Woche). ▶▶Wenn die Diagnose einer lymphatischen Neoplasie aus anderen Manifestationsorten gesichert werden kann, ist eine unverzügliche Therapie mit hochdosierten Steroiden einzuleiten. ▶▶ In allen anderen Fällen ist die rasche operative Dekompression unumgäng-

lich (meist durch Hemilaminektomie, seltener komplette Laminektomie oder nur durch Laminotomie). Die neurologische Restitution hängt jedoch nicht von einer kompletten Resektion des Tumors ab. [...] Originalbeitrag erschienen in: Intensivmedizin up2date 2010; 6: 149 – 162, Autor: Arndt Borkhardt

Chirurgie

Frühe postoperative Wundinfektion Postoperative Wundinfektionen stellen schwerwiegende Komplikatio­ nen nach Verletzungen und traumatologisch-orthopädischen Eingriffen dar. Sie sind nach Harnwegsinfekten die zweithäufigste Ursache noso­ komialer Infektionen und treten infolge einer Gewebeinvasion durch pathogene Mikroorganismen auf. Die suffiziente Diagnostik und Thera­ pie einer postoperativen Wundinfektion sind für den Behandlungs­ erfolg ausschlaggebend – und unumgänglich, wenn man schwerwie­ gendere Komplikationen wie Sepsis, chronische Osteomyelitis oder postinfekti­öse Arthrose vermeiden will. Bedeutung in der Praxis  Postoperative Wundinfektionen tragen erheblich zur Morbidität und Mortalität chirurgischer Patienten bei, so z. B. als schwerwiegende Komplikation nach Verletzungen und traumatologisch-orthopädischen Eingriffen. Neben Virulenz und Konzentration der verursachenden Mikroorganismen sind der Immunstatus des Patienten und

Bildnachweis: M. Kalbitz, H. von Baum. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2009; 4: 49–62

Abb. 4  Immer noch eine häufige Ursache für postoperative Entzündungen: der kontaminierte Handschuh des Chirurgen. Der Abdruck auf Nähr­ agar macht die Bakterien sichtbar.

(implantierte) Fremdmaterialien für Art und Ausmaß der Wundinfektion entscheidend. Die frühe postoperative Wundinfektion lässt sich einteilen in: ▶▶ Haut- und Weichteilinfektionen ohne Knochenbeteiligung ▶▶ Haut- und Weichteilinfektionen mit und ohne Implantat ▶▶Osteitis posttraumatisch/postoperativ ▶▶ Infekt nach Fremdkörperimplantation

Entstehung  Die frühe postoperative Wundinfektion ist Folge einer intra- oder perioperativen oder verletzungsbedingten Gewebeinvasion durch pathogene Mikroorganismen, deren zunächst lokale Vermehrung und die daraus resultierende Gewebedestruktion. Ein weiterer Infektionsweg ist die hämatogene Streuung über einen wundfernen Infektionsort, wie etwa nach Zahnbehandlungen oder Eingriffen am Gastrointestinaltrakt. Zeitpunkt des Auftretens  Willenegger und Roth klassifizierten 1986 postoperative Infektionen aufgrund klinischer Erfahrungen in: ▶▶frühe (innerhalb der ersten 2 Wochen) ▶▶verzögerte (nach den ersten 2 Wochen) ▶▶späte (nach den ersten 10 Wochen) Infektionen

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Für die Infektion von Gelenkprothesen gelten erweiterte Zeitintervalle. Hier spricht man von einer Frühinfektion bei Infekten in den ersten 3 Monaten nach Implantation.

Epidemiologie  Postoperative Wundinfektionen stellen nach Harnwegsinfekten die zweithäufigste Ursache nosokomialer Infektionen dar. Schätzungsweise 2–5 % aller Patienten entwickeln einen postoperativen Wundinfekt – abhängig von individuellen Faktoren, der Art des Eingriffs und den jeweiligen Umgebungsbedingungen der durchführenden operativen Einrichtung. Ein wesentlicher Risikofaktor ist das Ausmaß der Kontamination des Operationsgebietes. Hier erfolgt eine Unterteilung in die Kategorien: 1. sauber 2. sauber-kontaminiert 3. kontaminiert 4. infiziert Je nach Art des Eingriffs liegen die Infektionsraten für Primäreingriffe bei <  1 % (nach Hüft-TEP) bis ca. 7 % (kontaminiertes Gewebe). Bei Revisionseingriffen steigen die Komplikationsraten erheblich an. Ätiologie  Bei Infektionen unterscheidet man zwischen ▶▶endogenen (ca. 90 %) und ▶▶exogenen (ca. 10 %) Infektionsquellen. Exogene Infektionsquellen spielen ins­ besondere bei „sauberen” Eingriffen und hier bei der Implantation von Fremd­ körpern eine wichtige Rolle.

Risikofaktoren  Neben der Virulenz der jeweiligen Erreger beeinflusst eine Vielzahl von patienteneigenen Risikofaktoren das Auftreten einer postoperativen Wundinfektion.


Fachwissen: Kaleidoskop online Zu den endogenen Risikofaktoren zäh­ len: ▶ hohes Lebensalter ▶ schlechter Ernährungszustand ▶ Diabetes mellitus ▶ periphere arterielle Verschlusskrank­ heit ▶ Immunsuppression ▶ Kortikosteroid­Einnahme ▶ Adipositas ▶ konsumierende Erkrankungen Als exogene patientenassoziierte Risikofaktoren wurden u. a. identifiziert: ▶ Alkoholismus ▶ Nikotinabusus ▶ Länge des präoperativen stationären Aufenthaltes Davon zu unterscheiden sind die interventionsassoziierten Risikofaktoren. Hierzu gehören beispielsweise: ▶ Länge des operativen Eingriffs ▶ Durchführung und Zeitpunkt einer Rasur der Inzisionsstelle

▶ Operationstechnik ▶ perioperative Hypothermie ▶ Verwendung und Liegedauer von Drainagen ▶ Anzahl der notwendigen Revisionen Die Rolle der perioperativ transfundier­ ten Erythrozytenkonzentrate wird in der Literatur kontrovers diskutiert.

Infektionen nach Knochenbrüchen Das Auftreten einer postoperativen Infektion nach Frakturen wird maßgeblich vom Frakturtyp und von der Schwere des vor­ liegenden Weichteilschadens beeinflusst. Ein direktes Trauma kann zu Nekrosen in Weichteilen und Knochen führen und so die Kontamination mit pathogenen Orga­ nismen begünstigen. Das Risiko für eine postoperative Wundinfektion liegt bei offenen Frakturen bei 6,2 % und bei III ° offenen Frakturen sogar bei über 10 %, wo­ hingegen bei geschlossenen Frakturen nur in 1,9 % der Fälle mit einer Infektion zu rechnen ist. […]

Originalbeitrag erschienen in: Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2009; 4: 49–62, Autoren: Miriam Kalbitz, Heike von Baum Sie wollen den ganzen Beitrag lesen? Kein Problem! Den ungekürzten Artikel finden Sie auf www.thieme-connect.de/ ejournals/toc/legeartis. Als Abonnent melden Sie sich dort einfach mit Ihrem Benutzernamen und Ihrem Passwort an. Viel Spaß beim Lesen!

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„Es war mein erster Notarzt-Dienst, und er war eigentlich schon vorbei“, sagt Imke Vennel* im Rückblick. „Ich habe nur noch auf die Ablösung durch unseren Oberarzt gewartet.“ Die Assistenzärztin in der Anästhesie ist damals 27 Jahre alt. Ein Freitagnachmittag ist es, kurz vor Weihnachten, und sie freut sich auf das Wochenende. Gegen 17 Uhr kommt die Meldung der Leitstelle: „Reanimation“. Einsatzort: Ein einsam gelegener Bauernhof in Mittelfranken.

Bildnachweis: Gabi Hasenmaile / Thieme Verlagsgruppe

Einsatz am Kuhstall


Schlüsselerlebnis

M

ehr als eine halbe Stunde dauert es, bis das NEF in den verschneiten Feldweg einbiegt und schließlich in einem düsteren Innenhof hält. Ein RTW mit zwei Rettungsassistenten ist auch gerade angekommen. Es ist bereits dunkel. Links liegt das Bauernhaus, rechts der Kuhstall, dahinter der Wald.

Beginn der Reanimation  Imke Vennel steigt aus. Feuchte, kalte Luft schlägt ihr entgegen. Bei jedem Schritt versinkt sie knöcheltief im Matsch. „Zuerst sah ich nur einen unförmigen Haufen im Hof liegen“, sagt sie. „Dann erkannte ich, dass das eine Frau war, groß und adipös, vielleicht 70 Jahre alt.“ Die Ärztin ist als Erste bei der Patientin, kniet sich hin und kontrolliert die Vitalzeichen. Kein Puls, keine Atmung. „Wenn da überhaupt noch was zu retten ist“, denkt sie und beginnt mit der Reanimation. Dubiose Umstände  Ein Mann erscheint neben der Frau. Mitte dreißig, lockige Haare, trotz der Kälte hat er nur ein Hemd an. Um seinen Hals hängt ein Stethoskop. Ein Arzt aus der Umgebung, den man ­gerufen hat, heißt es. Vennel schaut ihn fragend an. „Sie lag im Wald und hat bis vor 3 Minuten noch geschnappt“, meint der Kollege. Dann hätten ein Verwandter und er sie hergebracht. Und dann die Frau einfach in den Schneematsch gelegt? Warum nicht ins Haus, oder wenigstens in den Kuhstall? Die Ärztin versteht die Geschichte nicht, doch für Diskussionen hat sie keine Zeit – jetzt ist erst mal die Routine dran. Imke Vennel wendet sich wieder der Patientin zu und stutzt: „Da sah ich diese Kopfwunde. Vom Haaransatz bis zum Nasenbein, eine tiefe, blutige Wunde, in der Zickzack-Form eines Blitzes.“ Aber der gebrochene Schädel muss warten, Vennel konzentriert sich auf die Reanimation. Das EKG zeigt eine Nulllinie, asystol, der Defi macht keinen Sinn. Dann sind die Rettungsassistenten da. Einer übernimmt die Thoraxkompressionen, die Notärztin rückt an ihren Platz am Kopf der Patientin. Ein anderer Assistent versucht derweil, einen Zugang zu legen. Das dauert. „Wie im Film“  Als Vennel sich nach dem angeblichen Arzt umschaut, ist dieser verschwunden. Sie sieht ihn nie wieder. ­Dafür erscheinen zwei andere Männer: Familienangehörige. „Sorgen Sie doch mal für Licht!“ ruft Vennel. Die beiden ver-

schwinden und kommen mit zwei altertümlichen Petroleum-Laternen zurück. Damit stellen sie sich rechts und links ­neben die Patientin. Die Beleuchtung ist alles andere als optimal. Das Licht flackert gelb auf der näheren Szenerie, Schatten tanzen über den nassen Boden und den leblosen Körper. Dieses Bild hat Vennel bis heute vor ­Augen: „Ich sehe die Frau noch vor mir: Großer, eckiger Kopf mit dieser offenen Wunde, dunkle Haare, grüner Wollpullover, Gummistiefel. Dazu das Kleng-Kleng der Laternen, die muhenden Kühe im Stall und der kalte Wind – richtig gespenstisch, wie im Film, war das alles.“

Schwer geschädigt  Als der Rettungsassistent eine brauchbare Vene am Hals findet, gibt Vennel der Patientin Atropin und Adrenalin. „Zu der Zeit galten noch die Leitlinien von 2005, inzwischen gibt es ja neue.“ 20 Minuten Reanimation sind mindestens empfohlen. Zwischendurch intubiert die Ärztin. „Das klappte erstaunlich gut, ich spürte ein leises Gefühl der ­Erleichterung.“ Die Routineabläufe geben ihr ein wenig Sicherheit. Als sie die Verwandten zwischendurch nach Vorerkrankungen der Frau fragt, murmeln die Männer etwas von Bluthochdruck und Diabetes. „Bei ihrem Körperumfang sicher nicht das Einzige“, denkt Vennel, und: „Die arme Frau“. Die Ärztin hat Zweifel, ob sie der Patientin wirklich noch eine erfolgreiche Wiederbelebung wünschen soll. Nach einer halben Stunde in Schnappatmung – wenn überhaupt! – wäre ihr Gehirn so schwer geschädigt, dass sie nie mehr die sein würde, die sie vorher war.

„Ich konnte doch nicht einfach sagen: Hallo, die Oma ist gerade gestorben.“ Herzaktion  Als die 20 Minuten Reanimation vorbei sind, haben Kälte und Nässe sich überall festgesetzt. „Ich dachte, Gott sei Dank ist es vorbei – für die Frau und für uns. Fertig.“ Sie wirft einen letzten Blick auf den Monitor: Kammerkomplexe, Herzaktion. Allerdings unregelmäßig, ein stabiler Kreislauf sieht anders aus. Und was nun? „Bis dahin war alles klar für mich, es gab einen Algorithmus, und den habe ich durchgezogen.“ Nun muss sie entscheiden, wie es weitergeht.

In den Rettungswagen  Die Frau kann jedenfalls nicht im Schneematsch liegen bleiben. „Wir bringen sie in den Wagen“, sagt Vennel. Gemeinsam versuchen die Männer, die schwere Patientin auf die ­Trage zu bekommen – ein Balanceakt. Im Schneematsch können sie kaum das Gleichgewicht halten. Vennel sichert den Tubus. Doch die Infusionsleitung bleibt an der Trage hängen, der Zugang wird herausgerissen. Vennel weiß, dass es jetzt sehr schwierig wird, einen neuen Zugang zu bekommen. Sie wehrt sich gegen die aufkeimende Verzweiflung. „Los, in den Wagen“, sagt sie, und irgendwie schaffen sie es in den Rettungswagen. Hier ist es wenigstens trocken und hell, alle Geräte sind zur Hand. Die Assistenten ziehen die Tür hinter sich zu. Weitere Therapie  Die Reanimation wird kurz ausgesetzt zur Analyse, das EKG zeigt Kammerkomplexe. Das Herz macht irgendwas. Vennel tastet nach dem Puls, doch weder peripher noch an der A. carotis findet sie ihn. Der Blutdruck ist nicht messbar. Ein neuer Zugang lässt sich nicht etablieren, und dann werden auch die Kammerkomplexe wieder schwächer. Die Adrenalingabe über den Tubus zeigt keine Effekte, die fortgesetzte Reanimation bleibt erfolglos. Imke Vennel gelangt zu der Einsicht: Die Frau ist tot. Tochter und Enkelin  In diesem Augenblick klopft jemand von außen an den RTW. Vennel öffnet die Tür: Draußen steht die Tochter der Toten, blass und panisch. In der einen Hand hält sie ihren Regenschirm, an der anderen ein kleines Mädchen. Vennels Gedanken überschlagen sich. Jetzt möglichst ruhig und professionell bleiben. „Ich konnte doch nicht einfach sagen: Hallo, die Oma ist gerade gestorben. Die Leute hätten das nicht gepackt.“ Stattdessen erklärt sie nur kurz, was das Team gemacht hat, dass alles Menschenmögliche getan werde, aber dass mit dem Schlimmsten zu rechnen sei. Dann schließt sie die Tür wieder. Sie fühlt sich nicht wohl bei dem Gedanken, die Angehörigen so im Ungewissen zu lassen. Aber etwas Besseres fällt ihr nicht ein. Abtransport  Im Rettungswagen schaut Vennel auf die Tote. Sie weiß: Ein Transport ins Krankenhaus ist eigentlich nicht möglich. Nach den örtlichen Vorschriften darf keine Leiche im RTW transportiert werden. „Aber was sollte ich tun?“, fragt sie im Rückblick. „Die Tote einfach ins Haus bringen, so wie sie war, mit offener

*Name geändert Rojahn J. Einsatz am Kuhstall. Lege artis 2011; 1: 60–63

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Schlüsselerlebnis Stirn und voller Schlamm? Sollte ich sie dort ablegen, bis am nächsten Tag der ­Bestatter kam?“ Sie denkt an die verstörten Gesichter von Tochter und Enkelin, die immer noch vor dem Rettungswagen im Schneeregen stehen. Es erscheint ihr unnötig grausam gegenüber der Familie, die Verstorbene auf dem Hof zurückzulassen. Vennel versucht, in der Klinik um Rat fragen, aber keines der Mobiltelefone hat Empfang. „Fahren wir los in Richtung zivilisierte Welt“, entscheidet sie. Denn in gewisser Weise, so findet Vennel, hat die Frau im RTW ja auch noch gelebt. Und ist man nicht eigentlich schon unterwegs, sobald man mit der Patientin im Auto ist? Dann wäre die Frau ja erst unterwegs gestorben. Aber wo genau? Vennel schaut aus dem RTW, sicherheitshalber notiert sie noch einen der Orte, die draußen vorbeiziehen. Sie fahren langsam und ohne Blaulicht, entfernen den Tubus und decken die Frau zu. Nach vielen Kilometern bekommt Vennels Telefon endlich wieder Empfang. Sie berichtet erleichtert an ihren Oberarzt.

Bildnachweis: Bettina Rakowitz / Thieme Verlagsgruppe (Symbolbild)

Ankunft im Krankenhaus  An der Klinik angekommen, empfängt er sie an der Krankenzufahrt. Selten war die

Ärztin so froh, ihn zu sehen. Doch leider weiß auch der Oberarzt nicht so recht, wie mit der Leiche verfahren werden soll. Er muss erst mal das entsprechende Protokoll suchen. Die Ärztin sitzt derweil allein mit der Toten im Klinikflur. Die Rettungsassistenten beginnen, den Wagen zu reinigen.

„War da erst der Schlag auf die Stirn – oder erst der Kreislaufstillstand?“ Schließlich taucht der Oberarzt wieder auf. Zusammen fahren Vennel und er die Leiche ins Untergeschoss, hängen ihr ein Schild mit den wichtigsten Daten um. „Und dann mussten wir sie in dieses enge Kühlfach schieben, in das sie kaum reinpasste“ – auch nach 3 Jahren ist ihr noch jedes Detail präsent.

Unnatürlicher Tod?  Sie sind gerade fertig, als der Klinik-Pförtner zwei Polizisten ankündigt. Sie fragen Vennel nach den genauen Umständen am Einsatzort. Zum Glück übernimmt der Oberarzt das Reden. Allmählich weicht Vennels Anspannung. Doch als sie gefragt wird: „War da erst der Schlag auf die Stirn – oder erst der Kreislaufstillstand?“, ist sie wieder hellwach. Ein unnatürlicher Tod war ihr bis dahin gar nicht in den Sinn gekommen. „Ich hatte natürlich angenommen: Erst war der Kreislaufstillstand, dann ist sie gestürzt.“ Aber die Umstände vor Ort waren schon etwas dubios. Warum war die Frau im Dunkeln allein im Wald? Warum hat man sie in den Hof getragen und dann liegen gelassen? Imke Vennel schaudert noch im Nachhinein. Wahrheitsgemäß gibt sie zu Protokoll, dass beides möglich sei und sie nichts weiter sagen könne. Wieder zu Hause  Als sie schließlich gegen 21 Uhr nach Hause kommt, wartet ihr Mann schon auf sie. Mit erheblicher Verspätung fahren die beiden zu einer lange geplanten Fortbildung. Das Thema: Ethik in

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der Reanimation. Ausgerechnet. „Da konnte ich meine Geschichte gleich erzählen und anfangen, sie zu verarbeiten“, erzählt Vennel. „Und trotzdem: Die Frau hat mich noch lange im Traum verfolgt.“

Formalitäten  Am Montag, wieder im Krankenhaus, wartet das formale Nachspiel: Bestatter und Polizei beschweren sich über den Ort des Todes. „Ältere Kollegen hatten mir schon erzählt, dass grundsätzlich nur zu Hause, am Unfallort oder im Krankenhaus gestorben wird“, sagt Vennel. „Alles Andere sei zu kompliziert, abrechnungstechnisch und so.“ Soll sie den Tod jetzt bis ins Krankenhaus verschieben? Nachträglich? Wäre das nicht Urkundenfälschung? Die Ärztin ist ratlos und berät sich mit ihren Vorgesetzten. Und noch eine unangenehme Formalität ist zu erledigen: Imke Vennel muss der ­Familie eine Rechnung für die Leichenschau schicken. 60 Euro. Nachspiel  Der letzte Akt, Wochen später. Imke Vennel steht im Operationssaal, als der Oberarzt hereinkommt: „Hier, ein Brief für Sie!“ Betreff: Reanimation auf dem Bauernhof. Die Ärztin spürt einen kurzen Adrenalinstoß: Will die Polizei noch etwas? Doch es ist nur die Unfallversicherung der Toten, die wissen möchte, ob die Notärztin Genaueres über die Todesursache sagen könne. „Überlegen Sie, was Sie da ­schreiben“, rät ihr der Oberarzt. „Davon hängt vielleicht ab, ob die Versicherung zahlt.“ Vennel kann sowieso nur wiederholen, dass sie zur Todesursache nichts sagen kann. Damit ist der Fall für sie eigentlich abgeschlossen. Doch was heißt das schon? Jedes Mal, wenn sie den Ordner mit den Protokollen in der Hand hat, kommen die Bilder wieder hoch – bis heute: „In ­keinem anderen Einsatz haben sich die Gesichter der Menschen so eingeprägt – und auch die Rechtslage war mir selten so unklar. Das werde ich nie vergessen.“ Julia Rojahn Schlüsselerlebnisse Hatten auch Sie ein persönliches Schlüssel­ erlebnis? Ob positiv oder negativ – in Lege artis können Sie davon erzählen und Ihre Kollegen am konkreten Beispiel lernen lassen. Sie erreichen die Redaktion unter Tel.: 0711/8931-677 oder per E-Mail: legeartis@thieme.de. Gemeinsam prüfen wir, ob sich Ihre Geschichte für eine Publikation eignet – und natürlich garantieren wir absolute ­Vertraulichkeit.


Schlüsselerlebnis

Kommentar

Auch die Helfer brauchen Hilfe Widrige Bedingungen  Lassen Sie den Bericht bitte noch einmal kurz auf sich wirken, blenden Sie die inhaltlichen Fragen dabei aus: Die Stimmung bei diesem Einsatz ist düster, Vieles wirkt mysteriös – so könnte auch ein Psychothriller beginnen. Es geht um einen Außeneinsatz in Dunkelheit und unter widrigen Witterungsbedingungen. Fragwürdige Menschen tauchen auf und verschwinden wieder. Dann die Patientin selbst: ▶▶der ungewöhnliche Auffindeort, ▶▶ihre seltsame Verletzung, ▶▶das Nulllinien-EKG. Sie ist möglicherweise Opfer eines Verbrechens geworden. Verunsicherte Notärztin  Die Notärztin Dr. Vennel ist jung, unerfahren und massiv verunsichert durch die vielen Informationen und die Begleitumstände – noch dazu war ihr Dienst eigentlich schon beendet. Aus dieser Gemengelage entstehen bei ihr Zweifel und Skrupel und hieraus Fehleinschätzungen und Fehlverhalten. Wir wollen verdeutlichen, worin diese bestehen und wie man sie vermeiden kann. Die juristischen Aspekte sind im q  Infokasten rechts dargestellt. Strukturiertes Prozedere Offensichtlich gab es im Rettungsdienst-Bereich von Imke Vennel zwar den Algorithmus zur Reanimation, aber ▶▶kein strukturiertes Prozedere im Umgang mit Todesfällen, ▶▶keine Krisenintervention oder Notfallseelsorge, die das Team hätte entlasten und die Angehörigen professionell aufklären können, und wohl auch ▶▶keine Strukturen für eine Nachbesprechung, die die Verarbeitung hätten erleichtern können.

Solche institutionellen Strukturen wären aber in Fällen wie dem vorliegenden hilfreich für alle Beteiligten.

Überblick über die Situation behalten  Der wichtigste und erste Schritt bei solchen Einsätzen: überhaupt festzustellen, dass hier mehrere Dinge ungewöhnlich sind und nicht stimmen können. Zwar steht bei einem primär asystolen Patienten zunächst die Reanimation im Vordergrund. Nach deren Abschluss ist dann allerdings eine Überschau dieses vielschichtigen Einsatzes erforderlich. Dabei fällt auf: ▶▶Dr. Vennel hätte einen unnatürlichen Tod in Betracht ziehen müssen. Als Konsequenz hätte sie unverzüglich die Polizei einschalten und bis zu deren Eintreffen vor Ort bleiben sollen. Sie wäre nicht verpflichtet gewesen, die Angehörigen über dieses Vorgehen zu informieren. ▶▶Die Ärztin hatte Mitleid mit der verstorbenen Patientin und den Angehörigen. Dies ist zwar nachvollziehbar, war hier aber unangemessen. Verstorbene vor Ort belassen  Imke Vennel hätte die Verstorbene vor Ort („im Schneematsch“) belassen müssen und sie nicht in den Wagen bringen dürfen. Gerade unerfahrene Kollegen wählen manchmal den Rückzug in den RTW als Lösung: Es ist der so verständliche wie häufig misslingende Versuch, in vertrauter Umgebung mit der komplexen Situation klarzukommen. Eventuell versucht man auch, den Angehörigen auszuweichen, die man als belastend empfindet. Angehörige informieren  Die Ärztin hätte Tochter und Enkelin über den Tod der Patientin informieren müssen. Natürlich ist es schwierig, eine unangenehme Botschaft im Beisein von Kindern zu übermitteln. Daher hätte Dr. Vennel das Mädchen z. B. in die Obhut von Familienangehörigen oder der Rettungsassistenten geben und die Tochter dann allein aufklären können. Aufarbeitung des Einsatzes  Die Notärztin hatte während des gesamten Einsatzes ein schlechtes Gewissen und hat das Geschehen bis heute nicht vollständig verarbeitet: Immer noch steigen die Bilder in ihr hoch. Dies weist auf ihre damalige – und immer noch ungeklärte – emotionale Notlage hin. Vielleicht wäre es gut für sie gewesen, den Einsatz mit

professioneller Hilfe noch einmal aufzuarbeiten. Das Ziel wäre dabei, sich über die wohl unbewussten Ursachen und Motive klar zu werden, die sie in die Kaskade falscher Entscheidungen hineingebracht haben. Auf eine solche Weise kann man einen schwierigen Fall wie diesen abschließen und für zukünftige Einsätze lernen. Die Aufarbeitung sollte allerdings so früh wie möglich geschehen, nicht erst nach Jahren. Dabei kann es helfen, sich einige der immer wieder aktuellen Fragen zu stellen: Was bringt der Transport in den RTW wirklich? Was macht die Konfrontation mit Angehörigen – nicht nur für Anfänger – so schwierig?

Prof. Dr. med. Frank-Gerald B. Pajonk (Foto li.) ist Chefarzt der Privat-Nerven-Klinik Dr. Kurt Fontheim in Liebenburg (Harz) und Leiter des Referats Notfallpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Er gehört zum Herausgebergremium von Lege artis. E-Mail: pajonk@klinik-dr-fontheim.de Dr. med. Hartwig Marung (Foto re.) ist Oberarzt am Institut für Notfallmedizin Hamburg. Er ist Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft in Norddeutschland tätiger Notärzte (AGNN). E-Mail: hartwig.marung@ifn-hamburg.de

Rechtliche Aspekte Aus juristischer Sicht hat die Notärztin in diesem Fall einige Fehler gemacht: ▶▶ Laut Bayerischem Rettungsdienstgesetz hätte Imke Vennel die Leiche nicht mehr im RTW transportieren dürfen. Allerdings: Rettungsdienstgesetze, Dienstanweisungen und Bestattungsgesetze verschiedener Bundesländer bzw. Kommunen können sich hierin unterscheiden. ▶▶ Da der Verdacht eines unnatürlichen Todes bestand, hätte die Ärztin evtl. – wiederum je nach Landes- bzw. kommunalem Recht – die Polizei verständigen und die Leiche „beaufsichtigen“ müssen. ▶▶ Die Angaben zu Zeitpunkt und Ort des Todes müssen exakt sein; die Ärztin hätte also keinen Ort unterwegs angeben dürfen. Auf keinen Fall darf ein Arzt im Nachhinein das Notarztprotokoll oder den Totenschein ändern. Dies kann straf-, zivil- und berufsrechtliche Folgen haben. Jörg Bossenmayer ist Fachanwalt für Medizinrecht (Arzthaftungsrecht und Arztstrafrecht). Er gehört zum Experten-Panel von Lege artis. E-Mail: joerg.bossenmayer@hgp.de

Beitrag online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0031-1272355 Rojahn J. Einsatz am Kuhstall. Lege artis 2011; 1: 60–63

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Info

Kurznachrichten

Kind und Karriere: Welche Klinik passt?

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Mithilfe von Checklisten können Ärztinnen und Ärzte jetzt prüfen, welche Kliniken familienkompatible Arbeitsbedingungen bieten. Die Listen sind Bestandteil des Handbuchs „Familienfreundlicher Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte – Lebensqualität in der Berufsausübung“, das die Bundesärztekammer Ende November 2010 herausgegeben hat. „Das Handbuch gibt schon jetzt einen Einblick, wie familienorientierte Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte künftig aussehen könnten“, sagte Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler bei der Präsentation des Werks in Berlin. Eine Arbeitsgruppe seines Hauses arbeite bereits an Lösungsvorschlägen, um den Weg für mehr familienfreundliche Arzt- und Pflegeberufe zu ebnen, so der Minister. Hintergrund ist der drohende Ärztemangel. Längst nicht alle Medizinabsolventen werden später Facharzt – auch aufgrund der Arbeitsbedingungen. Viele Kliniken hätten trotzdem noch nicht erkannt, „dass nur diejenigen einen Standortvorteil aufweisen können, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aktiv fördern“, erklärte der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery. Das Ärztehandbuch fasst den aktuellen Stand zur Vereinbarkeit von Beruf und Fami-

Fachcommunity für Gastroenterologen

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Für Mediziner war der kollegiale Austausch von Erfahrungen bisher auf persönliche Gespräche, Kongressbesuche oder Fachzeitschriften begrenzt. Medizinische Gesprächsrunden – „Communitys“ – im Internet schaffen jetzt die Möglichkeit, umfassend am Erfahrungswissen der Kollegen teilzuhaben. Der unmittelbare praktische Nutzen solcher Angebote überzeugt immer mehr Ärzte. Die Fachcommunity für Gastroenterologen (q www.thieme.de/gastro-community) ist eine Kooperation zwischen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoff-

Kurznachrichten. Lege artis 2011; 1: 64–66

lie bei Ärzten zusammen und beschreibt darüber hinaus, wie sich beides besser in Einklang bringen lassen könnte. Zudem enthält es einen Kriterienkatalog für familienfreundliche Arbeitsplätze und eine Liste mit Krankenhäusern, die bereits eine Kinderbetreuung anbieten. Das Handbuch ist im Internet unter q  www.bundesaerztekammer.de erhältlich. edd Nach einer gemeinsamen Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und der Bundesärztekammer

AOK sieht keinen Ärztemangel

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Lösungsvorschläge zur Behebung der Missstände hatte der AOK-Chef auch parat: Zum einen könnten Krankenhäuser dort einspringen, wo spezielle Fachärzte fehlten. Zum anderen sollte das Ziel sein, die Zahl der Praxen in Gebieten mit Überversorgung langfristig zu verringern. Konkret könnte das so aussehen: Man kauft Praxen einfach auf. „Dabei geht es auf keinen Fall darum, Ärzte zu enteignen“, sagte Reichelt. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass Ärzte, die in überversorgten Gebieten aus Altersgründen aufhören, eine Art Abfindung für ihre Praxis bekommen.“ edd

Windhorst: Es gibt zu wenig Ärzte

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Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Herbert Reichelt, kann in Deutschland keinen Ärztemangel erkennen: „Insgesamt gibt es nach wie vor zu viele Ärzte in Deutschland“, sagte er im Interview mit der Zeitung Die Welt (Ausgabe vom 6.12.2010). Das Land sei im Gegenteil überversorgt, gerade in Großstädten. Namentlich erwähnte Reichelt dabei die Städte Freiburg und München. Hier gebe es mehr als ein Drittel Hausärzte zu viel. Zugleich räumte er jedoch ein, dass einige wenige Gegenden unterversorgt seien. „Wir haben also ein Verteilungsproblem“, so Reichelt.

„Wer sagt, der Ärztemangel sei eine Fata Morgana, hat das Problem nicht erkannt oder er verdrängt es mit Zahlenspielereien.“ Mit ­diesen Worten kommentierte Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, die aktuellen Äußerungen aus Reihen der Hochschulmedizin und Politik. Sowohl das Herbstforum der Deutschen Hochschulmedizin als auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan hätten zuletzt von einem Verteilungsproblem statt von ­einem wirklichen Fachärztemangel gesprochen, so die Kammer der westfälisch-lippischen Ärzteschaft.

wechselkrankheiten e.V. (DGVS) und dem Georg Thieme Verlag. Hier wird gezielt auf ein hochwertiges Angebot gesetzt. „Wir sehen bei einigen Communitys ein Qualitätsproblem. Hier wollen wir eine Alternative platzieren, die die strukturellen Bedingungen für hochwertige fachliche Diskussionen garantiert“, so Dr. Wolfram Wiegers, Verlagsbereichsleiter bei Thieme und Mitinitiator der Fachcommunity für Gastroenterologen. Wesentliches Merkmal der Fachcommunity ist ihr thematischer Fokus: Das Angebot richtet sich an alle Ärzte, die sich mit gastroenterologischen Themen befassen und nicht nur an Gastroenterologen. Herzstück der Plattform ist das Forum. Dort können

registrierte Nutzer interessante Fragen aus allen Bereichen der Gastroenterologie diskutieren, kommentieren und bewerten. Die Mitgliedschaft ist kostenlos. Dr. med. Horst Gross, Berlin


Info Deren Versammlung warnte dagegen vor ­ iner Verharmlosung des Ärztemangels: In e Nordrhein-Westfalen seien über 1000 klinische und 480 ambulante Arztstellen unbesetzt, bundesweit fehlten 5000 Krankenhausärzte. 15–18 % der Absolventen träten nach dem Studium nicht in die Weiterbildung ein. „Der Ärztemangel ist virulent. Wir können es uns gerade in einer Gesellschaft des langen Lebens nicht weiter leisten, dass immer mehr Jungmediziner nach dem Examen oder der Weiterbildung ins Ausland oder in fachfremde Berufsfelder außerhalb der Kuration abwandern“, sagte Windhorst. Das westfälisch-lippische Ärzteparlament forderte daher eine Reform des Medizin­ studiums und bessere Arbeitsbedingungen für Weiterbildungsassistenten. edd

Auch Prof. Winfried V. Kern, Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für Infektiologie“ (DGI), sähe sein Fachgebiet gerne gestärkt. Die bislang 1-jährige Zusatzweiterbildung sei eher dürftig und reiche keinesfalls, um eine wirkliche Fachkompetenz zu erlangen, beklagte der Infektiologe. „So wie es einen Angiologen oder Rheumatologen gibt, sollte es auch einen Infektiologen geben, der aus der Inneren Medizin oder aus der Pädiatrie kommt.“ Nach Vorstellungen der DGI könnte die insgesamt 6-jährige Ausbildung aus ­einer jeweils 2–4 Jahre dauernden Basis- und Fachausbildung bestehen. edd

Nach einer Presseinformation der Ärzte­ kammer Westfalen-Lippe

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Vertreter verschiedener medizinischer Fachgesellschaften haben sich gegenüber der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 2359) für eine Reform der Weiterbildungsordnung in Deutschland ausgesprochen. Dabei könnten auch neue Facharzt- und Schwerpunktgebiete entstehen. So forderte die „Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfallaufnahme“ (DGINA) einen eigenen Facharzt Notfallmedizin. Er wäre eine Art Generalist mit umfassenden Kenntnissen. Aufgrund der interdisziplinären Struktur der zentralen Notaufnahmen sei ein solcher Facharzt nötig, sagte DGINAPräsidentin Dr. Barbara Hogan. „Internisten oder Chirurgen mit einer Subspezialisierung entsprechen nicht den Erfordernissen solcher Einrichtungen.“ Die DGINA denkt an eine 5-jährige Weiterbildung, auf die eine ­Tätigkeit ausschließlich in Notaufnahmen folgt. Während hierzulande über den Facharzt Notfallmedizin noch diskutiert wird, gibt es ihn in den meisten europäischen Ländern bereits. Die „Deutsche Gesellschaft für Geriatrie“ wünscht sich eine Verlängerung der Zusatzweiterbildung in Geriatrie von 18 auf 36 Monate. Sie solle auf einer ebenfalls 3-jährigen Weiterbildung zum Internisten aufbauen, so der Weiterbildungsbeauftragte der Gesellschaft, Dr. Michael Meisel. Die Zusatzbezeichnung wolle man aber für andere Gebiete, wie z. B. die Neurologie, offenhalten.

Die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer (LÄK) Hessen hat die Einführung einer Zusatzweiterbildung „Krankenhaus­ hygiene“ beschlossen. Damit will sie die ärztliche Kompetenz in diesem Bereich stärken und fördern. Laut LÄK gibt es in Hessen zurzeit nur 22 Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin – aber vermutlich über 40 000 nosokomiale Infektionen pro Jahr. Kammerpräsident Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach bezeichnete es daher als notwendig, Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen zusätzlich in Krankenhaushygiene zu qualifizieren. Die Zusatzweiterbildung richtet sich vor allem an die Fachgebiete der unmittelbaren Patientenversorgung, wie Anästhesiologie, Chirurgie, Gynäkologie, Orthopädie, Augenheilkunde oder HNO. Ob die Zusatzweiterbildung im Rahmen der aktuellen Überarbeitung des hessischen Krankenhausgesetzes sogar verbindlich wird, sei derzeit noch nicht absehbar, erklärte eine Sprecherin der LÄK. edd

Die bis zu 6-monatigen Stipendien umfassen die Kosten für Reisen, Unterkunft vor Ort und ggf. Verbrauchsmittel in der gastgebenden Einrichtung. Pro Stipendiat stehen maximal 5000 Euro zur Verfügung. Bewerbungen sind noch bis zum 1. März 2011 bei der Deutschen Leberstiftung möglich. Ein unabhängiges Gutachterkomitee prüft die Anträge, und die Stipendiaten werden auf dem 8. HepNet-Symposium am 17. und 18. Juni 2011 bekannt gegeben. Weitere Informationen zum Stipendium und zur Bewerbung unter q  www.deutsche-leberstiftung.de edd Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Leberstiftung

Urologie: Von erfahrenen Operateuren lernen

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Angehende Urologen haben die Möglichkeit, über eine klinische Hospitation Einblicke in seltene oder spezielle Operationstechniken zu bekommen, die der eigene Ausbilder nicht durchführt. Zurzeit bieten 9 urologische Kliniken solche Gastaufenthalte an. Dort erhalten die Teilnehmer Tipps und Tricks zur korrekten Patientenselektion, zur optimalen präoperativen Vorbereitung sowie zum peri- und postoperativen Management. Abb.  Lernen von Kollegen: Das kann man nicht nur an der eigenen Klinik, sondern auch durch die Hospitation an einer Gastinstitution.

Nach Angaben der Landesärztekammer Hessen

Deutsche Leberstiftung fördert Stipendiaten

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Die Deutsche Leberstiftung schreibt in diesem Jahr erstmals Stipendien für institutsübergreifende Forschungsvorhaben aus. Sie können genutzt werden, um zeitlich begrenzte Projekte in einer anderen Forschungseinrichtung durchzuführen. Damit will die Stiftung die Vernetzung in der Hepatologie fördern.

Bildnachweis: MEV (Symbolfoto)

Debatte um neue Gebietsbezeichnungen

Zusatzweiterbildung „Krankenhaushygiene“

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Kurznachrichten. Lege artis 2011; 1: 64–66


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Info Ein Info-Flyer zu Voraussetzungen, Anbietern und Häufigkeit der Hospitationen steht als pdf unter q  www.uro-akademie.de zum Download bereit. edd

te und Institute ist der Ausbau bestehender Netzwerke mit umliegenden Kliniken und Praxen geplant. Im Rahmen des CHFC sollen 4 neue Professuren, eigene Nachwuchsgruppen und insgesamt über 100 neue Arbeitsplätze entstehen. edd

Mediziner verfolgen Geburt im MRT

Nach einer Pressemitteilung der JuliusMaximilians-Universität Würzburg

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Wissenschaftler der Charité Berlin haben erstmals einen kompletten Geburtsvorgang im Magnetresonanztomografen (MRT) beobachtet. Dem Team aus Geburtsmediziner Dr. Christian Bamberg, Radiologe Dr. Ulf Teichgräber und Ingenieur Felix Güttner gelangen dabei Bilder vom Körperinneren der Mutter sowie von der Bewegung des Kindes im Geburtskanal bis zum Austritt des Kopfes. Zum Einsatz kam ein spezielles, offenes MRTGerät, das einen guten Zugang zu Mutter und Kind erlaubte. Zudem konnten die Experten mithilfe eines fetalen Überwachungsmonitors die Herztöne des Kindes während der Geburt kontrollieren. Mit der MRT-Methode will die interdisziplinäre Forschergruppe nun die bislang erarbeiteten Vorstellungen über die Geburt und die Bewegungen des Kindes im mütterlichen Becken weiter überprüfen. Ziel ist es, besser zu verstehen, warum bei 15 % der Schwangeren im Geburtsverlauf aufgrund eines Geburtsstillstands ein Kaiserschnitt notwendig wird. edd Nach einer Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Uni Würzburg bekommt ein Herzzentrum

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Das Bundesbildungsministerium fördert die Herzforschung an der Universität Würzburg mit 25 Millionen Euro. Es bewilligte die Mittel zunächst für 5 Jahre. Mit dem Geld wollen die Wissenschaftler ein sog. „Comprehensive Heart Failure Center“ (CHFC) aufbauen. Es soll interdisziplinäre Forschung und Patientenversorgung auf dem Gebiet der Herz­ insuffizienz sowie deren Begleitkrankheiten und Komplikationen vernetzen. Besondere Schwerpunkte des Zentrums werden nach Auskunft der Universität das Erkennen und Behandeln von Frühstadien der Herzerkrankungen, aber auch die Wechselwirkungen von Herz, Niere, Hormonsystem und Psyche sowie das Endstadium der Herzinsuffizienz. Neben der Kooperation zwischen Medizinern verschiedener Fachgebie-

Kurznachrichten. Lege artis 2011; 1: 64–66

Baden-Württemberg erhält zwei Traumanetzwerke

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Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) hat im November 2010 die ersten beiden Traumanetzwerke in Baden-Württemberg ausgezeichnet. In den jetzt zertifizierten Klinikverbünden Oberrhein und Schwarzwald-Bodensee haben sich insgesamt 12 unfallchirurgische Kliniken zusammengeschlossen. Ihr Versorgungsgebiet umfasst in etwa den Regierungsbezirk Freiburg. Ziel der Traumanetzwerke ist die schnellstmögliche Hilfe für Schwerstverletzte. „Mit dem Traumanetzwerk können wir erreichen, dass jeder Patient sofort in die für ihn passende Klinik gebracht werden kann, um keine unnötige Zeit zu verlieren“, sagte Dr. Friedrich Thielemann, Ärztlicher Direktor am Schwarzwald-Baar-Klinikum. Dies soll nach Maßgabe der DGU durch qualitätsgestützte Kooperation sowie durch einheitliche Kommunikation und standardisierte Abläufe geschehen. Würde z. B. der Notarzt bereits vom Rettungswagen aus die Diagnose an das Krankenhaus übermitteln, könnten die Klinikärzte schon frühzeitig über die weitere Behandlung entscheiden, erklärte Prof. Norbert Südkamp vom Uniklinikum Freiburg. Das habe wesentliche Vorteile für die Betroffenen: „Die Chancen, mit möglichst geringen dauerhaften Problemen zu überleben, werden deutlich besser.“ edd Nach Informationen des Universitätsklinikums Freiburg und der DGU

Neue Medizin-Professur am Uniklinikum Jena

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Zum Wintersemester 2010/2011 hat das Universitätsklinikum Jena eine Professur für experimentelle Nephrologie eingerichtet. Arbeitsgruppenleiter ist der 41-jährige Physiologe Prof. Ralf Mrowka. Sein Fachgebiet ist an die Klinik für Innere Medizin III angebunden.

Der Hauptfokus der Arbeitsgruppe liegt auf der Genregulation bei verschiedenen Erkrankungen. Ein Protein, das Mrowka dabei besonders interessiert, ist das Enzym Renin. Es wird in der Niere produziert und ist maßgeblich an der Regulation von Blutdruck, Salzund Wasserhaushalt beteiligt. Zudem werden sich die Wissenschaftler mit der gezielten Gen­aktivierung in pluripotenten Stammzellen beschäftigen. Die Ergebnisse könnten in Konzepte zum individualisierten Organ­ ersatz einfließen. Prof. Mrowka hat in Berlin Medizin studiert und in London das International Diploma im Fach „Engineering and Physical Science in Medicine“ erworben. Nach der Habilitation an der Charité Berlin leitete er zuletzt die dortige Arbeitsgruppe „Systembiologie“ am ­Institut für Vegetative Physiologie. edd Nach einer Pressemitteilung des Universitäts­ klinikums Jena

Behnken-Berger-Stiftung ehrt Heidelberger Medizinerin

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Die Heidelberger Radioonkologin PD Dr. Stephanie Combs ist mit dem Behnken-BergerPreis ausgezeichnet worden. Die 34-jährige Oberärztin erhielt den mit 10 000 Euro dotierten Nachwuchs­preis für ihre Arbeiten zur Strahlentherapie mit Schwerionen. Combs hatte mit ihrem Team neue Behandlungskonzepte für verschiedene Tumorarten entwickelt. Dabei konnte sie u. a. zeigen, dass die Schwerionenbestrahlung deutlich besser gegen Hirntumoren wirkt als eine herkömmliche Strahlenbehandlung. Ein Vorteil der Schwerionentherapie ist ihre Präzision: Bei dem Verfahren werden die Schwerionen mit hoher Geschwindigkeit punktgenau in den Tumor geschossen – ­dadurch zerstören sie die getroffenen Krebszellen, schonen jedoch das umliegende Gewebe. Dass dies nicht nur experimentell funktioniere, sondern auch auf den Patienten übertragbar sei, veröffentlichten Combs und Kollegen im Oktober 2010 in der Zeitschrift Acta Oncologica (Acta Oncol 2010; 49: 1132–1140). Mit dem Behnken-Berger-Preis zeichnet die gleichnamige Stiftung jährlich hervorragende Publikationen von Nachwuchswissenschaftlern aus, die auf den Gebieten Strahlentherapie und Strahlenschutz forschen. edd Nach Angaben des Universitätsklinikums Heidelberg


Info

Für Sie gelesen

Buchtipps

Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich et al. (Hrsg.). Häusliche Gewalt erkennen und richtig reagieren. Bern: Hans Huber; 2. Auflage 2010. 29,95  €.

Frank U. Antibiotika am Krankenbett. Berlin: Springer; 15. Auflage 2010. 22,95  €.

Bewährter Kitteltaschenratgeber

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Prof. Frank legt eine Neuauflage dieses außer­ordentlich gefragten und bewährten Kitteltaschenratgebers zur Antibiotikatherapie vor. Die Einleitung behandelt Leitsätze, häufige Fehler, mikrobiologische Diagnostik und Resistenz klinisch wichtiger Erreger. ­Anschließend führt der Autor die wichtigsten Antibiotika und Antimykotika nach Keimspektrum, Dosierung und mög­lichen Nebenwirkungen auf. Es folgt die Antibiotikabehandlung der wichtigsten Infektionen bei Kindern und Erwachsenen. Von besonderer Bedeutung ist die tabellarische Zusammenfassung der Mindestbehandlungsdauer von bakteriellen Infektionen. Der Autor stellt verschiedene Gründe für das Versagen einer Antibiotikatherapie vor: patienten-, antibiotika- und erregerbedingte. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit der Differenzialdiagnose bei Fieber unklarer Genese: Immerhin versterben etwa 30 % aller Patienten mit dieser „Diagnose“ an einer ­unerkannten Erkrankung. Die Antibiotikabehandlung bei eingeschränkter Nierenfunktion bzw. unter Nieren­ersatztherapie wird ausführlich mit zahlreichen Tabellen dargelegt. Gleiches gilt für die Antibiotikatherapie in Schwangerschaft und Stillzeit. Die Antibiotika- und ­Infektionsprophylaxe ist umfassend dargestellt entsprechend den Anforderungen an das Antibiotikum, der geeigneten Antibiotika­ generation bzw. der Dauer der Behandlung. Neu aufgenommen sind die Tagestherapiekosten.

Fazit Auch die jetzt vorliegende 15. Auf­

lage der „Antibiotikabehandlung am Krankenbett“ wird wieder große Verbreitung finden. ◀

Prof. Dr. med. Jörg Baltzer, Krefeld

Weckt Sensibilität für Tabuthema

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Häusliche Gewalt wurde in der Öffentlichkeit lange tabuisiert oder verharmlost. Dieses Buch beschreibt verschiedene Formen solcher Gewalt. Es vermittelt Hintergrundwissen, zeigt Folgen und gibt praktische Anleitungen, wie der Arzt häusliche Gewalt möglichst frühzeitig erkennt. Kinder, die Gewalt erleben, lernen diese als Konfliktlösungsmuster kennen und neigen dazu, später selbst gewalttätig zu sein bzw. Opfer zu werden. Diesen „Kreislauf der Gewalt“ gilt es zu durchbrechen. Aber nicht nur Kinder sind gefährdet: Die Autoren gehen ­unter anderem ein auf ▶▶ Männer als Opfer häuslicher Gewalt, ▶▶ Gewalt gegenüber alten Menschen und ▶▶die Situation von Migranten und beschreiben praktische Fallbeispiele. Gerade die häusliche Pflege stellt einen risikobehafteten Bereich dar: Die Pflegenden stehen unter großen Belastungen, die zu Pflegenden sind von ihnen abhängig. Wichtig sind hier Wahrnehmung und Beratung, aber auch das Angebot von Supervisionen, Teamgesprächen und Fortbildungen. Sehr gut gelungen ist die Darstellung der rechtlichen Grundlagen und Interventionsmöglichkeiten bei häuslicher Gewalt gegen Frauen. Entsprechend spezialisierte Institutionen wie Frauenhäuser werden ausführlich beschrieben. Am Beispiel einer Frauenklinik stellen die Autoren institutionelle Konzepte zum Umgang mit Gewalt vor. Nützliche Adressen für Betroffene runden die Informati­onen ab.

Fazit Dieses Buch hilft Ihnen, Gewalt zu er-

kennen und rechtzeitig einzugreifen – überall im Gesundheitswesen. ◀

Dunja Grimmer und Veronika Gantner, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

Hahn J-M. Checkliste Innere Medizin. Stuttgart: Thieme; 6. Auflage 2010. 39,95  €.

Übersichtliches Kompendium

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Aufgrund von geänderten Behandlungsleit­ linien hat der Autor sich entschieden, dieses Kompendium gründlich zu überarbeiten. Am bewährten Layout seit der 5. Auflage, die aus dem Jahr 2006 stammt, hat er dabei aber festgehalten. Der Leser findet durch farblich unterschiedliche Kennzeichnung der Hauptteile sehr schnell ans Ziel. Diese Hauptteile sind: ▶▶Grundlagen und Arbeitstechniken ▶▶ Leitsymptome und Diagnostik ▶▶ Kurzfassung aller internistischen Krankheitsbilder und des therapeutischen Vorgehens Die Hauptteile werden ergänzt durch ein ­Kapitel zu Notfällen, den erforderlichen Maßnahmen mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen sowie zur Intensivmedizin. Außerdem enthält das Buch einen umfangreichen Anhang mit ▶▶einer Liste von Tumormarkern, ▶▶ Handelsnamen und Wirkstoffen von Medikamenten sowie ▶▶ Normbereichen von Laborwerten. Weiterhin hat sich die Übersichtlichkeit der Tabellen in den verschiedenen Abschnitten dadurch verbessert, dass sie einen farbigen Hintergrund haben und kapitelbezogen nummeriert sind. Bei allem Fortschritt in der medialen Welt, in der der Arzt inzwischen auch elektronisch auf Nachschlagewerke zugreifen kann: Dieses Buch bietet weiterhin eine wertvolle Hilfe für Internisten und Nichtinternisten in Praxis, Klinik und im Gutachten­wesen.

Fazit Insgesamt erneut ein empfehlens­

wertes Kompendium aus der bewährten Reihe der „Checklisten“. ◀

Dr. med. Burkhardt Jaeschke, Hamburg

Für Sie gelesen – Buchtipps. Lege artis 2011; 1: 67–68

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Info

Aktuelles zum Berufsrecht

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Die vorliegende Auflage enthält die neueste Rechtsprechung zum ärztlichen Berufsrecht mit den einschlägigen Rechtsgrund­ lagen zum Arztvertrag. Großen Raum nimmt die Aufklärungspflicht inkl. Einwilligung ein – ein Aspekt, dem gerade in den letzten Jahren ganz besondere Bedeutung zukommt. Die Kommentare und Stellungnahmen zu dieser Problematik sind äußerst interessant. Ausführlich behandeln die Autoren auch Rechtsfragen von Transplantation und Intensivmedizin, einschließlich der ärzt­lichen Behandlung am Lebensende. Im Weiteren finden sich Kapitel zu Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch und Sexualmedizin bzw. Aspekte von Fortpflanzungs- und Genmedizin. Das Kapitel zu Berufsgeheimnis und Dokumentation geht ausführlich ein auf Zweck, Inhalt und Umfang einer Dokumentation unter Einschluss der Einsichtsrechte in ­Behandlungsunterlagen. Außerordentlich lesenswert sind im Kapitel zu Arztfehler und Haftpflicht die Begriffsbestimmungen von Standards als Bezugsgröße, wobei die zunehmende Problematik von Kostendruck und Standard nicht ausgespart bleibt. Im abschließenden Kapitel werden juristische Aspekte zu Heilversuch und medizinischer Forschung dargelegt. Dabei berücksichtigen die Autoren nationale und internationale Regelungen. Anhand des umfangreichen Sachregisters lassen sich Stichworte zu typischen Problemsituationen rasch auffinden.

Fazit Das Buch ist als aktueller Ratgeber

den in Praxis und Klinik tätigen Kollegen sehr zu empfehlen. Der Text ist auch für Mediziner gut verständlich abgefasst. ◀

Prof. Dr. med. Jörg Baltzer, Krefeld

Für Sie gelesen – Buchtipps. Lege artis 2011; 1: 67–68

Brokmann J, Rossaint R (Hrsg.). Repetitorium Notfallmedizin. Berlin: Springer; 2. Auflage 2010. 36,95  €.

De Ridder M. Wie wollen wir sterben? München: Deutsche Verlags-Anstalt; 2010. 19,95  €.

Laufs A, Katzenmeier C, Lipp V. Arztrecht. München: C. H. Beck; 6. Auflage 2009. 58,–  €.

Plädoyer für neue Sterbekultur

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Aus seiner 30-jährigen Erfahrung als Internist und Notfallmediziner schildert der Autor drastische Szenarien aus Pflegeheimen und Wohnungen sowie Fallgeschichten aus der Klinik. Dies löst auch bei denjenigen Betroffenheit aus, die den Alltag hilfsbedürftiger Menschen zu kennen meinen. De Ridder fordert eine gerechtere Verteilung von Ressourcen im Gesundheits­wesen, zugunsten einer palliativen Versorgung für die wachsende Zahl von chronisch kranken Menschen. Der Autor stellt wichtige Fragen. Einige ­beantwortet er, z. B. die hilfreiche Differenzierung der Situation von Menschen im sogenannten Wachkoma. Andere hat die Palliativmedizin schon beantwortet, was de Ridder noch nicht zur Kenntnis genommen hat, so die Aufnahme des Pflichtfachs Palliativmedizin in die Approbationsordnung. Auch bei der terminalen Sedierung und Schmerztherapie sind Lücken erkennbar. „Anstößig“ – aber unabdingbar verbunden mit ärztlicher Verantwortung – sind die ­Themen ärztlich assistierter Suizid und aktive Sterbehilfe. Konsequent fordert der Verfasser Ärzte auf, Mutlosigkeit zu überwinden und klar Partei für den leidenden Menschen und sein Selbstbestimmungsrecht zu ergreifen. Dabei würdigt er die Erfolge der letzten Jahre im neuen Umgang mit Patientenautonomie, warnt aber die Entscheidungsträger davor, in Denkverboten zu verharren.

Fazit Eine Streitschrift, die mit drastischen

Schilderungen und konsequenter ­Kritik am Status quo zur Auseinandersetzung einlädt. ◀

Hermann Reigber (Diplom-Theologe) und Bernadette Fittkau-Tönnesmann (Fachärztin für Anästhesiologie), München

Neuester Wissensstand – zur Prüfung und darüber hinaus

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Die 21 Kapitel des Buches sind unterteilt in die Bereiche ▶▶allgemeine Notfallmedizin, ▶▶spezielle Notfallmedizin und ▶▶ Notfallmedikamente. Der Bereich Notfallmedizin ist in seiner Definition allerdings vordergründig auf den präklinischen Bereich konzentriert und umfasst weniger den heute einzubeziehenden speziellen Bereich in der Klinik. Die Inhalte orientieren sich an den Vorgaben der Bundesärztekammer für die Zusatzbezeichnung sowie an den internationalen Leitlinien. Die Autoren stellen jeweils den ätiologischen und pathophysiologischen Hintergrund dar. Es folgen Systematik, Diagnostik, Differenzialdiagnose sowie Hinweise zu Therapie und Maßnahmen. Ausführlich und gut ist die Durchführung ­eines Infektionstransportes beschrieben. Allerdings werden die Sichtungskategorien fälschlicherweise mit „T“ statt mit der in Deutschland üblichen Bezeichnung „S“ klassifiziert. Das Kapitel „Kardiopulmonale ­Reanimation“ lehnt sich streng an die alten ERC-Richtlinien an und wird durch eigene praktische Tipps ergänzt. Die dargestellten Krankheitsbilder und Therapien sind kurz und prägnant geschildert. Die medikamentöse Versorgung mit den jeweiligen Dosierungen findet sich übersichtlich in hervorgehobenen Kästen. Das Buch ist klar gegliedert und enthält konkrete Aussagen für die Praxis. Wichtige Passagen sind deutlich kenntlich gemacht.

Fazit Das Repetitorium ist eine hervorra-

gende Vorbereitung für die Prüfung Notfallmedizin. ◀

Prof. Dr. med. Peter Sefrin, Würzburg


Info Datum | Ort

Veranstaltung

Leitung | Auskunft

16.–17.04.2011 Karlsbad

Regionalanästhesie & Gefäßpunktionen – Grundkurs 1 Ultraschallkurs der DEGUM

Dr. Jens Döffert • Dr. R. Hillmann Tel.: 07202/61-7167 • Fax: 07202/61-6197 E-Mail: jens.doeffert@kkl.srh.de

30.04.–07.05.2011 Westerland/Sylt

Repetitorium Anästhesiologie Kompaktseminar zur Facharztvorbereitung und als Refresherkurs

MD HORIZONTE GmbH Tel.: 040/88161884 • Fax: 040/86691158 E-Mail: info@md-horizonte.de www.md-horizonte.de

07.–11.03.2011 Bielefeld

Seminar Basischirurgie Common Trunk

BDC|Akademie Renate Schönzart Tel.: 030/28004-120 • Fax: 030/28004-129 E-Mail: akademie@bdc.de www.bdc.de

26.03.2011 Gummersbach

Laparoskopiekurs „Galle“

Kreiskrankenhaus Gummersbach GmbH Anmeldung bei: Hedi Vier Tel.: 02261/17-1581 • Fax: 02261/17-1615 E-Mail: Hedi.Vier@kkh-gummersbach.de

28.03.–01.04.2011 Berlin

Seminar zur Vorbereitung auf die Facharzt­ prüfung Allgemeinchirurgie

BDC|Akademie Renate Schönzart Tel.: 030/28004-120 • Fax: 030/28004-129 E-Mail: akademie@bdc.de www.bdc.de

11.–13.04.2011 Ulm

Chirurgischer Notfalloperationskurs mit praktischen Übungen

Zentrum für Chirurgie, Klinik für Unfallchirurgie Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie Universitätsklinikum Ulm Anmeldung: notfallop.kurs@uniklinik-ulm.de www.uniklinik-ulm.de/unfallchirurgie

28.05.2011 Leverkusen

Laparoskopiekurs „Naht“

Klinikum Leverkusen Frau Wilde • Frau Treider (Sekretariat) Tel.: 0214/13-2101 • Fax: 0214/13-2204 E-Mail: allgemeinchirurgie@klinikum-lev.de

12.03.2011 Köln

Kölner Hämatologie-Kurs Teil 1: Grundlagen der mikroskopischen Diagnostik

Klinik I für Innere Medizin Universitätsklinikum Köln PD Dr. Karl-Anton Kreuzer • Nicole Themel Tel.: 0221/478-97626 • Fax: 0221/478-97627 E-Mail: nicole.themel@uk-koeln.de http://innere1.uk-koeln.de/klinik

14.–18.03.2011 Würzburg

Intensivkurs Innere Medizin zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung, mit Prüfungssimulation

Medizinische Klinik des Universitätsklinikums Zentrum Innere Medizin (ZIM), Endokrinologie Anmeldung bei: Christoph Roscher Tel.: 0931/201-39220 • Fax: 0931/201-639720 E-Mail: E_Roscher_C@medizin.uni-wuerzburg.de

14.–19.03.2011 Berlin

Intensivkurs Innere Medizin Refresherkurs zur Facharztprüfung

Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI) Tel.: 0611/18133-21, -22 • Fax: 0611/18133-23 E-Mail: fortbildung@bdi.de www.bdi.de

Anästhesiologie

Chirurgie

Innere Medizin

Veranstaltungskalender. Lege artis 2011; 1: 69–71

69


70

Info Datum | Ort

Veranstaltung

Leitung | Auskunft

14.–23.03.2011 Mainz

Intensivkurs Innere Medizin

I. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin Mainz Anmeldung bei: Hildegard Herke Tel.: 06131/177395 • Fax: 06131/175595 E-Mail: hildegard.herke@unimedizin-mainz.de

21.–26.3.2011 Leipzig

Intensivkurs Innere Medizin Refresherkurs zur Facharztprüfung

Berufsverband Deutscher Internisten e.V. (BDI) Tel.: 0611/18133-21, -22 • Fax: 0611/18133-23 E-Mail: fortbildung@bdi.de www.bdi.de

07.–10.04.2011 Dresden

37. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin mit Kursen für Einsteiger und Fortgeschrittene, Refresherkursen und Forum für Fort-/Weiterbildung

Agentur KONSENS GmbH Tel.: 02389/5275-0 • Fax: 02389/5275-55 E-Mail: dgp@agentur-konsens.de www.dgp-kongress.de

16.–21.05.2011 Hamburg

Intensivkurs Innere Medizin Kurs zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung

I. Medizinische Klinik und Poliklinik Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Frau Dana Klatt (Sekretariat) Tel.: 040/7410-59614 • Fax: 040/7410-58531 E-Mail: sekretariatlohse@uke.de

25.–27.03.2011 Ulm

DGKJ-Repetitorium Pädiatrie

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) Tel.: 030/3087779-0 • Fax: 030/3087779-99 E-Mail: info@dgkj.de www.dgkj.de/veranstaltungen/dgkj_repetitorien

07.–10.04.2011 München

37. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie und 8. Fortbildungsakademie

Intercongress GmbH Tel.: 0761/696990 • Fax: 0761/6969911 E-Mail: neuropaediatrie@intercongress.de www.neuropaediatrie-congress.de

08.04.2011 Viersen

European Paediatric Life Support Kurs des ERC Reanimation im Säuglings- und Kindesalter – Erweiterte Maßnahmen

Ausbildungszentrum Rheinland c/o Kinderklinik St. Nikolaus Dr. Ulrich Kreth Tel.: 02162/1042413 • Fax: 02162/1042388 E-Mail: info@kinder-notfallkurse.de www.dr-wiki.de

12.–13.3.2011 Erlangen

A- und B-Scan Sonographie der Kopf-HalsRegion – Aufbaukurs Kurs zur Fortbildung, nach den gültigen Richt­ linien der Bundes-KV sowie der DEGUM und der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-OhrenHeilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V.

Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Kopf- und Halschirurgie Universitätsklinikum Erlangen Birgit Lenz (Sekretariat) Tel.: 09131/8533631 (8:30–12:30 Uhr) Fax: 09131/8533349 E-Mail: birgit.lenz@uk-erlangen.de www.hno-klinik.uk-erlangen.de

17.–20.5.2011 Erlangen

10. Internationaler Operationskurs „Plastisch-­ rekonstruktive und ästhetische Nasen- und Ohr­ muschelchirurgie, Blepharoplastik und Face Lift“ Kurs zur Weiterbildung und Vorbereitung auf die Facharztprüfung

Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Kopf- und Halschirurgie Universitätsklinikum Erlangen Birgit Lenz (Sekretariat) Tel.: 09131/8533631 (8:30–12:30 Uhr), Fax: 09131/8533349 E-Mail: birgit.lenz@uk-erlangen.de www.hno-klinik.uk-erlangen.de

Pädiatrie

HNO

Veranstaltungskalender. Lege artis 2011; 1: 69–71


Info Datum | Ort

Veranstaltung

Leitung | Auskunft

16.–19.03.2011 Münster

55. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung mit Fortbildungsveranstaltungen des RichardJung-Kollegs

Congrex Deutschland GmbH Tel.: 07621/98330 • Fax: 07621/78714 E-Mail: weil@congrex.com www.congrex.de/dgkn2011

05.–07.05.2011 Jena

Facharztrepetitorium der DGN Blockseminar für Ärzte in der Vorbereitung auf die Facharztprüfung

Conventus GmbH Anmeldung bei: Nicolle Thomalla E-Mail: nicolle.thomalla@conventus.de Wiss. Leitung: Prof. Dr. Christoph Redecker, Jena www.neuro.uniklinikum-jena.de

05.–06.04.2011 Tübingen

Hands-on-Kurs EndoSkills PNL und Mini-PNL

Akademie der Deutschen Urologen Elfy Scholten Tel.: 0211/516096-13 • Fax: 0211/516096-62 E-Mail: akademie@dgu.de

12.–13.05.2011 Hannover

Hands-on-Kurs EndoSkills Laser-Enukleation und Vaporisation der Prostata, TUR-P bipolar

Akademie der Deutschen Urologen Elfy Scholten Tel.: 0211/516096-13 • Fax: 0211/516096-62 E-Mail: akademie@dgu.de

19.03.2011 Sendenhorst

Injektionstherapie Vortrag plus praktische Übungen an Gelenk­ dummys

Rheumatologische Fortbildungsakademie GmbH Tel.: 030/240484-78, -82 • Fax: 030/240484-89 E-Mail: info@rhak.de

30.03.–02.04.2011 Dresden

46. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft mit Kursen in Diagnostik, Therapie, Kommunika­ tion und Management sowie Live-OPs

MCI Deutschland GmbH MCI – Berlin Office Tel.: 030/204590 • Fax: 030/2045950 E-Mail: ddg@mci-berlin.de www.derma.de

17.–19.03.2011 München

41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren Mit Hands-on-Kursen am Endoskopie-Simulator für Anfänger und Fortgeschrittene

COCS GmbH Tel.: 089/3071011 • Fax: 089/3071021 E-Mail: martina.wiederkrantz@cocs.de www.cocs.de

01.–02.04.2011 Karlsruhe

Frühjahrs-Fortbildung Interventionelle Radiologie, Teil 2 Kurs speziell für Ärzte in der Weiterbildung zum Radiologen

KelCon GmbH Kerstin Drach Tel: 06182/9466612 • Fax: 06182/9466644 E-Mail: k.drach@kelcon.de www.kelcon.de

07.–10.04.2011 Trier

Abdomen, Thorax, Weichteile, Small parts, Gefäße, Gelenke, Interventionen – Grundkurs Ultraschallkurs der DEGUM

Dr. Matthias Wüstner Tel.: 0651/208-2881 • Fax: 0651/208-2899 E-Mail: m.wuestner@bk-trier.de

08.–10.04.2011 München

Münchner Sonografie-Kurse für Gelenke und Weichteile – Aufbaukurs

Dr. H. Gaulrapp Tel.: 089/2000094-22 • Fax: 089/2000094-44 E-Mail: Dr.Gaulrapp@sonokurs-muenchen.de www.sonokurs-muenchen.de

Neurologie

Urologie

Diverse

Bildgebung

Veranstaltungskalender. Lege artis 2011; 1: 69–71

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Info

Ausblick auf Lege artis 2/11 Titelthema: Umgang mit alkoholisierten Patienten ▶▶Alkoholsucht behandeln – oft schwieriger als gedacht ▶▶Tipps zur erfolgreichen Entzugstherapie

Bildnachweis: Karl-Heinz Krauskopf

Außerdem lesen Sie in der Lege artis 2/11 unter anderem: ▶▶Die neuen Reanimationsrichtlinien: Das hat sich geändert ▶▶So versorgen Sie Platzwunden lege artis ▶▶Ärztliche Schweigepflicht: Wo fängt sie an, wo hört sie auf? ▶▶Richtig versichert: Berufsunfähigkeit

Die nächste Ausgabe erscheint Mitte April.

Impressum Lege artis – Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung • 1. Jahrgang Herausgebergremium: Prof. Dr. P. R. Galle, Mainz; Prof. Dr. G. Geldner, Ludwigsburg; Prof. Dr. A. Königsrainer, Tübingen; Prof. Dr. F.-G. B. Pajonk, Liebenburg. Verlag: Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart Tel.: 0711/8931-0, Fax: 0711/8931-298 http://www.thieme.de, http://www.thieme.de/legeartis, http://www.thieme-connect.de/ejournals Copyright: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind für die Dauer des Urheberrechts geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Redaktionsleitung: Dr. D. Erhard (edd), Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Tel.: 0711/8931-677, Fax: 0711/8931-107, E-Mail: Daniela.Erhard@thieme.de Redaktion: Dr. J. Rojahn (rnj), Tel.: 0711/8931-684, Fax: 0711/8931-107, E-Mail: Julia.Rojahn@thieme.de; B. Ringewaldt (rtb, v.i.S.d.P.), Tel.: 0711/8931-492, Fax: 0711/8931-107, E-Mail: Basil.Ringewaldt@thieme.de Experten-Panel: Prof. Dr. P. Berlit, Essen; Prof. Dr. S. Bleich, Hannover; RA J. Bossenmayer, Stuttgart; Prof. Dr. H.-P. Bruch, Lübeck; Prof. Dr. M. Christ, Nürnberg; RA Dr. B. Debong, Karlsruhe; Prof. Dr. T. Hemmerling, Montreal; VRiLSG D. F. Hollo, Celle; Prof. Dr. J. F. Riemann, Ludwigshafen; Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover. Verantwortlich für den Anzeigenteil: Thieme.media Pharmedia Anzeigen- und Verlagsservice GmbH Andreas Schweiger, Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart oder Postfach 30 08 80, 70448 Stuttgart Tel.: 0711/8931-245, Fax: 0711/8931-624 E-Mail: Andreas.Schweiger@thieme.de

Printed in Belgium: Kliemo AG, Hütte 53, 4700 Eupen Layout und Herstellung: A. Lichtenheldt (Lt) Tel.: 0711/8931-498, Fax: 0711/8931-107 E-Mail: Anne.Lichtenheldt@thieme.de Abonnentenservice: Tel.: 0711/8931-321, Fax: 0711/8931-422, E-Mail: aboservice@thieme.de Allgemeine Informationen: Lege artis – Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung, ISSN 2191-4192, erscheint mit 5 Ausgaben in 5 Heften pro Jahr. Informationen für unsere Leser: Wir bitten unsere Abonnenten, Adressänderungen dem Abonnentenservice mitzuteilen, um eine reibungslose Zustellung der Zeitschrift zu gewährleisten. Marken, geschäftliche Bezeichnungen oder Handelsnamen werden nicht in jedem Fall besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Handelsnamen handelt. Informationen für unsere Autoren: Manuskriptrichtlinien und andere Informationen für Autoren entnehmen Sie bitte den Autorenhinweisen unter http://www.thieme.de/ legeartis/autoren/autorenhinweise.html. Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenommen, die vorher weder im Inland noch im Ausland (in vollem Umfang, in ähnlicher Form oder in jedweder anderen Medienform) ver­öffentlicht worden sind. Die Manuskripte dürfen auch nicht gleichzeitig anderen Publikationsorganen zur Publikation angeboten werden. Mit der Annahme des Manuskripts zur Veröffentlichung überträgt der Verfasser dem Verlag für die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist (§ 64 UrhG) das ausschließliche, räumlich und zeitlich unbeschränkte Recht für alle Auflagen/ Updates zur auch auszugsweisen Verwertung in gedruckter Form sowie in elektronischen Medien (Datenbanken, Online-Netzsysteme, Internet, CD-Rom, DVD, PDA etc.) auch in geänderter Form oder in Form einer auszugsweisen Verknüpfung mit anderen Werken einschließlich der Übersetzung in andere Sprachen sowie durch Übertragung von Nutzungsrechten auf Dritte. Soweit Abbildungen aus anderen Veröffentlichungen entnommen sind, räumt der Verfasser dem Verlag lediglich

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Ausblick & Impressum. Lege artis 2011; 1: 72

das nicht ausschließliche Nutzungsrecht im Umfang des vorstehenden Absatzes ein. Der Verfasser ist für die vollständige Quellenangabe sowie die Einholung der schriftlichen Einwilligung des anderen Verlages zu den vorstehenden Rechtsräumungen verantwortlich und weist diese dem Verlag nach. Der korrespondierende Autor erhält eine pdf-Datei seines Artikels für seine privaten Zwecke. Online: Die Artikel des Kernteils stehen online in Thieme-connect zur Verfügung (www.thieme-connect.de/ ejournals). Der Zugang ist für persönliche Abonnenten im Preis enthalten. For users in the USA: Authorization of photocopy items for internal or personal use, or the internal or personal use of specific clients, is granted by Georg Thieme Verlag Stuttgart • New York for libraries and other users registered with the Copyright Clearance Center (CCC) Transactional Reporting Service; www.copyright.com For reprint information in the USA, please contact: International Reprint Corporation, 287 East „H“ St., Benicia, CA 94510, USA; phone: +1-707-746-8740, fax +1-707-7461643; e-mail: irc@intlreprints.com © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart • New York 2011

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medi­zin ständigen Entwicklungen unterworfen. ­Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse ­Therapie anbelangt. Soweit in die­ sem Heft eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der ­Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, ­Herausgeber und Verlag große Sorg­ falt darauf verwandt haben, dass d ­ iese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung der Zeitschrift ent­ spricht. Für Angaben über Dosierungs­anweisungen und Applikations­formen kann vom Verlag jedoch kei­ ne Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipack­ zettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche ­Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder s­ olchen, die neu auf den Markt ge­ bracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene ­Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auf­ fallende Ungenauig­keiten dem Verlag mitzuteilen.


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