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Amtssitze vom Schloss bis zur ehemaligen Kaserne
Landräte und Ratsvorsitzende – viele Männer und eine Frau
Die erste öffentliche Sitzung des neu gewählten Kreisrates für den Landkreis Gotha eröffnete am 7. Oktober 1922 im früheren Sitzungssaal des Landtages am Schloßberg 2 der bisherige Eisenacher Landrat Dr. jur. Friedrich Jungherr als provisorischer Kreisdirektor. Erst am 10. November 1922 schrieb die „Thüringer Landes-Zeitung“ unter der Überschrift „Die Ernennung des Kreisdirektors“: „Wie jetzt bekannt wird, ist nunmehr die Ernennung des früheren Gothaer Amtsvormundes, jetzigen Regierungsrats in Weimar Koch zum Kreisdirektor für den Landkreis Gotha vollzogen worden.“ Gothas erster Kreisdirektor war somit der Regierungsrat Edmund Koch. Die Amtszeit des Sozialdemokraten, der früher in der Verwaltung der Stadt Gotha tätig gewesen war, sollte jedoch nicht lange währen, denn bereits die Sitzung vom 25. Januar 1924 leitete der Regierungsrat Leutheußer als kommissarischer Kreisdirektor, da Koch kurz zuvor seines Amtes enthoben worden war. Mit dem Juristen Louis Leutheußer, übrigens der Großvater der Bundesjustizministerin a.D. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, kehrte ein alter Hase in die Kreisverwaltung zurück, denn er war bereits von 1916 bis 1922 Landrat des Landratsamtsbezirkes Gotha gewesen. 1926 bekam er auch die alte Amtsbezeichnung Landrat zurück. Am 15. November 1933 wurde er durch den Ministerialrat Dr. Ernst Guyet abgelöst, der zuvor als Leiter der Polizeiabteilung bzw. zuletzt des Wohlfahrtsamtes des Thüringer Ministeriums des Innern tätig gewesen war. Er wurde nach Gotha abgeschoben, trat erst 1937 der NSDAP bei und wurde trotz gutem Leumundszeugnis im April 1945 inhaftiert. Die Amerikaner setzten am 19. Mai 1945 den Gothaer Rechtsanwalt und Notar Hans Echarti, der seine Praxis in der Friedrichstraße 11 hatte, als Landrat des Landkreises Gotha ein. Dies änderte sich mit dem Besatzungswechsel im Juli 1945, als der damalige Thüringer Regierungspräsident Hermann Brill Arthur Luck zum Landrat ernannte. Dieser wurde im Sommer 1949 aufgrund politischer Fehler des Amtes erhoben. Am 1. September 1949 wurde der bisherige stellvertretende Landrat des Kreises Weißensee Kurt Hecht zum neuen Landrat gewählt. Als der studierte Maschinenbauingenieur nach einem Jahr in die Produktion zurückkehren wollte, wurde am 20. Dezember 1950 die bisherige Leiterin des Amtes für Arbeit und Sozialfürsorge in Sonneberg Elisabeth Wesenick auf Vorschlag des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD) zur Landrätin des Kreises Gotha gewählt. Die zweifach Geschiedene heiratete 1951 in Gotha ein drittes Mal (deshalb seitdem der Doppelname MärzWesenick) und wurde schon bald vom Landesvorstand des DFD zu einer anderen Funktion berufen. Mit dem in der Kreistagssitzung vom 4. Oktober 1951 auf Vorschlag des FDGB gewählten neuen Landrat Hugo Gräf kam erstmals ein alter kommunistischer Parteifunktionär ans Ruder, der es vom Schlosser zum KPD-Reichstagsabgeordneten gebracht hatte und nach KZ-Haft emigrieren musste. Nachdem er 1952 aufgrund der Verwaltungsreform zum Vorsitzenden des Rates des Kreises geworden war, wurde im Januar 1953 seine Abberufung durch die Bezirksleitung der SED empfohlen, worum Gräf schließlich zum 31. Mai selbst bat. In der 8. Kreistagssitzung vom 5. Juni 1958 wurde Gräfs Nachfolger Fritz Singer von seiner Funktion abberufen. Die Amtszeit von Singers Nachfolger Herwig Roos endete auch bereits nach gut zwei Jahren, denn in der Kreistagssitzung vom 19. Oktober 1960 wurde der bisherige stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirkes Erfurt, Karl Hupe, zum Ratsvorsitzenden und Roos zu seinem Stellvertreter gewählt. Hupe starb jedoch bereits 1966 plötzlich und unerwartet. Bis zur Wahl eines Nachfolgers amtierte ein halbes Jahr lang Herbert Korb. Am 9. November 1966 wurde Rudolf Kornagel „auf einer Sondersitzung des Kreistages als neuer Vorsitzender des Rates des Kreises vorgestellt und einstimmig gewählt.“ Als auch dieser kurz nach seinem 60. Geburtstag im Amt verstarb, trat am 28. April 1981 der Kreistag im „Volkshaus zum Mohren“ zu seiner 15. Plenartagung zusammen. „Im Tagesordnungspunkt Kaderfragen wurde vom Mandatsträger der SED der Vorschlag der Bezirksleitung der SED und des Sekretariats der SED-Kreisleitung unterbreitet, den Genossen Wolfgang Schädel zum Vorsitzenden des Rates des Kreises zu wählen. Der Kreistag sprach Genossen Wolfgang Schädel einmütig das Vertrauen aus.“ Am 21. Dezember 1989 stand in der TLZ folgende kurze Notiz: „Der Vorsitzende des Rates des Kreises, Wolfgang Schädel, ist seit dem 13. Dezember erkrankt. Seitdem amtiert als Vorsitzender Günter Hertel.“ Genau an diesem Tag war die erste Beratung des Runden Tisches des Kreises Gotha als ein „Gremium des Streites und der Verständigung“ durch den damaligen Superintendenten Eckardt Hoffmann in die Versöhnungskirche in Gotha-West einberufen worden, vor allem weil „die SED auch im Kreis Gotha ihre führende Rolle bisher nur theoretisch aufgegeben habe, daß durch diese Situation hochgradige Verunsicherung bei der Bevölkerung herrsche und das Chaos an der Basis allmählich Formen annehme, wobei rechtsextremistische Aktivitäten bisher zum Glück noch nicht zu verzeichnen waren“. Der Runde Tisch leitete die Geschicke des Kreises Gotha bis zur ersten demokratischen Kreistagswahl seit 1946 am 6. Mai 1990. Diese erlebte der letzte Ratsvorsitzende Wolfgang Schädel nicht mehr, denn er war bereits Ende März aus dem Leben geschieden. Die Konstituierung des neuen Kreistages fand am 19. Mai 1990 in der inzwischen abgerissenen HO-Gaststätte „Freundschaft“ statt. „Zum Landrat des Landkreises Gotha wählte der neue Kreistag den 46jährigen Diplomchemiker Dr. Dieter Reinholz (CDU). Von 77 gültigen Stimmen hatten 55 für diesen Vorschlag votiert.“ Die Amtszeit von Dr. Reinholz währte insgesamt zehn Jahre. In der Stichwahl vom 26. Juni 1994 unterlag sein Herausforderer Walter Kruse (SPD) mit 49,3 zu 50,7 %. Dies war das knappste Wahlergebnis in ganz Thüringen. In der Landratswahl vom 14. Mai 2000 hatte Reinholz noch mit 36,1 % die Nase vorn, in der Stichwahl vom 28. Mai unterlag er jedoch Dr. Dr. Siegfried Liebezeit (SPD), der insgesamt 64,8 % der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Dessen Amtszeit währte nur knapp fünf Jahre, denn er wurde nach der Verurteilung in einem Gerichtsverfahren vom Landesverwaltungsamt im Mai 2005 suspendiert. Bis zur Landratswahl im Mai 2006 übernahm der Erste Kreisbeigeordnete Konrad Gießmann (CDU) die Amtsgeschäfte als „Vertreter im Amt“. In der Stichwahl vom 21. Mai 2006 wurde er mit 60,3 % zum Landrat gewählt. Dieses Amt hatte er zwei Amtsperioden lang bis zum Erreichen der Altersgrenze inne. Bei der Landratswahl vom 15. April 2018 lag Onno Eckert (SPD) mit 37,8 % vor Holger Kruse (CDU) mit 24,9 %. Die Stichwahl vom 29. April entschied der Volljurist Eckert mit 67 % für sich.
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1922 Prov. Kreisdirektor Dr. Friedrich Jungherr *08.01.1879 Creuzburg a. W. 1922 – 1924: Kreisdirektor Edmund Koch *19.01.1874 Leipzig 1924 – 1933: Kreisdirektor/Landrat Louis Leutheußer *20.02.1877 Oberwohlsbach 1933 – 1945: Landrat
1945: Landrat
1945 – 1949: Landrat 1949 – 1950: Landrat 1950 – 1951: Landrätin 1951 – 1953: Landrat/Ratsvorsitzender Dr. Ernst Guyet *05.08.1887 Weimar
Hans Echarti
Arthur Luck
Kurt Hecht
*06.01.1887 Großtabarz *16.03.1895 Sonneborn *24.06.1905 Berlin Elisabeth März-Wesenick *27.05.1912 Stuttgart Hugo Gräf *10.10.1892 Rehestädt
1953 – 1958: Ratsvorsitzender Fritz Singer 1958 – 1960: Ratsvorsitzender Herwig Roos 1960 – 1966: Ratsvorsitzender Karl Hupe *11.03.1900 Elbogen *04.12.1920 Viernau *28.04.1912 Hildesheim
1966: Amt. Ratsvorsitzender Herbert Korb
*29.06.1924 Waltershausen 1966 – 1981: Ratsvorsitzender Rudolf Kornagel *11.01.1921 Crimmitschau 1981 – 1990: Ratsvorsitzender Wolfgang Schädel *14.01.1940 Erfurt 1989 – 1990: Amt. Ratsvorsitzender Günter Hertel *28.12.1937 Ohrdruf 1990 – 2000: Landrat 2000 – 2005: Landrat Dr. Dieter Reinholz *20.10.1943 Böhmisch-Leipa Dr. Dr. Siegfried Liebezeit *22.01.1953 Hohenkirchen
2005 – 2018:
Vertreter im Amt/ Landrat ab 01.07.2006 Konrad Gießmann *20.06.1951 Gotha seit 2018: Landrat Onno Eckert *05.04.1985 Duisburg † 02.06.1959 Gotha † 11.08.1964 Minden † 29.10.1962 Stuttgart † 04.07.1958 Köln † 24.11.1962 Gotha † 11.12.1996 Meißen † 18.01.1972 Berlin-Buch † 22.10.1958 Gotha † 02.09.1960 Worbis † 10.07.2002 Kornhochheim † 12.05.1966 Gotha † 02.02.2004 Apolda † 02.03.1981 Gotha † 22.03.1990 Gotha † 25.07.2022 Gotha † 14.07.2008 Gotha
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| Fotos S. 12: 1) Edmund Koch, 2) Louis Leutheußer, 3) Ernst Guyet | Fotos S. 13: 4) Hans Echarti, 5) Arthur Luck, 6) Elisabeth März-Wesenick, 7) Kurt Hecht, 8) Hugo Gräf, 9) Fritz Singer, 10) Herwig Roos, 11) Karl Hupe, 12) Rudolf Kornagel, 13) Wolfgang Schädel, 14) Dieter Reinholz, 15) Siegfried Liebezeit, 16) Konrad Gießmann, 17) Onno Eckert