
11 minute read
Landräte und Ratsvorsitzende – viele Männer und eine Frau
Bildungswesen im Herzogtum und im Landkreis Gotha
Das Bildungswesen hatte im Herzogtum Gotha bereits seit Herzog Ernst dem Frommen (1601-1675) einen guten Ruf. Der 1642 vom Schulrektor Andreas Reyher (1601-1673) verfasste „Gothaische Schulmethodus“ gilt allgemein als Gründungsurkunde der deutschen Volksschule, die die allgemeine Schulpflicht als staatliches Gesetz beinhaltete. Von überregionaler Bedeutung waren auch die höheren Bildungseinrichtungen wie das Gothaer Gymnasium illustre, das 1859 mit dem 1836 gegründeten Realgymnasium zum Gymnasium Ernestinum vereinigt wurde, die 1784 von Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811) in Schnepfenthal begründete Erziehungsanstalt (Salzmannschule), das 1854 als Höhere Töchterschule eröffnete Lyzeum (Myconiusschule) sowie die seit 1876 bestehende Realschule (Arnoldischule). Auch das am 1. Juli 1863 in Gotha verabschiedete Volksschulgesetz war beispielgebend für ganz Deutschland. Leiter des Unterrichtswesens im Herzogtum Gotha war der Oberschulrat, der gleichzeitig Vortragender Rat in Schulangelegenheiten beim Staatsministerium und Generalschulinspektor war. Einen tiefen Einschnitt auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens stellte die Novemberrevolution von 1918 dar, in deren Ergebnis 1920 der Freistaat Thüringen und 1922 die Landkreise entstanden. Für das Schulwesen war nun das neu geschaffene Thüringer Ministerium für Volksbildung verantwortlich, das außerdem noch für Theater, Museen, Bibliotheken und die Universität Jena zuständig war. Die von der Reichsverfassung und von der demokratischen Ideenbewegung her geforderte Neuorganisation des Bildungswesens musste selbstständig vorangetrieben werden. Ohne größere Schwierigkeiten vollzog sich die Anpassung der Volksschule an das neu zu errichtende einheitliche deutsche Schulsystem. Die ersten Maßnahmen zielten darauf, die bisherige Abhängigkeit der Schule von der Kirche zu beseitigen. Am 22. Februar 1922 wurde das Gesetz über die Durchführung der Einheitsschule in Thüringen verabschiedet, das die folgenden vier Schulstufen unterschied: die Grundschule (4 Jahre), die Unterschule (3 Jahre), die Mittelschule (3 Jahre) sowie die Oberschule (3 Jahre). Jede dieser Stufen hatte einen eigenen Abschluss. Ein Schulverwaltungsgesetz folgte am 9. Mai 1923. Diese Gesetze wurden jedoch nach der Ablösung der sozialistischen Landesregierung durch die bürgerliche sofort geändert und durch neue ersetzt. Das hatte übrigens 1924 im damals parteipolitisch noch „roten“ Gotha einen mehrere Monate andauernden Schulstreik zur Folge. Nachdem im Februar 1919 in den Räumen der Firma Carl Zeiß in Jena die Gründungssitzung der Volkshochschule Thüringen stattgefunden hatte, wurden im September 1922 die Einrichtungen der Erwachsenenbildung
Advertisement
| Das Schnepfenthaler Sprachengymnasium gründete 1784 Chr. G. Salzmann als philantropische Erziehungsanstalt. | Das 1838 erbaute Gymnasium Ernestinum in der Bergallee konnte 1991 nach 46-jähriger Unterbrechung neu begründet werden. als „unentbehrliche Ergänzung der Einheitsschule“ erklärt und ihnen Selbstverwaltung und „volle wissenschaftliche Freiheit der Lehrenden und Lernenden“ zugesichert. Ein weiteres Kind der Weimarer Republik war die „Deutsche Aufbauschule“. Deren Geburtsstunde schlug zu Ostern 1921 in Gotha. Als Sitz wurde das Herzog-Ernst-Seminar in der Reinhardsbrunner Straße ausgewählt. Dies bedeutete allerdings das Aus für die bereits 1779 in Gotha begründete Tradition der Lehrerausbildung. Dafür entstand eine Bildungseinrichtung, die sich später auch anderwärts durchgesetzt hat. Die 1933 erfolgte Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stellte auch für das Bildungswesen einen gravierenden Einschnitt dar, das wie alle anderen Lebensbereiche „gleichgeschaltet“ wurde. Dafür sorgten Schulleiter wie Staatsrat Fritz Hille (Aufbauschule) und Dr. Hans Karge (Arnoldischule). Größere Umstrukturierungen hat es jedoch im Landkreis nicht gegeben. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges lag dann nicht nur das Schulwesen am Boden. Es ist Persönlichkeiten wie Oskar Gründler (1876-1947) zu verdanken, dass das Gothaer Schulsystem umgehend wieder aufgebaut wurde. Gründler war zum kommissarischen Schulrat ernannt worden und nun für den Erlass von Richtlinien und den Einsatz verlässlicher und unbelasteter Lehrer verantwortlich. Nach sechs Monaten Zwangspause wurde am 1. Oktober 1945 der Schulbetrieb wieder aufgenommen. Der „antifaschistisch-demokratischen Umwälzung“ fiel allerdings das Gothaer Gymnasium Ernestinum zum Opfer. Auch am ehemaligen Ohrdrufer Gymnasium Gleichense und der Gothaer Aufbauschule (seit 1945 Theodor-Neubauer-Oberschule) konnte nur noch bis 1957 bzw. 1959 das Abitur abgelegt werden. Danach gab es im gesamten Landkreis mit der Arnoldi- und der Salzmannschule nur noch zwei sogenannte Erweiterte Oberschulen. In der „Konzeption zur Entwicklung des Volksbildungswesens im Kreis Gotha von 1971 bis 1975“ hieß es: „Die Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft erfordert den weiteren Ausbau des einheitlichen sozialistischen Bildungssystems. Dabei besteht die Hauptaufgabe darin, alle personellen und materiellen Voraussetzungen über die Realisierung des Verfassungsauftrages zu schaffen und die 10-jährige Oberschulbildung für alle Kinder des Volkes bis zum Jahre 1980 zu garantieren.“ In der DDR wurde auf die Erziehung der „sozialistischen Jugend“ viel Wert gelegt. Es kam deshalb zu einer Reihe von Schulneubauten im Kreisgebiet und vor allem im Neubaugebiet Gotha-West. Die politische Wende und die damit verbundene Neugründung des Freistaates Thüringen stellte den wohl bedeutendsten Einschnitt in die Bildungslandschaft seit 1945 dar, in dessen Ergebnis 1991 das Gothaer Gymnasium Ernestinum und das Ohrdrufer Gymnasium Gleichense wieder neu gegründet sowie neue Gymnasien in Friedrichroda und dem seit 1994 wieder zum Landkreis Gotha gehörenden Neudietendorf eröffnet wurden. Als Schulträger ist der Landkreis Gotha heute für 16 Grund-, neun Regel-, zwei Gemeinschaftsschulen sowie sechs Gymnasien, eine Kooperative Gesamtschule und zwei Förderzentren verantwortlich. Lediglich Gotha und Waltershausen sind Träger ihrer Grund- und Regelschulen. Außerdem befinden sich noch zwei Berufsschulzentren, eine Volkshochschule und die Musikschule Louis Spohr in Kreisträgerschaft.


Die Kreissparkasse Gotha kann in acht Jahren auf ihr 200-jähriges Bestehen zurückblicken. Die Initiative zu ihrer Gründung ging von dem 1. Bürgermeister Carl Purgold und dem Buchhändler Friedrich Gottlieb Becker aus, die am 30. Juli 1828 ein entsprechendes Gesuch an das Herzogliche Obersteuerkollegium richteten. Nachdem sich am 11. August 1829 ein aus 30 Gothaer Bürgern bestehender Sparkassenverein konstituiert hatte und die Statuten vom Herzog sanktioniert worden waren, konnte die „Sparkasse für das Herzogthum Gotha“ am 1. Mai 1830 ihren Geschäftsbetrieb in einem Zimmer des Rathauses aufnehmen.
Als deren Zweck war festgelegt, „jedem Unbemittelten in hiesiger Stadt und im Herzogthume Gotha Gelegenheit zu geben, kleine Ersparnisse sicher und verzinslich anzulegen, damit diese sich vermehren, und zu kleinen Kapitalien, welche ohne diese Anstalt nicht entstanden wären, anwachsen mögen“. Seit 1832 war die Sparkasse durch ein wachsendes Netz von Filialen im damaligen Herzogtum präsent. Trotzdem ging die Entwicklung der Sparkasse zunächst nur langsam voran. Im Jahre 1850 erfolgte der Umzug aus dem Rathaus in die gegenüberliegende Innungshalle. Seit 1854 wurden zwei Drittel der Überschüsse für gemeinnützige Zwecke verwendet. Bis 1878 kamen 190.550 Mark zusammen, die vor allem für den Bau der Krankenhäuser in Ohrdruf (1867), Waltershausen (1871) und Gotha (1878) bereit gestellt worden.
1871 wurde der Geschäftsbetrieb in das käuflich erworbene Haus Gartenstraße 5 verlegt. Als nach 1900 deutlich wurde, dass auch diese Räume den wachsenden Ansprüchen nicht mehr genügten, wurde 1905/06 in der Lutherstraße 2 der markante Jugendstilbau errichtet. Das Ende des Herzogtums, der Beitritt zum Freistaat Thüringen sowie die Gründung des Landkreises Gotha hatten außer der Umbenennung in „Sparkasse für das vormalige Herzogtum Gotha“ zunächst keinen unmittelbaren Einfluss auf das Kreditinstitut.
Damals gab es bereits vier weitere Sparkassen im Kreisgebiet. 1890 war in Ohrdruf eine Städtische Sparkasse gegründet worden, die ihren Sitz im Rathaus hatte. Nach jahrelangem vergeblichen Ringen der Stadtverwaltung Gotha um die Übernahme der „Sparkasse für das Herzogtum Gotha“ wurde 1905 in der Innungshalle die „Städtische Sparkasse in Gotha“ eröffnet, die ab 1923 als „Stadtsparbank Gotha“ firmierte und 1933 in die Erfurter Straße 1 zog.
Seit 1904 gab es auch die „Sparkasse der Stadt Waltershausen“ und seit 1919 die „Städtische Sparkasse zu Friedrichroda“. Beiden war jedoch keine lange Lebensdauer beschieden. Erstere wurde 1932 mit der Stadtsparbank Gotha zusammengeschlossen. Die Friedrichrodaer Sparkasse wurde 1936 von der „Sparkasse für das vormalige Herzogtum Gotha“ übernommen und in ihre bereits seit 1882 dort existierende Filiale eingegliedert.
Für die drei im Landkreis verbliebenen Sparkassen in Gotha und Ohrdruf führte der verlorene Hitlerkrieg zu tiefgreifenden Veränderungen. Die „Sparkasse für das vormalige Herzogtum Gotha“ konnte bereits am 2. Mai 1945 ihre Kassenschalter wieder öffnen und wollte sich als „Gothaer Stiftungssparkasse“ am Wiederaufbau beteiligen. Mit Wirkung vom 1. August 1946 mussten die ostdeutschen Sparkassen die neue „Mustersatzung für Sparkassen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands“ beschließen und unverändert annehmen. Dies bedeutete das Aus für die Stiftungssparkasse. Die einzige Möglichkeit des Weiterbestehens bestand in der Übernahme durch den Landkreis als „Kreissparkasse Gotha“.
Das am 26. April 1950 verabschiedete „Gesetz zur Änderung der Kreis- und Gemeindegrenzen im Lande Thüringen“ führte nicht nur zur Aufhebung der Kreisfreiheit der Stadt Gotha, sondern auch zur Zusammenlegung der Kreissparkasse mit den Stadtsparkassen Gotha und Ohrdruf zum 30. September 1950. Seitdem gibt es nur noch eine Sparkasse im Kreisgebiet.
Die im Herbst 1989 eingeleitete politische Wende sowie die am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion führten nicht nur im Sparkassenwesen zu unvorstellbaren Veränderungen. Seitdem nimmt die Kreissparkasse Gotha einen vorher nie gekannten Aufschwung. Davon zeugt unter anderem der von 1994 bis 1996 errichtete Erweiterungs- und Neubau mit dem modernen Kundencenter in der Gerbergasse. Das Geschäftsgebiet umfasst derzeit neben der Hauptgeschäftsstelle in der Lutherstraße 2-4 noch acht Filialen und fünf SB-Filialen im gesamten Kreisgebiet.


| Die „Städtische Sparkasse in Gotha“ wurde 1905 in der Innungshalle eröffnet und existierte bis 1950.
| Die 1830 gegründete jetzige Kreissparkasse Gotha hat ihren Hauptsitz in dem im Jahre 1906 errichteten markanten Jugendstilbau in der Lutherstraße 2. | Die 1904 eröffnete Stadtsparkasse Waltershausen wurde 1932 von der Stadtsparbank Gotha übernommen.

Mit der Thüringerwaldbahn seit knapp 100 Jahren zum Fuß des Inselsberges

| Zur Jungfernfahrt der Thüringerwaldbahn am 17. Juli 1929 hielten die festlich geschmückten „Sonderwagen“ Nr. 55 und 56 an der Haltestelle in Friedrichroda.
Die Geschichte der Thüringerwaldbahn begann mehr als drei Jahrzehnte vor ihrer Inbetriebnahme. Bereits 1897 wurde eine Vereinbarung zum Bau und Betrieb eines ausgedehnten Überlandbahnnetzes geschlossen. So sollten Linien nach Friemar über Siebleben, nach Günthersleben und Wechmar, nach Goldbach über Remstädt und nach Winterstein über Großtabarz und Schwarzhausen entstehen. Anfang 1903 musste jedoch die Betreiberfirma „in Folge bedeutender Unterbilanz“ die Realisierung dieser Projekte aufgeben.
Konkret wurde es erst wieder Ende 1911, als zwischen dem Herzogtum Sachsen-Gotha und der AEG ein Vertrag über den Bau eines Überlandelektrizitätswerkes sowie einer Überlandbahn von Gotha in den Thüringer Wald abgeschlossen wurde. Die Bauarbeiten begannen am 4. Juni 1914, mussten jedoch durch den Ersten Weltkrieg und die Inflation unterbrochen werden.
Erst ab dem 28. Juni 1928 konnten sie fortgesetzt werden. Am 17. Juli 1929 erfolgte dann die feierliche Einweihung der 21,7 Kilometer langen Strecke von Gotha nach Tabarz mit dem 2,4 Kilometer langen Abzweig nach Waltershausen vom Gleisdreieck aus. Auch für die Thüringerwaldbahn endete der Zweite Weltkrieg mit mehreren Katastrophen. Infolge des Bombenangriffs auf das Gothaer Bahnhofsviertel musste der Fahrbetrieb am 6. Februar 1945 bis auf Weiteres eingestellt werden. Zudem war am 3. April die Autobahnbrücke bei Leina durch die Nazis gesprengt worden.
Trotzdem konnte bereits am 21. Juni der Verkehr der Thüringerwaldbahn zumindest teilweise wieder aufgenommen werden. Ab dem 19. September bestand dann Pendelverkehr zwischen dem Gothaer Hauptbahnhof und Leina sowie Leina und Tabarz. Erst ab dem 30. Oktober 1946 konnte die Thüringerwaldbahn wieder durchgängig fahren.
Auch als Volkseigener Betrieb (seit 1948) und unter planwirtschaftlichen Bedingungen wurden weder das Streckennetz noch der Fahrzeugpark vernachlässigt, denn die Straßen- und Waldbahn stellten nach wie vor das wichtigste Verkehrmittel im Kreisgebiet dar. Letztere brachte nach wie vor Berufspendler und inzwischen auch viele FDGB-Urlauber ans Ziel.
Die geplante Einführung der inzwischen im VEB Waggonbau Gotha produzierten Gelenkwagen brachte einschneidende bauliche Veränderungen mit sich, denn sie waren nur noch im Ein-Richtungs-Verkehr einsetzbar. Deshalb mussten an fast allen Endhaltestellen Gleiswendeschleifen errichtet werden, so 1966 in Tabarz und 1971 in Waltershausen. In beiden Fällen mussten die bisherigen Endhaltestellen aufgegeben werden.
Bis dahin waren noch einige der ursprünglich zehn Triebwagen (Nr. 50-59) im Einsatz gewesen, die in den Jahren 1928/29 in der damaligen Gothaer Waggonfabrik AG gebaut worden waren. Mit der Nr. 56 hat zumindest einer davon die Zeiten überdauert. Seit 1979 ist er zusammen mit dem Beiwagen Nr. 82 als Traditionszug zu besonderen Anlässen unterwegs.
Nach der politischen Wende wurde im Januar 1991 mit der Gründung der Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH die Voraussetzung für eine stabile Entwicklung geschaffen. Der Landkreis Gotha hält dabei einen 30-prozentigen Anteil. Weitere Gesellschafter sind die Städte Gotha, Waltershausen und Friedrichroda sowie die Gemeinde Bad Tabarz.
Seitdem ist viel in die Infrastruktur und das Streckennetz investiert worden. Ein Beispiel ist das 2007 fertiggestellte neue ÖPNVTerminal auf dem Gothaer Bahnhofsvorplatz. Damit wurden die Weichen in die Zukunft gestellt, denn in nur sieben Jahren kann die Thüringerwaldbahn als eine der ältesten und längsten Überlandstraßenbahnen Deutschlands ihr 100-jähriges Bestehen feiern.

| Das Gleisdreieck dient als Umsteigemöglichkeit in Richtung Gotha oder Waltershausen.

| Notgeldschein 100 Milliarden Mark (1923) | Wechmar Bachhaus mit Gedenktafel (1929)


| Boxberg Pferderennbahn (um 1930)

| Tambach-Dietharz Luftaufnahme Gothaer Talsperre (um 1935)
| Großer Inselsberg Luftaufnahme (um 1935) | Buchtitel: Bilanz 40 Jahre DDR (1989)



| Zeichnung: Bienstädter Warte von Rudolf Herz (1978) | Dienstausweis Kreisrat deutsch-russisch (um 1955)


| Logo 50 Jahre Thüringerwaldbahn (1979)