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ohne Zahnmedizin? – Wir sagen: Undenkbar
from ZBB Ausgabe 4/2021
by KZVLB
Gründung einer medizinischen Hochschule im Land Brandenburg ohne Zahnmedizin? – Wir sagen: Undenkbar!
Autoren: Dipl.-Stom. Jürgen Herbert, Präsident der LZÄKB sowie Vorstandsmitglieder Dr. Romy Ermler und Dr. Harald Renner
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Gesprächsrunden und Diskussionen nehmen zurzeit kein Ende: Eine Arbeitsgruppe der Landeszahnärztekammer Brandenburg (LZÄKB) bringt ein gutes Argument nach dem anderen in Gespräche ein, damit künftig auch Zahnmedizin im Land studiert werden kann.
Ärzte- und Zahnärztekammer Brandenburg einig In einer Pressemitteilung Mitte Juni betonen der Präsident der Landesärztekammer Brandenburg (LÄKB), Dipl.-Med. Frank-Ullrich Schulz, sowie der Präsident der LZÄKB, Dipl.-Stom. Jürgen Herbert:
„Für die zukünftige Sicherstellung der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung des Flächenlandes Brandenburg ist eine eigene staatliche Hochschulausbildung von elementarer Bedeutung. Die Ausbildungszahlen der Universitäten der umliegenden Bundesländer reichen schon jetzt nicht aus, um den zukünftigen Bedarf der brandenburgischen Bevölkerung zu decken. Nur der konstante Zustrom von Absolventen kann die wohnortnahe Versorgung im ländlichen Raum sichern.
Eine moderne und zeitgemäße Medizinische Hochschule ist ohne zahnmedizinischen Bereich kaum vorstellbar. Die Zusammenhänge zwischen Mundgesundheit und der allgemeinen Gesundheit ist seit Jahren wissenschaftlich erwiesen. Dem Gedanken der engeren Verknüpfung der Humanwissenschaften tragen die neuen Approbationsordnungen für die Ausbildung der Humanmediziner und Zahnmediziner Rechnung. Gemeinsames Studieren, gemeinsames Forschen und gemeinsames Behandeln ist das Ziel.
Die Landesärztekammer Brandenburg und die Landeszahnärztekammer Brandenburg sind sich daher einig: Brandenburg braucht die in der Lausitz geplante Medizinische Hochschule mit einem zusätzlichen zahnmedizinischen Ausbildungszweig.“
Positionspapier Zahnmedizin
Die Landeszahnärztekammer Brandenburg bildete beizeiten eine „Arbeitsgruppe Universität“, der angehören: • Dipl.-Stom. Jürgen Herbert • Dr. Romy Ermler • Dr. Harald Renner • Dr. Alexander Steiner • Dr. Thilo Schmidt-Rogge • Prof. Dr. Ina Nitschke sowie • RA Björn Karnick.
Gemeinsam erarbeiteten die Mitglieder der Arbeitsgruppe ein „Positionspapier Zahnmedizin zur Gründung einer medizinischen Hochschule im Land Brandenburg“. Wir befragten Vorstandsmitglied Dr. Romy Ermler zum gegenwärtigen Stand: Frau Dr. Ermler, bisher ging es einigermaßen ohne Studium der Zahnmedizin im Land Brandenburg. Hat sich die Situation jetzt zugespitzt?
Dr. Romy Ermler: Ja, denn inzwischen ist es so, dass die Anzahl der erfolgreich Approbierten in den Bundesländern Berlin, Meck-
lenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen selbst dort kaum mehr ausreicht, um den altersbedingten Wegfall von Versorgern zu kompensieren. Und wer einmal sein Heimatland für das Studium verlassen hat, kommt selten zurück. Das Flächenland Brandenburg steht jedoch hier ganz besonders vor der Aufgabe, insbesondere im ländlichen Bereich eine wohnortnahe zahnmedizinische Versorgung langfristig und nachhaltig zu gewährleisten. Gerade durch die Corona-Pandemie mussten wir feststellen, dass manche ältere Kollegen einen vorzeitigen Ruhestand in Betracht ziehen bzw. die Praxis geschlossen haben. Um es auf dem Punkt zu bringen: Die flächendeckende Versorgung ist mangels zahnärztlichem Nachwuchs in Gefahr.

Könnten Sie kurz erklären, warum derzeit über die Gründung einer medizinischen Hochschule so heiß diskutiert wird?
Diese geplante Gründung gehört zu einem Kanon von Maßnahmen, um in der Lausitz den Strukturwandel zum Kohleausstieg zu begleiten. Seit Herbst 2020 arbeitet dafür eine Expertenkommission unter der Leitung des Wissenschaftsmanagers Prof. Karl Max Einhäupl. Seine Kommission legte Anfang August ein 173 Seiten umfassendes Eckpunktepapier vor, wie die künftige Medizinische Fakultät in Cottbus aussehen könnte. Dabei geht es nicht nur um die reine Ausbildung von Medizinern, sondern auch um den Aufbau eines international anerkannten Zentrums der Gesundheitssystemforschung und Digitalisierung in der Medizin. Dies soll unter dem Namen „Innovationszentrum Uni-
Foto: Robert Lehmann
Die ZBB-Redaktion sprach mit Dr. Romy Ermler, Vizepräsidentin der BZÄK und Vorstandsmitglied der LZÄKB
versitätsmedizin Cottbus“ (IUC) geführt werden.
Allerdings ist auch bekannt geworden, dass in dem genannten Eckpunktepapier ausgerechnet die Fachgebiete Pharmazie und Zahnheilkunde außen vor gelassen werden sollen.
Da kommen Sie in dem erarbeiteten Positionspapier doch aber auf ein ganz anderes Ergebnis?
Das stimmt. Eine moderne und zeitgemäße medizinische Hochschule ohne einen zahnmedizinischen Bereich ist für uns kaum denkbar. Die Zusammenhänge zwischen der Mundgesundheit und der allgemeinen Gesundheit des Menschen sind seit Jahrzehnten wissenschaftlich nachgewiesen! Selbst die neuen Approbationsordnungen für Ärzte und Zahnmediziner sehen eine enge Verknüpfung beider Studiengänge vor!
Gemeinsames Studieren, gemeinsames Forschen und gemeinsames Behandeln sollen das Ziel einer modernen Medizinerausbildung an einer Medizinischen Fakultät sein.
Was besagt die neue Approbationsordnung für die Zahnmedizin unter anderem?
Das Studium gliedert sich ab diesem Jahr in einen vorklinischen Studienabschnitt von vier Semstern, in dem das medizinische und zahnmedizinische Grundlagenwissen über die Körperfunktion vermittelt, sowie in einen klinischen Studienabschnitt von sechs Semestern, der in zwei Teile (standardisierte Ausbildungssituation am Phantom sowie Ausbildung am Patienten) aufgeteilt wird. Neu eingeführt werden die Ausbildung in Erster Hilfe, ein einmonatiger Krankenpflegedienst und eine vierwöchige Famulatur. Zudem ist ein Pflicht-Querschnittsfach für die Besonderheiten des Alterns vorgesehen. Durch die Angleichung des vorklinischen zahnmedizinischen Studienabschnitts an die medizinische Ausbildung und durch mehr gemeinsame medizinische Unterrichtsveranstaltungen wird eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und ein fachliches Verständnis gefördert. Dies setzt jedoch eine Medizinische Fakultät voraus, die neben Medizin auch Zahnmedizin lehrt.
In Cottbus hätten wir zudem die Chance, durch einen Modellstudiengang Zahnmedizin die Verwissenschaftlichung der Zahnmedizin auf ein neues Fundament zu stellen. Bereits ab dem ersten Semester könnten die Studenten die Propädeutik und Methodik wissenschaftlichen Arbeitens mittels eines neuen Studienabschnittes kennenlernen.