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FILME AUS COMPUTERSPIELEN: EINFÜHRUNG IN DIE SUBVERSIVE WELT DES MACHINIMA

Was machen eigentlich all die Hintergrundfiguren in populären Computerspielen, wenn gerade niemand hinschaut? Das ist keine Frage, die Spieler*innen von Grand Theft Auto, Red Dead oder anderen populären Games für gewöhnlich umtreibt, die Mitglieder der österreichischen Künstlergruppe Total Refusal aber schon. Statt das Spiel zu spielen wie alle anderen, schauten sie den Statisten zu, die der Westernwirklichkeit von Red Dead Redemption im Hintergrund den letzten Schliff verleihen. Also den Stallburschen, Tischlern oder Mägden, mit denen man buchstäblich nicht spielen kann, und die, wie uns zu verstehen und in Frage zu stellen. Aber es gibt auch Machinima-Produzent*innen, die gänzlich eigenständige Welten bauen, Spiele hacken oder Spielfiguren umprogrammieren, um sie (und uns) aus ihren Zwängen zu befreien. So verstrickt Chris Brandt in Dance, Voldo, Dance zwei mit Scherenhänden bewehrte Duellanten zu den Klängen von Nellys Hot in Herre in einen lasziven, am Breakdance geschulten Tanz. Grayson Earle wiederum lässt in Grand Theft Auto Polizisten in Massen vom Himmel fallen, weil ihm aufgefallen war, dass Gesetzeshüter im Spiel niemals gegeneinander kämpfen. In Why don‘t the

Was machen eigentlich all die Hintergrundfiguren in populären Computerspielen, wenn gerade niemand hinschaut?

Total Refusal in Hardly Working vorführen, den ganzen Tag immer wieder dieselben Dinge tun und deren Hyperrealismus beim Zuschauen ein mulmiges Gefühl der (digitalen) Ausbeutung zurücklässt.

Es ist eine Binsenweisheit, dass Computerspiele ihre Nutzer*innen dazu bringen wollen, die Zeit zu vergessen und sich in ihren künstlichen Welten zu verlieren. Dazu investieren die Hersteller Unsummen in immer aufwändigere Wirklichkeiten, die hinter dem Horizont noch lange nicht aufhören und von einer schier unendlichen Schar an Spielfiguren bevölkert werden. Kein Wunder, dass viele Künstler*innen hinter die Kulissen dieser künstlichen Paradiese (oder auch Höllen) blicken wollen – oder sie als Sets für ihre eigenen Produktionen nutzen.

Im Wort Machinima fallen Maschine und Cinema in eins, wobei mit der Maschine der Grafik-Motor gemeint ist, auf dem die Spiele basieren, und alle diejenigen Kino produzieren, die sich nach einem eigenen Drehbuch durch die Spielwelt bewegen und das Geschehen am Bildschirm mitschneiden. Machinima ist eine demokratische Do-it-yourself-Kunst, die sich die Vorleistungen einer Milliardenindustrie auf subversive Weise zunutze macht.

Die Kurzfilmtage präsentieren jetzt ein großes Themenprogramm zu diesem verhältnismäßig jungen Genre, in dem es zunächst vor allem darum ging, die Welt der Computerspiele zu erkunden, ihre Regeln cops fight each other? befiehlt er zunächst Zivilisten aufeinander einzuprügeln, was diese, dem Spielprinzip „Jeder gegen jeden“ folgend, auch prompt tun. Die mit dem gleichen Auftrag ins Spiel geladenen Cops rennen stattdessen in alle Richtungen davon. Ist hier ein programmierter Korpsgeist am Werk?, fragt Earle in seinem verblüffenden Experiment. Ein häufiges Thema von Machinimas ist die Darstellung von Geschlechtern, Ethnien oder Minderheiten in den Spielen. Die Künstler*innen beleuchten die Auswahlmöglichkeiten bei der Gestaltung von Avataren, nationale Klischees oder die kommerzielle Aneignung von Persönlichkeitsrechten, etwa wenn sich reale College-Basketballer in virtuellen Spielfiguren wiedererkennen. Am weitesten treibt die Erkundung der Spielwelt aber Marie Foulston. Sie lässt in The Grannies mehrere Avatare in Großmuttergestalt (ohnehin eine Seltenheit in Games) so lange aus dem eigentlichen Spielfeld von Red Dead laufen, bis sie dessen Ränder erreicht haben. Hier wird die fotorealistische Spielwelt irreal, mit eckigen Formen, unsichtbaren Himmelsleitern und Abgründen ins ungestaltete Nichts, in dem, wie auf vorkopernikanischen Weltkarten, vermutlich Drachen lauern.

Termine: 27. bis 30. April