Freies Theater

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anklagen, verdammen, entlarven, Eine Arbeit, die fesselt und abschreckt, die berührt und doch abstößt, der man sich beinah ohnmächtig hingibt und die doch so etwas wie Hoffnung weckt. Und wenn’s nur die ist, dass es noch Chancen des Entkommens gibt, dass es noch nicht zu spät ist“.325 „Während in der Festspielstadt Salzburg die letzten Vorbereitungen für das diesjährige Spektakel getroffen werden, die Geschäftswelt sich für die dicken Umsätze rüstet, die Medien nur mehr für Herrn Karajan und Freunde ihre Spalten öffnen, zeigt das theaterarbeiterkollektiv, diese engagierte, seit einigen Jahren in der Mozart-Stadt sesshafte Gruppe, sein neuestes Stück, das Antikriegsspektakel ‘Krieg dem Krieg‘. Ein Stück, das mindestens ebenso wichtig ist, wie all die Jedermänner und Zauberflöten, weil es ein Stück ist, das mit der Wirklichkeit zu tun hat. Einer Wirklichkeit, die für uns alle, auch für die Karajans und Brandauers, bald schon tödlich enden könnte. Wenn ... ja, wenn wir dieser Entwicklung der Wirklichkeit, der zunehmenden Kriegsgefahr, der Bedrohung der Menschheit, nicht entsprechend entgegentreten. Auch mit den Mitteln der Kunst. Die neueste Arbeit des theaterarbeiterkollektivs ist nur schwer zu beschreiben. Das ist kein übliches Theaterstück, das ist weit mehr. Eine Collage aus Spiel und Wirklichkeit, eine Mischung aus Aktionismus und Dokumentation, eine Vision der Zukunft. Bilder, dem Auge kaum mehr erträglich, Geräusche, im Ohr noch stundenlang weiter schreiend, wechseln mit den, vor mehr als fünfzig Jahren schon geschriebenen Worten Tucholskys. Zitate, Reden von Menschen, die das Sagen haben, werden in ihrer ganzen Bedeutung, in all ihren Folgemöglichkeiten brutal entlarvt. Die Wirklichkeit wird nicht oberflächlich dargestellt, der Teppich wird hochgehoben, man blickt darunter, zeigt Ursachen und Zusammenhänge, vermittelt eindrucksvoll, wohin die Scherzchen Ronald Reagans, die zunehmende Verhärtung der Fronten, das riesige Waffenpotential, der hysterische Antikommunismus, der Fremdenhass, Autoritätshörigkeit, der Ruf nach dem starken Mann ... eines Tages führen werden, wenn ... ja, wenn …“.326 „Krieg dem Kriege nannte der vehemente Kämpfer gegen Krieg und Militarismus, Kurt Tucholsky, eines seiner Gedichte. ‘Krieg dem Krieg‘ nennt das theaterarbeiterkollektiv seine letztgeschaffene Produktion ... die 152


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