THE BIG GOOD FUTURE, Das Magazin zur Plattform Creative City Berlin

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Ok, klingt fantastisch. Warum hat sich Blockchain im Labelbereich noch nicht durchgesetzt? Gute Frage. Vielleicht kommen wir mal da hin, dass das irgendwann alle machen. Noch ist Blockchain für viele zu undurchsichtig, viele verstehen auch nicht, was Blockchain ist oder haben Angst davor, es zu verstehen. Dabei schafft es die größtmögliche Transparenz. Bedeutet Transparenz auch, dass jeder einsehen kann, wie oft meine Songs gestreamt werden und was ich daran verdiene? Nein. Diese Transparenz herrscht nur zwischen den beteiligten Parteien des Vertrags, also zwischen mir, dem Labelbetreiber, und dem Einzelkünstler. Und jeder hat sein eigenes Abrechnungssystem, worüber er frei verfügen kann. Wie verändert die Digitalisierung die Stellung eines Labels? Labels gibt es in der Musikgeschichte seit rund 130 Jahren: 1887 wurde mit der American Gramophone Co. die erste Plattenfirma weltweit gegründet – im Anschluss folgten die ersten Labelgründungen. Labels waren in der Musikgeschichte immer so etwas wie ein Gütesiegel. Eine Hardcore-Band auf Revelation Records hatte schon die Kopfnicker auf ihrer Seite, bevor die Gitarren gestimmt waren. Ein Elektro-Act auf Warp oder Rephlex wurde im Vorfeld durchgewunken, weil es eben auf Warp oder Rephlex war. Geht das im Zuge der Digitalisierung nicht verloren? Ich gebe dir Recht, das geht verloren. Denn jetzt dominieren überall diese wirren Playlists, selbst wenn es immer noch eine bunte Labelstruktur in den Nischenmärkten gibt. Aber das Entscheidende ist ja, dass es gar keinen Versorgungsengpass mehr gibt. Wenn die Platte oder die CD früher ausverkauft war, war sie eben ausverkauft. Jetzt verdient sich das Geld erst durch Klickzahlen – aber es verdienen nur wenige daran. Genau hier setzt die Blockchain an. Wir zum Beispiel wollen nicht nur jedem ermöglichen, dabei zu sein – rechts- und linksextreme Bands ausgenommen. Wir haben auch ein Stufenmodell entwickelt, das fair für alle ist. Das heißt? Wird unsere Plattform nur zur reinen Distribution benutzt, nehmen wir maximal bis zu 15 Prozent. Du lädst deine Songs dazu hoch und legst los – fertig. Die nächste Stufe sind sogenannte Management-Tools, die wir zusätzlich dem Künstler mit an die Hand geben. Hierfür nehmen wir bis zu 30 Prozent. Die dritte Stufe ist, dass wir dich kuratieren, wir kümmern uns dann auch um die Vermarktung – und hier lautet der Deal 50 : 50. Du musst nur mit der Produktion fertig sein, was sonst der Major bezahlen würde. Ok, aber verdienen denn Künstler zum Schluss mehr daran, wenn sie die Produktionskosten selber tragen und auf einem Blockchain-Label anstelle eines Majors landen oder ihre Songs bei Spotify gelistet sind? Rein rechnerisch ja. Blockchain-Streaming zahlt in der Gesamtheit sechsmal besser als das herkömmliche Streaming. Aber die Fliegen fliegen aktuell noch dahin, wo das Licht am grellsten brennt, und es brennt eben am Himmel der Erlöse der großen Streaming-Anbieter,

Noch ist Blockchain für viele zu undurchsichtig, viele verstehen auch nicht, was Blockchain ist oder haben Angst davor, es zu verstehen. Dabei schafft es die größtmögliche Transparenz.

Fakten Blockchain Ist von Blockchain die Rede, denken viele zunächst an die Kryptowährung Bitcoin. Bitcoin entstand 2009 als erste länderübergreifende technologische Währung. Blockchain dagegen kam 2008 auf und ist zunächst nur als Datenbank ohne zentrales Speichermedium zu verstehen, die sich kontinuierlich über eine Liste von Datensätzen – sogenannte „Blöcke“ – verketten und erweitern lässt. Die Knotenpunkte liegen dazu auf den Rechnern einzelner User. Jede Datenübertragung wird auf unendlich viele Rechner übertragen und von ihnen authentifiziert – die Kopien wiederum sind verschlüsselt und können nur von den Usern eingesehen werden, die direkt an der Transaktion beteiligt sind, sie sind damit auch nicht veränderbar. Blockchain und die Kryptowährung Bitcoin setzen sich immer mehr durch, im internationalen Vergleich hinkt Deutschland aber noch hinterher – einige Experten sehen in der Blockchain auch eine völlig überbewertete Technologie. Laut der vom Digitalverband Bitkom im April 2019 veröffentlichten Studie „Blockchain in Deutschland – Einsatz, Potenziale, Herausforderungen“ sieht mittlerweile jedes siebte Unternehmen die Zukunft in Blockchain, bei Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern ist es sogar jedes dritte. Warten wir die weitere Entwicklung ab.


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