Komplett-Magazin zwischen Verse und Sorpe Frühling 2018

Page 61

VOR 70 JAHREN: MIT WÄHRUNGSREFORM ENDET MANGELWIRTSCHAFT

Von Rüdiger Kahlke

Von Rüdiger Kahlke

Mit 40 D-Mark Kopfgeld – Heinz Lückel: „Man brauchte praktisch alles“ – „Operation Big Dog“: Neues Geld kam in 23.000 Kisten aus den USA „Das erste Geld ist in die Familie geflossen“, erinnert sich Gerd Wilmink. Der Plettenberger, gerade 20 Jahre alt, war erst ein paar Jahre vorher aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Das Kopfgeld, das an diesem Sonntag ausgezahlt wurde, hat er gleich bei seiner Mutter abgeliefert. Heinz Lückel, damals 21 , erinnert sich nur vage an den „Tag X“. Er habe ein paar Süßigkeiten gekauft vom ersten Geld. „Man brauchte praktisch alles“, sagt er rückblickend, mit dem neuen Geld „konnte man keine großen Sprünge machen“. Aber: „Über Nacht waren Waren da, die vorher gehortet worden waren“, sagt der inzwischen 91-Jährige. 40 D-Mark Kopfgeld hatte es tags zuvor gegeben. 40 DM für jeden. Alle waren gleich reich als die neue Währung am 20. Juni 1948 die Reichsmark ablöste. Scheinbar. Die Währungsreform vor 70 Jahren gilt als Initialzündung für das deutsche Wirtschaftswunder. Jeder D-MarkSchein glich einer Schwungfeder für den Flug des deutschen Phoenix aus brauner Trümmerasche. Der 20. Juni 1948 wird vielfach als „Tag X“ oder „Stunde Null“ bezeichnet. Mit Ausgabe des neuen Geldes füllen sich auch die Regale der Läden im Lennetal. Sechs Tage später beschrieb die Westfalenpost „Das Wunder der vollen Schaufenster“. Es gibt wieder Dinge, die lange nicht ohne Bezugsscheine zu haben waren. „Mit staunenden Augen stehen

die Hausfrauen vor den Fenstern und bewundern die Weckapparate, Gläser, Trinkbecher, Seifen- und Butterdosen, Deckel für Konservenbüchsen, Einmachflaschen, Schnittbohnenmaschinen, Kochtöpfe und Zinkbadewannen in jeder Form und Größe.“ Kriegsheimkehrer Gerd Wilminik erinnert sich, dass man wieder Apfelsinen in Plettenberg kaufen konnte. Die Westfalenpost wies aber auch auf Zweifel hin, „ob es der Anfang einer neuen Epoche wird oder aber ob es sich nur um eine vorübergehende Scheinblüte handelt“. Auf jeden Fall stellt sie im Lennetal Unmut darüber fest, „daß dieser plötzliche Umschwung erkennen ließ, daß die Waren auch vorher schon dagewesen sein müssen“. Und nach „dem ersten Schock, den der Schwarzhandel am Tage des Geldumtausches erlitt“, stellte sich schnell heraus, dass vor allem Genussmittel an „allen bekannten Stätten des Kreisgebietes“ immer noch lebhaft schwarz gehandelt wurde.

Lebensmittelkarten als Kontrolle

Kredit“ des Wirtschaftsrates der Westzone ihre Pläne um. Das Projekt war seit Herbst 1947 vorbereitet worden. Ausgezahlt wurde am 20. Juni Geld, das seit November 1947 unter der Tarnbezeichnung „Big Dog“ in den USA gedruckt worden war. In 23.000 Kisten verpackt, verladen auf acht Sonderzügen, waren jene 1000 Tonnen bedrucktes Papier aus den USA in die Mainmetropole Frankfurt gebracht worden. Über die Zweigstellen der Landeszentralbank in Lüdenscheid wurde das Geld an Sparkassen und Banken in der Region verteilt. An der Umtauschstelle in PlettenbergOhle holten sich am 1395 Personen ihr Kopfgeld ab. 55.800 DM wurden hier ausgezahlt. 83.700 Reichsmark zogen die Prüfer ein. Auf Vordrucken wurden die Auszahlungen markiert, Ausweise oder Lebensmittelkarten wurden gelocht, um Doppelauszahlungen zu vermeiden. Für das neue Geld mussten 60 Reichsmark abgeliefert werden, wie die Ernährungsstelle der Stadt Werdohl, einem Plettenberger bescheinigte, der sein Geld in der Nachbarstadt abgeholt hatte.

Wer gespart hatte, hatte fast alles verloren. Die Spar-Einlagen wurden abgewertet. Das „Kopfgeld“, jene 40 DM, die als erste Rate ausgezahlt worden waren, wurde zehn zu eins vom Guthaben abgezogen. Mit der Währungsreform, die erst kurz vor dem Tag X bekannt geworden war, setzte die Sonderstelle „Geld und Schawag AZ 54x50.indd 1

0 23 91 / 5 07 38 www.schawag.de

Gutes

Raumklima 61

15.03.18 22:32


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.