09-10 Interview_Layout 1 17.02.10 16:38 Seite 9
I N T E R V I E W D E S M O N AT S
Uwe Lange und Dörte Vöhrs, Taxifahrer
„Es hätte jeden treffen können“
schützen. So habe ich mal bei der Polizei ein Überfalltraining mitgemacht, so dass ich weiß, wie ich mich wehren kann. So ein Training sollte jeder Taxifahrer absolvieren.
Taxifahrer können nur vermuten, wer zu ihnen in den Wagen steigt. Über die stets mitreisende Gefahr sprach der KLÖNSCHNACK mit Uwe Lange und Dörte Vöhrs vom Verein Taxenanruf Blankenese. Herr Lange, Sie fahren seit fast einem halben Jahrhundert Taxi. Was hat sich in Ihrem Job verändert? UWE LANGE: Vor meiner Zeit in Blankenese, vor 1971, stand ich auf St. Pauli und bin viel nachts gefahren. Das war längst nicht so gefährlich wie heute. Messer gehörten noch nicht zur StandardAusrüstung junger Leute? UWE LANGE: Probleme gab es trotzdem genug, auch wenn die Fahrgäste nicht bewaffnet waren. Besonders erinnere ich mich an Betrunkene, die am Ziel wachgerüttelt werden mussten. Die Angst, dass der Fahrgast sich übergibt, war damals größer als die vor körperlicher Gewalt. Frau Vöhrs, fährt heute die Angst mit? DÖRTE VÖHRS Wir verdrängen die Angst, sehen nicht in jedem Fahrgast einen potenziellen Täter. Auch wenn so mancher unserer Kunden etwas seltsam aussieht. Unser Publikum heute entspricht der Zeit, in der wir leben. Verändert hat sich so auch der Umgang mit Alkohol. Inwiefern? Früher hieß es, halbbesoffen ist rausgeschmissenes Geld. Heute können die meisten viel besser mit Alkohol umgehen. Das spüren besonders die Nachtkutscher.
UWE LANGE:
Wie war Ihre erste Reaktion als Sie von dem Mord an dem Taxifahrer in Nienstedten hörten? DÖRTE VÖHRS: Ich war entsetzt. Es passierte in der Nacht während des Blankeneser Neujahrsempfangs, am nächsten Morgen haben wir die Fotos in der Zeitung gesehen. UWE LANGE: In solchen Momenten macht man sich klar, dass es einen von uns hätte treffen können. Denn der mutmaßliche Täter ist ja am Bahnhof Blankenese ins Taxi gestiegen. Ein Kollege von uns hat noch kurz vor der Tat mit dem späteren Opfer gesprochen.
Mit beiden Händen am Steuer keine leichte Sache, sich zu wehren ... DÖRTE VÖHRS: Vor kurzem hat ein Taxifahrer erfolgreich demonstriert, wie das geht: UWE LANGE: Wer da einsteigt, weiß man nie Vollgas geben – dann voll auf die Bremse genau. Dabei darf man sich nicht vom Äu- treten und das Taxi verlassen. Die Täter ßeren täuschen lassen. Mancher martia- sind geflüchtet. lisch gekleidete Kunde kann sich als ganz Wie erleben Sie die Fahrgäste in den verlieber, harmloser Junge entpuppen ... DÖRTE VÖHRS: Gelegentlich wird einem schon schiedenen Hamburger Stadtteilen? etwas mulmig ... DÖRTE VÖHRS: Die Stadtteile unterscheiden UWE LANGE: Wenn sich aber ein einzelner sich gewaltig. Ab Bahrenfeld können sie mit Fahrgast direkt hinter mich setzt, bitte ich dem Lineal ein Linie ziehen. Dahinter haihn, hinten rechts oder vorne zu sitzen. ben sie ein völlig anderes Publikum. In der Denn es gibt keinen Grund, direkt hinter Stadt wird man auch gleich geduzt, als ob man sich schon lange kennt. Hier in den mir zu sitzen. Elbvororten ist der Taxifahrer für den Kunden zunächst ein arbeitender Mensch wie Wie häufig gerieten Sie schon in bedrohandere auch. liche Situationen? DÖRTE VÖHRS: Zum Glück hatte ich noch kein UWE LANGE: In vielen anderen Stadtteilen negatives Erlebnis. wird die Atmosphäre kälter und anonymer. UWE LANGE: Hinter mir saß mal eine Frau, die Für viele Fahrgäste ist ein Taxifahrer dort mir etwas in den Nacken hielt, von dem ich oft ein Idiot, dem man befehlen, den man vermutete, es könnte eine Pistole sein. Ich bepöbeln kann. versuchte sie in ein Gespräch zu verDÖRTE VÖHRS: Bei uns haben wir zu unseren wickeln. Nachdem sie mir Kunden ein sehr vertrautes Verüber mehrere Stunden hältnis. Wir kommen in jedes mehrere verschiedene Haus, befördern die KinFahrtziele genannt der von der Schule in hatte, merkte ich, den Hort und wir bedass sie ein psygegnen uns auf gleichisches Problem cher Ebene. hatte und in Ochsenzoll besWie sähe Ihre ser aufgehoben Lieblingstour wäre. Irgendaus, vorauswann stieg sie gesetzt, Sie dann aus. könnten sich die aussuWas könnte getan chen? werden, Taxifahrer DÖRTE VÖHRS: Ich besser zu schütwürde immer zen? die kleinen, DÖRTE VÖHRS: Bisher versucht jeder Taxifahrer sich irgendwie vor Überfällen zu
Wie haben Ihre Kollegen auf den Mord reagiert? DÖRTE LANGE: Es wurde ununterbrochen darüber gesprochen. Auch im Internet, im Hamburger Taxi-Forum, wurde tagelang diskutiert und über den Fall geschrieben. Müssen Sie nicht bei manchem Fahrgast mehr in den Rückspiegel als auf die Straße schauen?
„Man darf sich nicht vom Äußeren täuschen lassen.“ Klönschnack 3 · 2010
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