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FAHRRADSTADT HAMBURG
FAHRRADFAHREN
Hamburg ist eine Fahrradstadt. Oder zumindest auf dem Weg dahin. Noch wird Radfahren eher zum Stress und nicht zum Spaß, manchmal sogar zum Sicherheitsrisiko –zumindest, wenn man durch die Stadt radelt.
Für Radtouren und Tagesausflüge eignen sich Hamburg und das Umland optimal.
Sowohl für ambitionierte als auch für gemütliche Radler!
G ESEHEN VON S OPHIE R HINE
Hamburg soll eine fahrradfreundliche Stadt werden – das wurde bereits 2015 im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen festgehalten. Seit über einem Jahr ist Anjes Tjarks als erster Senator für Verkehr und Mobilitätswende im Amt und man muss sagen, dass sich in den vergangenen Monaten einiges im Fahrradverkehr getan hat.
Der Jungfernstieg ist quasi autofrei geworden, in der Innenstadt gibt es neben Bus- und Autospuren jetzt auch eine für Fahrräder, nicht nur am Schlump ist ein Pop-up-Radweg entstanden, der erste Abschnitt von Hamburgs erster Protected Bikelane ist eröffnet – bis Ende des Jahres soll auch der Rest fertiggestellt werden –, an der Kellinghusenstraße hat das erste städtische Fahrradparkhaus eröffnet. Es gibt über 3.100 Fahrräder im StadtRad-Netz, die an 250 Stationen ausgeliehen und zurückgegeben werden können. Dazu über 20 Luftstationen. An fast allen Schnellbahn- und Regionalverkehrshaltestellen gibt es Stellplätze von Bike+Ride. 2020 gilt als Rekordjahr: 62 Kilometer Radweg wurden saniert oder neugebaut, 25 davon im Rahmen des Veloroutennetzes. Ein Anstieg um 69 Prozent. Weitere Strecken, wie auch hier im Westen an der Elbchaussee und im Rahmen der Veloroute eins, sind schon im Bau.
Das klingt alles erstmal super und ist auf jeden Fall eine ganze Menge. Anjes Tjarks meint, es gebe Bewegung in dem Bereich, der ADFC stimmt zu. Aber trotzdem stellt sich die Frage: Macht Fahrradfahren in Hamburg Spaß? Die Zahlen sprechen erstmal dafür: Denn nicht nur die neugebauten Radwege haben zugenommen, auch der Radverkehr. Und zwar um rund ein Drittel im vergangenen Jahr. Natürlich spielt da auch die Pandemie eine Rolle, wer setzt sich schon gerne dichtgedrängt in einen vollen Bus, wenn er stattdessen auch einfach 20 Minuten in die Pedale treten kann? Dass das gesünder ist, ist bekannt, und es wäre wünschenswert, dass der deutliche Trend hin zum Fahrrad sich auch nach der Pandemie fortsetzt. Dass die Fahrradun fälle dabei „nur“ um 3,6 Prozent zunahmen ist ja eigentlich schon eine gute Nachricht – Fahrraddiebstahl ist nochmal ein ganz anderes Thema, der stieg nämlich um knappe 20 Prozent.
Aber trotz der ganzen Bemühungen und der neuen Radwege und Räder und Stellplätze – in Umfragen schneidet die Hansestadt dennoch nicht gut und auch nicht deutlich besser als noch vor zwei oder vier Jahren ab. Im ADFC Fahrradkklima-Test 2020 belegt Hamburg den siebten Platz von 14 Großstädten. Die Gesamtbewertung ist eine 4,1 in Schulnoten, also gerade mal ausreichend. Lediglich eine leichte positive Tendenz ist zu erkennen: 2012 war es noch eine 4,4. Am positivsten bewertet wurden die öffentlichen Fahrräder (1,9) – die sind auch super, nur Stationen in Randbezirken und den Elbvororten wären top –, die Tatsache, dass viele Einbahnstraßen für Radfahrende in beide Richtungen befahrbar sind (2,4) und das Stadtzentrum per Rad gut erreichbar ist (3,0). Auch unter die Top acht schafften es Punkte wie Werbung fürs Radfahren und die Fahrradförderung in jüngster Zeit – die Verbesserungen und Bemühungen werden also wahrgenommen.
Dennoch gibt ein Großteil der Befragten an: Fahrradfahren in der Stadt sei eher Stress als Spaß und das Sicherheitsgefühl wird als mangelhaft bewertet – wer einmal die Elbchaussee langeradelt ist, kann da nur zustimmen. Der meistgenannte Grund hierfür sind zu schmale Radwege und drängelnde Autos im Mischverkehr, Konflikte mit Autofahrern oder auch parkende Autos auf dem Radweg. Man merkt: Autos und Fahrräder funktionieren noch nicht so richtig gut nebeneinander. Hand aufs Herz: Wer von Ihnen hat sich als Autofahrer oder -fahrerin noch nie über den Radverkehr beschwert und andersrum?
Viele Radfahrende geben an, sich nicht als Verkehrsteilnehmer akzeptiert zu fühlen, die gegenseitige Rücksichtnahme fehlt offensichtlich. Plakatoffensiven für mehr Rücksicht im Straßenverkehr sind zwar schön und bunt, bringen aber scheinbar nicht so viel. Allerdings ist auch fraglich, ob
Busse, parkende & fahrende Autos, schmale oder gar keien Fahrradwege – in der Innenstadt macht Radfahren nicht unbedingt Spaß und die Sicherheit kommt manchmal zu kurz.
Tagesausflüge und Radtouren hingegen bieten sich in Hamburg & Umland an. Auf Routen jeder Länge lässt sich die Umgebung super erkunden und es lässt sich angenehm fahren. Großes Plus für Hamburg: Die öffentlichen StadtRäder, die man fast überall findet

Senat und die Stadt Hamburg da in der Verantwortung sind – oder eher wir selbst. Wenn der Radverkehr weiter ansteigt und dementsprechend mehr Leute die verschiedenen Perspektiven kennenlernen, klappt das vielleicht nach und nach besser.
Das betrifft zum Großteil aber nur das Radfahren in der Stadt selbst, das Pendeln und das zielgebundene Fahren. Denn wenn wir ehrlich sind: Radtouren kann man in, durch und um Hamburg wahnsinnig schöne machen! Ob Profiradler oder -radlerin oder Gelegenheitsbiker – es gibt Touren in allen möglichen Streckenlängen, mit schöner Natur, vielen Sehenswürdigkeiten und natürlich auch zahlreichen Möglichkeiten für gemütliche Pausen und eine Stärkung. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:
Der Elbewanderweg. Den kennt wahrscheinlich jeder, zumindest in Teilen. Los geht es an den Landungsbrücken vorbei am Fischmarkt und dem Anleger Övelgönne (hier kann man auch schummeln und ein Stückchen mit der Fähre fahren) sowie Teufelsbrück, ganz viel Strand, dem Treppenviertel, mindestens drei Leuchttürmen, vielen kleinen Restaurants, bis man nach 23 Kilometern das Kraftwerk Wedel passiert. Hier muss man ein paar Treppen hoch und kann am Willkomm Höft bei einem Stück Kuchen die Schiffe begrüßen.
Eine weitere schöne Tour geht auch an der Elbe entlang, jedoch in die andere Richtung. Ist man erstmal in Rothenburgsort angekommen, beginnt der schöne Teil. Über den Elbpark Entenwerder und die Elbinsel Kaltehofe geht es immer am Deich entlang vorbei am Naturschutzgebiet Holzhafen bis an die Dove-Elbe. Hier ist Schwimmen für eine kurze Abkühlung erlaubt! Weiter geht es an der Elbe bis zum Fährhaus Zollenspieker – hier herrscht meistens Trubel, denn hier gibt es Fischbrötchen und man kann Schiffe gucken oder auf die andere Elbseite übersetzen. Von Zollenspieker geht es weiter über Neuengamme bis in die Bergedorfer Altstadt. Nach fast 45 Kilometern darf man dann auch mit der S-Bahn zurückfahren!
Aber auch ohne sich eine feste Route vorzunehmen, kann man Hamburg und das Umland super per Rad erkunden. In der Hafencity entdeckt man ständig neue Gebäude. Von der Alster aus stadtauswärts entlang der grünen Alleen bis zum Ohlsdorfer Friedhof. Einmal durch den alten Elbtunnel und den Hafen und die grünen Ecken von Wilhelmsburg erkunden lohnt sich ebenfalls. Von Finkenwerder aus kann man eine Tagestour durchs Alte Land mit seinen vielen Obsthöfen starten oder bis nach Buxtehude fahren.
Auch wenn vielleicht noch nicht alles fahrradfreundlich ist und man zwischendurch mit anderen Verkehrsteilnehmenden aneinandergerät oder über Kopfsteinpflaster hubbelt und gerade in der Stadt oft sichere Radwege fehlen – an den richtigen Ecken lässt es sich gut fahren!

Autorin: sophie.rhine@kloenschnack.de Infos: www.fahrrad.hamburg.de www.hamburg.adfc.de