Hamburger Klönschnack - August '11

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103 Grobecker_kloen 22.07.11 08:58 Seite 103

H A N S E AT I S C H E S K U R T G R O B E C K E R E R Z Ä H LT :

Strafverschärfung für „Speculanten auf das öffentliche Gut“ Nordblick

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in Hamburger Kriminalfall aus dem Jahr 1621 belegt es: „Speculanten auf das öffentliche Gut“, die sich „Staatsdiener“ nannten, gab es auch im Mittelalter reichlich. Nur die Strafen für ihre Vergehen waren damals härter als heute: Die „Spekulanten“ wurden dem Scharfrichter überantwortet, und der ging die Sache phantasiereich an. 1721 war der Sohn eines ehrbaren Domtürmers erwischt worden, der sich am „gemeinen Kasten“, der Schatztruhe der Stadtkämmerei, vergriffen hatte. Aufgeflogen war er, weil er sich ziemlich dusselig angestellt hatte, was für sich gesehen schon strafwürdig war. Statt nämlich das Bare in die Tasche zu stecken, stopfte er das Geld in Säcke, auf denen das Stadtwappen zu sehen war. Die Säcke hatte er später auf den Müll vor seiner Haustür geworfen, und dort fand ihn der „Plundermatz“. So nannte man im 17. Jahrhundert den Lumpensammler. Damit hatte der Mann schlechte Karten. Zwar versuchte er vor dem Richter zu lügen als sei’s ein Tribunal zur Ermittlung von Dissertationsplagiaten. Aber die Möglichkeiten, der Wahrheit auf die Spur zu

kommen, waren damals einfach besser: Man stellte dem Angeklagten die „so genannte scharfe Frage“, das heißt: Man zeigte ihm schon mal die Folterwerkzeuge. Und schon gab der Angeklagte zu, die Kämmereikasse „zu verschiedenen Malen“ um Erkleckliches erleichtert zu haben. „Man erachtete es für diensam“, vermerkt die Chronik, „zu mehreren Abschreckung

„Statt nämlich das Bare in die Tasche zu stecken, stopfte er das Geld in Säcke, auf denen das Stadtwappen zu sehen war“ des einreißenden Rathausdiebstahls“, den Fall scharf zu ahnden. Zunächst wurde er am Ort seines Verbrechens, in der Kämmerei also, mit glühenden Zangen gezogen und gekniffen. So weit, so gut. Merkwürdig aber ist die Art und Weise, wie man ihn anschließend am höchsten Galgen der Stadt hochzog: Sein Gesicht musste dabei nach Norden gerichtet sein. Den schönen Brauch hatten die Hamburger von ihren heidnischen Vorfahren übernommen. Im Norden lag nämlich nach Auffassung der alten Germanen die „grimmige Ecke“, jener Ort der Verdammnis, den die Christen später in die Unterwelt verlegten. Das Missliche an der germanischen „grim-

Autor Kurt Grobecker (ex NDR-Moderator und Autor) erzählt jeden Monat im KLÖNSCHNACK seine Geschichten migen Ecke“: Im Gegensatz zur christlichen Hölle, wo es nach den Bekundungen höchst glaubwürdiger Kirchenfürsten auch nicht schön, aber wenigstens warm sein soll, herrscht am Verdammnisort der Germanen eine furchtbare Kälte, und den Delinquenten peinigt stetiger Frost bis in alle Ewigkeit. Und nicht nur das. Zur Kälte kommt noch ewiger Durst. Das aber war die schlimmste Strafe, die auch einem Elbhanseaten widerfahren konnte. Durst tut furchtbar weh! Und deshalb galt der Blick nach Norden beim Aufgehängtwerden als eine besondere Strafverschärfung.

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Klönschnack 8 · 2011

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