Hamburger Klönschnack - März '12

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09-10 Interview_kloen 17.02.12 08:52 Seite 9

I N T E R V I E W D E S M O N AT S

Sagen Sie mal ... Ruprecht Eser, TV-Journalist

„Es gibt immer mehr Trash“

net. Wer hat sie da am meisten beeindruckt? Als erster fällt mir dabei Willy Brandt ein. Weiter sind das der Leipziger Pfarrer Christian Führer, der 1995 ermordete Jitzchak Rabin und Michail Gorbatschow.

Sie haben unzählige Menschen interviewt, gab es dabei auch mal einen richtigen Fehler? Zur Zeit der Rassentrennungspolitik hatte ich einmal ein Schaltgespräch mit dem Informationsminister in Johannesburg. Den wollte ich provozieren begann mein GeWelche Zukunft geben Sie dem klassischen Fernsehen im Zeitalter von Inter- spräch: „Officialy you are the minister of information, but they call you the minister of net mit Live Streams und Social Mediaintimidation“. Das war nicht klug, aber es Angeboten überhaupt noch? Schon jetzt erlebe ich bei jungen Leuten war die Ansage, wer er wirklich ist. Das war nur noch selten, dass die vor dem Fernse- sicher ein Schuss zu viel, aber es war ja her sitzen. Die gucken Youtube, oder schau- auch eine Zeit von Folter und Unterdrüen sich die Live Streams an. Ich selbst setze ckung und er war ein Burenknecht. Ich würde es nicht nochmich auch nicht unter den Druck, weil eine „Gut zuhören und aufpassen.“ mal machen, denn es war völlig klar, dass Sendung nur um eine bestimmte Zeit läuft. Ich suche mir meine daraus nichts mehr werden konnte. Ich hab Sendungen raus, im Internet als Live Stre- in meinen Interviews immer versucht die am oder in einer Mediathek. So kann ich Leute gegen den Strich zu bürsten, weil man erst dann erkennt was sie drauf haben. mir die Sendungen auch später ansehen. Ein anderer Fehler war mal, dem Chef des Bayerischen Rundfunkes, nach ordentlicher Wie sieht für Sie die Zukunft der Kritik von mir, den Rücken zugedreht und Print-Medien aus? Ich finde es jetzt schon schrecklich, dass mich nicht für das Interview bedankt zu auch viele Printmedien unter einem großen haben. ökonomischen Druck stehen. Ich hoffe, dass die Menschen auch noch in Zukunft Lagen Sie als politischer Journalist ein oder zwei Euro für eine Zeitung ausge- in Ihrer Einschätzung auch mal völlig ben werden. Den Zeitungen ergeht es hof- daneben? Bei der Frage der deutschen Einheit ging es fentlich nicht so wie dem Fernsehen. mir wie vielen anderen auch. Ich habe mir die Einheit gewünscht, aber ich habe nicht In Ihren Jahrzenten als daran geglaubt. Ich denke, es gehört zur Journalist sind Sie vielen großen Politikern Ehrlichkeit, so etwas zu sagen. Später habe ich viele getroffen, die gewusst haben wolbegeglen, dass die Einheit kommt, vorher haben

Wird das Fernsehen immer seichter? Haben Medien tatsächlich zuviel Macht? Antworten auf diese und andere Fragen gab Ruprecht Eser im Rahmen eines Redaktionsbesuches beim KLÖNSCHNACK.

Wie erleben Sie die große TV-Vielfalt, mit unzähligen Programmen rund um die Uhr? Wenn die Medienentwicklung Vielfalt bedeutet, dann ist das kein schlechter Weg. Wenn die Entwicklung aber heißt, immer flacher, immer schneller, immer spektakulärer, immer hämischer, dann kann ich keinen Vorteil gegenüber früheren Jahren entdecken. Fernsehen darf unterhalten, aber es darf nicht in der totalen Trivialität landen. Tatsache ist, dass es immer mehr Trash gibt. Was macht dieser Trash mit den Zuschauern, wird die Wirkung solcher Müll-Sendungen unter- oder überschätzt? Auch wenn es wissenschaftlich nicht nachweisbar ist, verändert es die Menschen. Mir fällt es schwer, Spaß an Menschen zu haben, die sich in Sendungen wie beispielsweise „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ zum Affen machen. Das ist nicht mein Menschenbild.

ZUR PERSON Ruprecht Eser,

Werden ernsthafte, anspuchsvolle Sendungen weiter verdrängt, wenn die Quote regiert? Wenn man lang genug sucht, findet man auch etwas Sehenswertes. Aber ernsthafte, analytische und informierende, politische Sendungen sind in der Prime Time selten geworden.

„Den großen Plan zur Einheit kann ich nicht erkennen.“

1943 in Wittenberg geboren, gehört zu den profiliertesten TV-Journalisten Deutschlands. Seine Laufbahn begann er 1970 beim ZDF in Mainz. Eser moderierte von 1985 bis 1988 das „heute-journal“ und leitete das ZDF-Studio in London. Der politische Journalist ist heute Lehrbeauftragter in Berlin und Leipzig. Zudem moderiert er beim RedBull-Sender „Servus TV“ die Sendung „Talk im Hangar-7“. Ruprecht Eser ist mit der TV-Journalistin Marina Ruperti verheiratet und lebt am Hochkamp.

Klönschnack 3 · 2012

Herr Eser, stellen Sie sich für einen Moment vor, es dürfe nur noch eine Fernsehsendung geben. Welche sollte das sein? Ich könnte auf viele Sendungen verzichten. Am wenigsten auf das „heute-journal“.

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