33 Gastkolumne.qxp_kloen 22.08.17 08:51 Seite 33
MEDIEN
T S A G
Stellungnahme
E N M U L KO
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KATY KRAUSE Lokaljournalismus
Der Kitt der Region Als Redakteurin des Hamburger Abenblatts kennt Katy Krause Höhepunkte und Niederungen des Lokalen Journalismus. Sie ist der Ansicht: Journalisten und Leser brauchen sich nach wie vor.
künftig mehr berühren als die nächste EUVerordnung. Durch Globalisierung und Digitalisierung verbreiten sich Nachrichten heute irrsinnig schnell – egal ob sie wahr sind oder nicht. Die Verbreitungswege sind zahlreicher geworden. So erreicht man auf der einen Seite mehr Menschen, aber die Aufmerksamkeitsspanne ist auch deutlich niedriger geworden. Wenige nehmen sich die Zeit, die Quelle zu prüfen, teilen so ungewollt über soziale Medien „Fake-News“, die auch als politische Waffe fungieren. Deshalb braucht es Medien, denen wir vertrauen. Und Vertrauen braucht Nähe. Wären wir Journalisten näher dran gewesen, hätten wir während der Flüchtlingskrise ein besseres Bild abgegeben. Wir hätten die Ängste derer besser gespürt, die sich politisch und medial abgehängt fühlten und sich abwandten. Damals ging viel Vertrauen verloren. Wir müssen Acht geben, dass wir den Anschluss an bestimmte Gruppen nicht verlieren. Da ist es gut, dass es Medienhäuser gibt, die in Nähe investieren. Das Hamburger Abendblatt verfügt nun über eine Regionalredaktion in Blankenese. Von hier aus wird die neue Elbvororte-Seite bestückt. Aus der Region für die Region. Ein Pilotprojekt. Eine Tür weiter sitzen die Kollegen vom KLÖNSCHNACK. Ich erwähne sie nicht, weil wir alle zu einem Unternehmen gehören, sondern weil das Stadtteilmagazin jeden Monat den Beweis antritt, dass Lokaljournalismus seine Berechtigung hat. Denn noch bevor der KLÖNSCHNACK druckfrisch in der Redaktion landet, stehen Leser am Empfang, um sich ein Exemplar zu holen. Das ist Leser-BlattBindung. Es bedeutet nicht den Tod des Journalismus, wenn die Menschen nicht mehr zur
tern oder Großeltern so gerne lesen, voller einer der bedeutendsten Reporter in der Berichte über Ehrungen und Vorstands- Geschichte des Journalismus. Zu Recht. sitzungen. Auch einige Redakteure packt Denn Kisch (1885–1948) erkannte, was heute umso wichtiger die nackte Angst. Ererscheint. Es kommt innerungen an den nicht darauf an, worüersten Bericht über ber man schreibt, sonden Hasenzüchterverdern wie man es ein werden wach. Will schreibt. Leidenschaft, doch der eine oder anSachlichkeit und der dere viel lieber mit den Wille zur Wahrheit sind „Großen“ an einem das Rüstzeug eines Tisch sitzen, über Journalisten. Aber den „Weltbewegendes“ berichtig guten Reporter richten. Was für ein erkennt man daran, Unsinn. Lokaljournalisdass er erleben will. Er mus bewegt. Er ist der ist nah an den GeKitt einer Region, schichten und vor albringt Menschen zulem nah an den Mensammen, mobilisiert. schen. Genau das Lokaljournalismus be- Katy Krause, 34, ist Redakteurin des Hamburger Abendblattes, Redaktion Elbvororte mit Sitz in zeichnet den Lokaldeutet, sich in Untiefen Blankenese journalisten aus. zu begeben, in Dreck Damit formulierte zu wühlen, Themen aus Hinterzimmern zu holen. Es kann in Kisch vor knapp 100 Jahren, wie der Jourmanchen Fällen heißen, denen Gehör zu nalismus der Zukunft funktionieren kann. verschaffen, die man sonst nicht hören Im Lokalen, im Menschlichen liegt die Stärwürde. Lokaljournalismus bedeutet beispielsweise auch, über den Geburtstag einer 110-Jährigen zu schreiben – und so „Es wird immer ein Interesse an gut geschriebenen eine wundervolle Frau kennenzulernen. Geschichten über Menschen geben ...“ Lydia Smuda lebt in einem Altenheim an der Isfeldstraße. Sie ist die älteste Hamburgerin. Noch beeindruckender ist, dass die zierliche Dame ein riesiger Boxfan ist. Ihr ke. Auch wenn es kein Interesse mehr an Zeitung greifen. Es ist egal, in welcher größter Wunsch: einmal Wladimir Klitsch- der Papierzeitung gibt – und das muss sich Form die Geschichte beim Leser landet. ko zu treffen. Nachdem Klitschko durch erst einmal zeigen, man bedenke nur die Tödlich dagegen ist es, wenn die Journalisden Zeitungsbericht davon erfuhr, besuchte unerwartete Renaissance der Schallplat- ten nicht mehr auf die Straße gehen, aufhödas Schwergewicht die alte Dame tatsäch- te –, wird es immer ein Interesse an gut ge- ren hinzusehen, zuzuhören, wenn sie nicht lich im Altersheim. Es wurde für alle Betei- schriebenen Geschichten über Menschen mehr der Sachlichkeit dienen und nicht ligten sehr emotionales Treffen. geben. Ereignisse vor Ort werden auch zu- mehr die Wahrheit suchen. Katy Krause
Klönschnack 9 · 2017
„Nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts ist exotischer als unsere Umwelt, nichts phantasievoller als die okaljournalismus, das klingt für einige Sachlichkeit. Und nichts Sensationelleres nach piefiger Provinz. Mancher denkt gibt es in der Welt als die Zeit in der man vielleicht ans „Käseblatt“, das die El- lebt!“, schrieb Egon Erwin Kisch. Er gilt als
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