5 minute read

Strommarkt: Kunden lassen 300 Millionen Euro liegen

E-CONTROL-CHEF BOLTZ „RÜGT“ KONSUMENTEN: 300 MILLIONEN € BLEIBEN LIEGEN!

Advertisement

Die Energiewirtschaft in Österreich erzielt hohe Gewinne. Der Wettbewerb am Strommarkt ist mangelhaft und Bund und Länder haben kein Interesse, das zu ändern. Zu diesem Fazit kommt der aktuelle Jahresbericht der E-Control, dessen Chef Walter Boltz meint: „Da ist der Hund drinnen.“

Ich unterschreibe bei dem, der mir das attraktivste Angebot macht.“ Beim Telefon wechseln die Konsumenten die Netzanbieter bei jeder passenden Gelegenheit, buhlen die großen Unternehmen mit aufwendigen Werbekampagnen um den Konsumenten. Nicht so beim Strom, da verhalten sich die Stromlieferanten, vor allem die großen EVUs, natürlich unabgesprochen, ruhig. Preise und Gewinne sind daher hoch, wie die Bilanzen zeigen. 300 Millionen Euro haben nach Berechnungen der E-Control die Konsumenten allein im letzten Jahr „liegen gelassen“, weil sie bei einer Stromlieferung nicht zum Günstigsten wechselten. Anders als beim Telefon hat der Konsument offensichtlich die Sorge, dass er zur Winterzeit oder genau dann, wenn man ihn braucht, nicht mit Strom beliefert wird. Allerdings ist diese Sorge völlig unbegründet und irrational. Doch etwas verbittert wirkt EControl-Chef Walter Boltz bei der Präsentation des nunmehr schon 7. Jahresberichts: „Die Situation hat sich in den letzten Jahren kaum verändert – die Stromkonzerne können Preise anheben, ohne eine wesentliche Reaktion der Konkurrenten befürchten zu müssen. Österreich ist ein Land, in dem wenige potente Unternehmen am Markt sind und keine ausländische Konkurrenz. Kein Wunder, dass die österreichischen Versorger insgesamt mit der derzeitigen Situation höchst zufrieden sind und eine Änderung der Lage als unnötig ansehen“, so Boltz. Umso wichtiger sei daher auch künftig eine genaue Kontrolle und Aufsicht über den Wettbewerb. Den haarscharf selben Befund hatte übrigens der Direktor der internationalen Energieagentur (IEA), Nobuo Tanaka, bei seinem Wien-Besuch Ende Februar vorgelegt: Der Wettbewerb am österreichischen Energiemarkt sei unterentwickelt, der Markt werde weiterhin von alteingesessenen, zum Teil staatseigenen österreichischen Versorgern dominiert, kritisiert er. Eine Fehlentwicklung, gehören doch Strom, Gas und Fernwärme zur Daseinsvorsorge. Dabei könnten die österreichischen Energieunternehmen, allen voran der Verbund, eine weit stärkere konsumentenfreundliche Preisgestaltung ertragsmäßig verdauen. Denn die Eigenversorgung liegt in Österreich bei 90 Prozent. Ein Vergleich drängt sich auf: Das wäre so, wie wenn die arabischen Ölproduzenten in ihren eigenen Ländern Treibstoffpreise wie in Europa verlangen. Aus Sicht der österreichischen Bevölkerung und auch der Unternehmen profitieren hauptsächlich die Energieversorger (36 Prozent) und der Staat (32 Prozent) von den hohen Preisen bei Strom und Gas, die auch durch mangelnden Wettbewerb so hoch sind und nicht bloß durch die weltweit gestiegenen Kosten für Primärenergieträger. Dies geht aus einer repräsentativen Untersuchung hervor, die im Auftrag der E-Control durchgeführt wurde. Auch wird der Zusammenhang zwischen Politik und den Energieversorgern von 68 Prozent der Österreicher als „stark“ bzw. „sehr stark“ wahrgenommen. Das wird auch durch Fakten und Zahlen untermauert.

Gerne machen wir das“, korrigiert sich die Frauenstimme am Telefon, „bieten wir Ihnen eine Hilfestellung an beim Abschluss des Stromliefervertrages.“ Der unvoreingenommene Leser wähnt sich jetzt bei einer Servicestelle eines Elektrounternehmens. Völlig daneben, denn in diesem Fall handelt es sich um das Almenlandbüro auf der Teichalm, eine Drehscheibe für die Region, das Außenstehenden üblicherweise durch touristische Auskünfte bekannt ist. Seit mehreren Monaten erfüllt es auch eine neue inoffizielle Zusatzaufgabe. Es ist nämlich gleichsam eine Art Anlaufstelle oder inoffizielles „Vertriebsbüro“ für den Verkauf von Verbund-Strom. Denn die Almenland-Gemeinden haben sich mit Ausnahme von Fladnitz vor Monaten entschlossen, mit dem Verbund eine Strompartner-

Laut Berechnungen der E-Control verschenken Privatkonsumenten ca. 300 Millionen Euro pro Jahr.

Dividende Öffentlicher Anteil Dividende an öffentliche 2006/07 in Mio. Euro (geschätzt) Hand in Mio. Euro Bawag: 10.813 0,78 8.487 Energie AG: 17.107 1,00 17.107 Kelag: 25.000 0,64 15.963 SAG: 23.097 1,00 23.097 Steg-Steweag: 25.710 0,67 17.149 Tiwag: 18.000 1,00 18.000 UKW: 25.111 0,99 24.860 Wienstrom: 6.967 1,00 6.967 Linz Strom: 14.053 1,00 14.063 EVN: 57.234 0,51 19.189 VIW: 19.022 0,96 18.166 Rest: 57.234 0,50 28.617 Summe LG & Städtische: 299.358 221.665 Verbund: 206.924 0,75 156.117 Gesamt: 506.282 0,75 377.782

DAS ALMENLANDBÜRO IN DER OSTSTEIERMARK „AUF ABWEGEN“ SELTSAME STROMBLÜTEN

schaft einzugehen, weil dieser Strom günstiger anbiete als die regionalen Pichler Werke in Weiz, die diese Region seit Jahrzehnten versorgen. Außerdem, so die Frauenstimme im Almenlandbüro: Der Verbund liefere Ökostrom, während andere Anbieter eben die Bürger mit Atomstrom versorgen würden. Eine überraschende Neuigkeit und natürlich ein zugkräftiges Argument. Und was wäre der „Gewinn“ für den Stromverbraucher? Unterm Strich, wenn man sich für den Verbund entscheide, sei es am Ende des Jahres durchschnittlich etwa eine Monatsrate, klärt die Frauenstimme auf, gesteht aber dabei ein, dass wirklich dafür zuständig ein männlicher Kollege sei, der allerdings erst wieder in einigen Tagen im Büro anzutreffen ist. Wie bereits erwähnt, regionaler Anbieter und Platzhirsch in der Region sind die Pichler Werke mit ihrem Hauptsitz in Weiz. Deren Angebot zur Strompartnerschaft mit dem Almenland war preislich zu wenig attraktiv, sodass sich die Almenland-Gemeinden für den Verbund entschieden. So weit, so gut. Doch wer sind die Eigentümer der Pichler Werke? Diese gehören zu 100 Prozent der Steweag, die ihren Strom zu einem großen Teil beim Verbund einkauft. Dieser wiederum ist aber zu einem Drittel an eben dieser steirischen Steweag beteiligt. Rund 1.200 Kunden hätten schon für den Verbund unterschrieben, heißt es aus dem Almenlandbüro stolz. Gut für den Verbund, weniger gut für den Platzhirsch Pichler Werke. Wenn man diese Form von Wettbewerb konsequent weiterdenkt und die Pichler Werke in der Folge Kunden um Kunden verlieren würden, so könnten sie genötigt sein, den Riemen enger zu schnallen, möglicherweise auch Beschäftigte abzubauen und, und … Aber was soll’s, beim Verbund wandert das Geld ja nur von der rechten Tasche (die es ausgibt) in die linke Tasche (die es wieder einnimmt). Mehr Gewinn durch zusätzliche Kunden, möglicherweise weniger Kunden bei der Steweag. Dass die Konsumenten zum finanziell besseren Angebot greifen, ist ihnen klarerweise nicht vorzuwerfen. Denn das Hemd ist einem näher als der Rock. Das ist verständlich. Die Frage, die sich allerdings stellt: Machen die Strom-Manager, die derartige Strategien verfolgen, mit einem solchen Wettbewerb eine vernünftige, zukunftsorientierte, regionale Energiepolitik?

This article is from: