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Liebesgedichte vom TrouvAmour
Seit über drei Jahrzehnten beschäftigt sich Sozialarbeiter Bernhard Brack mit Liebesgedichten. Er sammelt sie und schreibt auch selbst. Jetzt möchte er den Menschen die Liebe auf verspielte Weise näherbringen. Dafür hat er eine neue Kunstfigur geschaffen.
Leger gekleidet mit Jeans und Hemd. So kennt man Bernhard Brack, den Sozialarbeiter im katholischen Sozialdienst. Doch schon bald wird er seine Kleidung gegen einen schwarzen Frack, eine schwarze Hose und eine schwarze Melone tauschen. Er wird auf die Strasse gehen, Menschen ansprechen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Aber nicht einfach so, Brack hat eine besondere Botschaft: Er will Liebesgedichte an die Leute verteilen oder ihnen sogar selbst welche vortragen.
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Der Sozialarbeiter schlüpft in die Figur des TrouvAmour, die gleichzeitig das neueste Projekt des katholischen Sozialdienstes ist. Der Name TrouvAmour ist ein Wortspiel aus dem französischen Troubadour, dem früheren Minnesänger, und dem französischen Wort für Liebe. Brack hat als TrouvAmour in der Innentasche seines Fracks etwa zehn Gedichte der unterschiedlichsten Dichter parat. Die Auswahl reicht von der leichten Verliebtsein-Lyrik über besonders erotische Gedichte bis hin zur Poesie für die Liebe im Alter. «Die Menschen, die ich anspreche, dürfen wählen, welches Gedicht sie hören oder lesen möchten», sagt der Sozialarbeiter. Der TrouvAmour soll die Leute mit seinen Liebesgedichten überraschen, vielleicht sogar irritieren, damit sie neue Gedankenwege gehen können oder gar unerwartete Gefühlressourcen entdecken. «In den Menschen soll die Sehnsucht und die Vision nach einer liebevollen Welt geweckt werden. Sie sollen für die Liebe sensibilisiert werden.»

Bernhard Brack als TrouvAmour.
Hunger nach Sinnlichkeit
Brack beschäftigt sich seit 30 Jahren mit Liebesgedichten. In seinem Estrich hat er eine grosse Sammlung verschiedener Dichterinnen und Dichter wie Hilde Domin, Pablo Neruda oder Gioconda Belli. Doch er sammelt die Gedichte nicht nur, sondern schreibt sie auch selbst. Vor wenigen Wochen ist sein neuester Band erschienen. «Liebe, Lust und Langezeit» heisst er und ist eine Sammlung von 110 Texten, die in den vergangenen 30 Jahren entstanden sind. «Liebesgedichte sind für die Beziehung etwas Erfrischendes», sagt er. «Die wunderschönen erotischen Bilder in den Gedichten kurbeln das Kopfkino an.»
Wie aber passen Sinnlichkeit und Erotik zur katholischen Kirche? «Wer die katholische Kirche mit Erotik in Verbindung bringt, denkt in erster Linie an unterdrückte Sexualität, Missbräuche oder viele nicht aufgearbeitete Übergriffe», sagt Brack. «Wir aber haben uns gefragt, ob es nebst der Aufarbeitung dieser Schuldfrage nicht noch weitere Möglichkeiten gibt, sich dem Verhältnis zwischen Kirche und Sinnlichkeit anzunähern. Vor allem auch, weil Mystiker die menschliche Liebe als Metapher für göttliche Liebe verwendeten und das Hohelied in der Bibel voller sinnlicher und erotischer Bilder ist.» Gleichzeitig bestehe auch in der Gesellschaft ein Hunger nach Sinnlichkeit.
Holzfigur von GBS-Studierenden
Aus diesen Gedanken heraus ist die Idee mit dem TrouvAmour entstanden. Studierende der Schule für Gestaltung haben dazu eine zwei Meter hohe Holzfigur geschaffen, die bei den Auftritten des TrouvAmour als Blickfang dient und aus der man ebenfalls Liebesgedichte entnehmen kann. Erstmals zu sehen sein wird die Holzfigur am 20.August 2021 im Zivilstandsamt der Stadt St.Gallen, wo sie für einen Monat ausgestellt ist. Am selben Tag und Ort wird Bernhard Brack seinen ersten offiziellen Auftritt als TrouvAmour haben. «Ich freue mich darauf, bin aber auch gespannt, wie die Menschen auf die Liebesgedichte reagieren.»
Das Projekt hätte eigentlich 2020 lanciert werden sollen. Doch Corona machte den Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung, und so wurde es auf dieses Jahr verschoben. Unterstützt wird das Projekt von der Fachstelle Partnerschaft – Ehe – Familie (PEF) des Bistums St.Gallen, der Cityseelsorge der Katholischen Kirche im Lebensraum St.Gallen, der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen und des Zivilstandsamts St.Gallen. Ziel ist es, dass nebst Bernhard Brack auch andere Interessierte als TrouvAmour durch die Strassen ziehen und den Menschen die Liebe auf verspielte Weise näherbringen. «Zuwendung ist ein Gut, das unbeschränkt vorhanden ist und keine Klassen kennt.» (lom)

Der Holz-TrouvAmour der GBS-Studierenden.