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Deutsch lernen und Hemmungen abbauen

Jeden Montagnachmittag treffen sich Menschen mit Fluchtund Migrationserfahrung in der Offenen Kirche, um Deutsch zu lernen. «Zuhören ist beim Sprachenlernen ebenso wichtig wie das Sprechen selbst», sagt Chika Uzor. Der Theologe und Seelsorger für Flüchtlinge und Migranten hat das Angebot initiiert.

Acht Frauen sitzen um einen grossen Tisch. Den Kopf haben sie über ein Blatt Papier gebeut. Es ist ein Arbeitsblatt, und die Frauen müssen zu jedem Buchstaben des Alphabets Wörter finden, die mit dem entsprechenden Buchstaben beginnen. «Welche Wörter kennt ihr mit dem Buchstaben B?», fragt Brigitte Noser in die Runde. Die Antworten kommen postwendend. «Bett», sagt eine Frau, «Biene», eine andere, und «Bein», wiederum eine andere. «Sehr gut», sagt Brigitte Noser und geht zum nächsten Buchstaben über.

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Jeden Montagnachmittag von 16 bis 17.30 Uhr (ausser während den Schulferien) treffen sich in der Offenen Kirche Menschen mit Flucht­ und Migrationserfahrung, die wenig Deutsch sprechen, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und Hemmungen beim Sprechen abzubauen. Ein Angebot, das von Chika Uzor, Theologe und Seelsorger für Flüchtlinge und Migranten, 2017 ins Leben gerufen wurde und im Rahmen des Café International des ökumenischen Projekts «Wirkraumkirche» stattfindet. Brigitte Noser ist eine von mehreren Freiwilligen, die Chika Uzor bei der DeutschKonversation unterstützen. Die Gossauerin ist seit vier Jahren dabei und freut sich, dass der Unterricht für die meisten Teilnehmenden mittlerweile einen festen Platz in deren Terminkalender hat.

Lehren und beraten

Etwa 25 Personen sind an diesem Montag in die Offene Kirche gekommen. Die meisten kennt Chika Uzor, und er begrüsst sie persönlich. «Hallo», sagt er zu einem jungen Mann, der soeben die Kirche betreten hat. «Schön, bist du wieder da. Wie geht es dir?» Der Angesprochene lacht und antwortet auf Deutsch, dass es ihm gut gehe. 20 bis 30 Menschen mit Flucht­ und Migrationserfahrung nehmen regelmässig am Deutschkurs teil. Sie kommen aus Ländern wie Afghanistan, Ukraine, Sri Lanka, Syrien, Irak oder Albanien. Nebst dem Deutschlernen gehen Chika Uzor und seine Helferinnen und Helfer auch auf Fragen der Menschen mit Fluchtund Migrationserfahrung ein. «Es ist eine Art Beratung für Alltag und Arbeit», sagt er.

Zwei Frauen sind an diesem Nachmittag zum ersten Mal hier. Sie sind aber nicht allein gekommen, sondern in Begleitung einer Betreuerin. Der Seelsorger begrüsst sie und fragt nach den Deutschkenntnissen. Die Betreuerin sagt, dass die beiden bereits einen Kurs besuchen. Damit Chika Uzor weiss, in welche Gruppe er die beiden Frauen einteilen soll, bekommen sie an diesem Nachmittag eine kurze Privatlektion. Die anderen Teilnehmenden werden in zwei Gruppen eingeteilt. Brigitte Noser übernimmt die Anfängerinnen, Chika Uzor die Fortgeschrittenen. Er geht mit den zwölf Frauen und Männern in einen Nebenraum. Ein paar haben ihre Kinder mitgenommen. Sie bleiben bei Pascal Bindreiff. Er ist ebenfalls ein Freiwilliger und kümmert sich an diesem Nachmittag um die Kinder, damit sich die Eltern auf die Deutschstunde konzentrieren können. Pascal Bindreiff hilft Pemala Youdutsang, die für die Kinderbetreuung verantwortlich ist. «Ich habe ein ehrenamtliches Engagement gesucht und hier gefunden. Die Leute sind sehr nett, mir gefällt es gut», sagt er. Pemala Youdutsang heisst jeweils alle Teilnehmenden mit einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wasser Willkommen.

Auch zuhören will gelernt sein

Im Nebenraum erzählen die Teilnehmenden, was sie in den letzten Ferien oder an den Feiertagen gemacht haben. Eine Frau sagt, dass sie in Sri Lanka war und ein Fest gefeiert habe. Was es für ein Fest war, will der Seelsorger und Deutschlehrer wissen. Die Frau zögert, ist unsicher. «Getrau dich», ermuntert sie Chika Uzor. Ihm ist wichtig, dass die Frauen und Männer wagen, Deutsch zu sprechen, auch wenn der Satz nicht fehlerfrei ist. Langsam beginnt die Frau zu erzählen. Andere unterbrechen sie, was Chika Uzor nicht gefällt. Er ermahnt die Teilnehmenden zu Geduld. «Das Reinrufen bringt die Person in Stress, und sie getraut sich noch weniger, etwas zu sagen», sagt er und fügt an, dass «geduldiges Zuhören beim Sprachen lernen ebenso wichtig ist wie das Sprechen selbst.» (lom)

Der Deutschkurs ist kostenlos und findet montags von 16 bis 17.30 Uhr in der Offenen Kirche statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Weitere Informationen unter kathsg.ch/DE/166/FluchtlingsundMigrationsseelsorge.htm

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