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Trotz Schicksalsschlägen hat sie das Lachen nicht verlernt

Als Renate S. ihren Lebenspartner verliert, kommt sie finanziell «ins Strudeln». Ihr Gehalt als Zeitungsausträgerin reicht kaum zum Leben. Die 60-Jährige wendet sich an den Sozialdienst der katholischen Kirche, der ihr hilft.

Meistens ist es draussen noch dunkel, wenn Renate S. das Haus verlässt. Die 60Jährige trägt Zeitungen aus. Jeden Morgen schnappt sie sich ihren Zeitungswagen und verteilt in den Quartieren Riethüsli und St.Georgen abonnierte Zeitungen wie das St.Galler Tagblatt oder die NZZ. Ist die Tour beendet, geht sie nach Hause, füllt ihren Wagen mit Werbematerial und macht sich erneut auf den Weg von Briefkasten zu Briefkasten. Am Donnerstag und Freitag kommen zusätzliche Touren für adressierte Briefe, Kataloge und Zeitschriften hinzu. 20 Kilometer legt sie durchschnittlich an einem Tag zurück, ein zusätzliches Fitnessprogramm braucht die rüstige Frau nicht.

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Hilfe in der Not

«80 Franken über dem Existenzminimum und ich habe keinen Anspruch auf Sozialleistungen erhalten.»

Seit 20 Jahren ist Renate S. Zeitungsausträgerin. Sie macht ihre Arbeit gerne, obwohl der Verdienst mit 2200 Franken gering ist. «Wenn beide in der Familie verdienen, ist es gut machbar», sagt sie. Das war bei ihr bis vor elf Jahren auch der Fall. Doch dann starb ihr langjähriger Lebenspartner. Sein Gehalt fiel weg und Renate S. kam, wie sie selbst sagt, «ins Strudeln». Plötzlich musste sie sämtliche Kosten allein tragen. Das sei mit ihrem Lohn sehr schwierig gewesen. Die Mutter von drei erwachsenen Kindern meldete sich beim Sozialamt, doch ihr Antrag wurde abgelehnt. Sie war geschockt. «Man sagte mir, ich liege 80 Franken über dem Existenzminimum und habe keinen Anspruch auf Sozialleistungen.» Daraufhin wendete sie sich an Bernhard Brack vom Sozialdienst der Katholischen Kirche. «Ich war so erleichtert, als er mir sagte, er werde mir helfen.» Brack verschaffte sich zuerst einen Überblick über ihre finanzielle Situation. «Dann haben wir gemeinsam versucht, die Ausgaben in den verschiedensten Bereichen zu senken, beispielsweise mit einer Mietzinsreduktion oder einem neuen günstigeren Swisscom Abo», erzählt er. Der Sozialdienst der katholischen Kirche springt aber vor allem dann ein, wenn Unvorhergesehenes eintrifft, wie eine Zahnarztrechnung oder bei einem Unfall. «Als ich wegen eines Muskelfaserrisses ins Spital musste, fiel ich bei der Arbeit vier Wochen aus», erzählt Renate S. «Ich erhielt 80 Prozent meines Lohnes ausbezahlt. Aber wenn schon der volle Lohn kaum zum Leben reicht, dann tun es die 80 Prozent noch weniger.» In dieser schwierigen Zeit half ihr der Sozialdienst finanziell über die Runden. «Zu wissen, dass es jemanden gibt, der mir hilft, wenn ich in Not bin, ist ein beruhigendes Gefühl», sagt sie. «Ich bin froh und sehr dankbar, dass ich diese Last nicht allein tragen muss.»

«Lachen gibt Kraft»

Renate S. ist in Oberegg aufgewachsen, lebt seit über 30 Jahren in der Stadt St.Gallen. Sie hat eine Anlehre als Coiffeuse begonnen, musste sie dann aber abbrechen, weil sie wegen dem Dauerwellenwasser Hautprobleme bekam. Danach arbeitete sie im Service bis 1979 ein schwerer Skiunfall sie ausbremste. Drei Monate lag sie im Unispital Zürich, sie hatte eine zweifache Schädelfraktur und einen zweifachen Unterkieferbruch, konnte die ersten Wochen nicht mehr gehen. Doch sie kämpfte sich zurück ins Leben. Über einige Umwege fand sie eine Stelle im Verkauf, wo sie bis zur Heirat mit ihrem heutigen ExMann arbeitete. In den Jahren danach kümmerte sie sich vor allem um die drei gemeinsamen Kinder und den Haushalt. Nach der Scheidung fing sie an, Zeitungen auszutragen.

Trotz der oftmals schwierigen Situationen in ihrem Leben hat die 60Jährige eines nicht verlernt: Das Lachen. «Ich bin dankbar, dass ich viel Humor habe. Gerade wenn es im Leben nicht gut läuft, tut es gut, von ganzem Herzen zu lachen. Das gibt mir Kraft vorwärtszuschauen.» (lom)

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