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Ein Grab und eine Kunstaktion für Wiborada

Die St.Galler Künstlerin Lika Nüssli wird an belebten Orten in der Stadt ein modernes Grabtuch für Wiborada schaffen. Die Kunstaktion am 2. Mai wird interaktiv und bunt werden und soll darauf aufmerksam machen, dass bis heute ein sichtbares Grab der St.Galler Stadtheiligen fehlt. Die Performance ist Teil des Projekts «Wiborada2023», das bis Juni dauert.

Die sieben Plätze mitten in der Stadt für ihre Performance «I Adore You» hat die St.Galler Künstlerin Lika Nüssli mit Bedacht ausgewählt: Das Vadiandenkmal, die Klosterwiese und der Bangor bei der Mühleggbahn beispielsweise sind alles denkwürdige und bekannte Orte. «Daher eignen sie sich perfekt für meine Kunstaktion am Wiborada-Tag. Sie stehen im starken Gegensatz zu Wiborada, die kein Denkmal hat, nicht einmal ein sichtbares Grab, und weitgehend unbekannt ist», sagt Lika Nüssli. Das soll sich am 2. Mai ändern. Rund 30 Minuten dauert ihre interaktive Performance an jedem der sieben Orte, zu denen auch die Klosterwiese, der Kornhausplatz und die Multergasse gehören. Lika Nüssli wird Farbe, Spritzen und ein Tuch dabei haben und auf letzterem mittels der Farbe Abdrücke von ihrem Körper und der Umgebung hinterlassen. Das Tuch bleibt als eine Art moderne Reliquie übrig.

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Bilder der Performance von Lika Nüssli «As long as I can be a sculpture, I don’t wanna die» vom Swiss Performance Art Award, der 2021 in der Lokremise St.Gallen stattfand.

Bilder: Emmanuelle Bayart

Die Kunstaktion von Lika Nüssli ist Teil des Projekts «Wiborada2023», das von April bis 2. Juni dauert. Wie in den beiden Jahren zuvor möchte das ökumenische Organisationskomitee die Heilige Wiborada und ihr Wirken ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Erneut lassen sich Freiwillige – in diesem Jahr sind es fünf Männer – in einer Zelle bei der St.Mangen Kirche für je eine Woche einschliessen, um der Erfahrung Wiboradas nachzuspüren. Diese hatte bis zu ihrem Tod im Jahr 926 lange Zeit eingemauert in eine Zelle als Inklusin gelebt. Zum Programm von «Wiborada2023» gehören unter anderem zudem ein Wiborada-Dialogtag im Square der HSG, ein Pilgertag, musikalische «klanghalt»Gebetszeiten sowie Auf- und Einschliessrituale der jeweiligen Inklusen.

Weitergeführt werden soll das Projekt bis 2026, wenn sich Wiboradas Todestag zum 1100. Mal jährt. Die Zahlen vom vergangenen Jahr haben das Projektteam in diesem Entschluss bestärkt. So besuchten rund 300 Schülerinnen und Schüler und Lehrpersonen aus 35 Schulklassen die Wiboradazelle, es gab 19 Führungen und knapp 400 Personen kamen ans Fenster der Wiborada-Zelle. Zum Projekt gehört seit vergangenem Jahr auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Leben und Wirken Wiboradas. Den Anfang machte die St.Galler Künstlerin Michèle Thaler. Mit der textilen Arbeit «Eine Tür für Wiborada» schuf die Künstlerin im vergangenen Jahr auf der Aussenmauer von St.Mangen ein symbolisches Portal. Sie bestickte wie einst Wiborada im frühen Mittelalter ungebleichtes Leinen.

Es war für mich faszinierend und erschreckend zugleich, als ich merkte, dass Wiborada als erste Frau weltweit heiliggesprochen wurde, aber ein sichtbares Grab fehlte.

Stoff ist auch in Lika Nüsslis Kunstaktion das zentrale Medium. Generell bezeichnet sie Stoff als eines ihrer wichtigsten Materialien in ihrer künstlerischen Arbeit. Die Idee, in diesem Jahr eine Art modernes Grabtuch zu schaffen, hatte sie aber erst, nachdem sie den Ort, an dem Wiborada gelebt hatte und wo ihr Grab liegen soll, besucht hatte. «Ich fand es unglaublich, dass Wiborada als erste Frau weltweit heiliggesprochen wurde, aber ein sichtbares Grab fehlte», sagt sie. «Für mich war dieser Moment, in dem mir das bewusst wurde, faszinierend und erschreckend zugleich.» Für sie sei es naheliegend gewesen, daher Themen wie Grab, Stoff, Leichentuch und Umhüllung aufzugreifen. «I Adore you» – also «Ich verehre dich» – heisst die Performance zudem, weil sie feministisches Gedenken hervorrufen soll und zugleich zur Anbetung und Verehrung auffordert und diese infrage stellt.

Den Abschluss der Kunstaktion bildet der eigentliche Ort von Wiboradas Grab: die Kirche St.Mangen. Auch diese wird interaktiv sein. Mehr verraten möchte Lika Nüssli aber nicht. Nur so viel: «Es wird ein Ritual der Liebe sein und somit Wiboradas Liebe zur ihren Mitmenschen und zu sich selbst ins Zentrum rücken.» (nar)

Performance «I Adore You» am 2. Mai von Lika Nüssli: 12 Uhr Vadiandenkmal, 13 Uhr Klosterwiese, 14 Uhr Bangor unten bei der Mühleggbahn, 15 Uhr Kornhausplatz Bahnhof, 16 Uhr Oberer Graben 3, 17 Uhr Multergasse, 18 Uhr Engelgasse, 19 Uhr St.Mangen. Infos: wiborada2023.ch

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