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Ein Ort der Ruhe für gestresste Studierende

Seit 60 Jahren gibt es das katholische Akademikerhaus der Universität St.Gallen. Während des Semesters treffen sich hier Studierende, um Gottesdienste zu feiern, sich mit anderen auszutauschen oder um mit Uniseelsorger Thomas Reschke über ihre Sorgen zu reden.

Am Hang des Rosenbergs, unweit der Universität St.Gallen, steht das katholische Akademikerhaus. Es ist das Zuhause von Uniseelsorger Thomas Reschke und seiner Familie. Die Aussicht ist fantastisch. Durch die Fensterfront des Hauses kann man einen grossen Teil der Stadt sehen. «Und bei klarer Sicht sogar den Säntis», sagt Reschke und lacht. Seit 22 Jahren kümmert sich der 59-Jährige im Auftrag des Bistums St.Gallen um die Sorgen und Nöte der Studierenden und der Mitarbeitenden der Universität St.Gallen. Und genauso lange wohnt Reschke im «Uni-Pfarrhaus». Heute allerdings nur noch mit seiner Frau, die vier Kinder sind mittlerweile ausgezogen.

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Ein Haus mit langer Tradition

Das Akademikerhaus ist aber mehr als das Zuhause des Seelsorgers. Hier finden während des Semesters verschiedene religiöse und kulturelle Anlässe für Studierende statt. In der Kapelle im Dachgeschoss beispielsweise werden regelmässig Gottesdienste gefeiert und im Eventraum im Untergeschoss über Mittag Veranstaltungen durchgeführt, die Begegnungen mit Persönlichkeiten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen ermöglichen. So waren zum «Lunch mit Gästen» im Herbstsemester beispielsweise Gabriela Manser, Co-CEO der Goba AG, die St.Galler Regierungsrätin Susanne Hartmann sowie Korpskommandant Hans-Peter Walser zu Gast. In diesem Frühling sind es unter anderem Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner, Jürg Treichler, Leiter Informatik beim Eidgenössischen Departement des Innern (EDI), oder Irina Kopatz, Präsidentin der Studentenschaft 2022/23. Der wöchentlich stattfindende Lunch ist jeweils gut besucht. Die meist bekannten Referentinnen und Referenten bieten einen interessanten Einblick in ihr Leben und ihre Wertevorstellung. «Mit unseren Veranstaltungen wollen wir Horizonte erweitern», sagt Reschke.

Seit über 20 Jahren kümmert sich Uniseelsorger Thomas Reschke um die Sorgen der Studierenden.

Gegründet wurde das Akademikerhaus vor 60 Jahren. Die Idee dazu hatte der Theologe und Priester Richard Thalmann. Er rief in den 1950er-Jahren auf privater Basis die katholische Studentenseelsorge der Universität St.Gallen ins Leben. Nach einem Abstecher ins Rheintal kehrte er 1960 zurück in die Stadt und wurde offiziell als erster «Studentenpfarrer» eingesetzt. In der Zwischenzeit hatte ihm die Universität auch einen Lehrauftrag für Katholische Theologie erteilt. Diesen übte er bis zu seiner Pensionierung 1982 aus. 1963 liess Thalmann das Haus an der Dufourstrasse zum Akademikerhaus umbauen, sechs Jahre später kam an der Zwinglistrasse das katholische Wohnheim als Gasthaus für Studierende der Universität dazu. Bis 1982 lebte Thalmann selbst im Akademikerhaus, danach sein Nachfolger in der studentischen Seelsorge Pater Walther Gaemperle und ab 2001 der aktuelle Uniseelsorger.

Mehr seelsorgerischer Bedarf

Reschke und seine Frau fühlen sich wohl im geschichtsträchtigen Haus am Rosenberg. Während der Semesterferien sei es zwar etwas ruhig, sagt er, dafür bleibe ihm aber genug Zeit, seine Vorlesungen zu schreiben und die Veranstaltungen zu planen. Die meiste Zeit ist der Uniseelsorger aber sowieso in der Universität vor Ort. «Es ist wichtig, dass die Studierenden sehen, dass es uns Seelsorger gibt und sie unsere Hilfe in Anspruch nehmen können», sagt Reschke. Das Team besteht aus einem reformierten und einem katholischen Seelsorger. Beide sind Ansprechpersonen für alle Studierenden und Mitarbeitenden, unabhängig von Religion und Weltanschauung. Die vergangenen drei Jahren haben auch bei der studentischen Seelsorge ihre Spuren hinterlassen. «Während die älteren Generationen davon ausgingen, dass alles besser wird, nehme ich aktuell erstmals eine Generation von Studierenden wahr, die kaum an eine bessere Zukunft glaubt», so der Seelsorger. Die Gegenwart werde von Krisen und Katastrophen dominiert, das präge das Lebensgefühl der Studierenden. Die Arbeit an der Universität sei dementsprechend anspruchsvoller geworden, die Zahl der seelsorgerischen Kriseninterventionen gestiegen. «Trotzdem ist es schön zu sehen, wie aktiv die Studierenden ihre Fähigkeiten für die Gesellschaft und die Zukunft der Erde einsetzen.» (lom)

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