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Haiku

Storytelling in Kurzform

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Tulpen in der Vase

leuchten bunt

bis auf die Gasse.

Eigentlich ist das Verfassen von Haikus eine Kunst. Zumindest war das in Japan so und manchen japanischen Haiku-Meisterdichtern sagt man nach, dass sie einige Jahre an ihren Kunstwerken gearbeitet haben.

Natürlich hat man heutzutage gar nicht mehr die Zeit, sich Jahre mit einem dreizeiligen Gedicht zu beschäftigen. Aber Haikus sind durch ihre 3 Zeilen kurz und knapp, sprachlich einfach formuliert, teilen dem Leser nur das Notwendigste mit und lassen dadurch viel Platz für Bilder im Kopf. Man muss nichts erklären, nichts kommentieren, braucht keine Wortspiele und Methaphern und der erhobene Zeigefinger bleibt unten.

Storytelling mit Haikus

Warum sollte man sich also mit Haikus beschäftigen? Haikus sind probate „Storytelling“-Methoden, in denen man z.B. kurz und knapp seine Botschaft auf den Sozialen Kanälen hinausposaunen kann. Warum mal nicht seinen USP via Haiku bekannt geben?

Hier ein Haiku, den ich gemeinsam mit einer Kollegin „entworfen“ habe, um unser Angebot einmal in einer anderen, dichterischen Form zu präsentieren:

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Wieso Haikus als Werbebotschaft funktionieren

Haikus sind auch perfekt dafür geeignet, kurze Gedankensplitter auf Twitter und Instagram zu teilen. Knapp griffige Botschaften werden gerne gelesen und Haikus lassen dem Leser viel Interpretationsspielraum für eigene Ideen und Ansichten.

Ein kurzer Ausflug in die Geschichte des Haikus

Das (oder auch manchmal der) Haiku ist die kürzeste Gedichtform der Welt. Sie entstand im Mittelalter in Japan und besteht aus drei Zeilen à 5 – 7 – 5 Silben. Ursprünglich war es der erste Teil eines der beliebten Kettengedichte, die von verschiedenen Dichtern gemeinsam verfasst wurden. Diese mittelalterlichen Kettengedichte (sogenannte Kasen), bestanden aus 36 Teilen.

Der erste Teil des Gedichts, der Hokku, wurde von einem der Dichter vorgegeben, andere Dichter ergänzten das Kasen mit 35 weiteren Teilen. Die hohe Kunst dabei war, dass der Hokku ein Thema vorgab, der zweite Teil sich auf den ersten beziehen musste, der dritte auf den zweiten, aber nicht auf den ersten Teil, von dem er sich deutlich distanzieren musste, usw. Die japanischen Dichter vertrieben sich so ihre Zeit in geselliger Runde.

Die Hoch-Zeit

Im 16. Jahrhundert etablierte sich das Hokku – so wurden Haikus in der Anfangszeit genannt - als eigene Gedichtform und erlangte im 17. Jahrhundert durch Haiku-Dichter Matsuo Basho ein hohes Maß an Popularität.

Bei Nebelnieseln der Fuji nicht sehen läßt das weiße Antlitz.

Auf blattlosem Ast Sitzt allein eine Krähe; Herbstlicher Abend.

Der alte Teich: Ein Frosch springt hinein. Oh! Das Geräusch des Wassers

Basho

Neben Basho (1644-1694), Yosha Buson (1716- 1783 und Kobayashi Issa (1763 – 1827) zählte Masaoka Shiki (1867–1902) zu den herausragendsten Haiku-Dichtern Japans. Shiki gilt übrigens als Begründer des modernen Haikum, denn er war es, der den Begriff Haiku prägte.

Erster Tag im Jahr. Nichts ist böse, nichts ist gut, sondern alles – lebt!

Shiki

Europa eroberte das Haiku erst Anfang des 20. Jahrhunderts, dort zuerst Frankreich und England, in den 20er Jahren dann den deutschsprachigen Raum. Rainer Maria Rilke war fasziniert von dieser Form der Kurzdichtung und war einer der ersten deutschen Dichter, die sich dem Haiku widmeten.

Kleine Motten taumeln schaudernd quer aus dem Buchs; sie sterben heute Abend und werden nie wissen, dass es nicht Frühling war.

Auch Bert Brecht hat sich an Haikus versucht.

Der Bauer pflügt den Acker. Wer Wird die Ernte einbringen?

Bertolt Brecht

Was ist für Haikus charakteristisch?

“Ein Haiku ist konkret. Gegenstand des Haiku ist ein Naturgegenstand außerhalb der menschlichen Natur. Abgebildet wird eine einmalige Situation oder ein einmaliges Ereignis. Diese Situation oder dieses Ereignis wird als gegenwärtig dargestellt. Im Haiku findet sich ein Bezug zu den Jahreszeiten. - Dietrich Krusche (deutscher Schriftsteller und emeritierter Professor für Interkulturelle Hermeneutik)”

Klassische Haikus enthalten meistens eine kurze prägnante Schilderung einer Naturszene, die beim Leser ein bestimmtes Gefühl auslösen soll.

Steine auf dem Weg lassen mich lächelnd darübersteigen.

Elisabeth Ornauer

Haikus sind titellos

Haikus haben keine Überschriften. Punkt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Haikus sind kurz

Haikus sind kurz und bündig und bestehen meist aus 3 Zeilen. Wobei hier die Kunst darin besteht, dass es ohne Qualitätsverlust nicht mehr kürzbar ist. Was heißt das im Klartext? Wenn man ein Haiku liest, sollen Bilder im Kopf entstehen, es muss nicht alles erklärt werden.

Haikus sind (fast) immer in der Gegenwart

Die Gegenwärtigkeit ist das stärkste Merkmal von Haikus. Natürlich kommen in Haikus auch andere Zeiten vor. Dann handelt es sich aber meistens um Fantasivorstellungen über die Zukunft oder Erinnerungen, die in der Gegenwart reflektiert werden.

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Haikus sind immer konkret

Ein Haiku stellt Erlebtes – oder Sachverhalte – immer konkret dar. Dadurch, dass die Darstellung immer konkret ist, werden die Inhalte des Haikus für die Leserinnen und Leser miterlebbar. Eine Tulpe ist konkret, Hass oder Liebe sind abstrakte Begriffe.

Haikus beschäftigen sich fast immer mit der äußeren Welt

Haikus beschäftigen sich ganz selten mit den Gefühlen, Ansichten und Meinungen des Verfassers über die Welt. Meistens stehen reale Dingen wie Bäume, Klaviere, Menschen, Autos, Berge, Blumen & Co. im Mittelpunkt. Aber natürlich darf man auch innere Monologe beschreiben.

Haikus haben ein offenes Ende

Ein gutes Haiku geht weiter, selbst wenn der Text zu Ende ist. Der Leser darf das weiterdenken, weiterdichten, weiterspinnen. Satzzeichen fehlen oft in Haikus, damit stehen den eigenen Interpretationen Tür und Tor offen.

Ein Haiku schreiben

Wenn man sich ein bisschen mit Haikus beschäftigt, bekommt man Lust, auch eigene zu verfassen. Was also ist zu tun, um ein perfektes Haiku zu verfassen? Hier sind 13 Tipps fürs Haiku-Dichten:

1. Lies Haikus von Basho, Buson, Tagami Kikusha oder jene von Rainer Maria Rilke.

2. Lass dich inspirieren, mach einen Spaziergang im Wald, im Park, auf der Straße und beobachte das Geschehen rund um dich, höre zu und höre hin.. 3. Gibt es ein besonderes Ereignis (in Japan ist der Zeitpunkt der Kirschblüte ein solches, oder unser Weihnachtsfest ...)? Ein Ereignis, das dich berührt oder das dich elektrisiert? 4. Möchtest du über eine bestimmte Jahreszeit schreiben? 5. Soll das Haiku von einer Person oder einem Objekt handeln? 6. Was beschäftigt dich im Augenblick, welche Gefühle hast du? Was hörst du, schmeckst du, riechst du, fühlst du?

7. Findest du Vergleiche zwischen der Natur und deinem Innenleben?

8. Beschreibe dein Thema mit einem sensorischen Detail (der süße Geschmack der Frühlingssonne - oder so ähnlich). 9. Keine Abstraktionen verwenden – immer konkret bleiben. 10. Haikus werden in der Gegenwart geschrieben. 11. Vergiss das Silbenzählen. 12. Brich manchmal die Regeln.

13. Hab Spaß beim Haiku-Dichten.

Text: Karina Schneider

Lesenswerte Links: www.haiku-heute.de https://haiku.de/ https://100.best-poems.net/famous-haikus-basho-matsuo.html

Quellen: Wikipedia.de, Volker Friebel „Das Haiku“ und die oben stehenden Links