KARTON 19

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KARTON Nummer 19 * September 10 * Preis CHF 9

Architektur im Alltag der Zentralschweiz

Andere Kulturräume in Cham, Emmenbrücke, Kriens und Stans Neues aus der Hochschule Luzern – Technik & Architektur


In KARTON 19 richten wir den Blick weg vom Zentrum auf das Umland. Ein kultureller Aufbruch ist in der Zentralschweiz festzustellen. 10 Jahre nach Fertigstellung des KKL Luzern (siehe auch KARTON 18) ist die Kulturraumoffensive scheinbar an den Rändern der Agglomeration angekommen. In Emmenbrücke und Kriens, aber auch in Cham und Stans sind neue Kulturbauten am Entstehen. Im Gegensatz zu den Ereignissen in der Kernstadt Luzern, wo die Planung für die Salle modulable gemeinsam mit dem Auszug kultureller Einrichtungen aus dem Tribschengebiet fortschreitet, sind die hier vorgestellten Projekte Resultate einer Gesamtschau: In Kriens wurde der Umbau des Zentrums schrittweise geplant, ohne die bestehenden kulturellen Nutzungen zu vergessen. In Emmen wurde das Projekt Gemeindegalerie in das «an-

Editorial Mit Blick aufs Ganze von Gerold Kunz dere kunst- und kulturunternehmen» überführt, das Wachstumspotential hat. Auch in Stans, wo ein Pavillonneubau den bestehenden Museumsschwerpunkt beim Winkelriedhaus festigt, wurden die vorhandenen Potentiale sorgsam geprüft, bevor sich die Verantwortlichen für das neue Museumskonzept entschieden. Und in Cham entsteht schrittweise und als sinnvolle Ergänzung der Museumsangebote der Zentralschweiz ein Themenpark innerhalb einer bedeutenden, bisher wenig bekannten historischen Anlage. Gemeinsam an diesen Projekten ist, dass diese neuen Einrichtungen in Ergänzung zu bestehenden,

architektonisch wertvollen Gebäuden entstehen, massvoll sind und immer auch ein überlegtes Betriebskonzept ausweisen. Hingegen unterscheiden sich die architektonischen Konzepte stark im Grad der Verflechtung von Altem und Neuem. In Cham ordnet sich der Neubau dem Ensemble unter, während in Stans dieser selbstbewusst als neues Gegenüber des Baudenkmals erscheint. In Kriens verflechten sich neue und bestehende Anlageteile zu einem neuen Ganzen, im Gegensatz zu Emmenbrücke, wo sich die neuen Einbauten in den Dienst der vorhandenen räumlichen Qualitäten stellen. KARTON 19 macht diese Unterschiede sichtbar.

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Fotos Titelbild und Doppelseite Mitte: Bemusterungen für grosse Bauvorhaben ermöglichen es, die getroffene Material- und Farbwahl im wirklichen Masstab zu überprüfen. Als Objekte wirken sie hingegen für die unbeteiligten BetrachterInnen fremd. Das Sample für den Umbau des Postgebäudes Luzern zur neuen Universität (Titelbild) wurde im Gewerbebetrieb in Dallenwil zur Probe aufgestellt, die Bemusterungen für die Sportarena und die Hochhäuser auf der Allmend (Doppelseite Mitte) stehen am konkreten Ort. In der Verbindung mit der unmittelbaren Umgebung entstehen Bilder der Symbiose von Stadt und Land. Fotos: Mario Kunz (Heftmitte); Gerold Kunz (Titelbild).

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Kulturkloster von Cla Büchi Im Krienser Ortszentrum bewegt sich was. Der Grundstein für die Neugestaltung wurde 2002 mit dem Studienwettbewerb «Zentrum» gelegt. Das Siegerprojekt «Streetlife» der Pool Architekten aus Zürich diente in der Folge für die Ausarbeitung des Richtplanes. Es wurden drei Areale bestimmt, auf denen die Attraktivierung des Ortszentrums konkretisiert werden sollte. Nun liegen auch die Resultate für die letzten zwei Teilprojekte vor. Das eine sieht Jugend- und Kulturräume auf dem jetzigen Feuerwehr- und Werkhofareal Schappe Süd vor, das andere den Arealersatz im Gebiet Eichenspes.

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Die heutigen Räume für Jugend und Kultur befinden sich auf den Arealen Pilatus und Teiggi / Gemeindehaus. Die Areale werden neuen Nutzungen zugeführt und die Planungen dazu sind über Projektwettbewerbe initiiert. Auf dem Pilatus-Areal soll ein Dienstleistungs- und Wohngebäude (Burkhard Meyer Architekten, Baden) und auf dem Teiggi- / Gemeindehausareal eine Wohnüberbauung (Lengacher Emmenegger Architekten, Luzern) realisiert werden. Bei den Räumen für Jugend und Kultur entschied man, sie weiterhin im Zentrum zu belassen, und befand den Standort der heutigen Feuerwehr und des Werkhofs (Schappe Süd) als ideal dafür. In der Folge musste für die Feuerwehr und den Werkhof ein neuer Standort gefunden werden und man wurde im

Eichenspes-Gebiet oberhalb des FeldmühleSchulhauses fündig. Es macht Sinn, kulturelle Räume und Angebote im Zentrum anzubieten, wo sie auch zum Leben und Austausch einer Gemeinde beitragen. Man darf es als mutiges und klares Bekenntnis zum Bestreben nach einem vitalen und urbanen Siedlungszentrum verstehen, wenn Räume für Jugendkultur, Kunst, Musik und Theater mitten im Zentrum angesiedelt werden. Luzern fährt hier eine andere Strategie und räumt bloss der Hochkultur den Platz im Zentrum ein, während die Räume für Jugendkultur, freie Musik und Kunst an die Peripherie des Stadtraumes ausgelagert werden! Wo sich in Zeiten der Industrialisierung Werkstätten, Stallungen, Räumlichkeiten zur Energiegewinnung und Kantinen befanden, soll nun die Jugend, Kultur und Musikschule einziehen. Das Areal Schappe Süd der ehemaligen Spinnerei weist noch folgende Gebäude auf, die gruppiert um einen Hof dem Ensemble ein klosterartiges Gepräge geben und allesamt im Inventar der schützenswerten Kulturobjekte aufgeführt sind: nämlich das Kesselhaus, der Werkstattbau, die Lager-, Stall- und Remisenbauten, das Speisehaus und der Kantinen-Zwischenbau. Als Sieger des Studienauftrages über die Neugestaltung des Areals sind die Luzerner Architekten Niklaus Graber und Christoph

Modellansicht: Auf den zwischen den Gebäuden erkennbaren Spannkabeln kann mit Tuchbahnen der Innenhof abgedeckt werden.

Steiger hervorgegangen. Sie verstanden es am besten, Alt und Neu in selbstverständlicher und unaufgeregter Art in Einklang zu bringen. Ein Neubau anstelle des Lager-, Stallund Remisenbaus entlang der Kosthausstrasse nimmt die Form und Gestaltung der Industriebauten auf, was zu einer Stärkung des bestehenden Ensembles führt und dessen Charakter wahrt. Der Neubau macht es möglich, dem Innenhof die grösstmögliche Fläche zuzugestehen, was ihn zum eigentlichen Herzstück der Anlage macht. Er ist mit Sitzund Liegemöglichkeiten möbliert und kann im Bedarfsfall mit einer Bühne bestückt werden. Mittels Tuchbahnen, die als Sonnen- und Witterungsschutz dienen, kann er sogar zeltartig überdacht werden, was ihn zum multifunktionalen Aufenthalts-, Begegnungs- und Veranstaltungsraum macht. Im besagten Neubau ist die Musikschule untergebracht, im Kantinenbau die Räumlichkeiten für die Ju-

gendkultur, im Werkstattgebäude die Veranstaltungssäle mit Foyer / Office und im Kesselhaus die Ausstellungs-, Ateliers- und Werkräume. Die Architekten haben es durch eine geschickte Zuordnung geschafft, die jeweiligen Nutzungen im passenden Gebäudeteil unterzubringen. Das ermöglicht einen schonenden Umgang mit der bestehenden Bausubstanz, aber auch einen optimalen Lärmschutz gegenüber den benachbarten Wohnhäusern. So sind die lärmintensiveren Nutzungen auf die Obernauerstrasse und Busschleife hin ausgerichtet und der Bodenbelag des Innenhofs gar mit einem Flüsterasphalt versehen, um zusätzlich geräuschdämpfend zu wirken.

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Lage: Schappe Süd, Kriens Bauherrschaft: Gemeinde Kriens Architekten: Graber & Steiger GmbH, Luzern Abbildung: Architekten

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Update für Zeitzeugen von Ursula Mehr Die Ziegelhütte Meienberg ist die einzige intakt erhaltene Handziegelei der Deutschschweiz. 2008 wurde von der Stiftung Ziegelei-Museum ein Studienvergleichsverfahren für ein Museum als Ersatzbau für die 1982 zerstörte Scheune lanciert. In der darauf folgenden Projektphase wurde nun die Umgebung im Umkreise der Waldlichtung in die Planung mit einbezogen.

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Die Stiftung Ziegelei-Museum Cham ist eine Institution, die sich dem Sammeln von historischen Ziegeln und dem Erforschen ihrer Produktion und Verwendung verschrieben hat. Nun soll die Sammlung einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Zu diesem Zweck erwarb die Stiftung vor einigen Jahren das ehemalige Ziegeleiareal Meienberg, sowohl um Ausstellung, Bibliothek und Sekretariat als auch Forschung, Führungen durch die Ziegelhütte und Arbeiten mit Lehm für Besucher an einem Ort zu vereinen. Das Areal liegt auf dem südlichen Bereich der durch die Kantonsstrasse geteilten Lichtung. Ein Teil des Grundstückes wurde vor Jahren beim Autobahnbau mit Aushubma-

terial aufgeschüttet. Dies führte dazu, dass die beiden bestehenden Gebäude eigentümlich in den Boden versenkt erscheinen. Jenseits der vom Wohnhaus entfernten Ziegelhütte liegt heute ein Biotop in der durch den früheren Lehmabbau entstandenen, vernässten Senke. Demgegenüber ist der Standort des Neubaus leicht erhöht und nahe beim Wohnhaus. Bewusst wählt der Architekt Paul Knill den Standort der alten Scheune, um das ursprüngliche Ensemble wieder herzustellen. Er stellt das Gebäude orthogonal so zum Wohnhaus, dass dazwischen ein Platz entsteht. Der funktionale und formale Zusammenhang der Anlage wird durch die Gebäudeform unterstützt, eine heute übliche Scheune mit jedoch einseitigem Vordach und grossen Verglasungen im Erdgeschoss. Darin werden das Museum mit den dazugehörenden Nebenräumen, im Sommer ein Museumscafé und im Winter das Lehmatelier untergebracht sein. Für Ausstellungen werden zwei Räume zur Verfügung stehen. Vorgesehen für Dauerausstellungen ist der grosszügige offene Dachraum, belichtet durch ein Fensterband

in der Dachfläche mit Ostlicht und nur durch Stützen, Treppenbrüstung und Lifteinbau unterbrochen. Im durch Oblichter belichteten Untergeschoss werden dereinst Wechselausstellungen gezeigt werden. Neben dem Neubau wird das bestehende Zieglerwohnhaus umgebaut werden. Es handelt sich um einen verputzten Fachwerkbau auf massivem Untergeschoss aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der bereits mehrmals umgebaut wurde. Hier wird künftig das Dokumentationszentrum der Stiftung zusammen mit der Bibliothek untergebracht sein sowie das Backoffice des Ziegeleimuseums. Im Ober- und im Dachgeschoss sind Gästezimmer und eine Maisonettwohnung vorgesehen. Aber auch der Umgebungsgestaltung wurde grosser Wert beigemessen. Das Gelände liegt in einem grösseren zusammenhängenden Landschaftsraum. Mit diesem gilt es vorsichtig umzugehen, um bestehende Qualitäten zu erhalten. Der Landschaftsarchitekt Benedikt Stähli teilt denn auch das Grundstück in zwei Bereiche. Rund um Museum und Zieglerhaus

entsteht ein den Besuchern zugänglicher Teil. Der Platz zwischen den Gebäuden wird einerseits bekiest und dient verschiedenen Aktionen im Freien, andererseits soll hier auch ein traditioneller Bauerngarten entstehen. Kinder werden am Waldrand Gelegenheit haben, auf dem Erlebnisspielplatz die Ziegelproduktion zu erproben. Da der tiefer liegende Teil des Geländes beim Biotop ein wertvolles Rückzugsgebiet für Wildtiere ist, soll er möglichst wenig vom Museumsbetrieb tangiert werden. So enden die Wege bei der Ziegelhütte und der daneben neu angelegten Lehmgrube, nur ein schmaler Holzsteg führt in das Biotop mit Wasserfläche und Feuchtwiese. Um den Naturraum zu erhalten, werden die Waldränder und die Feuchtwiese aufgewertet, die Heckenstrukturen den einheimischen, standortgerechten Arten angepasst und die bestehende Monokultur im Wald mit Neuaufforstung durchmischt. Die Stiftung Ziegelei-Museum baut nicht einfach ein neues Museum, sondern sie aktiviert ein Stück lokale Geschichte, indem sie das Ensemble baulich und in die Landschaft integriert wieder herstellt. Dies tut sie mit auf heutige Bedürfnisse ausgerichtetem Vorwärtsblick, ohne in historisierenden Kitsch zu verfallen. Den Ersatzbau in Form einer Scheune zu errichten war – nach dem Studium der anderen Wettbewerbsergebnisse – die richtige Lösung. Nun liegt es am Architekten, die an und für sich etwas banale Form mit guten, qualitätsvollen Details und gekonntem Materialeinsatz aufzuwerten.

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Lage: Ziegeleiareal Meienberg, Cham Bauherrschaft: Stiftung Ziegelei-Museum, Cham Architekt: Paul Knill, Herisau Landschaftsarchitekt: Benedikt Stähli, Cham Abbildungen: Architekten KARTON 19


Ein Haus – drei Räume von Erich Vogler Der weisse Kubus im Garten des Winkelriedhauses eignet sich als Ausstellungspavillon für verschiedene Kunstformen. Seine einfache Erscheinung und präzise Setzung schafft spannungsvolle Räume, die bewusst der Kunst den Vortritt lassen.

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Das Projekt «Inside», verfasst von UNIT Architekten aus Hergiswil, ging im Mai 2009 aus einem Architekturwettbewerb hervor. Es überzeugte die Jury durch seine schnell und gut erkennbare Projektidee. Dem Winkelriedhaus wird ein markanter monolithischer Bau gegenübergestellt, der durch seine mittige Platzierung im Garten zwei spannungsvolle leicht schiefwinklige Aussenräume generiert, den grossen «Kunstgarten» und den etwas kleineren «Kunsthof». Die Höfe sind einfach und zurückhaltend gestaltet. Eine Kiesfläche durchfliesst die Räume und schafft gemeinsam mit den steinernen Fassaden und Umfassungsmauern eine ruhige Atmosphäre, die sich zum künstlerischen Bespielen anbietet. Hecken und Büsche entlang der Umfassungsmauern lockern das «steinige» Konzept sanft auf. Auf grössere Pflanzflächen im Garten wird bewusst verzichtet. Die Natur der Nid-

waldner Hügellandschaft ausserhalb der Umfassungsmauern übernimmt deren Aufgabe, mittels jahreszeitlichen Färbungen die Stimmung im Garten mitzugestalten. Das Konzept erinnert formal an japanische Trockenlandschaftsgärten wie beispielsweise den bekannten Zen-Garten des Ryoan-ji Tempels in Kyoto, welcher zufälligerweise im gleichen Jahrzehnt geschaffen wurde wie der Kernbau des Winkelriedhauses von 1456 – 57. Der im Garten stehende Neubaukörper besticht durch feine Abwinklungen der Grundriss-, Wand- und Dachflächen, welche im Innern und Äusseren wahrnehmbar sind. Diese Abwinklungen entstehen mittels einer einfachen Verformung. Das quadratische Gebäudevolumen wird leicht verzogen und mit einem über Eck gestellten, flach geneigten Giebeldach abgeschlossen. Dadurch entstehen die schiefwinkligen Höfe, Gassen, Fassaden und Innenräume, welche das Raumerlebnis prägen und in ihrer Form den schiefwinkligen Grundriss des heutigen Gartens widerspiegeln. Die weisse, vertikal gerillte Betonfassade tritt in einen Dialog zum Winkelriedhaus und der Umfassungsmauer. Die homogene Gestaltung von Dach und Wand gibt

dem Ausstellungspavillon zudem die nötige Schwere, um neben dem Winkelriedhaus als eigenständiger Bau zu bestehen. Eine schlichte Holztüre, welche während der Museumsöffnungszeiten wohl meist geöffnet sein wird, führt den Besucher ins Innere. Dort betritt er zuerst den Eingangsbereich mit seitlich angefügten Nebenräumen und anschliessend durch eine Glastür den rund 150 m2 grossen Ausstellungsraum. Die Materialisierung im Innern ist das Produkt einer erneuten Auseinandersetzung mit der Aussenraumgestaltung. Eine sägerohe, weiss gestrichene Vertikalschalung an Wänden und Decke verweist auf die gleichfarbige vertikal gerillte Betonhülle. Der Kiesbelag wird im Innern zu einem geschliffenen Unterlagsboden verdichtet. Eine archaische Atmosphäre bestimmt den Raum, die aber durch die Veredelung der Materialien mittels Streichen und Schleifen nur dezent anklingt. Durch ein Oberlicht tritt reduziertes Tageslicht ins Innere und ergibt mit den ruhigen Wandflächen optimale Bedingungen für einen Museumsbetrieb. Der Raum kann durch flexible Trennwände, je nach Bedarf, weiter unterteilt werden. Eine

zweite Holztür im hinteren Bereich des Ausstellungsraumes ermöglicht es, das Gebäude zu verlassen oder den Raum zusätzlich zu belichten. Die zwei Pavillonzugänge und die äusseren Verbindungen der Höfe über die trichterförmigen Gassen eröffnen dem Kurator verschiedene Möglichkeiten der Besucherführung. Der neue Pavillon mit nur einem Ausstellungsraum vervielfältigt die Nutzungsmöglichkeiten des Museumsgartens, indem er durch seine präzise Setzung zwei neue Höfe bildet, die in ihrem Charakter dem Ausstellungsraum ähnlich sind und mit diesem auf unterschiedliche Weise verknüpft werden können. Es bleibt zu hoffen, dass die Kürzung des Baubudgets durch den Nidwaldner Landrat um Fr. 200'000 genügend Spielraum offen lässt, um das Projekt wie vorgesehen zu verwirklichen. Es wird mit einer neunmonatigen Bauzeit gerechnet. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für Sommer 2011 geplant.

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Lage: Engelbergstrasse 54a, Stans Bauherrschaft: Stiftung Winkelriedhaus, Stans Architekten: UNIT Architekten AG, Hergiswil Abbildungen: Architekten KARTON 19


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Das Gewerbegebäude an der Tribschenstrasse 51 in Luzern mit Baujahr 1933 bietet sich für eine künftige kulturelle Nutzung an. Der Heimatschutz hatte bereits 2002 mit einer von 2500 Personen unterzeichneten Petition den Erhalt dieses wichtigen Baudenkmals gefordert. Foto Mario Kunz

Trip Trap Trap – die Kunst ist weg

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von Sepp Rothenfluh Von der Trip Galerie bis zur Kunsthalle standen im Tribschenquartier in den letzten Jahrzehnten immer Räume für die Kunst zur Verfügung. Durch den Wegzug der Kunsthalle fällt das letzte Kunstinstitut.

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Lange Zeit galt das Gebiet im Tribschen als Biotop von Handwerksbetrieben, Kleingewerbe und günstigem Wohnraum: «hinter den 7 Geleisen». Als die Stadt nach einem Brand in der Rösslimatt die BOA Schlauchfabrik als Ersatz für die Kleingewerbler kaufte, tauchten schnell einmal auch Ideen von alternativen Nutzungen von Gewerberäumen zu kulturellen Zwecken auf. Eine Kulturoffensive ermöglichte Provisorien für die BOA, die SCHÜÜR (welche heute noch auf dem Gelände eines geplanten Südzubringers liegt) und das Kunstmuseum, das wegen des Neubaus des KKL Luzern einige Jahre in einer der FrigorexHallen eine Art kreative Pause mit IndustrieTouch abseits des Europaplatzes genoss. Das Tribschenquartier genoss bald den Nimbus einer Ausgehmeile, und aus dem Biotop wuchsen zum Leidwesen der alteingesessenen Wohnbevölkerung bald die farbigsten

von Linda Wullschleger Blüten von der grossen, dicken BOA bis zum kleinen, leichten Fourmi und weiter bis hin zur Brockenstube. Kaum hatte für die Stadtverwaltung die Kulturoffensive ausgedient, wurde eine Wohnbauoffensive ausgerufen, welche insbesondere grosse Arealbebauungen beidseits der Tribschenstrasse zur Folge hatte. Der imaginäre Konflikt zwischen Kulturbetrieben und Wohnhäusern wurde immer heftiger und schlussendlich wurden die kulturellen Nutzungen an die Peripherie verdrängt. Die Nutzer der Räumlichkeiten der ehemaligen Kühlschrankfirma Frigorex sind nun die letzten, die aus den pittoresken Backsteinbauten mit den markanten Sheddächern ausziehen müssen. Gibt es eine Zukunft für Institutionen wie die Kunsthalle im heute zum Wohnquartier mutierten Tribschen oder ist die Kunstszene zwingend mit nicht isolierten, einfach verglasten Bauten aus dem letzten Jahrhundert gleichzusetzen? Die Vorstellung, dass einmal in naher Zeit das Gewerbegebäude an der Tribschenstrasse als Haus der Kunst in Stand gestellt würde, ist wohl zu verlockend.

Wie an vielen anderen Orten sind Planungen im Gange, leer stehende Gebäude neu zu nutzen. In Rapperswil wurde nach grösseren Umbauten das «Kunst (Zeug) Haus» gegründet, in Appenzell eine Ziegelbrennerei umgewidmet in die «Kunsthalle Ziegelhütte». Im alten Industriebau der Viscose Emmenbrücke um den Trafoturm herum, der mit dem roten Sichtmauerwerk eine besondere Atmosphäre ausstrahlt, wurde 2009 die Viscose Event Bar eröffnet, im April 2010 das akku im Bau 716 aus dem Jahr 1952 an der Gerliswilerstrasse. Als Nachfolgeplattform der Galerie Gersag, die nach 35 Jahren und etwa 200 Ausstellungen im Gemeindehaus den Betrieb eingestellt hat, will akku nun kultureller Treffpunkt in der Region werden. Dank der Bemühungen von Karl und Isolde Bühlmann gelang es, den Bau 716 für dieses Vorhaben in Szene zu setzen. Das ehemalige Speditionsgebäude der Viscose grenzt an das alte Verwaltungsgebäude und ist erkennbar an der dreigeschossigen, leicht geschwungenen, fensterreichen Front. Im linken Teil wurde das grossformatige Wandgemälde von Adolf Herbst aufwän-

Wie wird aus dem Speditionsgebäude der ehemaligen Viscose (heute Monosuisse) ein Ort, an den und von dem Kunst transportiert wird? «akku – das andere kunst- und kulturunternehmen» hat an der Gerliswilerstrasse seine Kulturaktivitäten aufgenommen. dig restauriert. Das Gebäude ist aufgeführt im Inventar schützenswerter Bauten. Die drei Geschosse wurden vor allem durch Büros genutzt, standen aber zum Teil schon längere Zeit leer. Für das neue Kunstunternehmen sollten nun das Erdgeschoss mit dem 1. Obergeschoss zur Verfügung stehen, im 3. Obergeschoss ist Platz für das so genannte Kinderatelier, das auch von Schulen genutzt wird, sowie für Ateliers, die an Künstler und Kulturinstitutionen vermietet werden können. Hier steht ein umfassenderer Umbau noch aus.

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Obwohl es sich um einen geschützten Bau handelt, machte die Gemeinde keine weiteren Auflagen. Das auf Neubauten spezialisierte Generalunternehmen Anliker, Besitzer der Bilder der Galerie Gersag, übernahm zuKARTON 19


KAR*TON von Tino Küng

Käpt’n ohne Schiff

nächst das Projekt, übergab es dann aber den Zuger Architekten Urs Brandenberg und Viola Müller, die die Herausforderung annahmen und die gegebene Situation optimal in ein neues Konzept einbezogen.

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Der Umbau Der Eingangsbereich enthält nun den Empfang, die «akkuteria», ein Büro und Nassräume. Mit den neuen Einbauten wurde ein Farbkonzept gewählt, das die Farben des akku-Logos mit einbezieht. Die Grün- und Brauntöne wirken ruhig und doch speziell. Bis anhin waren die Geschosse durch ein gemeinsames Treppenhaus zugänglich. Für die neue Nutzung von Parterre und 1. Obergeschoss für Ausstellungen und Aktionen musste eine Verknüpfung der zwei unteren Geschosse hergestellt werden, die es erlaubte, den Ausstellungsbereich gut zu beaufsichtigen. Er wird nun durch einen neuen Treppenaufgang direkt vom Eingangsgeschoss aus erreicht. Alle Büroeinbauten, Trennwände, 60 cm hoch eingezogene Holzböden für die Installationen und die heruntergehängten Decken wurden entfernt. Die etwa 500 m2 grosse Halle wurde in ihren ursprünglichen offenen Zustand zurückgebaut. Dazu gehörte es auch, die Pilzkopfstützen über die ganze

Höhe wieder freizulegen. Der alte Holzzementboden wurde freigelegt und etwas dunkler als ursprünglich geölt. Die ganze Halle wurde betont ruhig gehalten, einige neue Wände in Leichtbauweise eingesetzt, in die Installationen, Lüftung und Heizung integriert sind. Übersichtlichkeit und das Vermeiden von Überladenheit waren das oberste Prinzip. Weisse Wände lassen hier der Kunst den Vorrang. Gleichzeitig musste die Multifunktionalität gewahrt werden, denn der Galerieraum soll gleichzeitig auch vermietbar sein. Die neue Beleuchtung wurde so installiert, dass die Halle jederzeit durch mobile Stellwände unterteilt werden kann. Die Bemühungen der Architekten, am Original entlang die neue Konzeption für die Nutzung von akku zu entwerfen, führten zu einem respektablen Ergebnis. Brandenberg & Müller haben im Bau 716 in Emmenbrücke ein Ambiente entstehen lassen, das für die geplanten Nutzungen von akku gute Grundbedingungen liefert, mit dem Ziel, eine kulturelle Begegnungsplattform für Emmen und die Region zu bieten. Lage: Gerliswilerstrasse 23, Emmenbrücke Bauherrschaft: Stiftung akku, Emmenbrücke Architekten Altbau 1952: Leuenberger und Nägeli, Emmenbrücke Architekten Umbau 2010: Brandenberg&Müller, Zug/Zürich Fotos: Dany Schulthess, Emmenbrücke

KARTON * Architektur im Alltag der Zentralschweiz

Impressum

www.kartonarchitekturzeitschrift.ch 7. Jahrgang, Nr. 19 / 2010 Herausgeber Autorinnen und Autoren für Architektur AFA, Luzernerstrasse 71a, CH-6030 Ebikon | Erscheint als Beilage in der Januar-, Maiund Septemberausgabe von Das Kulturmagazin und im Einzel- und Aboverkauf; www.kulturluzern.ch | Redaktionsadresse Redaktion Karton, Weinberglistrasse 82, CH-6005 Luzern, T 041 312 00 02, F 041 312 00 04 | Redaktionsleitung Gerold Kunz (geroldkunz@tic.ch), Ursula Mehr (mehr.ursula@bluewin.ch) | Redaktionskommission Dieter Geissbühler, Peter Omachen, Sepp Rothenfluh | Mitarbeiter dieser Nummer Cla Büchi, Tino Küng, Gerold Kunz, Mario Kunz, Ursula Mehr, Sepp Rothenfluh, Erich Vogler, Linda Wullschleger, HS Luzern – Technik & Architektur | Grafische Gestaltung Tino Küng (info@tinokueng.ch) | Abbildungsnachweis Siehe Bildlegenden | Druck Eicher Druck AG, Horw | Auflage 4300 | Inserate An Redaktionsadresse, Einsendeschluss: 20. März / 20. Juli / 20. November | Abonnemente Jahresabonnement (3 Ausgaben) CHF 25.00; Einzelverkaufspreis CHF 9.00; Kontoverbindung: PC 60-72676-4 | Redaktionsschluss 10. März / 10. Juli / 10. November Copyright bei den Autorinnen und Autoren, Nachdruck von Bild und Text, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und mit genauer Quellenangabe. Für unverlangt eingesandte Beiträge haftet die Redaktion nicht.

KARTON im Theater Uri: Die Ausstellung zum fünfjährigen Jubiläum von KARTON wird nun in Altdorf gezeigt. 21.8. bis 3.9. 2010. — KARTON in der Ermitage Beckenried: Der Umgang mit historischen Bauten. 28.10. 2010, 20.00 Uhr.

KARTON 20 erscheint am 24. Dezember 2010 und berichtet über alte und neue Köpfe.

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Ich abonniere KARTON für ein Jahr; CHF 25.00 (inkl. Versand) Talon ausschneiden und an Redaktionsadresse senden

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Marco Rickenbacher Dozent Hanspeter Bürgi Assistentin Monika Steiner Experte Fritz Schär

Christoph Wettstein Dozent Luca Deon Assistent Ralph Alan Mueller Experte Albi Nussbaumer

Hohes Haus am Bahnhof Luzern Bachelor Diplomarbeit Architektur (BDA) FS10 16

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Die aktuelle Diskussion um Hochhausstandorte in der Schweiz wird vorwiegend mit städtebaulichen Argumenten geführt. Unser Studiengang Bachelor Architektur fokussiert im Unterricht aber weniger Themen des Städtebaus und der Planung – mit den Fokusthemen Material, Struktur und Energie setzten wir das gebaute Objekt als Entwurfsthema ins Zentrum dieser Thementrilogie. Ein Hochhaus lässt sich auch definieren als massive Verdichtung von Nutzungen und Interaktionen an einem Ort. Der Bahnhof Luzern als

bedeutender nationaler, regionaler und touristischer Verkehrsknoten kann – aus Gründen der Nachhaltigkeit – ein solcher Ort der vertikalen Verdichtung sein. Das Thema eines hohen Hauses am Bahnhof Luzern impliziert verschiedene Aspekte. Dabei geht es um die Auseinandersetzung mit einem komplexen innerstädtischen Raum, um räumliche Verdichtung, soziale Vernetzung und um programmatische Überlegungen zu öffentlichen und privaten Räumen. Es geht um die Findung einer ortsspezifischen Typologie,

Grundriss Erdgeschoss mit Bodenbelag

um entsprechende Strukturen und um Tektonik. Es interessieren ganzheitliche Gebäudebetrachtungen und konsequente nachhaltige Entwicklungen im wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Bereich. Der geplante Neubau soll Wege zu einer zukünftigen 2000-Watt-Gesellschaft exemplarisch aufzeigen. Mit einer neuen Zentrumsüberbauung am Brückenkopf soll die Chance einer städtebaulichen Akzentuierung im heterogenen Wohnund Industriequartier genutzt werden. Der

Grundriss Wohngeschoss

Ort ist heute geprägt von den Gleisanlagen des Bahnhofs Luzern im Westen und der die Neustadt und das Tribschenquartier verbindenden Langensandbrücke im Süden. Ein Terrainsprung von der Brücke resp. der Tribschenstrasse markiert die südliche Parzellengrenze. Gegen Nordosten wird das in Konzepten definierte Entwicklungsgebiet (anstelle der heutigen Rangiergleiseanlage) angenommen. Weiter ist die geplante Südtangente als Option einzubeziehen. Neben den räumlichen und funktionalen Aspekten des Entwurfs

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Grundriss Wohngeschoss

Janine Beier Dozentin Ursula Stücheli Assistent Adrien Noirjean Expertin Pia Durisch

Stefan Schmidiger Dozent Christian Zimmermann Assistent Roman Hutter Experte Benedikt Rigling

Fassadenansichten

Umgebung

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interessieren insbesondere auch die sozialen Aspekte einer innerstädtischen Verdichtung im sich weiter entwickelnden Gefüge des Ortes. Das Mass, die Qualität und die Beziehungen der öffentlichen Aussen-, Innen- und Zwischenräumen stellen einen wichtigen Teil der Aufgabe dar. Das hohe Haus am Bahnhof Luzern soll drei Hauptnutzungen mit ungefähr folgenden Anteilen aufweisen: 50 % Wohnen, 30 % Arbeiten, 20 % Freizeit und Kultur. Durch sinnvolle programmatische und räumliche Ver-

Grundriss Regelgeschoss Turm 3WHG

netzung der unterschiedlichen Funktionszonen soll die Kommunikation innerhalb des Gebäudes und in seinen äusseren Beziehungen zum Quartier gefördert werden. Die Haupterschliessung, die öffentlichen Bereiche (Arbeiten, Freizeit) und mindestens die Hälfte der Wohnungen sind alters- und behindertengerecht zu gestalten. Der Neubau soll einen hohen Innenraumkomfort und gleichzeitig grösste Energieeffizienz anstreben. Dabei sind grundsätzliche Überlegungen zu Volumetrie, Oberflächen,

Dämmperimeter, Öffnungsverhalten ebenso wichtig, wie solare Gewinnstrategien, sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz, Tageslichtnutzung oder optimierte Lüftungskonzepte. Dem Lärmschutz ist besondere Beachtung zu schenken. Gebäudestruktur, Gebäudehülle und Gebäudetechnik sind als Einheit zu planen und logisch aufeinander abzustimmen. Für die Bereitstellung der noch benötigten Energien für Mobilität, Raumwärme, Warmwasser, Lüftung, Klima, Beleuchtung und Apparate sind geeignete Konzepte –

möglichst mit Nutzung erneuerbarer Energien und CO2-neutral – zu entwickeln. Dazu kommen optimale Abwärmerückgewinnungsstrategien und rationelles und sparsames Wasser- und Abwassermanagement. Angestrebt werden ressourcenschonende Konstruktionen und gesunde Materialien, mit Berücksichtigung der verschiedenen Lebenszyklen und des Primärenergiegehaltes der Materialien (Graue Energie).

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