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Kinderorthopädie: Leonhard Ramseier im Gespräch
from Reflexe 01/21
«Im Sommer geht’s zum Training in die Ski-Halle.»
Im KSB-Blog erzählt der Kinderorthopäde und Mannschaftsarzt der Schweizer Skinationalmannschaft Leonhard Ramseier bei welcher Art von Schmerzen man hellhörig werden sollte und warum seine eigenen Kinder zwar mit 70 km/h die Skipiste runtersausen dürfen, aber striktes Trampolinverbot haben.
TEXT Viven Wassermann FOTO Stefan Wey
Meist sind es Kinder mit Rücken-, Knie- oder Fussbeschwerden, die in die kinderorthopädische Sprechstunde zu PD. Dr. med. Leonhard Ramseier kommen. Bei Säuglingen sind Hüftdysplasie, Klumpfuss und Sichelfuss die häufigsten Beschwerden. Die Mehrzahl seiner jungen Patienten werden von Kinderärzten überwiesen, da sie eine operative Korrektur benötigen. Doch hinter vielen Schmerzen, die Kinder am Bewegungsapparat haben, stecken zum Glück keine ernsthaften Probleme, wie Leonhard Ramseier erläutert:
Wenn es Teenager im Knie zwickt … … handelt es sich meist um Wachstumsschmerzen. Hierbei kommt es zu einer Überlastung aufgrund einer verkürzten Muskulatur. Diese Art von Wachstumsschmerzen ist deshalb auch von den typischen Wachstumsbeschwerden, die bei kleinen Kindern in der Nacht auftreten, zu unterscheiden. Es ist zum Glück nichts Schlimmes und hört irgendwann von selbst wieder auf. Ob eine Therapie erwogen wird, hängt vom Grad des Leidens ab. Behandelt werden solche Beschwerden in der Regel mit Physiotherapie, manchmal auch mit Medikamenten und zu Beginn teils mit Sportverbot.
Rückenschmerzen … … kommen auch bei Kindern schon häufig vor: Sie können durch einseitige Belastung, Wachstumsschübe oder eine muskuläre Schwäche verursacht werden. Insbesondere bei jungen Frauen sollten Rückenschmerzen gut abgeklärt werden, denn daraus kann sich eine Skoliose, eine seitliche Wirbelsäulenverkrümmung, entwickeln. Schmerzen sollte man nicht als allgemeine Wachstumsschmerzen abtun, wenn … … die Beschwerden so heftig sind, dass die Kinder in der Nacht davon aufwachen, die Schmerzen täglich und/oder mit zunehmender Tendenz vorhanden sind oder nur einseitig auftreten. Haben die Kinder hingegen auf beiden Seiten Beschwerden, steckt selten etwas Schlimmes dahinter.
Bei orthopädischen Problemen: Zum Kinderarzt oder direkt zum Kinderorthopäden? Das hängt von der Erfahrung des Kinderarztes ab. Wenn es eine operative Korrektur braucht, sehe ich die Kinder lieber zu früh als zu spät. Operative Eingriffe sind angezeigt, wenn die Beinlängen unterschiedlich sind oder das Kind ausgeprägte O- oder X-Beine hat. Mit konkreten Mitteln können die Beine während des Wachstums gut eingestellt werden.
An der Kinderorthopädie begeistert mich … … dass dies ein ganz anderes Gebiet als die Erwachsenenorthopädie ist. So muss bei der Diagnostik von Kindern

immer auch ihr Wachstum miteinbezogen und beurteilt werden. Auch ist Vieles, was bei Erwachsenen eine Katastrophe ist, bei Kindern völlig normal – zum Beispiel ausgeprägte X-Beine oder Fehlstellungen bei einem 4-Jährigen. Kinder sind ausserdem sehr ehrlich. Sie sagen, ob etwas wehtut oder nicht, sobald sie kommunizieren können. Zudem gefällt mir, dass die Kinderorthopädie das gesamte Skelett vom Fuss bis zur Wirbelsäule mit einbezieht. Bei den Erwachsenen schauen wir nur den jeweils betroffenen Körperteil an, zum Beispiel den Fuss oder die Hüfte.
Drei Tipps für Jugendliche, um auch als Erwachsene fit und gesund zu bleiben: Erstens: Man sollte sich sportlich betätigen. Also neben dem Schulsport zweimal die Woche Sport treiben. Zweitens sollte man Übergewicht vermeiden und ausserdem regelmässig Dehnungsübungen durchführen. Dehnen ist gerade im pubertären Wachstumsschub äusserst wichtig.
Die beste Sportart für Kinder und Jugendliche … … ist diejenige, die dem Kind am meisten Freude macht. Am schlechtesten ist der Sport, den man am wenigsten ausstehen kann. Ob die Kinder nun zweimal die Woche zum Fussball oder Schwimmen gehen, ist egal. Was zählt, ist einzig die Freude am Sport.
Immer in Erinnerung bleiben wird mir … … ein Ereignis während meiner Tätigkeit in Kanada. Dort ist ein Kind nach einem Sturz vom Trampolin verstorben. Es waren mehrere Kinder gleichzeitig auf dem Trampolin. Und dieses Kind ist beim Zusammenprallen unglücklich auf Nacken gefallen. Deshalb haben meine Kinder absolutes Trampolinverbot! Ein Trampolin ist zwar hervorragend für das Trainieren des Gleichgewichts. Aber es sollte absolut strikt nur jeweils ein Kind darauf und zudem immer ein Erwachsener anwesend sein. Mit meiner Familie teile ich die Leidenschaft fürs … … Skifahren. Ich bin ausgebildeter Skilehrer, und da meine drei Kinder – sie sind zwischen 8 und 15 Jahre alt – Skirennen fahren, verbringen wir etwa 80 bis 100 Tage im Jahr auf den Pisten von Andermatt, Brunni oder Titlis. Je nach Saison und Schneelage. Auch im Sommer gibt es bei uns keine Pause, deshalb trainieren wir dann in einer Halle in Frankreich.
Der Arzt in mir…. … tritt in meiner Rolle als Vater eher in den Hintergrund. Denn ich habe eine Maxime: Behandle nicht deine eigene Familie. Bei vielen Sachen schicke ich meine Kinder weiter. Meine Älteste hat sich zum Beispiel kürzlich bei etwa 70 Stundenkilometern auf der Piste eine Hirnerschütterung zugezogen. Es geht ihr mittlerweile zum Glück wieder besser. Angst habe ich dennoch nie, wenn ich den Kindern bei ihren Rennen zuschaue. Ausserdem vertrete ich die Auffassung: Wenn ein Kind beim Skifahren nicht einmal pro Tag umfällt, lernt und probiert es auch nichts aus.
Als Mannschaftsarzt der Schweizerischen Skinationalmannschaft... … bin ich nur einer von vielen. Dadurch bin ich für ein, zwei Einsätzen pro Wintersaison an einem Event dabei und bleibe entsprechend drei bis fünf Tage von der Praxis weg. Es ist ein schöner Ausgleich zum Praxis- und Spitalalltag. Und zum Glück musste ich bislang keine schwereren Verletzungen bei den Skiprofis behandeln.
Dieser Beitrag erschien bereits auf blog.ksb.ch
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Blähungen sind unangenehm, aber meist ungefährlich. Oft helfen schon einfache Tipps und Hausmittel, um die Darmgase unter Kontrolle zu haben. In einigen Fällen ist aber eine Abklärung notwendig. Denn es könnte sich um Symptome einer Krankheit handeln. Haben Sie schon einen Kinderarzt? Gern dürfen Sie mit Ihrem Kind in unsere allgemeinpädiatrische Sprechstunde kommen, um Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen und Notfälle abklären zu lassen. Weitere Infos und Anmeldung unter 056 486 37 02 oder unter paediatrie@ksb.ch