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Der Londoner Bach und Mozart
Johann Christian Bachs Sinfonien werden oft in Bezug auf ihren Einfluss auf Wolfgang Amadeus Mozart in dessen jungen Jahren genannt. Doch das ist bei weitem nicht ihre einzige Bedeutung: Bachs Melodien, einfache Harmonien sowie der kreative Einsatz von Orchesterfarben, hatten das Ziel, das Publikum anzusprechen, zu unterhalten und beleben. Bewusst versuchte er, mit der Instrumentalmusik Gefühle und Leidenschaft zu vermitteln, anstatt auf eine kontrapunktische Komplexität zu setzen und ging somit einen anderen Weg als sein Vater Johann Sebastian. 1762, als Johann Christian Bach nach London kam, war die Stadt nicht nur die reichste Stadt Europas, sondern stand am Anfang einer Epoche, in der die reichen Klassen sich immer mehr für Musik interessierten. Die englischen sowie auch gastierende Musiker, vor allem aus Italien und Deutschland, profitierten dadurch von einer grossen Menge an freiberuflichen Tätigkeitsfeldern. Regelmässig erneuerte sich diese musikalische Gemeinschaft mit reisenden Musikern vom europäischen Festland, die von Londons Reichtum angezogen wurden. An königlicher oder staatlicher Unterstützung mangelte es aber, wodurch es musikalischen Institutionen an Mitteln fehlte. Dies war ein möglicher Grund, weshalb Bachs erste Londoner Oper «Orione» erst am 19. Februar 1763 uraufgeführt wurde. Bach vertraute womöglich den verfügbaren Sängern nicht und wollte die Produktion hinauszögern. «Orione» sowie auch die im selben Jahr aufgeführte zweite Oper «Zanaida» am 7. Mai waren grosse Erfolge. Bach entschied sich, in London zu bleiben und hatte bereits gute Kontakte zum deutschsprachigen Hof und Königin Charlotte geschlossen, einer begeisterten Musikliebhaberin. Noch 1763 wurde er ihr Musikmeister und erhielt das Privileg, für zunächst 14 Jahre seine Werke exklusiv in London publizieren zu dürfen.
Die g-Moll Sinfonie, besetzt mit zwei Oboen, zwei Hörnern, Streichern und Hammerklavier, ist die abschliessende Sinfonie einer Reihe von sechs Sinfonien des Opus 6, die in den 1760er Jahren komponiert und bei der berühmten Bach-Abel-Konzertreihe uraufgeführt wurden. Die entstand aus der Freundschaft zwischen Bach und dem Komponisten und Gambisten Karl Friedrich Abel. Sie lernten sich in London kennen und beeinflussten das dortige Musikleben.
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Sie ist eine von Bachs grössten und dramatischsten Sinfonien und zudem die einzige, die in einer Moll-Tonart geschrieben wurde. Die aus drei Sätzen bestehende Form der Sinfonie weist auf den Einfluss durch die italienische Opernouvertüre hin. Doch mit Blick auf die
Besetzung
2 Oboen, 2 Hörner, Streicher, Hammerklavier
Entstehung ca. 1766
Dauer
Ca.15’ stilistische Vielfalt von Bachs Sinfonie wird ersichtlich, dass sie sich von anderen g-Moll Sinfonien dieser Zeit abhebt. Hier wird Bachs Originalität deutlich.
Der erste Satz sticht mit schnellen Unisono-Stellen, grossen Sprüngen und schnellen Wiederholungen hervor und verbreitet eine aufbrausende Energie. Zwei kontrastierende Themen bestimmen den Satz: Das erste Thema rhythmisch prägnant, das zweite hingegen weich und fliessend.
Im zweiten Satz wiederum weicht die Wildheit einer ruhigen lyrischen Stimmung. Fast zögernd erklingt eine finster anmutende Unisono-Figur, die im Gegensatz zur vorhergehenden Dramatik eine beunruhigende Emotion versprüht. Ausdrucksstarke Akzente in den Violinen führen hinüber in eine schreitende gedämpfte Themenaufnahme in den tiefen Streichern. Im Hintergrund spielt die zweite Violine eine chromatische abwärtsschreitende Melodie. Auftretende Forteakzente führen diesen starken Charakter weiter. Der ganze Satz endet nach einem Crescendo in einem überraschenden Pianissimo.
Im dritten Satz wird die energische Richtung des ersten Satzes wieder aufgenommen. Jedoch kommt keine derart deutliche Themenbildung auf. Es erklingen Tremoli, dynamische Gegensätze und
Sprünge. Rufe in den Hörnern und Akzente in den Streichern treiben den Satz an. Wieder endet der Satz mit einem Decrescendo ins Piano. Die entstandene Spannung wird von Bach nicht aufgelöst, sondern bleibt bestehen. Die Dramatik wird plötzlich abgebrochen und Stille übernimmt.
Obwohl Johann Christian zu den berühmtesten Komponisten seiner Zeit gehörte, wurde seine Musik im 19. Jahrhundert kaum noch gespielt. Wenn jedoch jemand das Potenzial der Möglichkeiten seiner Ausdrucksmöglichkeiten erkannte, dann war es der junge Mozart. Auf den Knaben hatte die Begegnung mit Bach im Jahr 1765 einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Es entwickelte sich ein herzliches Verhältnis zu Bach. Dieser wiederum respektierte Mozarts Talent und nahm sein kompositorisches Können ernst. Es ist nicht belegt, ob Bach ihm auch Unterricht gegeben hat, jedoch wird berichtet, dass Mozart und Bach gemeinsam 1766 vor dem Königspaar an einem Instrument improvisierten. Bach wirkte als musikalisches Vorbild auf Mozart. Dieser studierte Bachs Werke eingehend, arrangierte dessen Musik und setzte seine Erkenntnisse gut erkennbar in den Sonatenkompositionen in den Jahren 1764/65 um. Im langsamen Satz seines A-Dur-Klavierkonzertes KV 414 setzte Mozart seinem Vorbild ein Denkmal.
Elegante Harmonik
Das persönliche Verhältnis und Studium der Bach’schen Werke hatte auch Einfluss auf die knapp zehn Jahre später entstehende Sinfonie in G-Dur KV 199. Mozart schrieb sie 1773 im Alter von 17 Jahren. Sie gehört zu den sogenannten «Salzburger Sinfonien», die Mozart zwischen 1773 und 1774 in Salzburg komponierte. Zwischen März und Mai des Jahres entstanden insgesamt vier Sinfonien, die möglicherweise als Vorspielstücke beim Wiener Hof gedacht gewesen sein könnten. Die Sinfonie KV 199 mit ihrer melodischen Erfindungskraft sowie der eleganten Harmonik und heiteren Stimmung zeigt deutlich den Einfluss durch J. C. Bach.
Mozart komponierte seine Sinfonien in einer Zeitspanne, in der sich diese Gattung von Unterhaltungsstücken immer mehr zu ernsten Werken entwickelte. Auch die Sinfonie Nr. 27 zeigt Elemente, die auf diesen musikalischen Wandel hinweisen. Die dreisätzige Form ist geprägt vom älteren italienischen Stil, ohne Menuett und Trio sowie der einfache Einsatz der Bläser. Im Vergleich zu Mozarts sonstigen Kompositionen gehört die Sinfonie KV 199 eher zu denen, die im
Sinfonie Nr. 27 in G-Dur, KV 199
Besetzung
2 Flöten, 2 Hörner, Streicher, Hammerklavier
Entstehung
10. April 1773
Dauer
Ca. 20’
Violinkonzert Nr. 3 in G-Dur, KV 216
Besetzung
2 Flöten, 2 Oboen, 2 Hörner, Streicher, Hammerklavier
Schatten seiner bekannteren Werke stehen. Von einem tanzenden Einstieg im ersten Satz, über gedämpft zupfende tiefe Streicher, die im zweiten Satz eine singende Melodie in Flöten und Violinen begleiten, bis zum energiegeladenen Zusammenspiel aller Instrumente im letzten Satz, bringt Mozart durch seine kontrapunktischen Fähigkeiten und fantasievollen motivischen Ideen eine Fülle an Klangfarben hervor, die auf den immer reifer werdenden Komponisten hinweisen.
Abwechslungsreiches Klangspektrum
Im Gegensatz zur Sinfonie KV 199 ist das ebenfalls in G-Dur stehende Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 von 1775 eines der beliebtesten Werke Mozarts. Er besass neben seinem Talent des Klavierspielens auch eine grosse Begabung für das Geigenspiel. Das Thema des dritten Satzes erinnert an ein Strassburger Volkslied und gibt dem Konzert den Beinamen «Strassburger Konzert». Charakteristisch ist der angestrebte gleichberechtigte Dialog zwischen Solovioline und Orchester, anstatt die beiden Parteien miteinander wetteifern zu lassen, ein von J. C. Bach inspiriertes Vorgehen, mit dem sich Mozart von der Form des barocken Solokonzertes lösen wollte. Die einzelnen Motive erklingen zuerst im Orchester und werden so der Solovioline vorweggenommen. Diese wiederum nimmt die Melodie auf und entwickelt sie weiter. Ein abwechslungsreiches Klangspektrum ist das Ergebnis dieser Zusammenarbeit. An unterschiedlichste Gefühlsmomente anknüpfend, erklingt eine musikalische Reise von Heiterkeit und Eleganz, über Tragik und Wut bis zu Humor, gleichermassen getragen von Solovioline und Orchester.
Chantal Gardelli
«Mozart war vermutlich stark inspiriert von J. C. Bachs g-Moll-Sinfonie und scheint sie in seiner eigenen g-Moll-Sinfonie KV 183 sowie in seiner visionären C-Dur-Sinfonie KV 338 und sogar im Klavierkonzert in c-Moll KV 491 nachempfunden zu haben. Ich freue mich darauf, beim Konzert weitere Ähnlichkeiten und Einflüsse zu entdecken und das Publikum daran teilhaben zu lassen!»
Katya Polin Solo-Viola
