Jakob Gasteiger: o. T., 1991. Foto: F. Neumüller | Dauerleihgabe Bundeskanzleramt/Artothek, Wien
Mumok
Ungelesen dokumentieren
Folgenden drei Kunstschaffenden wird derzeit im Mumok in Wien Raum gegeben: Alfred Schmeller war von 1969 bis 1979 Direktor des <Vorgänger>Museums. Der 1990 verstorbene Schmeller wollte das Museum öffnen, alle Zielgruppen erreichen. Als Symbol dessen ist das „Riesenbillard“ von Haus-Rucker-Co aus dem Jahre 1970 zu sehen, das für die Ausstellung rekonstruiert wurde. Die Besucher*innen werden selbst zu Spielfiguren und wer genug vom Spielen hat, kann sich den Positionen der „Chicago Imagists“ widmen, für deren Anschaffung Schmeller federführend war. 14.000 Objekte des 2003 verstorbenen Fotokünstlers Heimrad Becker beschäftigen sich mit dem Holocaust und sagen „es kann sein, dass man uns nicht töten wird und uns erlauben wird, zu leben“ (beide Ausstellungen sind jeweils bis zum 16. Feber 2020 zu sehen). Im Foyer wird noch bis nächstes Jahr ein Wandbild des Wolfsberger Künstlers Siegfried Zaworka gezeigt, das in der Wahrnehmung der Betrachter*innen Täuschungsräume schafft. www.mumok.at l
In der Bibliothek 5020/Fünfzigzwanzig in Salzburg beschäftigen sich Künstler wie Oscar Cueto, Marlene Maier, Andrea Ressi und Lisa Truttmann bis zum 18. Jänner 2020 in der Ausstellungreihe „Tracks of Documentability“ mit Strukturen des Dokumentarischen. Dazu werden vier künstlerische Positionen, die ihre eigenen dokumentarischen Mittel als sozial konstruierte, epistemologische Werkzeuge einsetzen, um nicht in eine Repräsentation authentischer Wahrheit(en) des zumeist Politischen zu verfallen, versammelt. Anders formuliert stellt sich bei dokumentarischen Arbeiten stets die von Hito Steyerl formulierte Frage: „Welche Politik der Wahrheit drückt sich in dokumentarischen Bildern und Tönen aus?“ Das Lesen kommt aber auch nicht zu kurz. Ann Cotten liest am 11. Dezember in der vom Kärntner Kulturpreisträger Julius Deutschbauer installierten Bibliothek der ungelesenen Bücher. www.5020.info l
Foto: Nachlass von Cora Pongracz | Fotosammlung OstLicht
Foto: Lisa Truttmann
da.schau.her Der Eigenwert der Farbe Seit den beginnenden 1980er-Jahren setzt sich Jakob Gasteiger (1953 in Salzburg geboren und seit 1976 in Wien lebend) konsequent mit der Malerei per se – dem Herstellungsprozess und den verwendeten Mitteln – auseinander, was sich bei ihm in einer Abkehr jeglicher Gegenständlichkeit und in einer Hinwendung zum Material selbst, zur Farbe, Form, Struktur, Textur und Oberfläche äußert. Dabei entstehen Serien von in erster Linie monochromen Acrylbildern an der Grenze zu minimalistischen Objekten, aber auch Papierarbeiten und Skulpturen ohne ikonografische Zuweisung und ohne jeglichen Bildinhalt. Für seine malerischen Arbeiten verwendete er zunächst Öl, später dann wechselte er zu Acryl. Mit Hilfe einer selbst konstruierten Kammspachtel aus Karton, die er für jede Arbeit neu anfertigt, kämmt er die Farbmasse großzügig und gleichmäßig auf dem Untergrund auf. Er formt vertikale, horizontale und bogenförmige Linien, kleine Fehler oder Unregelmäßigkeiten werden nicht korrigiert, sondern bleiben bestehen. Vordringlich ist der Eigenwert der Farbe, die Lichtwirkung und die Oberflächenstruktur, die manchmal durch einen Überzug aus Lack oder Beimengen von Metallpigmenten oder Glassplittern verändert wird. Im Sinn der „Radikalen Malerei“ und der „Minimal Art“ thematisiert Jakob Gasteiger nicht nur kunstimmanente Überlegungen wie die Wirkung von Farbe, Fläche und Bildträgern, sondern auch den Malprozess selbst. Seine Arbeiten entziehen sich jeder von außen kommenden Zuschreibung wie etwa einer meditativen oder philosophischen. Hingegen sind sie völlig selbstbezüglich und verweisen auf nichts anderes als auf sich selbst. ● Nora Leitgeb Kunsthistorikerin, MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten.
DIE BRÜCKE Nr. 15 | Brückengeneration 5
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