edition B
kunst.aus.druck
Veronika Suschnig
Foto: Joachim Krenn
Tales of Unconscious Spaces
Die 1989 geborene, in Wien und Klagen furt aufgewachsene Künstlerin Veronika Suschnig lebt und arbeitet in Wien, Kla genfurt und Neulengbach in Niederöster reich. Sie studierte zunächst Architektur an der Akademie für bildende Künste Wien und an der Technischen Universität Wien bevor sie für das Malereistudium in die Klasse für „Erweiterten malerischen Raum“ zu Daniel Richter an die Wiener Akademie der bildenden Künste wechselte. Gesellschaftspolitische Fragestellungen. Im Sinn eines erweiterten Malereibegrif fes kombiniert Veronika Suschnig unter schiedliche Kunstgattungen wie die Male rei, Grafik und Plastik, sie gestaltet installative Settings und räumliche Insze nierungen, die sie jeweils situationsbezo gen verändert. Vorangig geht sie in ihren Arbeiten gesellschaftspolitischen Frage stellungen nach, je nach Themenbereich variiert sie die verwendeten Materialien, die bewusst in das jeweilige Werk bzw. in den jeweiligen Zyklus miteinfließen. Dementsprechend ergänzen in der drei teiligen Serie „This will make you love again“ (2018) Siebdrucke von leeren Blis terpackungen und Latexhandschuhen, welche direkt auf Gipskarton gedruckt sind, die anschließend malerisch aufbe reitete Arbeit, die eine verletzliche, see lisch kranke Person in unterschiedlichen Krankheitsstadien zeigt. Ein tiefer Spalt deutet zusätzlich die Verwundbarkeit und Entfremdung an. Somit bildet Veronika Suschnig den medizinischen Kranken hausalltag nicht nur über den Bildinhalt, sondern auch über die verwendeten Werk stoffe ab, das Ergebnis ist eine feinfühlige, künstlerische Auseinandersetzung mit psychischen Erkrankungen. Auch die installative Arbeit „Turnus“ (2018) zeugt von der sterilen Atmosphäre eines Krankenhauses. Hier kombiniert sie ein blaues Turnusgewand mit blauen Papierschöpfungen aus echten Operations kitteln, die mittels eines alten Verfahrens aus der Papierherstellung von Blister
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DIE BRÜCKE Nr. 15 | Brückengeneration 5
packungen geprägt sind und den rohen, bürokratischen Umgang mit Patienten ansprechen. Noch deutlicher zum Vor schein kommt die Struktur der leeren Pillenblister in der Werkserie Drugtales – etwa in den Arbeiten „the pills I never wanted“ (2018) oder „the drugs I could never have“ (2018). Der Hintergrund dieser Tafelbilder wird durch eine Aneinander reihung leerer Tablettenblister, die zusätz lich mit einer weißen Lackierung über zogen sind, zur Gänze ausgefüllt. Die titelgebenden Sprüche – aus handgenähter Schrift in Schreibschrift geschrieben – heben sich plastisch vom Bildträger ab, sie scheinen wie vor den Bildern zu schwe ben. Die eigene, kühle Ästhetik der For mensprache in Verbindung mit den sen timentalen, handschriftlichen Äußerungen, lässt eine ganz eigene Spannung entstehen. Für diese Arbeit in Verbindung mit sieben fratzenhaften, seelenlosen Masken, welche die tägliche Veränderung durch einen fortschreitenden Medikamentenverbrauch thematisieren, gewann Veronika Suschnig den von der Galerie3 zum 17. Mal initiier ten Bank Austria Kunstpreis 2018. 2.035 Löwenzahnsamen. „Die Pille wird zum Synonym für den Wunsch nach Ver änderung, nach Realitätsverschiebung und -flucht, zum Mittel das Milderung wie Abhängigkeit verheißt“, beschreibt Clau dia Breitmayer Veronika Suschnigs Arbei ten. Körperlicher wie seelischer Schmerz, bzw. das Navigieren dadurch wird eben falls deutlich in den Arbeiten „Dolor, omnis (aller Kummer)“ und „Viae, omnes (alle Wege)“, beide 2018, indem die Künstlerin unzählige Rosendornen systematisch – linear bzw. als Labyrinth – am Bildträger arrangiert. Auch hier erzeugt die Künst lerin einen ganz eigenen Eindruck in der Diskrepanz der stacheligen, spitzen Rosen dornen zu der formalästhetischen, perfek ten Inszenierung. Artikuliert wird der Kummer in „Dolor, omnis“ zusätzlich durch eine nähere Bezeichnung des Kummers unter dem Titel am unteren Teil der Arbeit:
persönliche Verletzung, unbedachte Bemerkung, Streitgespräch (empfind liches), Trauer (heftige), unglücklicher Zufall, wütende Beschimpfung, besondere Vulne rabilität, Konditionierung (vergangenheits bedingte). Demgegenüber stellt sie die ebenso 2018 entstandene Arbeit „Spes, omnis (alle Hoffnung)“ aus 2.035 ebenfalls linear geordneten einzelnen Löwenzahn samen. Die Zartheit dieser betont wiede rum die Hoffnung, die von einer zukunfts trächtigen über eine naive und unbekümmerte bis zu einer vergangenheits umkehrenden reicht. Tales of Unconscious Spaces. Veronika Suschnigs Auseinandersetzung mit Ver letzlichkeit und Fragilität beschränkt sich allerdings nicht auf den Menschen alleine. In der Serie „Coral Critique“ (2019), die sie Anfang des Jahres in der Hofburg zeigte, überzieht sie die ungrundierten Leinwände mit orangeroten Korallenfor men. Dafür verwendete sie unter anderem Spritztüllen und selbstgebautes Werkzeug, um einen pastosen Farbauftrag mittels eigens geformten, gewachsenen Struktu ren und Texturen zu generieren, wobei die Linien und Flächen die Zerbrechlich keit der bedrohten Korallenriffe nachemp finden lassen. Vereinzelte, fein gezeich nete und ausgeschnittene Tiere und Pflanzen aus den Tiefen des Meeres in Verbindung mit einem maskenhaften, ausgehöhlten Kopf und dem Notausgangs zeichen in „Tales of Unconscious Spaces I“ (2019) lassen ebenfalls die Empfind lichkeit aller Lebensformen nachspüren. Die einzelnen Elemente setzkastenartig und dreidimensional angeordnet, erzählen eine eigene Geschichte von Vergänglich keit, aber auch von Zuversicht. ● Nora Leitgeb Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin für zeitgenössische Kunst, Graz und Klagenfurt | zuletzt kuratorische Assistenz im Kunstraum Lakeside, Klagenfurt | seit 2019 Ausstellungsmanagement & Pressearbeit im Museum Moderner Kunst Kärnten.