Jochen Traar: Art Protects You. Foto: Jochen Traar | MUSA Wien
welter.skelter Eine verloren geglaubte Liebe
Werner Berg, in Unterkärnten angesiedelt. „Ein in weiches Blau gehüllter Nebelschlei er, Überlebenshoffnung und Sehnsucht nach Tugend ist auch auf den Landschaf ten zu erkennen, (...) die als Übermalung mentaler Bilder wirken“, schreibt Marko Košan im Katalog des Werner-Berg-Muse ums zur Ausstellung „Hermann Falke: Blau – Modro“ (2015). Den Traum vom „Blauen Arkadien“ formulierte Falke selbst so: „In allem, was ich gemacht habe, spie gelt sich meine Gedankenwelt wider, die nichts anderes ist, als eine Sehnsucht nach einer heilen Welt.“ Über das Meer. Indigoblau und Chinablau, Azurblau, Kobaltblau, ... Ultramarin wur de ursprünglich aus dem Lapislazuli-Stein gewonnen, dessen wichtigste Quelle im Hindukusch-Gebirge lag. Wegen des wei ten Weges wurde der Farbstoff daher Ultramarin („über das Meer“) genannt. Das Pigment war im Mittelalter teurer als Gold. Auch Michelangelo verwendete für die Kuppel der Sixtinischen Kapelle in Rom Ultramarin. Und wer den blauen Sternenhimmel in der Scrovegni-Kapelle Giottos in Padua einmal gesehen hat, weiß von der magischen Strahlkraft dieser Farbe. Künstliches Ultramarin wurde erst im 19. Jahrhundert entwickelt. Es bildet auch die Basis für die bekannteste Farbe der Kunstgeschichte, das Blau des französi schen Künstlers Yves Klein, der für seine monochromatischen Meisterwerke in Blau berühmt ist. In der Farbe, die er übrigens patentieren ließ, sah Klein den Übergang vom Materiellen zum Immateriellen: „Was
ist Blau? Blau ist das sichtbar werdende Unsichtbare ... Das Blau hat keine Dimen sionen. Es ist außerhalb der Dimensionen, die Teil der anderen Farben sind.“ Transzendenz in Blau. Ein Rundblick über die Kirchen und Kapellen, Bildstöcke und Glasfenster im Land zeigt schnell: Blau ist die Farbe der Spiritualität. Tiefblau ist etwa eine der fünf Glasstelen, die die fünf Weltreligionen verkörpern und von Rudi Benetik für den Garten der Religionen in Bleiburg geschaffen wurden. Die blaue Stele symbolisiert das Christen tum und alle fünf zusammen gelten als die größten in einem Stück verschmolze nen Glasskulpturen Österreichs. Auch Valentin Oman, bedeutendster Vertreter zeitgenössischer Sakralkunst in Österreich, setzt auf Blau: „In Verbindung mit der Farbe Blau sehe ich das Werk von Yves Klein vor mir. Er war der „Meister“ seiner besonderen Ultramarinblaufarbe! In meinen Bildern (z. B. im Zyklus „Him mel und Erde“) oder den Glasfenstern in Sakralräumen deutet mein Ultramarinblau eine transzendente („himmlische“) Dimen sion an. Es ist mein farbiges Symbol und Zeichen für ein uns nicht vorstellbares DANACH.“ ● Karin Waldner-Petutschnig (55) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“, leitete sie 12 Jahre den Carinthia-Verlag und drei Jahre das Museum Liaunig.
Einst hatte es mir die Farbe Blau angetan. Ich war berauscht von ihr, konnte mich nicht satt sehen an ihr. Meine Tage und auch die Nächte waren blau gefärbt. Ich stellte der Farbe nach. Nicht heimlich, nein, ganz unverblümt. Sie sollte ruhig wissen, wie betörend sie auf mich wirkte. Sie sollte ruhig wissen, dass sie mir viel mehr bedeutete als das fahle Gelb, das langweilige Grün oder das weit überschätzte Rot. Wie auch immer, denn all das war einmal. All das war, bevor mir diese dummdreiste, aber gefährliche Horde von ewig Gestrigen, strammen, rechten Recken, deutschnationalen Brunzern, empathielosen Idioten, zynischen und menschenverachtenden Vordenkern und hirnverbrannten Mit läufern die Farbe aller Farben madig gemacht hat. Werde ich nämlich heute gefragt, was mir stante pede zu Blau einfalle, dann kommt mir als Erstes nicht der Himmel in den Sinn, nicht das Meer, nicht die Donau, nicht die Phase von Picasso, die als seine blaue gilt, nicht der Wal mit selbem Namen, nicht die Jeans, in der meine Liebste so umwerfend aussieht, nicht der Enzian, nicht „blau sein“ oder „blaumachen“, noch nicht einmal unser Planet, vom All aus betrachtet. Nichts von alldem mag mir als Erstes einfallen. Stattdessen jene österreichische Partei der Hasser und Neider und Aufwiegler und Brandschatzer und Zerstörer und Demokratiegefährder und Geschichtsleugner und Blender und Intriganten und Räuber und Tunichtguten, die mit eben jener geschundenen und missbrauchten Farbe in den Krieg gezogen ist gegen alles, was mir recht und lieb und der Welt schön und teuer ist. Vorschlag also zur Güte an den blauen Sud: Färbt euch um. Nehmt das Braun, das doch ohnehin eure angestammte Farbe ist. Nehmt es, koloriert damit eure Fahnen, Wimpel, Schmisse, Häuser, Autos, Wände, Wäsche, Körper und Gesichter und weiß der Teufel, was noch alles. Nehmt das dumpfe Braun und verpisst euch. Auf dass ich das herrlich entrückte Blau wieder zum Tanz ausführen kann. ● Oliver Welter Musiker, Schauspieler und Autor. Geboren in Klagenfurt, lebt in Klagenfurt und Innsbruck, stirbt vermutlich in Klagenfurt oder Innsbruck oder gar nicht.
DIE BRÜCKE Nr. 15 | Brückengeneration 5
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