Infrarot Nr. 206

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Das Jahr der Rückverteilung 3

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Für die tiefen und mittleren Einkommen fiel von der grossen Party vor allem eines ab: Kosten. Schliesslich musste ja irgendjemand für die mit den Steuergeschenken verursachten Löcher in der Staatskasse aufkommen. Es taten dies all jene, die schon von den Steuergeschenken nicht profitiert hatten: Den öffentlichen Angestellten wurden die Löhne gedrückt, den tiefen Einkommen die Prämienverbilligungen gekürzt und die Investitionen in Bildung und Gesundheit zusammengestrichen. Die Folge: Während hohe und sehr hohe Einkommen heute im Vergleich zu vor zehn Jahren spürbar mehr verfügbares Einkommen haben, ist jenes der tiefen und mittleren Einkommen effektiv gesunken. Diese missratene Politik schreit geradezu nach einer Korrektur. Und die steht auch bereits vor der Tür: Dieses Jahr werden wir über die ersten zwei von mittlerweile sechs Volksinitiativen abstimmen, welche Teil dieser Kurskorrektur sind. Den Anfang macht am 6. Juni der Kanton Zürich mit der Bonzensteuer. Im September oder November folgt dann mit der 1:12-Initiative bereits ein Höhepunkt auf nationaler Ebene. Damit ist der Kampf um die Rückverteilung lanciert.

Die Lohnungleichheit steigt weiter Heute verdient ein Topmanager in der Schweiz im Schnitt etwa das 100-fache dessen, was seine Angestellten verdienen. Mit anderen Worten: Jeden Monat verdient der Chef so viel wie eine normale Mitarbeiterin in ganzen acht Jahren. Und die Lohnschere ist nicht unbedingt im Begriff, sich von alleine wieder zu schliessen – im Gegenteil. Lässt man die Grossbanken aus der Rechnung raus, steigt die Lohnungleichheit in der Schweiz munter weiter. Und auch in der Finanzbranche geschah der Rückgang nicht etwa von allei-

ne oder gar aufgrund einer neu gewonnen Einsichtigkeit. Nachdem die Spekulanten und Zahlendreher die gesamte Weltwirtschaft an die Wand gefahren hatten, kamen sie um eine gewisse Reduktion ihrer Abzockersaläre schlicht nicht mehr umhin – zumindest für einige Jahre. Doch auch wenn sie kurzzeitig auf einen Teil ihrer überrissenen Boni verzichten müssen, stehen die Abzocker im Vergleich zu denen, die ihre Saläre überhaupt erst erwirtschaftet haben, immer noch sehr gut da. Denn während die höchsten Löhne zwischen 2000 und 2010 um 18.7 Prozent stiegen, blieben die tiefen und mittleren Löhne sogar noch unter dem Anstieg der Arbeitsproduktivität zurück. z-

« Wir müssen Spielregeln definieren, dank denen der Wohlstand wieder   allen zugute kommt.»

Wir ergreifen die Initiative

Der Markt regelt sein Versagen bei der Lohngleichheit also ganz offensichtlich nicht selber. Gefragt sind deshalb Gesellschaft und Politik – schlussendlich jede und jeder von uns. Wir müssen Spielregeln definieren, mit denen wir die zunehmende Ungleichheit in der Schweiz aufhalten können und dank denen der Wohlstand in der Schweiz wieder allen zu Gute kommt. Genau das tun wir mit unseren Initiativen. Da wäre erstens: Wir dulden in der Schweiz keine Tieflöhne. Wer voll arbeitet, soll auch voll davon leben können. Dafür sorgen wir mit der MindestlohnInitiative. Zweitens: Oben hui und unten pfui läuft nicht. Wenn Geld für Boni und hohe Managersaläre vorhanden ist, können

auch die Angestellten am unteren Ende der Lohnskala gute Löhne erwarten. Darum soll niemand im gleichen Unternehmen in einem Monat mehr verdienen als jemand anderes in einem ganzen Jahr. Das verlangt die 1:12-Initiative. Und drittens: Nicht nur während dem Erwerbsleben sondern auch im Alter muss ein anständiges Auskommen für alle gesichert sein. Um das zu erreichen, erhöhen wir mit der AHVplus-Initiative die AHV-Renten um 10 Prozent.

Wie bei den Löhnen so auch bei den Vermögen Ein ähnliches Bild bietet sich bei den Vermögen. Hatten 1997 noch 3 Prozent der Schweizer Bevölkerung 50 Prozent des gesamten Vermögens besessen, waren es 2008 nur noch 2.6 Prozent. Das reichste Prozent alleine kam bereits auf knapp 40 Prozent des Vermögens. Auch hier wurden Steuern gesenkt wo es nur ging, bis hin zur kompletten Abschaffung der Erbschaftssteuer in einigen Kantonen. Darum: In unserem Land sollen alle nach denselben Massstäben besteuert werden. Sondermätzchen wie die Pauschalbesteuerung gehören abgeschafft. Die entsprechende Initiative ist bereits eingereicht. Und weiter: Reichtum bringt eine finanzielle Verantwortung gegenüber der Gesellschaft mit sich. Deshalb besteuern wir hohe Vermögen – und zwar nicht nur mit einem symbolischen Satz im tiefen Promillebereich. Das ist die Forderung der Bonzensteuer-Initiative. Last but not least: Wir wollen weder Erbdynastien noch Reichtum ohne Leistung. Millionenerbschaften werden besteuert um einen Teil der angehäuften Vermögen Gesellschaft zurückzugeben – mit der Erbschaftssteuer-Initiative. Wir haben ein Jahr der Rückverteilung vor uns – legen wir los!


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