Move SIMEP2 2014

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Berlin, Montag, 01. Dezember 2014

SIMEP2 Spezial

»Gemeinsames Europa heiSSt gemeinsame Verantwortung.« Z

u Beginn der SIMEP treffe ich den 19-jährigen Schüler Agyman Amoore, um ihn einen Tag lang zu begleiten. Er erzählt mir, er sei froh darüber, in der Partei seiner Wahl gelandet zu sein. Von Lena Skrotzki.

Heute ist er für uns der Abgeordnete Agyman, Italiener und Teil der linken/sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments, der KVEL/NGL. Sein politischer Fokus in der EU liegt auf der Asylpolitik. Nach der Eröffnung der SIMEP steht für ihn, und damit auch mich, die ihn heute begleitet, die Beratung in den Ländergruppen an. Hier wird vor allem über die ersten Assoziationen und Vorkenntnisse über die jeweiligen Länder gesprochen. Als es politisch wird, ist Agyman sofort zur Stelle und scheut nicht, seine Ideen mit seinen italienischen Landsfrauen und Landsmännern zu teilen. Kurzer Flashback: Oktober 2013. Vor der Insel Lampedusa sterben hunderte Menschen auf ihrer Flucht nach Europa. Und das ist nur eines vieler Unglücke dieser Art im Festliche Eröffnung der SIMEP 2014 (Foto: Nick Jaussi & Benjamin Richter)

Das ganze Portrait auf Seite 3.

„Die EU ist kein Kindergeburtstag.“

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um wiederholten Mal nahm sich Rainer Wieland am ersten Advent Zeit, die SIMEP zu besuchen. Er engagiert sich für ein starkes Europa und hofft auf verstärktes Interesse junger Menschen, die die Zukunft aktiv mitgestalten wollen. Das ganze Interview auf Seite 6.

Alles Bio, oder was?

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io-Kaffee in der Mensa, Öko-Karotten auf dem Wochenmarkt – und selbst Bio-Fertigpizza im Kaiser‘s nebenan. Überall wo man hinschaut, sieht man sie, die grünen Lebensmittel. Doch was steht hinter dem Aufstieg dieses sehr jungen landwirtschaftlichen Sektors und wie fand er seine Verbreitung in Europa? Weiter gehts auf Seite 13.

„Ich bin überzeugte Europäerin!“

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all des Eisernen Vorhangs, plötzlicher beschleunigter Integrationsprozess in Europa, Restaurierung des EU Binnenmarktes – dies sind nur einige Punkte, die Ursula Braun-Moser in ihrer neunjährigen Karriere im Europäischen Parlament erlebt hat. Das ganze Interview auf Seite 8.


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move SIMEP2 Spezial 2

Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, schon wieder ist ein Jahr vergangen und das Move-Magazin gibt ein Spezial zur SIMEP heraus. Doch wieder einmal hat sich viel in Europa getan: Von den Wahlen im Mai bis hin zur Wahl des Kommissionspräsidenten Anfang November. Mit TTIP und CETA gehen noch immer zwei Abkommen durch die Medien, bei denen sich Europa unter seinen Möglichkeiten zeigt. Doch warum simulieren wir hartnäckig einmal im Jahr das Europäische Parlament? Ganz klar: Wir wollen die Welt vorwärts bewegen. Europa ist stärker, als es sich zeigt. Es ist die beste Zukunft, die wir hier haben können. Zwischen Ländergruppentreffen und Fraktionssitzungen in Brüssel – äääh im Bundestag – und Ausschussitzungen und Plenardebatten in Straßburg – ach ne, dem Abgeordnetenhaus – sind unsere Reporter ausgeschwärmt und haben ein Potpourri an Artikeln zurückgebracht. Auch 2014 ist das Themenspektrum der SIMEP unglaublich weit: Asyl- und Migrationspolitik wird durch Frontex immer weiter an die Außengrenzen der EU verlagert und so aus dem vornehmlichen Blickfeld der Mitgliedsstaaten gerückt. Doch ist eine Abschottung vor Flüchtlingen der richtige Weg? Das Thema der Ökoverordnung ist zwar leichter zu greifen, doch mindestens genauso wichtig! Wie kann es sein, dass wir Bio kaufen, aber nicht bekommen? Eine Novelle der Verordnung ist also dringend notwendig! Wie soll die Zukunft der Europäischen Union aussehen? Bei dieser Frage spielt die Klima- und Energiepolitik der EU eine entscheidende Rolle. Bleiben die Staaten beim Energiemix souverän oder weht Europa neuen Wind in die Debatte? Nach der unglücklich ausgegangenen Wahl im Mai spielt aber auch der Rechtsruck im Europäischen Parlament eine große Rolle

Inhalt

Maximilian Gens Redaktionsleiter

Impressum S. 2 Teilnehmerportrait S. 3 FC SIMEP S. 4 EP-Wahlen 2014 S. 5 Interview mit Rainer Wieland S. 6 Lobbyismus bei der SIMEP S. 7 Ursula Braun Moser im Interview S. 8 Willkommen auf Deutsch S. 10 Europäische Energie S. 11 Europäische Klimazukunft S. 12 Alles Bio oder was? S. 13 Vertrauen in Öko S. 14 Informelle Verhandlungen S. 15 Impressionen S. 16

Die SIMEP ist ein Projekt der

gefördert vom

für die Entwicklung der Union. Wie kann es weitergehen und wie kann der Bürger wieder mitgenommen werden, sind hier Themen, die uns beschäftigt haben. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und Durchblättern und verspreche, dass für jeden etwas dabei ist. Euer

Die Betreuerinnen und Betreuer der SIMEP2 2014 (O. Freier & A. Pannicke)

Impressum Herausgeber Jugendpresseverband Brandenburg e.V. Schulstraße 9, 14482 Potsdam | www.jpvb.de Chefredakteur Alexander Steinfeldt (Junge Europäische Bewegung) Leitung & Layout Maximilian Gens (max@jpvb.de | V.i.S.d.P.) Betreuung Fátima González-Torres, Christopher Henry Ruff, Yulia Yarina Redaktion Maria Judajewa, Caroline Hecker, Lenard I. Schauhoff, Alexandra Schubert, Lena Strotzki, Lea Taube, Leonard Wolf Auflage 350 Stück

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Mittelmeerraum in den letzten Jahren. Die politische Debatte zur Asylpolitik ist dringlicher und erhitzter als je zuvor. Auch auf der diesjährigen SIMEP stellt die Asyl- und Migrationspolitik eines der drei großen Themen dar. Auf die Frage nach seinem ganz persönlichen Ziel für den Tag antwortet Agyman: „Ich will mich auf jeden Fall in der Asylpolitik stark machen. Und dort vor allem versuchen die Zusammenhänge von Wirtschaftspolitik und Asylbewerbern in Italien – ich bin nämlich Italiener – anderen SIMEP-Abgeordneten im Parlament aufzuzeigen und dazu zu motivieren, überall in Europa Verantwortung zu übernehmen. Die einzelnen Positionen der Mitgliedstaaten werden nach einer stärkenden Essenspause im Plenum vorgestellt, bei dem SIMEP-Abgeordneter Agyman ein kurzes Plädoyer für sein Heimatland Italien hält. Der Saal gibt tosenden Beifall – Agyman hat sich offensichtlich schon Freunde unter seinen Kollegen gemacht.

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Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland, stellte sich nach der Präsentation der Länderpositionen den Fragen der SIMEPAbgeordneten. Auch Agyman nutzte die Debatte und wollte von Rainer Wieland wissen, wie die EU von profitorientierter Entwicklungshilfe wegkommen könnte und ob es nicht sinnvoller wäre, sich komplett von ihr zu lösen und das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Westen und Entwicklungsländern zu verringern, weil man sie andernfalls noch tiefer ins Verderben stürzen würde. Außerdem fordert Agyman, dass man im Europäischen Parlament Rahmenbeschlüsse, wie zum Beispiel das Verbot von LandGrabbing, an die Europäische Kommission herantragen könnte.

Die konkreten Beratungen in den Fraktionen beginnen Die inhaltliche Auseinandersetzung beginnt dann in Gesprächen innerhalb der Fraktionsgruppen am späten Nachmittag. Gelöst von seinen italienischen Politiker-Kollegen begibt sich

Agyman im Gespräch mit Rainer Wieland (Foto: O. Freier & A. Pannicke)

Agyman in die Beratungen mit seiner Fraktions-Arbeitsgruppe über die Entwürfe der Kommission zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Ich treffe ihn anschließend wieder und möchte wissen, ob schon Anträge der Kommission abgelehnt wurden. „Ein Entwurf ist zum Beispiel die Abwehrpolitik gegen Zuwanderer. Da wurde einstimmig beschlossen, dass man Menschen, die vor Krieg oder Ähnlichem flüchten, nicht einfach im Meer vor einer künstlichen Mauer stehen lässt.“ Er persönlich versteht einfach nicht, warum sich Länder, wie das Vereinigte Königreich oder Dänemark, der Verantwortung bei Asylfragen entziehen, tragen sie doch schließlich eine große Mitschuld an der Situation vieler Flüchtlinge in dieser Welt. Agyman erinnert daran, dass England vor noch nicht allzu langer Zeit eine der stärksten Kolonialmächte war. Sich dann aus der Verantwortung zu ziehen, wenn sich Folgen auftun, findet er „unmenschlich“ und „eine Frechheit“. Ich möchte von ihm wissen, welche Chancen ein Asyl-und Migrationsfonds in der EU seiner Meinung nach bringen kann. „Es ist wichtig, dass sich Migranten und Flüchtlinge stärker in die Gesellschaft einbringen können und dass man Einwanderern Unterkunft gewährt, man ihnen bei der Jobsuche hilft und Sprachkurse anbietet, sodass sie erst mal eine Startgrundlage haben. Und bei Flüchtlingsheimen von 6m2 pro Person kann es nicht bleiben.“ Agyman Amoore zieht nach diesem ersten Tag ein durchaus positives Fazit: „Ich bin echt überrascht, wie viel ich heute gelernt habe und das macht echt Spaß. Ich bin jetzt Landesgruppenvorsitzender und Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Asylrecht und den Asyl-und Migrantenfond KVEL/ NGL. Und unsere SIMEP-Kollegen und Betreuer sind alle echt super und ich freue mich auf morgen.“ Ich persönlich muss sagen, dass ich im Laufe des Tages komplett vergessen habe, dass ich es nicht mit einem ‚echten‘, sondern einem ‚Hobbypolitiker‘ zu tun habe. Dieser Tag war für ihn nicht nur eine Simulation, sondern das reale Erleben politischer Fragen und eventuell auch schon das Entwickeln von Antworten.


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FC SIMEP D

er FC SIMEP ist um einiges koordinierter als der BVB und spielt beinahe besser als der FC Bayern. Doch was Farisa und Charlotte in den letzten Monaten noch mehr als Fußball beschäftigte, haben die beiden SIMEPProjektkoordinatoren unserem Redakteur Maximilian Gens im Interview erzählt. Farisa ist 26, hat Politikwissenschaften auf Diplom studiert und ist seit dem Sommer fertig. Nach dem Studium wollte sie nicht direkt in die harte fachliche Arbeit einsteigen und so kam ihr der Job bei der SIMEP sehr gelegen. Charlotte dagegen kam im Winter aus ihrem Auslandssemester aus Polen wieder. Sie studiert European Studies und schreibt eigentlich an ihrer Bachelorarbeit. Für die SIMEP hat sie eine Pause eingelegt.

Was ist die SIMEP für euch? Farisa: Ich finde die SIMEP ist auf eine gewisse Art und Weise Selbstverwirklichung, weil wir und die Schüler an Grenzen kommen und diese auch übertreten. Man geht bei der SIMEP über den eigenen Horizont hinaus… Charlotte: … und wächst unglaublich an seinen Aufgaben. Man bereitet so viele, unterschiedliche Dinge vor und lernt für sich selbst viel dazu. Gerade für die Schüler scheint Europa am Anfang extrem komplex und sie durchdringen noch nicht, wie es im Europäischen Parlament so abläuft. Doch während der SIMEP erhalten sie die Möglichkeit, sich innerhalb von zwei Tagen sehr detailliert in die Themen einzuarbeiten… Farisa: … und dazu auch sprechen müssen. Sie werden ins kalte Wasser geworfen und müssen ganz früh im Planspiel schon ihre Länderpositionen vorstellen – daran kann man wirklich wachsen. Charlotte: Aber auch gerade die Teamarbeit spielt eine große Rolle. Speziell in kleinen Ländern mit 3 bis 4 Vertretern, beispielsweise Malta, müssen sich viel weniger Leute absprechen, können sich aber auch unglaublich gut unterstützen.

SIMEP im Bundestag macht Spaß! (Foto: Maximilian Gens)

Was habt ihr bei der SIMEP gemacht? Charlotte: Wir waren selbst erstaunt, was für Aufgaben angefallen sind. Wir hatten ja beide zuvor noch keine SIMEP-Erfahrung und haben in unseren ersten Arbeitstagen primär das Projekt kennengelernt. Aber in den 3 Monaten vor dem Projekt merkt man wirklich, wie vielfältig die anfallenden Aufgaben sind. Farisa: Wir haben im Grunde alles gemacht. Von E-Mails schreiben über Homepage pflegen und Betreuer finden und schulen bis hin zur Referentenkommunikation war alles dabei. Charlotte: Aber auch Aufgaben, die nach außen hin total klein klingen, wie die Einteilung der Schüler in Länder und Fraktionen, hat mit dem Schreiben der E-Mails wirklich eine ganze Woche gedauert. Wobei man echt wahnsinnig werden kann. Nicht nur, weil es so viele sind, sondern weil Absagen einen immer wieder zurückwerfen und man mit jedem Nachrücker von vorne anfängt.

Farisa: Aber wenn man das gut machen möchte – was unser Ziel ist – dann dauert das ganze seine Zeit. Aber auch das Telefon ist ein guter Freund geworden – nicht nur um mit Teilnehmern zu telefonieren, sondern auch um intern alle möglichen Fragen zu beantworten. (Bei Farisa klingelt plötzlich das Telefon, beide lachen.) Charlotte: Wir sind eben die Hauptansprechpartner für die SIMEP, was einerseits sehr viel Spaß macht, aber gleichzeitig auch anstrengend sein kann. Man hat dabei aber auch ein riesiges Team hinter sich. Die JEB ist ein wirklich gut funktionierendes geschlossenes Team, das uns echt viel abgenommen hat. So hat eine Arbeitsgruppe die inhaltliche Arbeit übernommen – was ein wirklich großer Aufwand war. Aber auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit konnten wir uns auf die JEB-Aktiven verlassen. Wenn Not am Mann war, waren die SIMEPBetreuer eine große Hilfe, ob beim Mappen packen oder Briefe tüteln.


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Farisa: Und wir sind halt die, die den Überblick behalten.

Hattet ihr überhaupt noch Freizeit? Farisa: Am Anfang der Arbeit schon noch, aber ab Oktober wurde das schon wesentlich weniger und seit Anfang November mussten unsere Freunde schon ganz schön zurückstecken. Charlotte: Aber dafür hatten wir wirklich viel Spaß mit dem JEB-Team, das einfach super nett und sympatisch ist. Deswegen war es auch kein Problem mal länger im Büro zu bleiben. Farisa: Wir machen es sehr gerne!

Und welche Highlights gab es für euch im Laufe der Organisation? Charlotte: Jede Zusage war ein riesiges Highlight. Farisa: Schüler können sehr witzige E-Mails schreiben und das ist so erfrischend diese zu lesen. Aber insgesamt auch jeder Erfolg, das ist einfach so: YES!

Und wie geht es nach der SIMEP für euch weiter? Farisa: Ich muss mir erstmal nen neuen Job suchen… Charlotte: … und ich meine Bachelorarbeit schreiben – also definitiv langweiliger als jetzt. Farisa: Ja, das trifft es. SIMEP ist natürlich in kurzer Zeit viel Action und danach wird es sich so anfühlen, dass man ins echte Leben zurück muss. Charlotte: Aber ich denke auch, dass nach der SIMEP nicht gleich unsere JEB-Zeit vorbei ist, weil man ja gerade so viele tolle Leute kennengelernt hat. Und die SIMEP gibt es in den nächsten Jahren auch wieder. Farisa: Um dazu immer auf dem aktuellsten Stand zu bleiben, könnt ihr euch jederzeit auf Facebook oder unter www.jeb-bb.de informieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Mixed results for European democracy A

s the final results came in on the 26th May from the European elections, the sigh of relief across Brussels was almost audible. For the first time since the inaugural continent-wide ballot in 1979 the turnout seemed to have stabilised, triggering a wave of cautious optimism amongst EU officials about a European democratic revival. By Christopher Henry Ruff

However, the cork was scarcely out of the champagne bottle before the celebrations were brought to a standstill. A quiet correction in August brought the figure down from 43.09  % to 42.54  %, meaning that the 2014 election will go down as the lowest turnout ever. To put this into context, the US Presidential election of 2012 attracted a turnout of 59.3  %, whereas an impressive 71.5  % of eligible German voters elected Merkel as Chancellor in 2013. The European Parliament figures are also somewhat inflated by the fact that in Belgium and Luxembourg voting is compulsory and they therefore achieved results well above the EU average. At the other end of the scale, the turnout in some of the newer member states was frankly shocking. Does the fact that only 18.2  % of Czechs and 13.05  % of Slovaks bothered to go out and vote a sign of a failing EU governance system where they don’t feel their voices are being heard, or a sign of deep-seated apathy on a national level? Whatever the cause, the numbers do not look good. Whilst it is true that all Western countries have seen their turnouts fall in recent years, the EU seems to have a particular problem in persuading the citizens that their vote really matters. The European Parliament it­ self recognised this issue, and in 2014 sought to do something about it. For the first time, before the elections each party chose a Spitzenkandidat (or two in the case of the Greens)

for the post of European Commission President. They then participated in a number of televised debates in order to push the programmes of their respective groups and bring more European issues to the attention of the wider public. In the end the European People’s Party won the most seats, and so their candidate Jean-Claude Juncker was named as President after a messy confirmation process with the national leaders. In many ways, the experiment was a success. The strategy of ‘giving Europe a face’ can broadly be seen as being an effective one – for better or for worse, Mr Juncker is already more well-known than his predecessor. The Commission – long a technocratic body with little public accountability –suddenly became a political animal. The current political pressure on Mr Juncker following revelations of tax avoidance in Luxembourg (the country he led for almost twenty years), only serves to reinforce this point. Furthermore the Parliament has greater leverage than ever before because of Juncker’s close connection to the European election process. It is thought that he was forced to make deals in various areas of legislation in order to gain the support of his political rivals in Strasbourg. And so we come to the great European democratic paradox: Despite the fact that over the last forty years the Parliament has increased its power and now plays a critical role in most areas of legislation, the number of citizens actually voting for it has simultaneously dropped to record lows. Although the answers to this conundrum are by no means clear, we can be sure that complacency is not the answer. Over the next five years it is critical that the EU finds innovative ways of reconnecting with its citizens so that they are inspired to get out and vote in 2019. Let’s make sure we look back on 2014 as the low point and that Brussels has some good news next time around.


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»Die EU ist kein Kindergeburtstag« Z

um wiederholten Mal nahm sich Rainer Wieland am ersten Advent Zeit, die SIMEP zu besuchen. Er engagiert sich für ein starkes Europa und hofft auf verstärktes Interesse junger Menschen, die die Zukunft aktiv mitgestalten wollen. Ein Interview von Caroline Hecker.

Warum ist es so wichtig junge Leute für Europapolitik zu begeistern? Besteht in diesem Bereich aktuell ein Defizit? Da es Veranstaltungen, wie die SIMEP in meiner Jugend nicht gab, bin ich heute immer ein wenig wehmütig, wenn ich als Redner eingeladen werde. Ich beneide Sie, dass Ihnen solche Möglichkeiten gegeben werden. Aber auch Debatten-Wettbewerbe sind gute Projekte, um jungen Menschen EU-Politik näher zu bringen. Gerade die SIMEP begeistert mich sehr. Als ich vor 5 Jahren zum ersten Mal hier war, stellten diese 200 jungen, politikinteressierten Menschen ein wahres Schlüsselerlebnis für mich dar. Damals war ich noch Landesvorsitzender der CDU in Baden-Württemberg und habe nach diesem Erlebnis gefordert, ein solches Event auch dort einzuführen. Außerdem beschloss ich, mir, soweit möglich, Zeit für die SIMEP zu nehmen. In meiner Jugend habe ich oft an Schüleraustauschen teilgenommen und war dadurch von Anfang an vom Thema Europa angetan. Auch als gewählter Gemeinderat wusste ich noch nicht, ob ich überhaupt noch hauptberuflich Politik machen will, aber mir war klar, wenn es dazu kommt, dann mit Europa. Ich fühle mich privilegiert, an einer Stelle arbeiten zu können, an der man das europäische Projekt unterstützen und Europa gestalten kann. Wir haben die einmalige Chance, ein Jahrhundert des Friedens zu erleben.

Was lässt Sie als Politiker optimistisch bleiben, obwohl Ihnen doch auch öfter die Hände gebunden sind?

Rainer Wieland bei seiner Rede im Bundestag (Foto: O. Freier & A. Pannicke)

Ich bin einfach generell der Meinung, dass man Politik nicht machen kann, wenn man Menschen nicht mag. Gerade diese Woche hat mich jemand gefragt, ob ich zur Zeit noch ruhig schlafen könne, obwohl wir so schwierige Entscheidungen bezüglich der Flüchtlingspolitik treffen müssen. Ich sagte ihm, dass man diese Dinge nicht an sich heranlassen darf. Wenn ich im Bett bin, dann bin ich im Bett und nicht im Parlament.

Wo sehen Sie Zukunftsprobleme der Politik? Bei der Politik sind wir an einem Scheideweg. Es wird immer schwieriger, Leute für Politik zu begeistern. Schauen Sie sich die Zahlen der Vereine, Gewerkschaften, Kirchen und auch die der Parteien an. Dort wird diese Tendenz deutlich. Aber das Engagement in die eigene Zukunft muss wieder attraktiver werden. Deshalb ist es auch so wichtig, überparteiliche Formate zu haben, auf denen die Leute ihre Meinung sagen können, ohne dass ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird. Ob man dann als politisch interessierter Ingenieur oder Lehrer durchs Leben geht oder weiter in Richtung Politik geht, das sei dann dahingestellt.

Haben Sie das Gefühl, dass die EU-Skepsis steigt? Das ist eine schwierige Frage. Ehrlich gesagt glaube ich, dass die Zahlen stimmen, die sagen, dass Deutsche noch pro-europäisch sind. Jedoch ist zu beobachten, dass die Antworten der Bürger zögerlicher werden, je detaillierter die Fragen gestellt werden. Das zeigt schon eine Unsicherheit im Volk. Da brauchen wir Akteure, jenseits der Abgeordneten, die ihre Stimme erheben und Kritikpunkte klarstellen. Nehmen Sie zum Beispiel die Staatsschuldenkrise oder die Steuerdebatte, die vor Herrn Juncker aufgebrochen ist. Diese Defizite sind auf das Versagen von Nationalstaaten zurückzuführen. Außerdem kann ich den Vorwurf des Demokratiedefizits nicht bestätigen. Wir haben in Brüssel ein von allen Europäern gewähltes Parlament und einen Kommisstionspräsidenten, der von diesem Parlament bestätigt wird. Das finden Sie in keinem Mitgliedsstaat der EU. Wenn Frau Merkel gewählt ist, dann zieht sie ihre Kabinettsliste aus der Mappe und dann hat der Bundestag überhaupt nichts mehr zu sagen.


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Lobbyismus – Macht oder Meinung? F

ür die einen das größte Defizit unserer Demokratie, für andere ein konstituierender Bestandteil dieser. „Das Europa der Lobbyisten“ wird vielerlei kritisiert. Lenard I. Schauhoff erlebt die Branche hautnah und berichtet von möglichen Gefahren, aber auch Chancen. Während die Parlamentarier in den Ländergruppen das erste Mal den Gesetzesentwurf zu sehen bekommen, bereiten sich die Lobbyisten mit fertig verfassten Pressemitteilungen, Koffern voller Argumente und jeder Menge rhetorischem Schnickschnack auf ihre Stunde vor: das Mittagessen. Hier werfen sie sich in die Meute der arglosen SIMEP-Abgeordneten und bearbeiten diese, querbeet zu jedem Thema, zu jedem Artikel. Sie reden schnell, viel und möglichst selbstsicher. Der Satz: „Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein!“, durchpflügt immer wieder die einzelnen Unterhaltungen. Am Ende der Pause kann jeder Abgeordnete den Slogan im Schlaf. Hilft denn das bei der Meinungsbildung? In einer Phase, wo die Abgeordneten grade erst anfangen selbst über die Vorschläge zu reflektieren, bombardiert der Lobbyismus mit ganzer Wortgewalt. Einem fairen Kampf gleicht das nicht, mehr einem Hinterhalt. Ein Teil der Demokratie?

Spätzle mit Geschmäckle?

Aggressive Lobbyarbeit beim Mittagessen (Fotos auf dieser Seite: Titus Lienen)

Vor mir auf dem Ledersofa, in der großen Halle, aufrecht, schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, braune Schuhe. Er wirkt smart, gewitzt, seiner Sache verschrieben. Dr. Wolfgang Spätzle ist Lobbyist für Business Europe. Bei der SIMEP ist es seine Aufgabe, die Abgeordneten von bezahlbaren Energiepreisen für die Industrie zu überzeugen. Er tut das nebenbei, beim Mittagessen. Für ihn ist das ein Prozess der Meinungsbildung. Determiniert bearbeitet er Tisch für Tisch die einzelnen Volksvertreter. Er erklärt es so: „Das wichtigste ist, einen Draht aufzubauen.“ Nicht nur seine „Partikularinteressen“ an den Mann zu bringen, sondern „das Spannungsverhältnis des Abgeordneten zu ver-

stehen“, um dann langsam, mit den richtigen Argumenten, in möglichst vielen Punkten zu überzeugen, ist das Ziel des Lobbyisten. Das sei, so Spätzle, kein Gespräch auf Augenhöhe. Der „Prozess des Beschwatzen“ geht oft in einen leeren Raum. Der Lobbyist, geschult in seiner Argumentation, trifft selten auf kompetente Gegenwehr. Ich frage ihn, ob er von den eigenen Punkten überzeugt sei, als Antwort breitet er erneut seine Argumentation vor mir aus. Eine klare Antwort kriege ich nicht. „Wenn es keine Lobbyisten gäbe, müsste die Politik sie erfinden“, meint Spätzle. Sind Lobbyisten denn zu mächtig in Europa? Natürlich nicht. Der Doktor aus Baden-Württemberg kann aber verstehen, dass dies so scheint. Wahrscheinlich, weil so wenig über Lobbyismus bekannt ist. Dabei handelt es sich nur um Interessenvertreter, bei den Politikern um bloße Adressaten. Lobbyismus ist ein notwendiger Prozess und (das unterstreicht Spätzle gestenreich) eine Stärkung der Demokratie.

Meinungsbau in unter drei Minuten

Lobbyarbeit fruchtet – zum Mittag eingeladen und mit Papieren gebrieft.

Erik Sonntag ist Abgeordneter bei der SIMEP für die S&D. Lange Haare, Bart, sitzt selbstsicher auf dem Sofa, aber nicht entspannt. Er hatte Weiter gehts auf Seite 9.


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Asyl und Migration

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»Ich bin eine überzeugte Europäerin!« F

all des Eisernen Vorhangs, plötzlicher beschleunigter Integrationsprozess in Europa, Restaurierung des EU Binnenmarktes – dies sind nur einige Punkte, die Ursula Braun-Moser in ihrer neunjährigen Karriere im Europäischen Parlament erlebt hat. Maximilian Gens hat einmal nachgefragt, warum eine gestandene Frau mit 76 Jahren noch einmal von der CDU in den Bundesvorstand der Alternative

Es waren sehr aufregende Jahre. Wir mussten den Binnenmarkt neu strukturieren. Dabei waren gerade die Liberalisierung der Telekommunikation, Post sowie des Bahn- und Luftverkehrs zentrale Themen. Ich war schon 1990 als Professorin in Stettin tätig. In dieser Zeit bin ich regelmäßig von Frankfurt a.M. nach Berlin geflogen und von dort ging es mit dem Mietwagen weiter nach Stettin.

Menschen aus ganz Europa ja noch gar nicht wussten, was das alles ist.

Angefangen mit dem Beitritt in die JEF über Ihren Sitz im EP, bis hin zum Lehrstuhl für Europäische Regionalpolitik in Stettin und die Fortsetzung Ihrer Lehrtätigkeit in Budapest – wie kam es zum Wechsel zur Alternative für Deutschland?

Ursula Braun Moser im Interview mit Maximilian Gens (Foto: O. Freier & A. Pannicke)

für Deutschland. wechselt und wie sie Europas Zukunft sieht.

Sie waren von 1984 bis 1994, mit einem Jahr Pause, für die CDU im Europäischem Parlament tätig. Von einer sehr angespannten europäischen Situation bis hin zum Mauerfall war dabei alles vertreten. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Die Polen wollten mir damals nicht glauben, dass sich Europa so entwickeln wird. Kurz danach wurde ich dann auch Professorin an der Universität Budapest. Schon vor 50 Jahren bin ich den Jungen Europäischen Föderalisten beigetreten und hatte – schon damals – eine Art SIMEP in Budapest organisiert. Der ungarische Ministerpräsident bezahlte den 500 Teilnehmern 2 Übernachtungen. Das war sehr beispielhaft, da die jungen

Die CDU hat die Reformen aus dem Auge verloren und ist zu sehr auf die politische Union und den Fiskalpakt fixiert. Ich finde es schade, wie die Menschen leiden, obwohl es doch so einfach wäre, den Euro neben nationalen Währungen als Abrechnungseinheit zu führen. Eine gemeinsame Währung ist einfach für Europa nicht richtig, wie ich schon in den 70ern in Studien belegt habe. Es werden schon ganz einfache Kriteri-


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en wie der OCA („optimal currency area“ Anm. d. Red.) verletzt. Meiner Meinung nach muss die Inflationsmentalität innerhalb einer Währung zumindest ähnlich sein, was zurzeit nicht der Fall ist. Innerhalb der EU versucht die AfD nun zu reformieren. Uns stört zum Beispiel die Kommission, die einfach Geld ausgibt und dann umlegt und den Mitgliedsstaaten diktiert, das sie mitzuzahlen haben.

Nach der erfolgreichen Europawahl hat sich die AfD ja der EKRFraktion angeschlossen, obwohl diese ja keinen guten Ruf hat. Wie kommt das? Die EKR versucht als einzige Partei Reformen anzusteuern – genauso, wie die AfD. Bis vor kurzem habe ich ja auch noch mit den Konservativen in einer Bank gesessen. Und Cameron versucht jetzt als einziger, die Kosten des Zuzugs im Interesse der dort lebenden Menschen zu minimieren. Wir haben ja hier auch das Problem mit fast 200 000 Asylanträgen im Jahr und viele, die nicht so weltoffen sind, haben das Gefühl, dass sie nur noch mit Fremden zu tun haben. Ich kann jeden Bürgermeister verstehen, der Angst vor Überfremdung hat – es stiftet einfach Unruhe. Vor allem wollen die Syrer hier bleiben und nicht wieder zurückgehen.

Und was ist der Masterplan der AfD zum Thema Asylpolitik?

Asyl und Migration Natürlich gibt es einen ganzen Pulk an Asylanten und Kriegsflüchtlingen, die müssen wir ja aufnehmen. Daneben gibt es aber auch die Zuwanderer. Diese sollten Anreize haben, sich zu integrieren und Deutsch zu lernen. Wenn sie das tun, dann sollen sie auch Sozialpunkte als Entlohnung erhalten.

Ein Zuwanderer wird also belohnt, wenn er sich integrationsbereit zeigt? Ja, weil es ja nicht anders geht.

Die EKR wird von außen oft als rechtspopulistisch verschrien… Im Vergleich zur UKIP ist die EKR ja noch gemäßigt.

… aber trotzdem ist die AfD der Fraktion beigetreten. Stimmt die Partei mit der Fraktion überein? Natürlich sucht sich eine Partei eine Fraktion, damit sie stärker vertreten ist. Beim Misstrauensvotum gegen Kommissionspräsident JeanClaude Juncker, haben wir mal mit dem Front National gestimmt. Im Europäischen Parlament sitzen aber rund 160 Parteien. Für jede Abstimmung sucht man sich also eine neue Mehrheit. Dabei verwischen die Fraktionsgrenzen für die Abgeordneten. Es geht mehr um Themen, als um Fronten.

Die EKR sieht sich als Beschützerin und Reformistin der EU von Die AfD steht für ganz klare Zuwan- 2050. Was denken Sie dazu? derungsregelungen. Sie ist für Zuwanderung von Menschen, die beruflich etwas leisten können. Dabei ist es egal, ob es niedrige oder hohe Jobs sind. Erst gestern habe ich in der Zeitung gelesen, dass wir mit 44 000 Euro rechnen müssen, die wir pro Immigrant für Sozialleistungen draufzahlen. Deswegen steht die AfD gegen Einwanderung von nicht mehr leistungsfähigen Menschen, die hier ein schönes Leben verbringen möchten.

Es gibt also gute und schlechte Asylbewerber?

Ich bin als gute Europäerin dafür, die EU zu verändern, weil sie sonst kaputt geht. Darunter verstehe ich, dass ich den jetzigen Weg nicht weitergehen kann. Noch immer ist das Europäische Parlament nicht das Zentrum der EU, sondern die Kommission. Diese darf dafür alles machen, was sie will. Ich empfinde das als undemokratisch.

Vielen Dank, Ursula Braun-Moser.

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Fortsetzung von Seite 7. mit der „Attacke“ der Lobbyisten, wie er es nennt, beim Mittagessen nicht gerechnet. Getroffen von einer Kette an Argumenten, nicht fähig, die vielen Informationen zu verarbeiten, steht er in der Schlange vor der Essensausgabe. Schnell noch ein Blatt in die Hand gedrückt und schon gleitet der Lobbyist zum nächsten in der Reihe. Meinungsbildung in unter drei Minuten. Sonntag ist „offen für alle Meinungen“ und durchaus gewillt, sie sich anzuhören. Sich jedoch ein Werturteil zu erlauben, in der kurzen Zeit, unvorbereitet, ist nicht möglich. Geschweige denn, sich ein Gegenargument auszudenken. Es fehlt die Distanz. Trotzdem bleibt etwas hängen. Argument für Argument, ohne Contra. Ein bisschen wie Gehirnwäsche. Was seine erste Assoziation mit Lobbyismus sei, frage ich. Eher schlecht. „Das meiste Geld hat auch den meisten Einfluss.“, erklärt Sonntag. Er persönlich fürchtet immer den Machtmissbrauch und der scheint ihm bei Lobbyisten vorhanden. Jedoch müssen Parlamentarier die Informationen der Interessenvertreter erhalten. Dies sei für die Demokratie essentiell.

Siegeszug des Lobbyismus? Lobbyismus ist eines der umstrittensten Gebiete der Europapolitik. Auch bei der SIMEP empfangen die Abgeordneten die Lobbyisten mit viel Skepsis. Und wahrscheinlich ist das die klügste Herangehensweise, denn eins kann man Lobbyisten nicht absprechen: ihren Erfolg. Betrachtet man z.B. die von den Fraktionen beschlossenen Änderungsanträge, so scheint die Mittagspause der fleißigen Interessenvertreter trotz allem nicht vergeudet: Die EKR wie auch die S&D folgen gleichermaßen den Empfehlungen der Verbraucherschutzorganisation Fortuna Emptoris Europaei, zum Teil sogar mit selbem Wortlaut. Und fast alle Fraktionen setzen die Vorschläge der Vereinigung der Europäischen Öko-Bäuerinnen und Öko-Bauern zumindest teilweise um. Vor diesem Hintergrund scheint es ersichtlich, dass entweder die Argumentation oder die Rhetorik der Lobbyisten unglaublich überzeugend gewesen sein muss.


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Asyl und Migration

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Willkommen auf Deutsch

Die Lichtgrenze zum 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls. (Foto: Maximilian Gens)

A

m 09. November 2014 feierte Deutschland das 25-jährige Jubiläum des Falls der Berliner Mauer 1989. Höhepunkt der zahlreichen Veranstaltungen war eine Mauer aus beleuchteten Ballons, die den Mauerverlauf kennzeichneten. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte bei der Eröffnung der Falling Walls Conference: „Der menschliche Drang nach Freiheit lässt sich nicht auf Dauer unterdrücken.“ Ein Kommentar zur Asylpolitik in Deutschland von Maria Judajewa und Lea Taube. Doch ist es nicht scheinheilig, wenn wir mit dem Mauerfall die errungene Freiheit feiern, und sobald es um die Freiheit anderer geht, eine Mauer um die Europäischen Union errichten? Derzeit sind so viele Menschen auf der Flucht, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Zahl der Asylanträge steigt stetig und die Politiker geben sich sichtlich besorgt. Aber wie genau sagt man eigentlich Willkommen auf Deutsch? Schon in

der bayrischen Asyldurchführungsverordnung vom 04.06.2002 (§7 Abs. 5) heißt es: „Die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammellagern soll die Bereitschaft zur Rückkehr ins Heimatland fördern.“

Protest gegen Zustände Auch in anderen deutschen Bundesländern bestätigt sich die Annahme, dass sich Deutschland der Verantwortung gegenüber den Fliehenden immer öfter entzieht. In Berlin besetzten bis vor kurzem Flüchtlinge – aus Protest gegen die miserablen Zustände, mit denen sie in Deutschland konfrontiert wurden – die leer stehende Gerhardt-HauptmannSchule und den Oranienplatz. Im Laufe der Auseinandersetzungen versprach der Berliner Senat den Flüchtlingen eine faire Prüfung ihrer Asylanträge und eine sichere Unterkunft, sofern sie die Schule und den Platz räumen würden. Doch das Vertrauen der Asylbewerber wurde schamlos ausgenutzt, die Versprechen wurden nicht ein-

gehalten und die Flüchtlinge auf die Straße gesetzt. Wenn dann von Politik und Presse ein Bild von der bedrohlichen Asylflut geschaffen wird, obwohl im Jahr 2013 beinahe die Hälfte aller gestellten Asylanträge abgelehnt wurden, kann man nur noch von scheinheiligem Anstacheln sprechen. Auch Bernd Lucke, Bundesvorsitzender der Partei Alternative für Deutschland, betonte, man solle doch unbedingt zur Kenntnis nehmen „dass es den Menschen Angst macht, was an Aufnahmebereitschaft von ihnen verlangt wird.“ Dass bei solchen Aussagen gezielt die Sichtweise der Menschen auf diese Problematik hin beeinflusst wird und absichtlich falsche Ängste und Abneigungen geschürt werden, ist dabei nicht immer jedem bewusst. Dennoch ist es grundfalsch, diese nicht in jedem Fall zu hinterfragen und sich selbst ein Urteil zu bilden. Denn wer soll uns noch helfen, wenn unser Land einmal in eine solche Situation geraten sollte?


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Klima und Energie

move SIMEP2 Spezial 11

Von europäischer Energie noch Lichtjahre entfernt (Foto: Stefan Franke / jugendfotos.de)

W

ir brauchen EUROPÄISCHE Lösungen für eine wirtschaftliche, sichere und saubere Energieversorgung.“ Der ehemalige EU-Energiekommissar Günther Oettinger macht in seinem Tweet aus dem letzten Jahr die Komplexität energiepolitischer Fragen deutlich. Doch ob sich die 28 Staaten bald einigen werden, steht noch in den Sternen. Von Alexander Steinfeldt.

Energiepolitik ist komplex und wird vor allem auf nationaler Ebene entschieden, aber nicht nur dort. Außerdem soll Energie, also Strom und Wärme, bestimmte Anforderungen erfüllen. Nicht zu teuer für Wirtschaft und Verbraucher darf Strom sein. Auch sind wir darauf angewiesen, dass Strom Tag und Nacht fließt – ohne Unterbrechung, und zusätzlich müssen wir verstärkt auf unsere Umwelt und das Klima achten, wenn wir unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören wollen. Wir müssen uns also auch fragen, wie sehr wir es verantworten können, weiterhin Energie aus Atomkraft und Kohle zu gewinnen. Die europäischen Staaten gehörten weltweit zu den ersten, die gehandelt haben, um bei der Energieproduktion weniger klimaschädliche Kraftwerke zu fördern. Deutschland galt mit seinem EEG, einem Gesetz, welches die Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen finanziert, als Vorbild und Spitzenreiter. Auch auf Ebene der EU hat man sich bald auf verbindliche Ziele geeinigt: Bis 2020 wollte man europaweit sowohl den CO2-Ausstoß um 20  % verringern, als auch den Anteil der Erneuerbaren Energie an der Stromproduktion wie auch die Energieeffizienz um jeweils 20  % erhöhen (jeweils ausgehend von den Werten von 1990). Auch wenn man diese Beschlüsse schon 2007 gefasst hatte und immer wieder erweiterte, musste 2013 Energiekommissar Oettinger noch ermahnen und zu europäischen Lösungen aufrufen.

Die Energiewende funktioniert nur mit europäischen Lösungen!

EU Energiepolitik: National umgesetzt Diese sind notwendig geworden, da die Umsetzung der 2020-Ziele zwar auf nationaler Ebene erfolgen muss, doch die 28 Mitgliedsstaaten eigene Vorstellungen von einer wirtschaftlichen, sicheren und sauberen Energieversorgung haben und somit teilweise die EU-Zielen missachten. In Frankreich spielen zum Beispiel Atomkraftwerke traditionell eine große Rolle und auch in Polen sowie im Baltikum will man mit Kernenergie Strom produzieren – Atomkraft stößt nämlich keine Treibhausgase aus. Ähnlich sieht es bei der Produktion mit Erdgas aus. Dies geht zwar auch mit Erneuerbaren Energien, wie Wind- und Solarenergie, diese sind jedoch teurer und unsicherer in der Produktion. Solarenergie wird eben nur dann produziert, wenn die Sonne scheint, Windenergie nur bei Wind. Eine europaweite Energiepolitik könnte einige Nachteile der Erneuerbaren Energien verringern. Ein europäischer Energiebinnenmarkt

ermöglicht den Handel mit Strom über die Ländergrenzen hinweg, kann somit Engpässe an einigen Stellen ausgleichen. Auch grenzüberschreitende Stromtrassen bzw. Seekabel helfen, den Strom dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird. Eine europäische Förderpolitik für Erneuerbare Energien wie in Deutschland kann außerdem andere Länder dazu ermuntern, mehr in Wind- und Solarkraftanlagen zu investieren. Doch von einer gemeinsamen Energiepolitik sind die EUStaaten noch weit entfernt, auch in Deutschland, einst Vorbild, wird das EEG immer wieder gestutzt und die Stromproduktion aus Kohle soll weiterhin gefördert werden. In anderen Ländern sind Maßnahmen für eine höhere Energieeffizienz und Erneuerbare Energien unbeliebt, solange sie Geld kosten. Doch es werden Investitionen und verstärkte Zusammenarbeit in der Energiepolitik notwendig werden, wenn Europa in Zukunft grüne Energie produzieren und von Energieimporten aus Russland unabhängig sein will.


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Klima und Energie

move SIMEP2 Spezial 12

»Klimapolitik macht an nationalen Grenzen nicht halt« E

ines der drei SIMEP-Themen behandelt die Klima- und Energiepolitik der EU bis 2030. Mit diesem Entwurf und den energiepolitischen Positionen von Schweden und Polen beschäftigt sich SIMEP-Redakteur Leonard Wolf.

30 % Erneuerbare Energien, das ist neben der Senkung der Treibhausgasemissionen und der Verbesserung der Energieeffizienz eine der Forderungen des Ausschusses für Umweltfragen, die bis 2030 umgesetzt werden soll. Somit ist dies eine der Nachfolgeforderungen der bis 2020 verbindlich geltenden 20 %-Ziele, welche allerdings Prognosen zufolge nicht eingehalten werden können. Dabei setzen sich die Teilnehmerländer unterschiedliche Marken, die sich aus der Betrachtung der Ausgangssituationen, des Potenzials im Bereich der nicht fossilen Brennstoffe und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zusammensetzen. Der Ausschuss erhofft sich mit der Realisierung der Energiewende mehr Wachstum und Unabhängigkeit in der Energieversorgung. Dennoch herrscht zu diesem Thema kein Konsens innerhalb der Mitgliedsländer. Dabei divergieren die bisherigen Errungenschaften der Länder stark. Zwischen Polen, welches an seiner

traditionellen Kohlekraft festhält, und Schweden, das das gewünschte Ergebnis für 2030 bereits jetzt erreicht hat, besteht ein erheblicher Unterschied. Schweden vertritt die Meinung, dass Europa bezüglich der Klimapolitik an einem Strang ziehen sollte. „Es ist nötig, dass Europa gemeinsam nachhaltige Klimapolitik betreibt”, lässt die SIMEP-Abgeordnete der S&D-Fraktion Samantha Klug verlauten. Als Vorreiter in puncto Erneuerbare Energien hat Schweden bereits 1994 erste Schritte in Richtung umweltfreundliche Klimapolitik unternommen. Sie führten beispielsweise eine CO2-Steuer ein, die zu einer immer stärker klimaneutralen Energieproduktion führte. Dem gegenüber steht Polen, das laut aktuellen Zahlen des Thinktanks Agora Energiewende etwa 90 % seiner Energie durch staatlich subventionierte Kohleverbrennung in Kraftwerken gewinnt. Dabei gibt es einen steigenden Energiebedarf, da die polnische Wirtschaft in den letzten Jahren gewachsen ist, wohingegen der Ausbau Erneuerbarer Energien stagniert. Die Angst der polnischen Politik vor solch ambitionierten Klimaschutzzielen basiert auf dem großen Anteil (Foto: Robert S. Donovan / jugendfotos.de)

Ein Ende der Kohle- und Atommeiler ist noch nicht in Sicht.

konventioneller Energieträger. Dies ist auch einer der Gründe ist, weshalb sie sich gegen eine Beschränkung der Subventionen für fossile Brennstoffe aussprechen. Die mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien verbundenen Kosten, sind einer der Gründe, weshalb sich Polen für ein gemeinsames EU-Energienetzwerk ausspricht, um die Kosten im Falle einer Energiereform auf die anderen Länder verteilen zu können. Dies entspricht der Zielempfehlung des Ausschusses, dass es neben dem Wachstum des Anteils Erneuerbarer Energien, auch ein einheitlicheres System auf Ebene des EU-Energiebinnenmarktes geben soll. Dadurch sollen nationale Förderprogramme ersetzt werden. Der Entwurf hebt dabei hervor, dass energieintensive Unternehmen von Mehrbelastungen ausgenommen sind. Der gemeinsame Energiebinnenmarkt unterstützt Schwedens Forderungen für ein gemeinsames Fortsetzen der Klimapolitik innerhalb der EU. Die in Schweden bereits existierenden Werte liegen über den ambitionierten Zielen des WWF. Dieser fordert eine Verringerung der Treibhausgasemmission um 55  % und eine Senkung des Energieverbrauchs um 40  % sowie einen Anteil der Erneuerbaren Energien von mindestens 45  %. Dies sei die einzige Möglichkeit, um „die hart errungenen Erfolge im Bereich der Energie- und Klimapolitik nicht zu verspielen” meint Herman de Germont, EU-Klimaschutzreferent des WWF. Außerdem plädiert er für verbindliche festgelegte Ziele, als einzigen Weg den Klimaschutz konsequent umzusetzen. Der Anteil Erneuerbarer Energien innerhalb der EU lag 2012 bei rund 14  %. In den letzten vier Jahren wuchs dieser Wert um sechs Prozent. Dies deutet darauf hin, dass die bisher angepeilten 20  % zu erreichen sind und ein Weiterführen des Vorhabens bis 2030, mit einer Steigerung auf 30  %, durchaus zu schaffen ist.


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Öko-Verordnung

move SIMEP2 Spezial 13

Alles Bio, oder was?

Die Erfolgsgeschichte der nachhaltigen Landwirtschaft

B

io-Kaffee in der Mensa, Öko-Karotten auf dem Wochenmarkt – und selbst Bio-Fertigpizza im Kaiser‘s nebenan. Überall wo man hinschaut, sieht man sie, die grünen Lebensmittel. Doch was steht hinter dem Aufstieg dieses sehr jungen landwirtschaftlichen Sektors und wie fand er seine Verbreitung in Europa? Von Yulia Yarina

Die Begriffe „Bio“ oder „Öko“ bezeichnen die Herstellungsart von Lebensmitteln oder anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, bei denen ein besonderes Augenmerk auf die Beibehaltung größtmöglicher Natürlichkeit gelegt wird. Künstliche Einflüsse auf die Umwelt sollen dabei vermieden werden und die Produktion, Weiterverarbeitung und Vermarktung unterliegen strengen Regeln. So spielt zum Beispiel die Erhaltung der biologischen Vielfalt und des ökologischen Gleichgewichtes, die verantwortungsvolle Nutzung von natürlichen Ressourcen und Energie wie auch die Förderung von artgerechter Haltung und Tiergesundheit eine bedeutende Rolle. Auch bestmögliche Transparenz bezüglich der Erzeugung, Verarbeitung und Herkunft der Lebensmittel stellt einen Schwerpunkt der ökologischen Landwirtschaft dar. Die Auswahl an sogenannten „Bio-Produkten“ ist heutzutage so groß wie nie. Sie reicht vom traditionellen Obst- und Gemüseangebot, Fleisch- und Milcherzeugnissen, Müsli, Brot, Kaffee und Tee, sogar bis hin zu Babynahrung und Fertiggerichten. Ihre Anfänge fand die ökologische Landwirtschaft in der sogenannten Lebensreformbewegung Europas um 1920. Diese galt als Antwort auf die zunehmende Industrialisierung und Urbanisierung der Jahrhundertwende als Gegenpol zur sog. „Unnatürlichkeit der urbanen Lebensverhältnisse“ und propagierte somit die Rückkehr zur natürlichen Lebensweise. Im Vordergrund stand damals das Umsiedeln aufs Land, die Selbstversor-

gung mit Obst und Gemüse, aber auch ein vegetarischer Lebensstil und h o c h w e r t i g e­ E r z e u g n i s s e­ durch den Verzicht auf industrielle Hilfs­mittel. Auf diesem Grundgerüst aufbauend sowie durch die in Das EU-Biosiegel den 1950ern aufblühende Schweizer „Heimatbewegung“, eine bäuerliche Organisation, die als Vorreiter der biologischen Landwirtschaft angesehen wird, entstand der organisch-biologische Landbau, der heute allgemein mit der gängigen ökologischen Landwirtschaft gleichgesetzt wird. Seitdem entwickeln sich Verfahrenstechniken, Organisation wie auch der politische und rechtliche Rahmen der Ökobranche fortlaufend weiter. Bereits 1991 erließ die EG ihre erste Verordnung zur ökologischen Landwirtschaft, welche in den Folgejahren mehrmals erneuert bzw. abgelöst wurde. EU-weit wird somit die Herstellung, die Verarbeitung, der Handel und die Einfuhr von Bio-Produkten geregelt. Dabei definiert die Verordnung bestimmte Mindeststandards für die landwirtschaftliche Erzeugung und Verarbeitung von Bioprodukten. So findet u.a. eine Beschränkung der Pflanzenschutz-, Dünge-, und Futtermittel sowie weiterer synthetischer Verarbeitungszutaten wie auch das Verbot des Einsatzes von gentechnisch veränderten Organismen, den GVOs, statt. Die Kennzeichnung von Ökolebensmitteln durch das EU-Biosiegel war zudem ein wichtiger Schritt Richtung Verbraucher- und Erzeu-

gerschutz. Einerseits wird der Schutz der Verbraucher vor Irreführungen sichergestellt, aber auch Erzeuger, Verarbeiter und Händler werden vor unlauterem Wettbewerb bewahrt. Eine erhöhte Transparenz von Erzeugungs- und Verarbeitungsprozessen steigert zusätzlich die Attraktivität von Bioprodukten für die Konsumenten. Der Erfolg der ökologischen Landwirtschaft besonders in den letzten Jahren ist nicht von der Hand zu weisen. Der Anteil der ökologisch bebauten Fläche an der gesamten Anbaufläche der EU wächst ständig, 2011 betrug er zwischen 5 und 6  %. Auch die Nachfrage an Bio-Lebensmitteln erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Laut Umfragen ist besonders die Qualität der Lebensmittel, der Umweltschutz aber auch die Sicherheit zu wissen, woher die Produkte stammen und in welcher Form und von wem sie gewonnen und verarbeitet werden, für die Verbraucher entscheidend. Der Vormarsch des Ökosektors ist durchaus nachvollziehbar und auch die näheren Zukunftsprognosen für den grünen Zweig der Landwirtschaft scheinen durchaus positiv.


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Öko-Verordnung

move SIMEP2 Spezial 14

Die SIMEP wird bio W

ie erreicht die Ökoverordnung das Vertrauen europäischer BioKunden? Von Alexandra Schubert.

Es ist der Biotrend, der die Nachfrage nach Bioprodukten immer mehr wachsen lässt. In den letzten Jahren hat sich der Markt für Bio-Erzeugnisse beinahe vervierfacht. Wie kann die EU den Handel mit Bioprodukten innerhalb und zwischen den Staaten schützen? Wie schützt die EU den Verbraucher und sein Vertrauen in Bio-Lebensmittel? Auf der SIMEP verhandeln heute die Abgeordneten eine neue Ökoverordnung. Ziele der Ökoverordnung sind sowohl die Festlegung einer EUweiten Definition von Bio und somit auch einheitliche Standards für Bioprodukte. Allgemein wird der Vorschlag der Ökoverordnung nicht als optimal angesehen. Der Verordnungsvorschlag der SIMEP sei, was den Verbraucherschutz angehe, noch nicht weitreichend genug, so der

SIMEP-Abgeordnete der ALDE für Frankreich.“Was noch wichtig ist, ist auf jeden Fall mehr Transparenz.“ „Was uns wichtig ist, ist, dass wir die Einfuhr von Biolebensmitteln aus Drittländern durch die Verordnung stärken können. Außerdem muss die Ökoverordnung für den Verbraucherschutz stehen“, so ein SIMEP-Abgeordneter der S&D.

Hat die EU die Pflicht zur Einrichtung eines Umwelt­ managementsystems? Natürlich hat sie das, doch ein auftretendes Problem entsteht aufgrund der vielen unterschiedlichen Standortfaktoren, denn die Quellen der Bio-Produkte hängen stark von Klima, Boden und der Dringlichkeit von Bewässerung und Düngung ab, die aufgrund der geografischen Lage entsprechend immer unterschiedlich hoch sind.

Sind diese Äpfel wirklich biologisch angebaut? (Foto: Michael Loeper / pixelio.de)

Eine ebenso große Rolle bei der einheitlichen Definition von Bio spielt die Frage der Kultur in den Mitgliedsstaaten. Andere Konflikte entstehen bei der Tierhaltung und der Gesundheit der Tiere. „Antibiotika sollten dem Tier nur gegeben werden, wenn ein Arzt das im Einzelfall verordnet hat“, so die Abgeordnete der Grünen für Luxemburg. In den Reihen der EVP hingegen, wird diese Idee deutlich abgelehnt. „Zu teuer“ ist eines der wichtigsten Argumente, die sie hier gegen die Meinung der Grünen nennen. Fazit ist also, dass der Entwurf zur Ökoverordnung gute Ansätze enthält, aber von einigen SIMEP-Abgeordneten appelliert wird, an manchen Stellen nachzubessern. Wo und wie, das entscheidet sich heute Abend bei den Debatten und Abstimmungen im Plenarsaal des Abgeordnetenhauses. Davon, dass die Ökoverordnung das Vertrauen der Kunden in Bioprodukte verstärkt, sind jedoch alle überzeugt.


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move SIMEP2 Spezial 15

Hinter verschlossenen Türen Informelle Verhandlungen während der SIMEP

I

nformelle Verhandlungen, ein Format der parlamentarischen Arbeit, das den meisten unbekannt gar suspekt erscheint. Für die effiziente Konsensfindung ist er jedoch unerlässlich. Lea Taube und Maria Judajewa Wir, die Reporterinnen des SIMEP-Journalisten-Teams, haben uns fünf Abgeordnete aus fünf verschiedenen Fraktionen geschnappt, um sie zu diesem Thema zu befragen. Bei informellen Verhandlungen setzen sich einzelne Sprecher aus den jeweiligen Fraktionen zusammen und tauschen sich über die verschiedenen Änderungsvorschläge aus, die vorher in den Fraktionen besprochen wurden. Dabei geht es in erster Linie darum, den anderen von seinen Ansichten zu überzeugen und gegebenenfalls Kompromisse zu schließen. Anschließend geht es dann zurück in die Fraktionen, um diese über die Ergebnisse zu informieren. Ein EVP-Abgeordneter empfand die informellen Verhandlungen als sehr locker. „Man fand sich in einer kleinen Runde zusammen und konnte so besser und schneller aufeinander eingehen“, berichtete er. Zudem seien sie sehr intensiv gewesen, da jeder mit „vollem Einsatz dabei war“, um sein Gegenüber zu überzeugen. Auch wenn man nicht allzu sehr in die Tiefe gehen konnte und sich nicht immer einig wurde, bereiteten ihm die informellen Verhandlungen eine Menge Spaß. So bekam der Abgeordnete auch eine Bestätigung für die vorher ausdiskutierten Themen und konnte erfolgreich aus der Verhandlung hervorgehen. Ganz anders verhielt es sich mit der EKR-Abgeordneten. Dies waren in den Verhandlungen nicht besonders erfolgreich, da ihre Ansichten in vielen Punkten von denen der anderen Fraktionen abwichen. So konnten die EKR, die sich eher Nationalstaaten wünscht, die unabhängig von der EU agieren, beispielsweise keinen Konsens mit der ALDE oder der EVP finden. Allerdings sei es ihnen gelungen, einen bereits verworfenen Antrag wieder einzubringen.

Letzte Absprachen vor der Abstimmung (Foto: Philip Gunkel)

Auch ein Abgeordneter der ­ LDE-­Fraktion hatte so seine ProbleA me, Anklang zu finden. Er empfand die Verhandlungen teilweise als sehr schwierig, da er auf viele Abgeordnete traf, die wenig kompromissbereit waren. Dabei kam es oft zu Meinungsverschiedenheiten. Dennoch konnte er sich in vielen Punkten größtenteils durchsetzen und so auch Diskussionen für sich entscheiden, was ihm sehr gut gefiel. Für die Abgeordnete der Grüne/ EFA-Fraktion waren die Verhandlungen oftmals sehr anstrengend und ermüdend, da es in ihrem Fall meistens darum ging, gegen die Positionen der anderen gegen zu halten und sich auch nach endlosen Diskussionen trotzdem nicht klein kriegen zu lassen. Somit konnte auch sie im Laufe der Gespräche einige Erfolge erzielen und auch selbst neue Ideen einbringen. Ganz anders als bei ihren Vorgängern verhielt es sich bei der Gesandten der KVEL/NGL-Fraktion.Sie machte sehr positive Erfahrungen. Zwar empfand die die ALDE und EKR als uneinsichtig, womit sie sich aber

später „nur selber schaden würden.“ Sie konnte bei vielen Parteien Zustimmung finden, was man ihrer Meinung nach im weiteren Verlauf der Plenarsitzungen „zu spüren bekommen würde.“ Viel mehr noch würden sie sich über ihre Erwartungen hinaus „übertreffen.“ Insgesamt sei die KVEL größtenteils mit anderen Fraktionen einig geworden. Auch die EVP hätte begriffen, dass „Menschenrechte über der Wirtschaft stehen.“ Im Großen und Ganzen konnten alle fünf Abgeordnete viele kostbare Erfahrungen sammeln und alle vorhandenen Kapazitäten ihrer Überzeugungskraft ausschöpfen. Viele der Aufgaben ermöglichten den Abgeordneten, verschiedenste Herausforderungen zu bewältigen und über sich selbst hinaus zu wachsen.


Foto: O. Freier & A. Pannicke


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