Journal der Künste 12 (DE)

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GEDÄCHTNIS DUNKELDEUTSCHLAND

Die Autorin (rechts im Bild) im Alter von 15 Jahren

FÜNF ERINNERUNGEN AUS DEM GESELLSCHAFTLICHEN UNBEWUSSTEN Katharina Warda

„Es gibt ein helles Deutschland, das sich leuchtend darstellt gegen­ Die Metapher „Dunkeldeutschland“ und die damit einhergehenden über dem Dunkeldeutschland“, erklärte der damalige Bundesprä- Abwertungen sind nie ganz aus dem kollektiven Gedächtnis versident Joachim Gauck in seiner Rede zu den Anschlägen auf das schwunden. Mit Gaucks Rede erlebten sie eine Aktualisierung, und Asylheim 2015 in Heidenau. Dunkeldeutschland, das sei das mehr noch: Ostdeutschland wird auf Rechtsextremismus statt Deutschland der Hetzer und Brandstifter, polemisierte er weiter. Tristesse reduziert und auf moralische statt ökonomischer RückDunkeldeutschland, eine alte Bezeichnung für Ostdeutschland, ständigkeit. Eine Rhetorik, die Gauck nicht erfunden hat. Vielmehr dem Gauck ein helles, lichtes Deutschland des bürgerschaftlichen bringt er in seiner Zuspitzung einen wesentlichen Erzählstrang über Engagements der alten Bundesländer gegenüberstellt. den Osten auf den Punkt. Lässt man die Polemik der Rede einmal beiseite, ist das hohe Maß an rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern tatsächlich ein gravierendes Problem, das bereits vielen Menschen das Leben kostete. Die Joachim Gauck knüpft mit dem Begriff „Dunkeldeutschland“ an eine Ausschreitungen in Hoyerswerda (1991), Rostock-Lichtenhagen lange Tradition an. Bereits vor der Wiedervereinigung kam der Begriff (1992), die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle (1994) und die in der BRD als abwertende Bezeichnung der DDR auf. Er zielte auf Hetzjagd in Guben (1999) sind nur die prominentesten unter den die spärliche Straßenbeleuchtung der Städte, ihre reklamefreien, Gewalttaten. Sie lassen sich fortführen bis in die heutige Zeit mit dunklen Nächte. Zur Wendezeit wird Dunkeldeutschland zum den rechten Gewaltausbrüchen in Heidenau (2015) und Chemnitz Schlagwort und taucht immer da auf, wo es um die „Zone“, „drüben“ (2018). Daneben stehen etliche Morde und Übergriffe, die es nie ins oder die Tristesse der ehemaligen DDR geht. 1994 wird der Begriff kollektive Gedächtnis geschafft haben. Nie erzählte Geschichten sogar Kandidat für das Unwort des Jahres, neben anderen „sprach- von alltäglicher Angst und Gewalt. Auch fehlen häufig die Stimlichen Demütigungen“ gegenüber den Menschen der neuen Bun- men derer, die direkt von rechter Gewalt betroffen sind, beim desländer. So fasst es die Süddeutsche Zeitung zusammen. Erzählen über ­Rassismus im Osten und darüber hinaus.

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