Sternstunde

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stern stunde In weiter Ferne so nah: THEMA EUROPA


redaktion

Foto: Tino Höfert

Herausgeber

Impressum Redaktionelle Leitung Helene Timm (V.i.S.d.P.), Lore Bellmann

Jugendmedienverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. Budapester Straße 7 18057 Rostock buero@jmmv.de www.jmmv.de Entstanden im Rahmen des Schülerzeitungsseminars vom 07. bis 09. März 2014 in Schwerin. Gefördert von Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern Danke an Mandy Kröppelien Europäisches Integrationszentrum Rostock e.V.

Redaktion Anna-Maria Feicke, Jette Kleindienst, Mirja von Engelhardt, Carl Rüsch, Max Seiter, Theresa Beuster, Christian Steinhäuser, Merna Dawod, Tillmann Toben, Vivien Eichhoff Layout und Bildredaktion Tino Höfert Titelbild Patrick B. alias Baldi, jugendfotos.de (CC BY-NC) Druck Auflage: 20 Stück Eigendruck, Kopierer in der Designschule Schwerin

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editorial

Grüße von den Sternkindern Hello, Bonjour, Hola, Hej und Hallo! Während Miri und Tillmann Musikspuren mixen, Max und Carl sich an den Macs vergnügen und unser Hobbyphilosoph Tino am Layout sitzt, chillt der andere Teil unserer 13-köpfigen, supergeilen Gruppe schon wieder im Hostel und Lore und Helene zerbrechen sich den Kopf, wie sie ein halbwegs vernünftiges Editorial zustande bringen. Dies ist gar nicht leicht, denn es ist dunkel, die Designschule gruselig und die Dozenten hängen in überdimensionaler Größe an der Wand. Hinzu kommt, dass wir bei Rumänien zuerst an Dracula denken und uns auch sonst Europa ganz schön das Gehirn verdreht hat. Die Sonne machte jedoch vieles wieder wett und so kam es, dass wir doch eine produktive Arbeitsstimmung erreicht haben. Jeder setzte sich persönlich mit Europa auseinander und auf diese Weise haben wir nun eine vielfältige Ausgabe unserer „Sternstunde“ mit Themen von Alltäglichem über Unerwartetem bis hin zu einer etwas anderen Sichtweise auf unseren Kontinent. Am Freitag war Mandy noch am Start und hat uns die nötigen Informationen und zusätzliche Motivation eingeflößt. Am Feuer sitzen wollten wir dann aber nicht mehr, die Zimmer waren schon kalt genug, und die Duschen nach 5 Minuten auch. Alles in allem ist‘s ganz schön supergeil hier: Die Leute sind supergeil, das Thema ist supergeil und die Location ist auch supergeil. And now we take your Schlüssel. Eure Sternkinder

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Mythos

Europäisches EntstehungsBummPeng! Text: Jette kleindienst Foto: jette kleindienst, mirja von engelhardt

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ie Ära der ewigen Mythengeschichten um die angebliche Begebenheit der Benennung Europas nach einer gleichnamigen Prinzessin hat endlich ein Ende! Nach langwierigen Nachforschungen und intensiven archäologischen Ausgrabungsarbeiten in europäischem Gebiet können wir euch jetzt die einzig wahre Wahrheit darlegen. Nichts mit einem Zeus, der sich ganz schnell, husch husch, in die oben Genannte unsterblich verguckt. Auch nichts von einer Verwandlung in einen Stier, der blumenbekranzt über das Mittelmeer schwimmt, um sich in seiner

dortigen Heimat niederzulassen. Und nein, auch nichts von einer schrecklich schönen, keuschen Prinzessin, die einfach so mit einem Fremden - in diesem Falle sogar nicht ein mal ein Mensch - mitgeht, sich von ihm verführen lässt und ihn sogar FREIWILLIG heiratet! Wo bleibt denn da

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bitte unsere heißgeliebte und vielgepriesene Emanzipation, Frauenbewegung und Eigenständigkeit des weiblichen Geschlechtes, die Gender equality, wie es so schön europäisch heißt? Nein, nein, meine Lieben. Die wahre Wahrheit, aus dem erlesensten Tropfen des edelsten Getränkes unserer Zivilisation, aus dem Weine, wie es schon die alten Römer wussten, ist folgende: In der Urgesellschaft unseres allseits geliebten Planeten gab es einen mächtigen und geldgierigen Herrscher, den wir in diesem Bericht aus Anonymitätsgründen Putinus nennen. Dieser wollte


sein Land schützen. Deshalb beschloss er, dass von nun an alle Grenzen seines Landes und auch die anderer Länder bis aufs Blut von seinen tapferen Veteranen zu verteidigt werden hätten. Da traf er plötzlich auf die vor Liebreiz strotzende Merkela, eine emanzipierte ältere Dame mit reichlich großer Kleidergröße. Diese sah den Sexappeal, der sich hinter der harten Fassade des handgreiflichen Herrschers versteckte, nahm sich ein Herz und fuhr zu ihm, um ihn mit verruchten Sprüchen von sich zu überzeugen. Nach der geglückten Tat wollte Merkela ihren neuen Gefährten

mit in die Heimat nehmen. Fast wären sie dem Seemonster Frontexus, welches zu dieser Zeit in den Ur-Weltmeeren sein Unwesen trieb, in die Fänge geraten. Doch in letzter Minute schaffte ihr selbstgezimmertes Holzfloß die Überquerung der Meerenge doch noch.

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Und zu Ehren dieses Ereignisses taufte Merkela nach dem „Eu“ in Heimat und dem „ropa“ in Roboter ihre Heimat auf „Europa“ um! Jetzt fragt ihr euch, warum in der griechischen Mythologie nichts dergleichen zu finden ist? Die Antwort ist ganz einfach: Der Urgesellschaft und insbesondere Putinus war dieser Skandal zu peinlich. Es war ihnen lieber, sich die anfangs erwähnte „ruhmvolle“ Geschichte aus dem Ärmel zu schütteln, als dass sie in ewiger Schmach vor ihren Nachkommen hätten leben müssen.


Umfrage

Da steckt Europa drin Text und umfragefotos: Carl Rüsch, Max seiter Foto: Tim Reckmann / FotoDB.de (CC BY-NC-SA)

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estimmt hast du schon von den Europawahlen gehört, die vom 22. bis zum 25. Mai 2014 stattfinden. Diese Wahlen bestimmen das Leben in den nächsten Jahren in ganz Europa, denn unser Alltag wird von tausenden Verordnungen des Europaparlaments bestimmt. Jährlich kommen ca. 2500 dazu. Jeden Morgen wachen wir mit der EU auf, merken es nur nicht. Es beginnt mit dem

Anschalten des Lichts. Seit dem 1. September 2012 dürfen nur noch Glühlampen mit einem Lichtstrom von unter 10 Watt verkauft werden, was dafür sorgt, dass immer mehr Haushalte Energiesparlampen einsetzen.

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Wer sich morgens sein Frühstück aus dem Kühlschrank holt oder etwas in der Mikrowelle warm machen will, muss ab dem 1. September 2014 bei neuen Haushaltsgeräten darauf achten, dass der Verbrauch nicht über 1.600 Watt liegt. Ab dem 1. September 2017 soll der Verbrauch sogar auf 900 Watt herabgestuft werden. Das soll nicht nur dem normalen Bürger etwas bringen. Denn würde man


umfrage einfach alles so lassen, würde sich der Stromkonsum in der EU bis 2020 verdoppeln. Auf dem Weg zur Arbeit oder Schule begegnen einem ebenfalls Vorschriften der EU. Im Straßenverkehr gibt es jede Menge Verordnungen, die auf das Europaparlament zurückzuführen sind. Dass Länder zur EU gehören, erkennt man leicht an den Sternen auf den Autokennzeichen. Weiter gibt es eine einheitliche Abgasordnung, Bestimmungen für die Lautstärke von Autos und viele weitere Verfügungen, die den Verkehr beeinflussen. Selbst der Einkauf im Supermarkt ist von der EU beeinflusst. Sie regelt auch hier genau, was auf der Verpackung stehen muss. Die EU bestimmt auch, wie das Essen auszusehen hat. Die Verord-

„Das Währungssystem umstellen.“ (Robert) nung EG Nr. 2257/94 besagt zum Beispiel, dass eine Banane mindestens 14 cm lang und 27 mm breit sein muss. Es werden aber noch viel mehr Regelungen umgesetzt, beispielsweise für Lebensmittelsicherheit. Man merkt, dass man im gesamten Alltag von der EU begleitet wird. Selbst in Kartoffelchips steckt ein bisschen EU. Hierbei regeln Verordnungen, wann auf der

„Ich würde sofort die Finanzierung ändern und mehr Asylbewerber aufnehmen.“ (Hans Günther)

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Packung „fettreduziert“ steht. „Kalorienarme“ Lebensmittel dürfen maximal 50 Kilokalorien pro 100 Gramm enthalten. Wir sind am Samstag in den Schweriner Schlossgarten gegangen und haben die Menschen gefragt, was sie verändern würden, wenn sie plötzlich der Präsident des Europäischen Parlaments wären. Ein Bürger der Stadt Schwerin sagte: „Die EU soll objektiv handeln und sich um den Schutz in allen Kreisen kümmern.“ Andere meinen, dass die EU aufhören soll, militärisch in Krisengebiete einzugreifen und mehr über Worte klären soll. Martin (29) sagt: „Eine schwere Frage. Ich würde härter gegen verschuldete Staaten vorgehen, aber ich würde niemanden aus dem Euro ausstoßen.“ Das Europaparlament repräsentiert jeden einzelnen von uns, und deshalb ist es auch wichtig zu wählen. „Handeln. Mitmachen. Bewegen.“ - mit diesem Spruch wirbt das Europaparlament.


Das Bild des Reisenden Kurzgeschichte: Christian steinhäuser Foto: philipp linstädter (jugendfotos.de, CC BY-ND)

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:00 Uhr (englische Zeit): Regen. Teegeruch. Fish ’n’ Chips. Gewissensbisse. Eine Sirene dröhnt, den Zuschauerpulk verhöhnend, aus einer Seitenstraße auf den Bahnhof St. Pancras International in London zukommend und hält nach einer spotterfüllten Minute inne. Die Menge öffnet eine schmale, von Ellenbogen gezeichnete Gasse, um den herbeieilenden, demotivierten Alltagshelden einen Blick auf die in Ohnmacht gefallene Person, im ehemals weißen Trenchcoat, zu ermöglichen. Doch bevor die Sirenenkünstler ihr Opfer erreichen konnten, hatte sich dieses, bereits in der Masse versteckend, an Bord eines Eurostarzuges geschmuggelt und seine Gewissensbisse überwunden.

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14:37 Uhr (niederländische Zeit): Kaffee. Grüner Geruch. Sonne. Matjes mit Gewürzgurken. Fernweh. Der Trenchcoatträger verlässt sichtlich erleichtert, beim letzten Glanz der blutroten Sonne, die Stadt der Sünde und spornt den frisch geborgten Sportwagen zu Höchstleistungen an. Binnen weniger Stunden erreicht die selbstinszenierende Figur die im Nachtleben torkelnde Stadt der Liebe. 00:12 Uhr (französische Zeit): Bordeaux-Wein. Crème brûlée. Champagner. Feuerwerk. Lust. Der sichtlich überforderte Kellner der Hotelbar schenkt eine letzte Runde Kurze aufs Haus aus – in der Hoffnung, die trockenen Hälse der Durstigen zu löschen und dem erlösenden Ende des Abends näher zu kommen. Sich selbst den Gelüsten des Rausches hinzugeben. Die befleckte Gestalt wankt nach dieser finalen Stärkung der Sinne, in dem einen Arm den Weinschlauch und in dem anderen ein optisch ansprechendes Flittchen haltend, auf den überteuerten, temporären Unterschlupf zu. Kurz darauf öffnet sich die schwerfällige Eichenpforte im klassizistischen Stil und der Trenchcoat fällt unerfüllt zu Boden...

11:24 Uhr (französische Zeit): Pain au Chocolat. Orangensaft. Großstadtstaub. Rastlosigkeit. Den Trenchcoat richtend, durchläuft der fragwürdige Charakter die endlosen Wartezeiten und launischen Mitarbeiter des Flughafens Charles de Gaulle. Glücklicherweise verspätet sich die erhoffte Erfüllung des Fernwehs, durch die angestauteWut-ablassenden Flughafenangestellten, nur noch minimal. Die öffentliche Zerschlagung des unangekündigten Streiks erntet reichlich Beifall im Flughafenhauptgebäude. Besonders die Kraftausdrucksliebhaber kommen bei den höchst objektiven Diskussionen der Beamten mit den Streikenden auf ihre Kosten. Obwohl die Maschine der Hauptfigur trotz des Vorfalls verspätungsfrei abhebt, überhäufen Kapitän und Crew die Passagiere mit geheuchelten Entschuldigungen und Mitleidsbekundungen auf dem Weg nach Stockholm. 18:30 Uhr (schwedische Zeit): Light Beer. Fleischklopse. Wodka. Erlebnishunger. Der Trenchcoatträger verlässt den Stockholmer Flughafen mit einem getuneten Sportmotorrad, trotz vehementer Beschwerden des Besitzers, Richtung Oslo. Auf den einsamen schwedischen Straßen erreicht die Selbsterfüllung des Wesens im Trenchcoat sein Optimum durch den Adrenalinrush des zu schnellen Motorradfahrens. An der Grenze zu Norwegen treten nun motivierte Alltagshelden in Aktion und nehmen den von Interpol gesuchten Trenchcoat in Gewahrsam. Doch der Träger wurde seitdem nicht mehr gesehen und bereist Europa auch ohne seinen Trenchcoat auf der Suche nach dem nächsten Ziel.

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Fünf-Euro-Bummel durch Europa

Text: Tillmann Toben Foto: Franziska Maxi Müller (jugendfotos.de, CC BY)

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ch packe meinen Koffer – und dann geht es auch schon los. Wohin? Das ist doch eigentlich egal, oder? Schließlich leben wir in der EU, Schwierigkeiten mit dem Bezahlen dürfte es also zumindest in der Euro-Zone nicht geben. So könnte das Ziel genauso gut Portugal wie Estland heißen. Oder Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Malta, Niederlande, Österreich, Slowakei, Slowenien, Spanien und

Zypern. Alle achtzehn Staaten bezahlen mit dem Euro. Die 2001 als Bargeld eingeführte Währung ist auch teilweise aus diesem Grund so stark und beständig, weil so viele Länder sie benutzen. Aber bekommt man auch wirklich überall alles für das gleiche Geld? Um das herauszufinden, mache ich eine kleine Reise.

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Als erstes bleibe ich in Deutschland, der Heimat, dann geht es weiter nach Frankreich, der Grande Nation nebenan, und zum Schluss kommt ein kleiner Abstecher nach Finnland, hoch oben im Norden. In jedem Land gehe ich ausgiebig bummeln – mit fünf Euro in der Tasche. Eingekauft wird in den Kategorien Eis, Schokolade, Zeitung und Brötchen. Auf geht’s! Der durchschnittliche Preis für eine Kugel Eis in Deutschland beträgt einen Euro.


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Schokolade, von der jeder von uns pro Jahr fast zehn Kilo verspeist, bekommt man hier für ungefähr dasselbe Geld. Für eine Zeitung bezahlt man dagegen schon etwas mehr, fast zwei Euro müssen dafür eingeplant werden. Beinahe schon hinterhergeschmissen werden einem aber die Brötchen. Mit 30 Cent ist die kleine Backware das günstigste Gut auf meiner Einkaufsliste. Schreiten wir also zur Tat: Für fünf Euro bekomme ich alle Sachen und habe trotzdem noch siebzig Cent übrig. Ich könnte mir aber auch ein Eis mit fünf Kugeln (Sommer), fünf Tafeln Schokolade (Depressionen), zweieinhalb Zeitungen (Wissensdurst) oder stolze sechzehn Brötchen (Heißhunger) kaufen. Also: mit fünf Euro kommt man in Deutschland nicht zu kurz. In Frankreich fange ich nochmal von vorne an. Der coupe de glace ist schon ein Schock: drei Euro für eine Kugel (hoffentlich ist die dann wenigstens groß). Auch die chocolat ist mit zwei Euro deutlich teurer. Allein die journal macht mit 1,50 Euro eine kleine Ausnahme, denn die petits pains führen die Teuerungsse-

rie mit achtzig Cent pro Stück fort. Die Bilanz: Alles zusammen kostet 7,30 Euro. Allein Eis und Schokolade schöpfen mein Budget schon vollkommen aus. Weiter geht’s nach Finnland (diesmal mit einer dicken Jacke). Denn auch beim Einkaufen sollte man sich hier warm anziehen. Das jäätelö (Eis) ist zwar mit 2,90 Euro zehn Cent günstiger als in Frankreich, kostet aber im Vergleich zu Deutschland immer noch ein Vermögen.

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Die suklaa (Schokolade) ist auch hier zwei Euro teuer. Die sanomalehti (Zeitung) reiht sich mit ein und das sämpylä (Brötchen) erreicht seinen eindeutigen Höhepunkt: ein Euro für ein Exemplar, das sind mehr als dreimal so viel wie in Deutschland. Macht zusammen 7,90 Euro, wieder viel zu viel für meinen armen Fünf-Euro-Schein, der mir auf einmal wie geschrumpft vorkommt. Da gehe ich lieber wieder zurück nach Deutschland. Diese drei Länder stehen nur stellvertretend für den gesamten Euro-Raum. Tatsächlich gibt es für Güter aller Art beträchtliche Preisschwankungen zwischen den einzelnen Ländern, das hat auch mein kleiner Test bewiesen. Aber was genau heißt das jetzt? Ist der Euro in den EU-Ländern etwa verschieden viel wert? Nein. Unsere Währung hat international einen einheitlichen Wert, der sich in etwa um die 1,3875 US-Dollar beläuft. Dass man dafür trotzdem unterschiedlich viel bekommt, hängt vor allem von unterschiedlich hohen Steuern, Produktionsund Lohnkosten, Umweltauflagen und der Nachfrage ab. Und was lerne ich daraus? Ich lasse meinen Koffer stehen, nehme die fünf Euro und gehe in Schwerin gemütlich ein Eis essen.


Ab wann ist man erwachsen? Text: mirja von engelhardt Foto: Florian schwarz (jugendfotos.de, CC BY-nc)

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n den Schulen in Europa ist ein dreigliedriges Schulsystem üblich, das eine Primärstufe und zwei Sekundarstufen beinhaltet. Deutschland ist eines der wenigen Länder, die keine Vorschule anbieten, so wie Österreich, Italien und die Niederlande. Besonders gut haben es die Eltern in Dänemark, Liechtenstein, Litauen, Norwegen, Slowakei und Portugal, hier ist die Vorschule kostenlos. Zur Schulpflicht gehört sie nirgends. Häufig sind die Vorschüler 3 bis 6 Jahre alt. Eine Ausnahme bilden Norwegen (Vorschule von Ge-

burt an), Estland und Island (ab dem zweiten Lebensjahr). Eine Gemeinsamkeit der Länder Europas ist die Schulpflicht. In Italien und den Niederlanden gibt es außerdem eine Bildungspflicht. Hier müssen die Schüler bis zu ihrem 14. bzw. 16. Lebensjahr zur Schule gehen. Jedoch besuchen sie bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auch noch eine Berufs- oder Fach-

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oberschule, wenn sie nicht auf das Gymnasium gehen. Am frühesten dürfen Schüler aus Portugal die Schule verlassen. Die Schulpflicht gilt hier für alle 6- bis 14-jährigen. Am längsten drücken die Belgier die Schulbank (von 6 bis 18 Jahre), dicht gefolgt von Estland (6 bis 17 Jahre). In allen anderen europäischen Ländern muss die Schule im Alter von 6/7 bis 15/16 Jahren besucht werden. Die Grundschule gehört in ganz Europa zur Pflicht und ist kostenlos. Meist dauert sie 4 Jahre, manchmal auch 5. Nur in Estland, Finnland und Is-


Schulsystem / kinderrechte land gehen die Schüler bis zu 9 Jahre in die primäre Schule. Eine weitere zur Schulpflicht gehörende Zeit ist die in der ersten Sekundarstufe, welche im Regelfall drei Jahre dauert. Bei uns in Deutschland wären das Haupt- oder Realschule. In anderen Ländern heißt das z. B. höhere bzw. obere Sekundarstufe oder berufsbildende Schule. Schüler, die diese Stufe bestanden haben, werden zur zweiten Sekundarstufe zugelassen. Bei uns ist das das Gymnasium. In allen Ländern Europas wird die Schullaufbahn spätestens mit dem Abitur oder einem ähnlichen, gleichwertigen Abschluss beendet. Die Schüler sind beim Erhalten des höchsten Schulabschlusses in ihrem Land zwischen 18 und 20 Jahre alt. In jedem Land ist es den Eltern aber möglich zu beantragen, dass ihre Kinder früher eingeschult werden. Dazu müssen sie einen Test bestehen, der unserem Einschulungstest ähnlich ist. Volljährig ist man mit Beenden der Schulpflicht trotzdem nicht. Junge Leute sind in Europa mit Beenden des 18. Lebensjahres volljährig. Einzig in Österreich, Luxemburg und Polen ist man schon vorher volljährig, wenn man heiratet. Ein österreichischer 16-jähriger darf auch Zigaretten und Alkohol kaufen, branntweinhaltige Getränke allerdings erst mit 18. Das gilt auch in

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde 1998 von den meisten Mitgliedsstaaten der EU unterschrieben - aber wird in der Praxis oft nur mangelhaft durchgeführt. Deutschland, wo man Zigaretten erst mit 18 kaufen darf, sowie in vielen anderen Ländern. In etwa 50% der europäischen Länder ist der Verkauf von Alkohol an Minderjährige in jeglicher Form verboten. Einzig in Griechenland gibt es keine Altersbeschränkung zum Kauf von Alkohol. Um diesen in Gaststätten zu konsumieren, muss man 17 sein. In Litauen sind die Gesetze

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zum Jugendschutz strenger, Alkohol wird an Personen unter 21 Jahren nicht verkauft. In Schweden liegt die Grenze bei 20 Jahren. Diese Altersbeschränkungen werden von Konsumenten wie Verkäufern häufig umgangen, auch wenn sie einen erheblichen Teil zum Jugendschutz beitragen. Wer sich noch schlechter als Jugendliche um seine Sicherheit alleine kümmern kann, sind Kinder. Deshalb gibt es Rechte, die Kinder in Europa genießen sollten. Sie sind in der UN–Kinderrechtskonvention festgelegt worden, unter anderem mit den Rechten auf Bildung, auf Beteiligung, auf Ernährung und auf Schutz vor körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt. Diese wurden zwar 1998 von den meisten Mitgliedstaaten unterschrieben, können aber in der Praxis oft nur mangelhaft durchgeführt werden. Aufgrund der Missstände, die in vielen europäischen Ländern herrschen, leiden etliche Minderjährige unter schwerer Arbeit sowie anderer körperlicher und seelischer Ausbeute. Ein lebendiges Beispiel dafür sind 140.000 Kinder, die in Portugal Schuhe und T-Shirts herstellen müssen. Die Zahlen der illegal arbeitenden Kinder sind zwar zurück gegangen, dennoch reichen Gesetze keinesfalls aus, um eine geregelte Kindheit zu bewirken.


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Ich bin dann mal weg! Text: theresa beuste Foto: Ana Mustar (jugendfotos.de, CC by-nc-nd)

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tudieren im Ausland gehört für einige Studierende mittlerweile zum „guten Ton“. Durch die zunehmende internationale Vernetzung werden Kontakte und Auslandserfahrungen immer wichtiger. In einigen Firmen gilt ein Auslandsaufenthalt sogar als Grundvoraussetzung für eine Einstellung, in anderen Bereichen ist sie eher das Sahnehäubchen auf dem Lebenslauf. Doch was macht einen Aufenthalt im Ausland so attraktiv? Die Umsetzung eines Auslandssemesters wird in diesen vernetzten Zeiten zunehmend einfacher. Vor allem das europäische Ausland bietet Programme zum kostengünstigen Studentenaustausch. Sicherlich spielt auch die gesellschaftliche Diversität eine wichtige Rolle. Dadurch, dass wir früh fremde Kulturen durch beispielsweise die Medien und die Gesellschaft kennenlernen, werden Barrieren abgebaut und Neugier geweckt. Unsere Autos kommen mittlerweile aus Japan, Frankreich, den USA und Italien, in jeder Stadt kann man in multikulturellen Bistros und Restaurants essen gehen. Im World Wide Web vernetzen sich Spieler verschiedenster Nationen zum friedlichen Mit- und Gegeneinander in Online-Spielen. Neue Erfahrungen und Leute locken in ferne Länder. Ein Verbleib im Ausland verlangt Selbststän-


Auslandssemester digkeit und Organisationstalent, das wird von vielen Arbeitgebern hoch geschätzt. Auch die Sprachkompetenz kann ausgebaut werden. Das eigene Studienfach wird im internationalen Vergleich kennengelernt und verglichen. Wo liegen zum Beispiel die Schwerpunkte eines Psychologie-Studiums in England? Fällt den Studierenden dort die Methodik genauso schwer? An internationalen Universitäten werden Vorlesungen teilweise auf Englisch gehalten, Sprachbarrieren sind so leichter zu überwinden. Besonders das europäische Umland eignet sich für erste Erfahrungen in der „Fremde“. Austauschprogramme der Unis erleichtern den Zugang zu verschiedenen Möglichkeiten. Allerdings hat so eine Reise nicht nur Sonnenseiten zu bieten. Ein großer Knackpunkt für viele Studenten ist die mangelnde Anerkennung von den außerhalb erbrachten Leistungen, da sich somit oftmals die Studienzeit um mindestens ein Halbjahr verlängert. Auch die Finanzierung eines solchen Auslandssemesters ist für viele nicht oder nur schwer zu bewältigen. Das Programm „Erasmus+“ der Europäischen Union soll das Netzwerk von Studenten innerhalb der EU erleichtern und die Bildung über die Grenzen hinweg ermöglichen (siehe Infobox oben rechts).

Erasmus+ ist ein Programm der europäischen Union, welches den Bildungsaustausch und die Mobilität der Universitäten über die nationalen Grenzen hinweg ermöglichen soll. Über dieses Programm wird ein Großteil des europäischen Studentenaustauschs geregelt und abgewickelt. Neben dem Austausch der Studierenden und Forschenden steht der Aufbau eines europäischen Bildungsnetzwerkes als Ziel fest. An diesem Programm sind neben den 28 Mitgliedsstaaten der EU auch weiterhin Norwegen, Liechtenstein, Island, Türkei und die Schweiz beteiligt. Betreut wird dieses Programm vom Erasmus Student Network (ESN). Es gibt Aufenthalte von 3 bis 12 Monaten. Mit inbegriffen sind bis zu 300 Euro monatlich sowie eine Befreiung von den Studiengebühren der Gasthochschule.

Weitere Möglichkeiten zur Bezahlung eines solchen Projektes finden sich beim Staat (Auslandsbafög) oder den Banken und Sparkassen (Auslands- und Studienkredite). Andere Einrichtungen bieten beispielsweise Stipendien und Förderungen an. Auch der Deutsche Akademische Auslandsdienst offeriert Studierenden (und auch Wissenschaftlern) mit guten Leistungen die Möglichkeit eines Auslandsaufenthaltes an. Das europäische Ausland hat viele interessante Städte und Hochschulen zu bieten. Wohin

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soll die Reise also gehen? Wirst du von Erasmus+ gefördert, beschränkt sich deine Auswahl auf Partneruniversitäten deiner Heimatuni. Vorteil dabei: Leistungen werden leichter anerkannt. Allerdings bist du dann in deiner Auswahl eingeschränkt. Der internationale Personaldienstleister QS hat 2012 alle Uni-Großstätte bewertet und die besten Studienorte gekürt. Auf http://www.topuniversities.com/city-rankings/2013 könnt ihr die Liste einsehen. Top-Unis im europäischen Raum finden sich zum Beispiel in Paris, London oder Zürich. Nach einer Auswertung auf studis-online.de sind die beliebtesten Länder für den europäischen Austausch Österreich, Niederlande, Großbritannien oder die Schweiz.


Europa - ein Idol? Text: Vivien eichhoff Foto: giulio piscitelli (jugendfotos.de, CC by-nc)

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uropa – bewundert wie einst die Königstochter von Zeus, stellt der Kontinent heute für viele Länder ein Vorbild dar. Niemand würde annehmen, dass die Hälfte der Bewohner dieses Erdteils zu Menschenfeindlichkeit neigt. Doch eine Studie der Uni Bielefeld aus dem Jahr 2009 beweist das Gegenteil. Könnte diese Feindlichkeit auch im Zusammenhang mit der steigenden Anzahl von Migranten stehen? Hoffnungslos, allein und hilfebedürftig. So erscheint vielen die Situation der Migranten in Europa. Aber es ist falsch, so eine Ausweglosigkeit in ihre Situation hineinzuinterpretieren. Migrant ist nicht gleich Migrant. Es ist wichtig zwischen Flüchtlingen, Binnenmigranten aus wirtschaftlich schwachen Ländern und einreisenden Fachkräften zu unterscheiden. Ihre Geschichte, ihre Behandlung durch uns und ihre Chancen bei uns sind unmöglich vergleichbar. Wenn man über Einwanderer in Europa spricht, so ist erst klarzustellen, dass jedes der EU-Mitgliedsländer ursprünglich sein eigenes Verfahren in puncto Migration und Asyl besitzt. Es gibt nicht einmal eine einheitliche Definition eines „Migranten“. Außerdem ist es schwierig, die Anzahl dieser in den einzelnen Ländern korrekt zu erfassen. In Frankreich registriert man zum Beispiel nicht alle Aus-

migrationspolitik

„Kein Mensch flieht freiwillig, kein Mensch verlässt freiwillig alles, was er liebt und besitzt, Menschen auf der Flucht sollten wir nicht nur dulden, wir sollten sie anerkennen und respektieren.“ (Claudia Roth) länder, unter anderem, weil die Menschen aus den ehemaligen Kolonien es einfacher hatten sich in das Land einbürgern zu lassen. Trotzdem wurde versucht, mithilfe von allgemeinen Richtlinien eine Grundlage für die Integration in Europa zu schaffen. Im Jahr 2012 gingen rund 300.000 Asylanträge an EUStaaten. Die reelle Zahl der Flüchtlinge dürfte um einiges höher sein. Oft beschreiten sie einen gefährlichen Weg in ihr Zielland, nicht zuletzt

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über das Mittelmeer. Sie kommen aus Drittstaaten, in denen Bürgerkrieg herrscht. Das Unglück vor Lampedusa im Oktober 2013 hat auch gezeigt, was in der europäischen Flüchtlingspolitik noch nicht funktioniert. Dazu gehören zum Beispiel die menschenunwürdigen Bedingungen bei der Aufnahme der Einwanderer. Aufgrund der Krise haben die wirtschaftlichen Kontraste in Europa stark zugenommen. Arbeitslosigkeit plagt die südeuropäischen Länder, die Osteuropäer leiden noch mehr unter Ausbeutung und den niedrigen Löhnen und eine Welle von Arbeitsmigranten kam in die Industrienationen, unter anderem auch nach Deutschland. Eurostat kündigt bis 2050 aufgrund des demografischen Wandels das Fehlen eines Drittels der Arbeitskräfte in den Industrienationen an. Wir sind darauf angewiesen, dass qualifizierte Facharbeiter den Weg in unser Land finden. Diese Tatsache scheint sehr überraschend, wenn man bedenkt, dass die Europäer den Heimatvertriebenen doch teilweise sehr menschenfeindlich gegenüberstehen. Es ist ein weiterer Beweis für die zweiflerische Akzeptanz und den fragwürdigen Umgang Europas mit seinen Migranten. Denn schließlich verlassen die Menschen ja nicht aus Spaß ihr Heimatland, sondern sind dazu gezwungen.


austauschjahr

Der Blick ins Ausland Text und foto: merna dawod

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ier ist Merna, Austauschschülerin aus Alexandria, Ägypten. Ich bin 17 Jahre alt und wohne bei einer tollen Gastfamilie in Schwerin. Aus Nordafrika nach Westeuropa hat meine Reise angefangen. Von Ägypten nach Deutschland im August 2013. Es war das erste Mal im Ausland. Ich bin eine der circa 600 Austauschschüler, die jährlich mit Youth For Understanding (YFU) für ein Austauschjahr nach Deutschland kommen. Hinter dem Wort „Deutschland“ steckt für mich noch ein anderes Wort: „Europa“. Jedes Jahr kommen mehrere Jugendliche mit verschiedenen Austauschorganisationen wie YFU, AFS und Rotary Exchange nach Europa. Es kann sein, dass sie aus Europa kommen, aber auch aus der ganzen Welt. Sechs Monate sind schon vorbei und Deutschland ist nicht mehr so fremd, weder die Sprache, noch die Kultur, noch Europa. Mein Blick auf Europa hat sich während der sechs Monate verändert. Vorher ist meine Zeit in Deutschland unvorstellbar gewesen. Wie wird es

da und wie sind die Leute? Und die typischen Austauschschüler-Fragen. Ich habe für eine relativ lange Zeit bei einer europäischen Familie gewohnt. Ich gehe zu einer europäischen Schule. Ich habe Freunde aus Deutschland, Frankreich, Estland und Ungarn, also Europa. Mein Alltagsleben hat sich dann verändert. Wie oder wann, kann ich nicht genau sagen. Mit meinem Leben hier habe ich den Einfluss der EU erlebt. Die freie Bewegung in den

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grenzfreien Ländern der EU durfte ich zum ersten Mal erleben, als meine Gastfamilie und ich nach Mallorca geflogen sind. Üblich ist das in Ägypten nicht. Die einfachen Sachen waren jeden Tag etwas Wichtiges. Die Zeit mit der Familie, Karten spielen oder einfach erzählen. Unglaublich ist es, wie viele Leute in so kurzer Zeit für einen sehr wichtig sein können. Für die anderen Austauschschüler überall in Europa ist es wahrscheinlich auch so. Und das bedeutet: Nicht jeder, der Jose heißt oder anders aussieht, ist einer der Flüchtlinge. Vielleicht ist er ein cooler Austauschschüler.


lyrik

Deutschland Text: mirja von engelhardt

Manchmal Meere, lange Straßen, hohe Berge, Menschenmassen. Treffen von Kulturministern, Erfindung von den Schultornistern. Papierkram gibt es hier sehr häufig, Politiker sind manchmal käuflich. Richtlinien sind ohne Warnung plötzlich da und ohne Tarnung. Manchmal Sonne, manchmal Schnee. Flache Länder und ein See. Auch der Euro ist uns wichtig, die EU macht Vieles richtig. Die Bevölkerung ist alt. Verbot, Verbot und Schilderwald. Es gibt Nebel, es gibt Strände, es gab ne Grenze, dann die Wende. Strandkorb und die weiße Wurst. Immer Bier gegen den Durst. Lena Landruth und die Band, das ist Deutschland, wie man‘s kennt.

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rätsel Welches Klischee gehört zu welchem Land? Schreibe die Zahlen zu jedem Land auf die Karte. (Geografie-Pluspunkte gibt‘s, wenn du auch die nationalstaatlichen Grenzen einzeichnen kannst.) 1: Politik-und Pralinenland 2: Bier- und Lederhosenland 3: Bildungs- und Selbstmordland 4: Baguette- und Liebhaberland 5: Gyros- und Weinland 6: Fish ’n‘ Chips- und Queenland 7: rothaariges Schafland 8: Pasta- und Pizzaland 9: kleines Langeweileland 10: warmes Ex-Kolonie-Land 11: Gras- und Campingland 12: Christiano-Ronaldo-Land 13: knorriges Draculaland 14: Ikea-Lindgren-Land 15: Halb-meins-halb-deins-Land


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