Jewish Museum Berlin: JMB Journal Nr. 8

Page 48

SA M M LU N G U N D M E D I E N

Sammlungen online – Sammeln und Bewahren im World Wide Web Seit November gewährt das Jüdische Museum Berlin auf seiner Website Einblick in die eigenen Sammlungsbestände. Damit sind Dokumente, Fotografien, Textilien, Objekte aus Alltags- und Kulturgeschichte oder Religion und auch Kunstwerke aus unseren Beständen für Website-Besucher zugänglich. Die Themen, mit denen das Museum sich beschäftigt, werfen vielfältige Fragen auf. Ebenso vielfältig sind auch die Objekte, mit denen wir in unserer täglichen Arbeit umgehen. Längst nicht alle Bestände des Museums sind in Ausstellungen zu sehen. Ausstellungen erzählen Geschichten, beleuchten Ereignisse und Sachverhalte. Die Exponate werden nach unterschiedlichen Gesichtspunkten ausgewählt: Wie treffend können sie eine These belegen, eine Frage aufwerfen oder einen Sachverhalt veranschaulichen? Das passendste Objekt „gewinnt“, denn der Platz ist begrenzt, Ausdauer und Aufmerksamkeit des Besuchers sind nicht unendlich – und viele andere Objekte zum gleichen Thema bleiben im Depot. Zahlreiche Objekte – seien es Fotografien, Dokumente oder Textilien – sind außerdem lichtempfindlich und können nur für kurze Zeit gezeigt werden, ohne Schaden zu nehmen. In digitaler Form und online können die Sammlungsbestände einem breiteren Publikum gezeigt werden. Der einfachste und zugleich der transparenteste Weg, dies zu tun, ist der direkte Blick in das Sammlungsinventar, das im Jüdischen Museum Berlin, wie in den meisten

Museen, in digitaler Form geführt wird. Bei der Inventarisierung geht es darum, möglichst viel – die Eigenart der Objekte und ihre Entstehung, ihre Bedeutung und ihre Geschichte – aufzubewahren. Das ist die Basis, auf die das Museum bei der Vermittlung zurückgreifen kann, wenn also Ausstellungen, multimediale Anwendungen, Workshops, Fortbildungen oder andere Projekte konzipiert werden. Doch auch online können wir nicht alles zeigen. Etwas mehr als 4.000 von unseren ca. 50.000 Objekten waren es Ende 2012. Denn jeder Datensatz muss kontrolliert werden, bevor er aus der Datenbank in die Weboberfläche gelangt. Es muss geklärt werden, ob das Museum berechtigt ist, ein Objekt online zu präsentieren; Urheber- und Persönlichkeitsrechte müssen dabei berücksichtigt werden und die zuständigen Kuratoren müssen die Objektdaten freigeben. In der Sammlungsdatenbank sind die Bestände des Museums in unterschiedlicher Tiefe erschlossen. Es gibt große Konvolute, die in sogenannten Findbüchern verzeichnet sind, die den Bestand in strukturierter Form auflisten. Daneben gibt es herausragende Einzelobjekte, die von zahlreichen Fotografien und publikationsfähigen Texten begleitet werden. Auch hier muss entschieden werden, was der Öffentlichkeit gezeigt wird und was über die Basisdaten hinaus näher erläutert werden muss. Ganz zentral hierfür ist die Anreicherung der Objektdaten mit inhaltlichen Schlagworten. Diese helfen, einen thematischen Kontext herzustellen und ganz gezielt Objekte zu bestimmten Themen zu finden. Schlagworte sind daher eine Voraussetzung für die Online-Präsentation eines Sammlungsobjekts, denn sie transportieren die Informationen, die den Zusammenhang und die Besonderheit unserer Sammlungen ausmachen. So illustriert ein Teddybär im Jüdischen Museum Berlin nicht in erster Linie die Geschichte von Kinderspielzeug, sondern vielmehr die Geschichte seiner Besitzerin, die das Plüschtier mit in die Emigration nahm. Über das Schlagwort „Emigration“ kommt

Ein Beispiel für eine Objektseite auf http://objekte.jmberlin.de. An example of an object page on http://objekte.jmberlin.de.

48

INSIDE JMB

man zu weiteren Beständen, die mit dem Thema verknüpft sind; über den „Teddybär“ zu anderen Kinderspielzeugen und über den Entstehungsort („Berlin“) zu Objekten, die diesen geografischen Bezug teilen. Der Benutzer kann selbst entscheiden, welcher Kontext oder welcher Inhalt ihn interessiert und welcher Spur er folgen will. Es entsteht ein Wissensbestand, an dem viele mitarbeiten und der in ganz unterschiedlichen Kontexten seine Bedeutung entfalten kann. Durch den Einsatz von Meta-Suchmaschinen sind diese Informationen auch über die Website des Museums hinaus verfügbar. Sie können auch von großen Suchmaschinen, die alle Webinhalte durchsuchen, gefunden werden. So kann ein Nutzer, der im World Wide Web z. B. nach einem bestimmten Bild, Ort oder Gegenstand sucht, direkt in den Online-Sammlungen des Jüdischen Museums Berlin landen, von wo aus er auch die Verknüpfung zu anderen Objekten findet. Auch für große Verbundsammlungen, z. B. im europäischen Rahmen, ist das online verfügbare digitale Objekt und sein digitales Datenblatt eine Grundvoraussetzung. Auf diese Weise werden Informationen aus unseren Sammlungen wieder in neue Kontexte eingebettet. Auch die Nutzer können an dieser Kontextualisierung und Erschließung mitwirken. In den Online-Sammlungen werden sie aufgefordert, ihr Wissen zu den Objekten mit uns zu teilen und mit den Sammlungskuratoren in einen Dialog einzutreten. http://objekte.jmberlin.de Etta Grotrian und Iris Blochel-Dittrich


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.